𝕯𝖗𝖎𝖙𝖙𝖊𝖘 𝕶𝖆𝖕𝖎𝖙𝖊𝖑

Die Planken unter meinen Füßen schwankten sanft hin und her, während ich versuchte, so leise wie möglich dem seltsamen Geräusch näher zu kommen. Der Gang knickte nach rechts ab und dann sofort wieder nach links, wo ich auf eine angelehnte Tür traf. Jetzt konnte ich vermuten, was die Ursache der Geräusche war. Holzkisten schabten über den Boden. Zwischendrin vernahm ich Unmutsäußerungen eines Piraten, der scheinbar nach dem Rum suchte. Zu spät! Mit dem vergnügten sich schließlich schon längst die Fische und ich mit der letzten Flasche. Ein Lächeln zupfte an meinen Lippen. 

Neugierig wie ich war, brannte es mir regelrecht unter den Fingernägeln, die Tür aufzustoßen und einen Blick in den Raum hineinzuwerfen, um den verzweifelnden Rumsüchtigen bei seiner Suche beobachten zu können. Das Risiko, dabei von ihm gesehen zu werden, war mir dieser kleine Augenblick des Triumphs wert, als ich schließlich mit tief ins Gesicht gezogenem Hut die Tür sachte aufstieß, sodass sie ein paar Zentimeter weiter aufschwang. Dass die Angeln ein knarzendes Geräusch von sich geben könnten, hatte ich nicht bedacht, doch so kam es. 

Sofort schnellte der Blick des langsam ergrauenden Piraten hoch. Trübblaue Augen blitzen in meine Richtung. Es dauerte keine Sekunde, die er mich angesehen hatte - oder jedenfalls den Schatten, der hinter der Tür stand, was er dank dem hellen Licht hinter mir und der Dunkelheit vor mir nur sehen konnte - und schon stand ihm der Schrecken aufs wettergegerbte Gesicht geschrieben. Ungläubig, einen blinden Passagier auf der Interceptor zu erblicken, blinzelte er mehrere Male, was ich als Chance zum Verschwinden nutzte. 

"Stehen bleiben!", hallte mir eine dunkle Stimme hinterher. Der Stimme folgten Schritte. Auf leisen Sohlen nahm ich Reißaus. Kaum, dass mir der Pirat ein paar Meter gefolgt war, blieb er schon wieder stehen. "Commodore Norrigton?", hörte ich ihn fragen, während ich mich hinter einem Knick des Ganges in einer dunklen Nische verdrückten. Wieder Schritte. Diesmal nicht auf mich zu, sondern von mir weg. Er verließ das Unterdeck und stieg hinauf aufs Deck. Möglichst unauffällig folgte ich ihm auf seinem Weg direkt zu Jack. "Captain?", rief er nach ihm, als er ungelenk auf Jack zu stolperte. 

"Gibbs?", fragte Jack zurück und wand sich vom Anblick des Meeres ab und seinem Crewmitglied zu. Doch nicht nur er drehte sich um, auch der Mann, der letztens schon bei ihm gewesen war, sah nun in Gibbs Richtung. "Was gibt's?", fügte Jack mit einem verschmitzten Grinsen auf dem Gesicht hinzu. Auch mir zauberte sein Wortspiel ein Lächeln aufs Gesicht, während Gibbs hingegen genervt mit den Augen rollte. 

"Unter Deck - Commodore Norrigton", brachte Gibbs außer Atem von seinem Sprint hier rauf hervor.

"Norrigton?", fragten Jack und der Mann neben ihm wie aus einem Mund. 

"Ai", nickte Gibbs. "Er treibt unter Deck sein Unwesen. Alle Rumflaschen sind bereits Fischfutter geworden." Spätestens nach diesem Satz hatte er Jacks volle Aufmerksamkeit. Seine braunen Augen blickten erschrocken auf. 

"Fischfutter", wiederholte er scheinbar nachdenklich. "Ich denke nicht, dass Fische großen Gefallen an Rum finden." Fische vielleicht nicht, aber du mehr als jeder andere auf dieser Welt, schoss es mir durch den Kopf. Am liebsten hätte ich es laut ausgesprochen und mein Versteck aufgegeben. Ein guter Auftritt wäre es sicher gewesen, aber so müsste ich mich schließlich auch dem seltsamen Mann zeigen, der viel zu sehr nach Landratte aussah, und Gibbs. Gerade jetzt, wo ich Gefallen daran gefunden hatte, zumindest Gibbs einen Schrecken einzujagen. "Das muss ich selbst sehen", entschied Jack, drückte Gibbs das Steuerrad und einen Kompass in die Hand und wollte sich auf den Weg unter Deck machen. 

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