Projekt I.R.O.N
Es war fünf Monate her und ich war noch immer nicht darüber hinweg gekommen, natürlich nicht. Wenn irgedwem das passiert wäre, was mir passiert ist, wäre derjenige auch nicht darüber hinweg gekommen, denke ich. Er war die wichtigste Person in meinem Leben gewesen, der Einzige dem ich immer alles erzählen konnte, der einzige der immer für mich da war.
Ich hatte ihn geliebt, mehr als alles andere auf der Welt und genau er wurde mir genommen. Es war nicht fair.
Und jetzt saß ich da, das Bild von ihm und mir in den Händen und mit Tränen in den Augen, die langsam begonnen meine Wangen hinunterzufließen. Ich wischte sie weg, aber es brachte nichts, es flossen immer mehr nach und ich konnte nicht mehr aufhören zu weinen, jetzt wo ich einmal angefangen hatte.
Ich zitterte. Seit dem Tod meines Vaters hatte ich immer wieder Panikattacken und Emotionsausbrüche und keine Therapie hatte bis jetzt geholfen. Ich war bei vielen Psychologen gewesen, hatte mit ihnen geredet, ihnen zugehört und trotzdem fühlte es sich so an als könnte ich nie wieder glücklich sein. Jeden Tag, jede Sekunde konnte ich nur an ihn denken. Meine Noten in der Schule waren drastisch gesunken und ich konnte mich nicht einmal auf meine Lieblingsfächer, Mathe, Physik, Astronomie und Informatik, konzentrieren, die auch gleichzeitig meine Hobbys waren. Meine Welt war nur noch schwarz weiß und ich würde alles, wirklich alles dafür geben, meinen Vater davon abhalten könnte vor fünf Monaten in dieses Auto zu steigen und los zu fahren. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich jemanden meinen Namen rufen hörte.
"Dani!" klang die Stimme meiner Stiefmutter Sylvia herauf, Sylvia war wie eine echte Mutter für mich, sie kümmerte sich um mich und war ganz und gar nicht so eine böse Hexe wie zum Beispiel die Stiefmutter aus Cinderella. Ich konnte sagen, dass sie wie eine echte Mutter für mich war, weil ich mich nicht mehr an meine leibliche Mutter erinnern konnte. Sie starb nur wenige Monate nach meiner Geburt an einem Tumor, doch ich hatte mir immer Bilder von meinem Vater und ihr angesehen und es gab sogar noch ein Foto von ihr und mir, sie war hübsch gewesen und von Dad wusste ich, dass sie sich genauso für das All interessiert hatte wie ich. Jetzt brachte ich es nicht mehr übers Herz mir diese Bilder anzusehen. Als ich drei Jahre alt war lernte mein Vater dann Sylvia kennen und heiratete sie zwei Jahre darauf. Sie behandelte mich immer, als wäre ich ihre echte Tochter und ich war ihr unendlich dankbar dafür, das einzige wofür sie noch nie Verständnis gehabt hatte, war meine und Dads Liebe zur Technologie.
Ich konnte mich nicht rühren, obwohl ich sie gehört hatte, ich konnte nicht antworten, blieb nur am Boden sitzen und starrte das Foto in meinen Händen an, es war das letzte Bild, dass von uns aufgenommen wurde und es zeigte uns beide, wie wir in voller Ausrüstung da standen, er einen Lötkolben und ich eine Pinzette in der Hand, vor uns der noch nicht fertige "Iron man" Handschuh, den wir zusammen bauten. Er war unser größest Projekt bis jetzt gewesen, aber er wurde nie fertig gestellt.
Ich hörte ihre Schritte die Treppen zu meiner Zimmertür hochkommen. Bewegen wollte oder konnte ich mich noch immer nicht, ich blieb einfach sitzen und wartete darauf, dass sie hinein kam. Ich hörte das leise klicken meiner Tür und blickte auf, Sylvia öffnete die Tür langsam, sie war schön wie immer, das einzige, das verriet, dass sie auch noch immer trauerte, waren die Ringe unter ihren Augen, die sie um einige Jahre älter wirken ließen, doch wenn man nicht darauf achtete, konnte man nur neidisch auf ihre schlanke Figur, ihre schwarzen Locken und ihre strahlend blauen Augen sein. Sie ging auf mich zu und kniete sich vor mich auf den Boden. Ich konnte es nicht unterdrücken und schluchzte. Sie sah mich mitleidig an und hielt mir ein Taschentuch hin. Dankbar nahm ich es an und strich mir dann eine Strähne meiner kurzen, braunen Haare aus dem Gesicht.
"Was gibt's?" fragte ich leise. Ihr Blick schien in mich hinein zu dringen, so als könnte sie in meine Seele blicken. "Ich wollte dir nur alles gute zum Geburtstag wünschen, Daniela." sagte sie zögerlich. Verwundert sah ich auf, es war doch nicht etwa? Ich starrte sie an. Wie hatte ich nur meinen eigenen Geburtstag vergessen können? Normalerweise hatte ich mich immer schon Wochen davor darauf gefreut. Mein Vater hatte sich wirklich immer die größte Mühe gegeben meinen Geburtstag zu dem schönsten Tag des Jahres zu machen. Auch wenn wir nicht besonders reich waren, dekorierte er immer das Haus und lud meine Großeltern, meine Tante und meinen besten Freund Tyler ein. Allerdings hatte ich seit dem Tod meines Vaters, oder besser gesagt seit der Beerdigung es nicht mehr übers Herz gebracht ihn anzuschreiben.
Das war mein erster Geburtstag ohne meinen Vater, und es fühlte sich schrecklich an. Langsam nickte ich und murmelte: "Danke, aber mir ist nicht nach feiern zumute." Ich blickte auf, Sylvia nickte verständnisvoll. "Das dachte ich mir." sagte sie und seufzte.
"Trotzdem habe ich ein Geschenk für dich", sie zögerte "Es ist von deinem Vater." Ich hielt den Atem an, von meinem Vater? Sylvia lächelte mich an und ich wusste nicht wie ich reagieren sollte, mein Herz begann zu rasen und das einzige was ich wollte war sein Geschenk zu bekommen, ich wollte, dass er kam und sagte es war alles nur ein Spaß, dass er doch nicht tot war, ich wollte, dass er mein Geschenk war, doch ich wusste, dass es nicht er sein würde.
"Wirklich?" war das einzige, das mir einfiel. Sie lächelte noch immer, trotzdem konnte ich sehen wie traurig sie war. Sie holte eine kleine Schachtel aus ihrer Westentasche und gab sie mir. Ich sah sie an, es war eine unauffällige kleine schwarze Schachtel auf der in goldenen Buchstaben "Für Dani" daraufstand. Mein Herz fing an schneller zu schlagen und ich war gespannt was darin sein würde. Sylvia sah mich ermutigend and und langsam mit zitternden Händen öffnete ich die Schachtel.
Ich legte den Deckel neben mich und sah, was mein Vater mir hinterlassen hatte. Es war ein USB Stick, ein ganz schlichter USB Stick, an dem man überhaupt nichts besonderes entdecken konnte. Ich versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, ich hatte mit einer besonderen Kette gerechnet, die ich immer tragen konnte um meinen Vater bei mir zu haben, oder mit einem anderen Schmuckstück, aber mit einem USB Stick hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Sylvia sah mich mit einem traurigen Blick an und sagte dann: "Es geht doch darum was darauf ist, nicht?"
Ich wusste, dass sie Recht hatte, was auch immer mein Vater auf diesen USB Stick gespielt hatte, er wollte, dass ich es sah. Sylvia stand wieder auf "Ich lasse es dich allein anschauen, wenn du willst." Ich nickte, so sehr ich sie auch mochte, das wollte ich jetzt allein tun. Sylvia ging aus meinem Zimmer und die Treppen wieder runter.
Ich atmete schnell, war aufgeregter als jemals bevor in meinem Leben und ich schaltete meinen Computer an. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor bis er endlich raufgefahren war. Ich hatte ihn seit mein Vater gestorben war nur ein paar mal angeschaltet, deswegen musste er auch noch Updates machen und ich hätte ihn am liebsten geschlagen vor Spannung.
Als es endlich so weit war und ich den USB Stick angesteckt hatte, lud eine Seite, es war eine Datei. Plötzlich tauchten Buchstaben auf und vor mir war so etwas wie ein Brief. Stumm fing ich an zu lesen.
Meine Liebe Dani,
Ich hoffe es geht dir gut... Ich weiß, dass du so schlau bist um dir zu denken, wenn ich bei einem Autounfall gestorben bin, wieso konnte ich dir, dann ein Geschenk hinterlassen? Nun, vielleicht macht dich das noch trauriger, aber es war gar kein Unfall. Ich wusste schon, dass ich höchstwahrscheinlich sterben würde.
Ich schnappte nach Luft, er hatte es gewusst? Aber wie? Gespannt las ich weiter.
Auf diesem USB Stick befindet sich mein komplettes Wissen und mein größtes Projekt, dass ich, wenn du das hier liest, leider nie fertigstellen konnte. Es gibt da so eine Organisation namens Python, sie haben meine Arbeit ausspioniert und wollten meine Daten stehlen. Sie haben mir gedroht, dich zu verletzen wenn sie meine Pläne nicht bekommen würden. Aber ich wusste, dass diese Pläne, wenn sie in falsche Hände geraten, das Ende für uns alle bedeuten würde. Also musste ich mich entscheiden und ich denke, ich habe das richtige getan. Ich habe eingewilligt ihnen die Daten zu geben, allerdings habe ich einen Fehler eingebaut, so dass sie ihnen nichts nützen werden, ich hoffe nur sie bemerken es nicht. Dies hier schreibe ich, kurz bevor ich ins Auto steige und los fahre, wenn ich nicht zurück komme, weißt du, dass sie die falschen Pläne haben und mich dann umgebracht haben. Bitte beende mein Projekt für mich, ich weiß du kannst das. Bleib stark und gib immer dein bestes.
Ich hab dich lieb, Dad.
Tränen kullerten meine Wangen hinunter, mein Gehirn musste das alles erst verarbeiten. Wieso hatte er mir nichts erzählt? Auch wenn ich in Gefahr gewesen wäre, ich hätte ihm helfen können, er hätte es geschafft. Sein größtes Projekt? Wie sollte ich es beenden, wenn ich nicht einmal wusste was es war? Ich überflog den Brief nochmal nach irgendwelchen Hinweisen, doch als ich keine finden konnte, schloss ich schweren Herzens das Tab.
Zu meiner Verwunderung öffnete sich ein zweites, ein schwarzer Bildschirm auf dem stand "Zugriff auf Dr. Stephen Williams Daten und Projekte, Code bitte hier eingeben"
Darunter waren 6 leere Felder. Woher sollte ich den Code kennen? Ich dachte nach, es musste einen Hinweis oder einen Anhaltspunkt geben, irgendwas. Ich musste das Schaffen, wenn ich jetzt an einem Code scheitern würde, würde mich das mein Leben lang quälen und beschäftigen. Ich versuchte es mit seinem Geburtsdatum. Der Bildschirm leuchtete rot auf. "Noch drei Versuche."
Ich wurde panisch, was konnte es sein. Wenn ich mein Vater wäre, welchen Code würde ich für meine Projekte wählen, der nicht zu leicht war? Ich versuchte es schließlich mit 020603, meinem Geburtsdatum und betete, dass es stimmte. Es dauerte eine Weile, doch dann leuchtete der Bildschirm grün auf und ich atmete erleichtert aus.
Ich musste mir erstmal einen Überblick auf der Seite verschaffen, alles war verwirrend gekennzeichnet und geordnet, aber ich wusste, dass mein Vater ein System eingebracht hatte, das hatte er immer. Ich scrollte hinunter, bis zum allerletzten Ordner, er war nicht wie die anderen mit ein paar Buchstaben und einer Zahl benannt, dieser Ordner hieß "Projekt I.R.O.N"
Ich fragte mich wofür das I.R.O.N stand, allerdings kam ich auch nach ein bisschen grübeln nicht dahinter und so klickte ich mit zitternden Fingern auf die Maustaste um den Ordner zu öffnen. Es öffnete sich so etwas wie eine Bedienungsanleitung. Ich hielt den Atem an, ich kannte diese Bedienungsanleitung. Es war die Anleitung gewesen, die wir benutzt hatten um den Iron Man Handschuh zu bauen, damals hatte mein Vater mir immer gesagt was ich tun sollte, selbst hatte ich sie nie gelesen.
Hatte ich die ganze Zeit lang mit an seinem größtem Projekt gearbeitet ohne auch nur zu merken, dass es mehr als nur ein Spiel war? Hatte dieser Handschuh wirklich so viel Bedeutung? Ich meine na klar war er besonders, da man ihn wie ein Geräte anlegen konnte und sich dann die restlichen Teile wie von selbst um deine Hand legten, aber konnte man das als Pläne bezeichnen wofür man...sterben würde?
Ich sah mir die Einleitung weiter an, sie war lang und kompliziert, es standen Sachen darin die ich noch gar nicht verstand, bis jetzt hatte ich zwar immer nur getan, was mein Vater mir beim Werken gesagt hatte, aber ich hatte einen Anfang. Er hatte das Projekt mit mir zusammen gestartet und ich würde es beenden, ich musste es schaffen, mein Vater hatte es so gewollt und ich würde ihn nicht enttäuschen. Als ich ganz am Ende angelangt war, stand dort so ziemlich der einzige Satz, den ich verstand. "Sprich: Iron Stimmungsscanner, um zu aktivieren."
Zum ersten Mal seit seinem Tod, machte ich mich auf in das Arbeitszimmer meines Vaters. Langsam öffnete ich die Tür und hörte, das von früher mir so vertraute knarzen. Es war alles genau so wie wir es hinterlassen hatten. Die Box mit den Kabeln war noch ausgeräumt und unter einem Tuch, das ich vorsichtig weg zog, stand der Anfang von dem Handschuh. Ich hatte ganz vergessen, wie kompliziert gebaut er war und wie viele Stunden wir daran gesessen hatte.
Voller Entschlossenheit und ohne zu zögern holte ich meinen Laptop, legte mir Schutzkleidung an und setzte mir eine Schutzbrille auf. Ich war bereit, ich würde meinen Vater stolz machen und die Chance nutzen die er mir gegeben hatte. Ich wusste nicht wie lange es dauern würde, aber ich würde niemals aufgeben.
Diese Motivation hatte ich zumindest in den ersten zwei Stunden, denn in den beiden Stunden war ich kaum ein Stück weiter gekommen, ich musste fast alle Fachbegriffe in der Anleitung googeln und war mir nie sicher ob ich das richtige Tat. Als ich gerade verzweifelt versuchte ein Kabel an der richtigen Stelle anzubringen rief Sylvia mich zum Abendessen und gerne verließ ich meine Arbeit.
Von dem Projekt und USB Stick erzählte ich ihr nichts und sie fragte auch nicht warum ich Schutzkleidung trug oder was auf dem USB Stick gewesen war.
In dieser Nacht wurde mir klar, dass ich das nicht alleine schaffen konnte, ich brauchte Hilfe, sogar mein Vater hatte hierbei meine Hilfe gebraucht und nach langem Grübeln fiel mir nur eine Person ein die genügend Wissen und Können hatte und mir vielleicht auch helfen wollte, Tyler, mein früherer bester Freund. Ich wusste nur nicht wie ich ihn fragen sollte.
"Hey Tyler, mein Vater hat ein Projekt wegen dem er getötet wurde und eine böse Organisation hat falsche Pläne, aber wenn sie herausfinden, dass sie falsch sind werden wir alle in Gefahr sein." konnte ich doch wohl nicht schreiben. Nach einer langen Zeit Text tippen und wieder löschen, entschied ich mich für "Tyler, bitte sei nicht böse auf mich, ich brauchte meine Zeit allein und wollte mit niemandem sprechen, aber ich brauche deine Hilfe und will dich auch als Freund nicht verlieren."
Dann legte ich mein Handy beiseite und schlief ein. Wie oft hatte ich einen Albtraum, doch diesmal war er anders, ich sah meinen Vater, er hatte eine Akte bei sich. Ich lief zu ihm und wollte ihm die Akte wegnehmen, doch plötzlich verwandelte er sich in ein Skelett und seine knochigen Finger umschlungen mein Handgelenk und drückten meine Hand weg, bis er schließlich zu Staub zerfiel und die Akte mit ihm. Im Traum ließ ich mich auf die Knie fallen und begann zu schreien.
Schweißnass wachte ich auf und musste erstmal tief durchatmen, es war nur ein Traum, sagte ich mir immer wieder, doch ich fühlte mich trotzdem seltsam.
Ich sah auf mein Handy Display um die Uhrzeit zu erfahren, doch weil es so hell war, musste ich erst einmal die Augen zukneifen, bevor ich die Ziffern lesen konnte.
Es war 6 Uhr in der Früh, für eine Frühaufsteherin wie mich, war das eine gute Uhrzeit um wach zu werden. Erst da fiel mir ein, dass ich gestern noch Tyler geschrieben hatte. Er hatte mir tatsächlich zurück geschrieben, um ein Uhr in der Früh, diese Nachteule. Als ich seinen Text las, fiel mir ein Stern vom Herzen und ich seufzte erleichtert "Wann soll ich da sein?" Seine Antwort war kurz, aber genügte mir um zu wissen, dass er verstand was ich durchgemacht hatte.
"Heute, 10 Uhr" schrieb ich zurück und machte mich auf den Weg in die Küche um mir ein Müsli zu machen.
Um 9:50 klingelte es an unserer Tür und ich raste sofort hin um Tyler zu öffnen. Er sah aus wie immer, seit den Monaten in denen wir uns gesehen hatten, hatte er sich kein Stück verändert und meiner Meinung nach musste er das auch gar nicht. Seine Augen waren smaragdgrün, seine Haare schulterlang, schwarz und ein bisschen gewellt, er war etwas größer als ich und seine Haut war so blass wie die von Schneewittchen selbst.
Ich wollte ihn am liebsten umarmen, doch wusste nicht ob das jetzt so recht angebracht war. Ich wusste nur wie gut es sich anfühlte ihn zu sehen, ich hatte ihn vermisst ohne es überhaupt zu bemerken und realisierte es jetzt erst, wo er vor mir stand. "Komm rein." sagte ich einfach nur. Er nickte und ging an mit vorbei. "Gut, dass du mir geschrieben hast, ich hatte schon fast gedacht du wärst tot." sagte er völlig emotionslos und ich wusste nicht ob er es ernst meinte oder nicht.
"Also was ist das Problem?" fragte er als wir in meinem Zimmer angekommen waren und sah mich dabei so aufgeregt an, als wären wir wieder die sieben jährigen Kinder, die zusammen Detektiv spielten. "Ich muss dir etwas zeigen." sagte ich und holte den USB Stick hervor.
Er las sich den Brief durch, vielleicht sogar zweimal, da er etwas länger brauchte, bevor er ein "Wow." herausbrachte. Ich konnte nur zustimmen und erklärte ihm wofür ich ihn brauchte. "Du bist der einzige den ich kenne, der sich noch besser mit Technik auskennt als ich und auch der einzige dem ich so sehr vertraue, also..hilfst du mir?"
Hoffnungsvoll sah ich ihn an und er tat so als würde er überlegen, ich wusste, dass er nur so tat, weil ich ihn jetzt fast 15 Jahre lang kannte und wusste, dass etwas wie diese Sache hier so zu sagen sein Traum war. "Natürlich helfe ich dir." sagte er schließlich und schnippte mir gegen die Stirn. Ich wollte protestieren und ihn zurück schnippen, aber wir hatten besseres zu tun und ich musste mich jetzt zusammenreißen nicht nur mit ihm zu reden und zu lachen, das hier war ernst.
Ich führte ihn ins Arbeitszimmer und zeigte ihm den Handschuh, in dem ich das Tuch dramatisch langsam herunter zog. Er sah recht beeindruckt aus, auch wenn das Gerät noch nicht richtig gut aussah und noch nicht konnte, was auch immer er können sollte, erkannte Tyler mit seinem Wissen wie schwer der Bau bis jetzt schon gewesen war. "Hast du eine Ahnung wofür er ist?" fragte er mich. Langsam schüttelte ich mit dem Kopf, als wir angefangen hatten ihn zu bauen, hatte ich gedacht er sollte nur schön anzusehen sein.
"Wann sollen wir loslegen?"
Ich zögerte "Am besten jetzt, wir dürfen keine Zeit verlieren." Tyler nickte seriös und wir sahen uns zusammen die Anleitung an. "Weißt du wofür I.R.O.N stehen könnte?" fragte ich ihn nach einer Weile. Er nieste, aber schüttelte dann den Kopf. "Gesundheit." sagte ich kichernd. "Ich habe seit ein paar Tagen eine Erkältung." sagte er frustriert "Ich will dir hier nicht alles voll niesen, warte." Er holte Nasenspray aus seiner Hosentasche, die Marke hieß Nohtyp, was mich ziemlich wunderte, da ich noch nie von der Marke gehört hatte, obwohl ich ziemlich oft erkältet war.
"Was ist das für eine Marke?" fragte ich interessiert. "Ich glaube die verkaufen alle möglichen medizinischen Produkte. Wieso fragst du?" Ich stutzte und antwortete "Ach..nur so."
Wir arbeiteten drei Stunden an dem Handschuh und da Tyler die meisten Fachausdrücke kannte, kamen wir auch viel schneller voran, als ich gestern. Während wir arbeiteten kamen wir auf immer neue Theorien, was der Handschuh bewirken könnte. Gehirnoperationen, Gedankenlesen, Strahlen schießen so wie der echte Iron man, Zugriff auf alle Waffen in der Umgebung, ein ultimativer Schutzhandschuh, das alles kam uns in den Sinn, doch nichts schien uns wirklich glaubwürdig und so bauten wir einfach weiter an dem größten Projekt meines Vaters, ohne überhaupt zu wissen, was es war.
Es dauerte fast eine Woche bis wir endlich bei der letzten Seite der Anleitung angekommen waren, der Handschuh sah schon ziemlich cool und fertig aus, aber was er tun konnte, hatten wir noch immer nicht herausfinden können. "Fast fertig." Riss mich Tyler aus meinen Gedanken und ich sah wie seine Hand zitternd etwas am Handschuh richtete. Er ging ein paar Schritte zurück und ich tat es ebenso, nur zur Sicherheit. Doch nichts passierte. "Müssen wir ihn irgendwie einschalten?" fragte ich aufgeregt und ich glaubte man konnte sogar mein Herz schlagen hören.
"Keine Ahnung..." murmelte Tyler sichtlich enttäuscht. Ich ging wieder zu meinem Laptop und sah mir die Anleitung noch einmal genau an.
"Natürlich!" sagte ich und Tyler sah mich fragend an "Sprich: Iron Stimmungsscanner um zu aktivieren." Er schlug sich gegen die Stirn "Das steht ganz unten so weit hab ich gar nicht gelesen." Ich holte tief Luft und versuchte so sicher wie möglich zu sagen "Iron Stimmungsscanner."
Wir warteten zwei Sekunden, vielleicht auch drei, doch nichts passierte. Ich sagte es nochmal, diesmal ein bisschen lauter, doch auch das half nichts. Tyler raufte sich durch die Haare "Das gibt's doch nicht." seufzte er. Er ging wieder zu dem Handschuh und sah ihn sich noch einmal genau an. Ich versuchte meine Tränen zu unterdrücken, wenn das nicht funktionierte, wenn wir versagt hatten, dann hatte ich meinen Vater enttäuscht, dann hatte nichts gebracht was er mir beigebracht hatte, dann...dann waren wir alle in Gefahr.
"Wofür ist das hier nochmal?" fragte Tyler plötzlich. Ich ging zu ihm hin uns sah was er meinte. In dem Handschuh war eine Lücke, so als müsste man ein Kabel anstecken. "Vielleicht muss man ihn aufladen?" fragte ich unsicher. Langsam schüttelte Tyler den Kopf. "Nein...ich möchte was ausprobieren." Ich wartete gespannt darauf, was er vorhatte, doch er sagte nichts. Er stand nur auf, ging zu dem Laptop und nahm den USB Stick heraus.
Er ging wieder zurück und steckte ihn langsam in die Öffnung von dem Handschuh. "Ich weiß nicht wieso, aber ich denke das könnte funktionieren, wenigstens passt er." sagte er leise. "Sag es nochmal." Er hauchte die Wörter fast nur noch, so aufgeregt war er. Ich räusperte mich und sagte dann so deutlich wie möglich "Iron Stimmungsscanner."
Wir warteten, ein paar Sekunden und ich wollte den Handschuh am liebsten schon gegen die Wand schmettern, aber dann, plötzlich fing der Kreis in der Mitte der Handfläche zu blinken an. Ich sprang einen Schritt zurück und hielt die Luft an. "Stimmidentifizierung läuft."
sagte eine weibliche Stimme, die nicht ganz menschlich, aber auch nicht ganz wie ein Android klang und ich sah mich ruckartig um, denn es klang so als käme sie von überall im Raum. Tyler starrte wie gelähmt auf den Handschuh, bevor er sich zu mir wandte und flüsterte "Sag was."
Ich zögerte kurz, dann sagte ich "Hier spricht Daniela Williams, ich bin die Tochter von Stephen Williams. Er hat mir seine Pläne hinterlassen." Kurz blinkte das blaue Licht weiter, doch dann wurde es grün und die weibliche Stimme sagte: "Stimme erkannt, willkommen Daniela." Ich atmete erleichtert aus und sah Tyler an, seine Augen funkelten und man könnte glauben er würde platzen vor Stolz.
"Na los, zieh ihn an!" sagte Tyler aufgeregt und ganz vorsichtig griff ich nach dem Handschuh. Sobald ich ihn mit einem Finger berührte formte er sich um, die Finger zogen sich ein und die Teile klappten zusammen, bis nur noch der Kreis in der Mitte übrig war, er hatte einen Durchmesser von etwa vier Zentimetern und war nur etwa einen Zentimeter dick. Ich konnte es kaum glauben, dass wir das alleine gebaut hatten.
Lächelnd nahm ich die Scheibe mit Daumen und Zeigefinger und zeigte sie Tyler. "Wahnsinn." staunte dieser. Ich legte den kleinen Kreis auf meine Handfläche. Sofort schlang sich ein Band, das perfekt passte um meine Hand und der Kreis war fixiert. Weiter passierte nichts. "Wir sollten zusammen draufdrücken." sagte ich zu Tyler. Er kam zu mir und wir legten unsere Finger auf die Fläche und drückten darauf.
Der Handschuh begann sich auszufalten, er passte sich perfekt an meine Hand an und als ich ihn vollendet anhatte, leuchtete der Kreis in der Mitte in einem hellen blau auf.
"Möchten Sie Assistenz Iron aktivieren?" fragte die den Raum füllende Stimme. Ich sah Tyler an und er nickte mir begeistert zu.
"Ähm, ja" sagte ich, obwohl ich nicht so recht wusste, wohin ich sprechen sollte.
Auf einmal fing der blaue Kreis an zu flackern und dann strahlte ein Lichtstrahl, wie der einer Projektion heraus. Ich hielt meinen Arm ausgestreckt von mir und sah gebannt zu, wie sich viele blaue Pixel zu einem Kopf zusammensetzten. Nach etwa einer Minute schwebte ein durchscheinender, hellblauer Kopf vor mir in der Luft, projektiert von dem blauen Kreis meines Handschuhs.
"Das ist-" stotterte Tyler neben mir. "Wahnsinn." beendete ich seinen Satz. Wir hatten Iron erschaffen, eine künstliche Intelligenz. "Guten Tag, Miss Williams." sagte der Kopf mit der selben weiblichen Stimme, die wir auch zuvor gehört hatten. "Ich bin Ihr persönlicher Assistent Iron." Ich schluckte. Das konnte ich einfach nicht glauben, ich Daniela, hatte eine eigene künstliche Intelligenz und sie gehorchte mir. Meine Hand zitterte so sehr, dass das Bild von Iron sogar ein bisschen flackerte.
"Frag sie wofür sie gut ist." sagte Tyler zu mir und ich wollte gerade fragen, als mir Iron zuvor kam. "Dr. Williams hat auch eine Stimmungserkennung für Sie, Mister Lancaster." Er hatte also gewusst, dass ich Tylers Hilfe brauchen würde. "Ich wurde programmiert um einen medizinischen Fortschritt zu erreichen. Dank meines Wissens und Könnens könnten viele neue Medikamente entstehen."
Es ging also nicht um Waffen? Warum sollte jemand einen medizinischen Fortschritt verhindern wollen? Ich sah Tyler an, er schien genau so verwirrt wie ich, doch dann plötzlich, kam mir eine Idee. "Iron, was kannst du mir über Nohtyp erzählen?"
Tyler sah mich noch verwirrter and und ich konnte förmlich sehen wie sein Gehirn arbeitete. "Nohtyp ist eine Marke, die medizinische Arzneimittel verkauft. Sie ist das am meisten Gewinn machende medizinische Unternehmen der letzten zwei Jahre."
Plötzlich schien auch Tyler ein Licht aufzugehen und er sagte verblüfft: "Python heißt rückwärts Nohtyp."
"Und damit sie weiterhin ihre Produkte verkaufen können, hat eine Gruppe versucht die Pläne meines Vaters zu stoppen oder sie für ihre Zwecke zu benutzen." vollendete ich. Tyler fuhr sich durch die Haare "Verdammt, was machen wir jetzt." murmelte er. Und er hatte Recht, wir waren so sehr mit dem Bau von I.R.O.N beschäftigt gewesen, dass wir gar nicht daran gedachg hatten was jetzt sein sollte.
"Iron, was weißt du über Python?"
fragte ich. "Python ist eine universelle, üblicherweise interpretierte höhere Programmiersprache. Sie hat den Anspruch, einen gut lesbaren, knappen Programmierstil zu fördern." Ich stutzte. "Nein nicht diese Python und auch nicht die Schlange sondern-" Tyler unterbrach mich "So bringt das nichts. Wir haben jetzt Iron, das heißt, wir müssen schauen wem wir vertrauen können und immer auf der Hut bleiben, wenn es stimmt und sie einen so großen medizinischen Fortschritt bringen kann, darf sie auf keinen Fall in falsche Hände geraten."
Ich nickte entschlossen. "Denkst du Python wird einfach hier hereinspazieren und mir den Handschuh von der Hand reißen? Ich meine mittlerweile müssten sie doch schon herausgefunden haben, dass die Pläne falsch waren." Tyler sah ratlos aus. "Ich wünschte mein Vater wäre hier, er wüsste sicher was zu tun ist." murmelte ich enttäuscht. "Hey, sei nicht traurig, wie haben gerade die coolste künstliche Intelligenz der Welt entwickelt und wir werden das schon hinbekommen, so lange Iron gesperrt ist, kann niemand Zugriff auf ihr medizinisches Wissen erlangen, stimmt's?"
Die weibliche Stimme sagte in ihrem freundlichen, monotonen Ton "Zugriff auf meine Daten, haben nur Dr. Williams, Miss Williams und Sie Mr. Lancaster."
"Siehst du, nichts kann passieren." sagte Tyler beruhigend doch genau in dem Moment hörte ich etwas, ein piepen.
"Was war das?" fragte ich ängstlich und sah mich um. "Ach das war sicher nur-"
Ich schrie vor entsetzen auf. "D-da." stotterte ich und nun drehte sich auch Tyler in die Richtung in die ich blickte und ich sah wie er schneeweiß im Gesicht wurde. "Scheiße." flüsterte er und ich nickte nur. Dort vor dem Fenster, flog eine Drohne und ihr rotes Kameralämpchen blinkte.
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