☂ ᵉˢ ᶻᵉʳᶠʳᶤˢˢᵗ ᵐᶤᶜʰ ᶤᶰᶰᵉʳˡᶤᶜʰ

☂ taehyung

Eigentlich schien die Sonne für diesen frühen September noch prall am Himmel. Ihre Strahlen funkelten zwischen den vergehenden Stunden immer wieder durch die hellen Wolken durch, wodurch sich mein Zimmer abwechselnd verdunkelte und erhellte. Heute arbeitete ich nicht, beziehungsweise gab ich Hyunjin die Bitte auf, den Laden für mich an diesen Sonntag zu übernehmen. Schließlich hatte ich weder die Kapazitäten noch die Nerven, um überhaupt etwas auf die Reihe zu kriegen.

Es fing heute morgen mit meiner starken Übelkeit an, die aus der mentalen Erschöpfung und Daueranspannung resultierte. Anschließend folgten Kopfschmerzen und eine moderate Weinerlichkeit, die mich über den ganzen Tag bis zum jetzigen Punkt noch begleitete.

Jungkook.
Jeon Jungkook.

Niemals hätte ich gedacht, dass ich diesen Namen einmal wieder hören werde. Und auch wenn ich mir eigentlich schon gewünscht hätte, mich eines Tages bei diesen Jungen zu entschuldigen, hätte ich trotzdem niemals gedacht, dass dieser Tag real werden könnte. Mir wurde wieder übel, als sich Erinnerungen und Szenen aus der Mittelstufe in meinem Kopf abspielten.

Es war vorallem das unschuldige, fröhliche Lächeln des psychisch beeinträchtigten Jungen, welches von uns allen täglich zerstört wurde. Jeden Tag auf das Neue. Und jeden Tag erschien er mit neuer Energie und einem neuen, breiten Lächeln in der Schule.
Jungkook fiel letztlich durch für sein Alter doch sehr kindliches Verhalten auf, was man uns damit erklärte, dass er einfach anders entwickelt war.

Niemals hätten weder die anderen noch ich früher gedacht, dass dieses Verhalten davon kommt, weil er zuhause keine Eltern hatte, die sich um ihn kümmerten. Denn dies erfuhr ich erst jetzt, mit 20 Jahren, von diesem Jungen aus der Psychiatrie, der mir davon vor einpaar Tagen bei unserem Treffen erzählte!

Und dieser Junge war zufälligerweise DER Jeon Jungkook!

Übelkeit. Ich musste mich wieder hinsetzen, um mich unter Kontrolle zu halten. Somit ließ ich mich auf die Couch nieder und legte meinen Kopf auf die Lehne ab. Ich schloss meine Augen, was eine miese Idee war, weil ich dadurch das Gefühl hatte, die Bilder wären umso präsenter in meinem Kopf. Somit riss ich mit deutlichen Schlafmangel meine Augen wieder auf und blickte in das grelle Licht der Lampe hinein.

Das war so surreal, so verstörend. Dann fing er plötzlich darüber an zu erzählen, dass er in einen Jungen verliebt war, der der letzte Kicker für seine Einweisung in die Psychiatrie wegen Mobbing war, und dieser Junge war natürlich ich!

,,Ich habe einen Menschen, grundsätzlich ein im Kopf noch Kind, in die Psychiatrie gemobbt.",hauchte ich die brutale Wahrheit in einem hohlen, heiseren Ton raus, während ich kraftlos in die Leere schaute und diese Worte sacken ließ. Seit Tagen versuchte ich zu realisieren, dass ich tatsächlich ein 1A-Mobber war. Natürlich wusste ich bereits, dass ich als Jugendlicher ein asoziales Wesen war. Trotzallem hatte ich es erfolgreich verdrängt gehabt.

Der Tag, wo wir alle im Klassenraum mitgeteilt bekamen, dass Jungkook nicht mehr in die Schule kommen würde...
Er sei ,,an einem besseren Ort".
Lieber Gott, ich dachte wirklich, er sei tot!!! Dieser Gedanke hat mich damals schon für Monate fertig gemacht, auch wenn ich dies niemandem zeigte. Heutzutage erfuhr ich dann, dass dieser Junge der Nietzsche-liebhabende Crush von mir war!

,,Ich halte das solangsam nicht mehr aus.",wisperte ich mir selber zu, sobald sich tausende Bilder in meinem Kopf anstauten und dazu drohten, mich gleich in einem Nervenzusammenbruch zu stürzen.

Die Bilder von damals, die Bilder von dem heutigen Jungkook mit den vernarbten Armen, dem verwundeten Hals, den aufgekratzten Fingern und den kahlen Kopfstellen. Sein damaliges, lebenslustiges Lachen, welches in den Schulpausen öfters ertönte. Seine tristen, misstrauischen Augen, als ich ihn zum ersten Mal in der Nacht auf der Station fand.

Er hatte eine krasse Entwicklung gemacht.

Was wäre, wenn er es aus der geschlossenen Station nicht geschafft hätte? Wenn er immernoch akut suizidal wäre? Wenn er es geschafft hätte, sich umzubringen, denn viele Versuche hatte er schon hinter sich...

Mir blieb die Galle im Rachen stecken bei dem Gedanken, dass ein Mensch sich zum Teil auch wegen meiner Mobbingaktion hätte umbringen können. Ich verzog meine Augenbrauen beanstrengt und atmete schwer aus, zumal ich die letzten Wochen in diesem Zustand verbrachte.

Ich brachte keinen Mut auf, zur Klinik zu fahren und mit ihm zu sprechen. Dabei wusste ich, dass er selbst ziemlich verwundert war bei unserem letzten Abschied. Er machte sich bestimmt Gedanken. Dennoch fand ich einfach keinen Mut. Ich hatte das Gefühl, dass ich seine Verzeihung nicht verdiente. Ich musste mich durchfoltern durch meine Schuldgefühlen und den daraus resultierenden Selbsthass. Anders hatte ich es eben nicht verdient.

All die Jahre, wo er nun litt, bis heute, war er allein auf sich gestellt. Wieder fing ich an zu weinen, als ich erinnerte, wie er mir davon erzählte, ganz einsam und verängstigt bei seiner Einweisung gewesen zu sein, weil er eben niemand hatte, der für ihn da war, ihm das Gefühl gab, er sei geliebt oder wenigstens nicht allein.

Gottverdammt, er war erst 14 Jahre alt!

Ich konnte während meines Schluchzens nicht in Worte fassen, was für eine immense Schuld und Last ich auf meinen Schultern trug. Denn ich hatte eine Tat begangen, die nie mehr rückgängig gemacht werden oder die man mit einem ,,Entschuldigung!" Wieder gut machen konnte.

Ich hatte mit dazu beigetragen, dass die Jugend dieses Menschens zerstört wurde. Dass sein ganzes Leben für immer von diesen Erinnerungen beeinflusst sein würde.

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Irgendwie hatte ich heute voll den anstrengenden Tag, und der Gedanke, dass es morgen genauso anstrengend wieder wird, ist nicht gerade motivierend... xD

Ich hoffe, dir geht es gut!

- Eleja ♡

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