·sunglasses man·

Penelope setzte mich vor dem Haupteingang des Flughafens ab. Ich verabschiedete mich noch ein letztes Mal von ihr, wischte mir die eine oder andere Träne weg und nahm mein Gepäck aus dem Kofferraum. Es gab nur wenig, was ich mitgenommen hatte. Einige Klamotten im Koffer, ein Paar Andenken von meinen Eltern sowie Fotos von Pen, Saphira und mir im Handgepäck, das war alles was mir wichtig gewesen war.

Ich lief durch die große Eingangshalle hin zur Anzeigetafel und suchte nach meinem Flug. „Denver – Tokio... Abflug 14:55 Uhr.", murmelte ich und suchte nach dem Wegweiser zum angegebenen Gate 4. Ich stellte mich an den Automaten, an dem man sein Online-Flugticket ausdrucken konnte und tat genau das. Mit dem Ticket in der Hand lief ich anschließend zur Gepäckabgabe. Ich hatte noch etwa eine dreiviertel Stunde bis mein Flug gehen würde, also durchlief ich ohne weitere Probleme die Sicherheitskontrolle, ganz im Gegensatz zu dem Mann mit dem Kind neben mir, der sich beschwerte, dass er seine Sonnenbrille abnehmen sollte wenn sie doch aus Plastik sei, den ich aber nicht weiter beachtete. Mich suchend umsehend griff ich nach meinem Hangepäck in der Tasche, in der auch das Geld gesteckt hatte, die vor mir aus dem Röntgen kam und bewegte mich in die Richtung des Schildes Gate 1-4. Auf dem Weg machte ich kurz bei einem Kiosk halt, um mir noch Proviant für den Flug zu holen. Ich würde zwar vermutlich in erster Linie schlafen, aber etwas zu Essen und zu Trinken für die doch etwas längere Flugzeit würde wohl auch nicht schaden. Eine der Zeitungen zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Auf ihr leuchtete mir der strahlend rote Titel "Suche nach Serienkiller nun auf zehn weitere Staaten ausgeweitet" entgegen. Verständnislos schüttelte ich den Kopf. Vermutlich war er doch schon längst auf einem vollkommen anderen Kontinent. Der Statistik nach flüchteten die meisten nach Europa, einige auch nach Australien.

Nachdem Eiskaffee, Wasser, Zimtschnecke und Sandwiches abkassiert worden waren setzte ich mich möglichst nah an den Einlass von Gate 4. Ich stach den Strohhalm durch das vorgeritzte Loch im Becher meines Eiskaffees und blickte nachdenklich durch die riesigen Fenster der Abflughalle auf die vielen Flieger, von denen mich einer gleich so viel näher an meinen Traum heranbringen würde. Ein Lächeln stahl sich über meine Lippen. Mein Eltern hätten gewollt, dass aus mir etwas wird, jetzt hatte ich endlich die Möglichkeit mir ein neues Leben aufzubauen und etwas aus mir zu machen, etwas, jemand wirklich... Bedeutendes. Mir ging es nicht darum in Büchern erwähnt oder von der breiten Masse gekannt zu werden, mir war es wichtig etwas zu bewirken. Ich würde eine Privatdetektei eröffnen und denen helfen, die sonst keine Hilfe bekommen würden. Es war überall das selbe: Wurden die Reichen überfallen oder ermordet waren die Zeitungen und Nachrichten voll davon, doch niemand kümmerte sich um die Unterschicht. Wir wurden von der Polizei vertröstet wenn uns etwas fehlte, verschwand jemand würde die Suche nach zwei Wochen eingestellt werden und keine große Zeitung der Welt interessierte es wenn in einer heruntergekommenen Sozialwohnung eine blutüberströmte Leiche gefunden wurde. Es war nichts Beachtenswertes für unsere Gesellschaft, wenn der Abschaum, dem sie täglich auf der Straße herabwertende Blicke zuwarf, einfach nicht mehr exestierte. Ich wollte eben diesen Leuten das Gefühl zurückgeben, dass sie auch gesehen werden. Dass sie auch nur Menschen waren, Menschen mit Kindern, die täglich überall auf der Welt verschleppt wurden, Menschen, deren Liebsten ein Recht darauf hatten gerächt zu werden.

Lautes Gemecker in der Sitzreihe mir gegenüber riss mich aus meinen Gedanken. "...aber du hast gesagt, du kaufst mir bevor wir fliegen noch eine Zimtschnecke!" Der Junge mit dem Mann und seiner Sonnenbrille von vorhin an der Sicherheitskontrolle hatte seine Arme verschränkt und eine oscarreife Schmolllippe gezogen. Der Mann schnaubte genervt. "Vince, ich habe gesagt ich kaufe dir eine wenn wir da schnell durchkommen. Wenn wir jetzt nochmal zum Kiosk gehen sind wir die letzten die reinkommen.", raunte er ihm zu. Er erinnerte mich ein wenig an jemanden, aber mir viel einfach nicht ein an wen. Die Sonnenbrille bedeckte immer noch oder wieder seine Augenregion, aber seine Gesichtszüge waren auffällig hübsch und markant, absolut einprägsam. Die Augenbrauen hatte er genervt heruntergezogen, doch selbst das ließ ihn gut aussehen.

Der kleine Junge fing an motzig zu schniefen. "So 'n Mist aber auch." Ich musste mir ein kleines Grinsen verkneifen. Er sah einfach so süß aus wie er da saß. Zögerlich griff ich in meiner Tasche nach der Zimtschnecke, die ich mir bei dem Kiosk geholt hatte, und begeute mich zu dem Jungen rüber. "Hey." Lächelnd hielt ich ihm die Papiertüte hin. Seine Augen wurden groß und er fing an zu strahlen, während er nach ihr griff. Ich wandte mich an den Mann neben ihm. "Ich hoffe das ist in Ordnung, er war nicht zu überhören und ich habe mir genug mitgenommen." Er drehte langsam den Kopf zu mir. "Hm?" Ich deutete auf die Zimtschnecke. "Oh, das ist... nett. Vielen Dank, er hätte mir vermutlich noch den ganzen Flug über damit in den Ohren gelegen. Sag der netten Frau Danke, Haru." Er stieß den kleinen Jungen leicht mit dem Ellbogen an, der daraufhin mit vollem Mund wieder zu mir hoch sah. "Damke.", nuschelte er durch die Zimtschnecke hindurch und konzentrierte sich wieder auf das Gebäck in seiner Hand. "Gerngeschehen." Lächelnd lehnte ich mich zurück in meinen Sitz. Unsicher räusperte ich mich. "Entschuldigen Sie bitte die Frage, aber kennen wir uns vielleicht irgendwo her? Sie kommen mir so merkwürdig bekannt vor." Augenblicklich senkte er den Kopf. "Nein, ich denke nicht, tut mir leid." Schade. Er sah wirklich gut aus. Ich nickte leicht.

Die Lautsprecher verkündeten nur wenige Sekunden später, dass das Boarding für den Flug nach Tokio nun beginnen würde. Aus irgendeinem Grund war ich vollkommen gelassen, und das obwohl ich noch nie geflogen war. Ich war nicht einmal aufgeregt wie es sein würde dort anzukommen, es fühlte sich eher so an, als würde ich nach Hause fliegen. Dort hin, wo ich hingehörte. 

Der Mann und der Junge stellten sich etwas weiter hinter mir in die Schlange, die sich langsam aber stetig verringerte. "Miss, dürfte ich bitte Ihr Ticket sehen?" Ich wandte den Blick von den Leuten in der Schlange hinter mir ab und sah geistesabwesend durch die Stewardess hindurch. "Was? Achso, ja, natürlich." Hastig zog ich das Ticket aus meiner Jackentasche, reichte es ihr lächelnd und wurde anschließend durchgewunken. Der Gang durch die Boarding Bridge kam mir endlos vor, bis ich schließlich das Flugzeug erreichte und von zwei netten, japanischen Stewardessen auf deren Landessprache begrüßt wurde. Ich suchte nach dem Platz 25 E und fand ihn auch schon nach ein oder zwei Minuten. Von dort aus sah ich, wie die beiden von den Sitzen gegenüber gerade einstiegen und sich ebenfalls suchend umsahen. Der Mann mit der Sonnenbrille lief mit dem Jungen an der Hand schnurstracks an mir vorbei ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Leicht enttäuscht senkte ich den Kopf und stellte meine Tasche neben mir auf den Sitz zum Gang hin. Ein Stück weiter hinten konnte ich hören, wie auch er seinen Platz gefunden hatte und dem Kind nun sagte, dass es sich endlich setzen sollte.

Ich lehnte mich zurück. Endlich würde ich nach Hause kommen.

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