𝖅𝖜𝖊𝖎𝖙𝖊𝖘 𝕶𝖆𝖕𝖎𝖙𝖊𝖑
Tag der Abreise - und ein nachdenklicher Jack stand an Bord seines neu gekaperten Schiffes. Nachdenklich und alleine, jedenfalls ohne mich, so schien es ihm. Ich war nicht zur Abreise auf seinem Schiff erschienen, wie ich es ihm eigentlich abgepresst hatte, jedenfalls nicht für jedermann sichtbar. Mein Versteck befand sich unter Deck. Dort, wo sich selbst die letzte Ratte sicherlich nicht hin verirrte. Zwar war es dafür stickig und feucht vom vielen Meereswasser, aber so konnte ich unentdeckt wenigstens einen Teil der Strecke zur Isla de Muerta mitfahren.
Mit spitzen Fingern angelte ich nach einer Perle, die sich aus unverständlichen Gründen hierhin verirrt hatte. Sicher eine längst vergessene Trophäe aus Raubzügen. Wobei - die Interceptor war gar kein Piratenschiff, fiel es mir dann wieder ein. Die Interceptor, schnellstes Schiff der Flotte, war doch eigentlich gar nicht für Raubzüge gedacht und schon gar nicht für Ausflüge in solche düsteren und gefährlichen Gebiete wie die Isla de Muerta. Wenn Jack sich mal mit dem Schiff nicht verkalkuliert hatte, so wie er es immer mit dem Rum tat. Allein bei dem Gedanken, einen bis oben hin abgefüllten Jack mit schläfrigem Blick in eine leere Rumflasche lugen zu sehen, musste ich mir ein Lachen verkneifen. So gut er auch segeln, kämpfen und meutern konnte, genügend Rum für all die Suffköpfe an Bord mitzunehmen, war noch nie seine Stärke gewesen. Was würde er wohl dazu sagen, wenn plötzlich mehrere Flaschen des Vorrats unter Deck einfach leer wären? Was würde erst die Crew dazu sagen?
Erst nachdem ich meine Idee in die Tat umzusetzen begonnen hatte, indem ich eine Rumflasche nach der anderen durch die Kanonenlucken über Bord gehen ließ, begann ich mich zu fragen, wie Jack in dem ganzen Durcheinander, die Interceptor zu kapern, auch noch an wenigstens einen kleinen Vorrat an Rum zu denken. Und wieder zupfte ein Lächeln an meinen Lippen, an die ich daraufhin eine der letzten Flaschen Rum setzte, um mir selbst einen Schluck zu gönnen. Anstatt auch diese Flasche ins Meer fallen zu lassen, behielt ich sie. Zurück in meinem kleinen Versteck, stellte ich sie zu meinen wenigen Habseligkeiten, die ich mit auf das Schiff hatte schmuggeln können. Neben meinem eigenen Hut, einem Kleid, der Perle und geborgter Piratenkleidung aus einer der Kajüten der Crew stand nun auch eine noch recht volle Flasche Rum. Zufrieden mit meinen Taten heute machte ich es mir so gut wie es eben ging auf dem feucht-dreckigen Boden des Schiffes mit dem Hut unter meinen wilden Locken bequem. Binnen weniger Sekunden riss meine Müdigkeit mich in einen tiefen Schlaf.
Ein unidentifizierbares Geräusch ließ mich mit einem Mal kerzengerade auf den Planken sitzen. Müde blinzelnd und nach der Ursache des Geräusches suchend blickte ich mich um, doch nichts und niemand schien mich hier an meinem tristen Ort besuchen zu kommen. Angewidert zog ich mir eine meiner schwarzen Locken aus dem Mund. Um den modrigen Geschmack nach Dreck und abgestandenem Meereswasser entgegenzuwirken, nahm ich erst einmal einen großen Schluck aus der Flasche Rum, welche die Nacht neben meinem Kopf verbracht hatte. Dem Drang, ein lautes "Wer ist da?" zu rufen, widerstand ich nur mit Mühe. Stattdessen stand ich auf, streckte meinen schmerzenden Rücken, setzte mir meinen Hut auf und schlich auf nackten Füßen der Geräuschquelle entgegen.
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