Kapitel 7
Levi
Mit großen Augen blickte Elisabeth den Lieferjungen an, bis ihr Blick hektisch zu mir glitt.
Der Bursche wiederum sah erwartend zu Elisabeth hinauf und nahm ihre Hand. »Dir wird es an nichts fehlen, Elisabeth! Der Laden wirft genug ab. Ich kann uns beide versorgen! Bitte überlege es dir. Du wirst es gut bei mir haben«, erklärte er. Doch Elisabeth sah ihn vollkommen überrumpelt an.
»Nanu, was ist denn hier los?«, trällerte Vierauge neben mir und verschaffte sich einen Überblick. »Oh mein Gott! Elisabeth! Er … er macht ihr einen Antrag!«, quiekte sie aufgebracht und klopfte mir auf die Schulter. »Was sagt man denn dazu? Was, Shorty?«, grinste sie.
Ich verzog die Mundwinkel und verengte die Augen noch mehr. »Tcch!«, knurrte ich nur und ging zum Karren, um Vierauges Lieferung zu holen. Wie angewurzelt stand Elisabeth immer noch da und beobachtete mich. Eine Weile sahen wir uns nur an. Ein seltsames Gefühl engte meine Brust ein.
Ich hatte gerade das Bedürfnis, diesen Burschen am Kragen zupacken! Jedoch atmete ich nur hörbar aus und ging einfach mit dem Beifuß rein. »Lass uns gehen!«, brummte ich zu Vierauge und verließ die Küche.
»A-Aber jetzt wird es doch gerade spannend!«, quengelte sie.
Ich wiederum warf ihr einen tödlichen Blick zu. »Du kannst deinen Scheiß auch gerne alleine erledigen! Ich habe genug damit zu tun, die Rekruten zu trainieren, und für die nächste Expedition vorzubereiten!«, zischte ich gereizt und ging einfach vor. Wenig später folgte mir Shitty Glasses dann doch.
*
»Nicht dein Ernst?! Oh mein Gott! Das ist so romantisch!«
»Doch. Hanji hat es mir erzählt. Vielleicht kann Elisabeth jetzt doch ein Leben unter dem Volk führen.«
Ich verzog verächtlich die Mundwinkel. »Braus! Jäger! Nicht labern! Sondern laufen!«, brummte ich laut, während ich Alert auf die Füße half. Dabei zog ich ihn etwas zu stark auf die Beine. Mit verzogenem Gesicht hielt er sich den Oberarm. »Deine Reaktionszeit muss schneller werden, Alert!«, zischte ich nur und wandte mich zu den anderen Trainingseinheiten. Diese hatten gerade ihre Aufwärmung beendet und machten sich an die Nahkampfübungen.
»Komm, Armin. Ich trainiere mit dir! Du schaffst das schon!«, sprach Ackerman ruhig und warf mir einen finsteren Blick zu. Auf den ich jedoch nicht reagierte.
Dank Hanji hatte der Heiratsantrag nun auch die Rekruten erreicht. Besonders die Mädchen schwärmten für Elisabeth, und das war ungemein störend. Ich war noch gereizter als sonst. Ich nickte kurz Mike zu, dass er übernehmen sollte und ging etwas weiter weg, um mein Gemüt zu beruhigen. In diesem Zustand konnte ich nicht klar denken. Das hatte nicht nur Auswirkungen auf das Training, sondern auch auf die gesamte Situation. Ich musste mich beruhigen und wieder bewusster handeln! Kurzzeitig schloss ich die Augen und massierte meine Schläfe.
Elisabeth
»Mensch, da hat der Bursche aber all seinen Mut zusammen genommen«, gab Victoria an, während ich ihr dabei half, die Kartoffeln zu schälen. Angestrengt verzog ich nur die Mundwinkel. »Mir ist ja schon lange aufgefallen, dass er dich mit diesen besonderen Augen anschaut«, erzählte sie weiter. »Aber dass er dir gleich einen Antrag macht? Der Junge war ja so nervös, dass er gleich wieder verschwunden ist. In letzter Zeit scheinst du die Männer um dich herum ziemlich aus der Fassung zubringen, Elisabeth«, kicherte sie und ließ die geschnittenen Kartoffelstücke in den Topf gleiten.
»Was?«, entgegnete ich ungläubig. »Ich bringe niemanden aus der Fassung! Wen soll ich denn bitte aus der Fassung bringen?«
Victoria grinste nur amüsiert und zuckte mit den Schultern. »Tja, wer weiß. Aber sag, wirst du heute hingehen? Zu dem Eichenbaum in der Nähe des Hauptquartiers, um den Burschen deine Antwort mitzuteilen?«, erkundigte sie sich.
Ich seufzte auf. »Ja. Ich schulde ihm eine Antwort. Auch wenn es nicht die sein wird, die er hören will. Aber für mich war Alfred immer wie ein kleiner Bruder. Diese Gefühle, die er mir entgegenbringt, kann ich nicht erwidern, und es wäre nicht richtig, ihm etwas vorzuspielen«, antwortete ich leise.
»Ist dein Handeln nicht zu vorschnell? Vielleicht gibst du ihm eine Chance, und ihr könntet euch besser kennenlernen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich möchte ihn nicht verletzen. Nachher entwickeln sich meine Gefühle zu ihm doch nicht. Das wäre nicht richtig.«
Victoria kicherte auf. »Ach Kindchen, sag es doch einfach, dass du dein Herz bereits einem anderen Mann geschenkt hast«, schmunzelte sie mit Unterton.
Abrupt sah ich auf. »W-Was?«, keuchte ich aufgeregt. »Wie … wie kommst du darauf?«
Erneut zuckte Victoria mit den Schultern und blickte zu der Kartoffel in ihrer Hand. »Es war das erste Mal, dass ich den Hauptgefreiten überrascht gesehen habe«, murmelte sie.
Ich dagegen hätte beinahe die Kartoffel auf den Boden fallen gelassen. »Ü-Überrascht?«, hauchte ich irritiert.
Victoria sah nachdenklich zum Fenster. »Wobei, er wirkte schon fast wie erstarrt. Aber wer bin ich, das beurteilen zu können? Dieser Mann ist so unglaublich undurchsichtig.«
Ich verzog die Mundwinkel und schälte die Kartoffel weiter. »Nicht wirklich. Er versucht nur seine Gefühle zu verstecken. In Wirklichkeit ist er der emotionalste Mensch, den ich kenne«, flüsterte ich. Im Augenwinkel erkannte ich, wie Victoria zu mir schaute.
»Ach? Ist das so?«, grinste sie. Ich wiederum lächelte leicht und nickte. Victoria seufzte verträumt auf. »Ach ja, die Liebe.«
*
Es war doch später geworden als gedacht. Mit eiligen Schritten hastete ich den Korridor entlang. Obwohl es vor wenigen Stunden bereits leicht anfing zu dämmern, zog sich der Himmel nun überraschend schnell zu. Die dichten Regenwolken verdunkelten den Himmel, und es sah nach Gewitter aus. Ich presste die Lippen zusammen, als ich beiläufig aus dem Fenster sah.
Ich hasste Gewitter!
Seit ich denken konnte, war mir der Donnerschlag und die darauf folgenden Blitze unangenehm gewesen. Bei jedem Donnerschlag versteifte sich mein Körper und ich versteckte mich unter meiner Decke. Doch, Alfred wartete auf mich. Ich konnte ihn nicht warten lassen. Das wäre ihm gegenüber nicht fair. Nur, weil ich Angst vor Gewitter hatte. Sobald wir uns sahen, würde ich ihn dazu überreden, kurz in die Küche mit hineinzukommen.
Falls das Unwetter in dieser Zeit über uns hereinbrach.
»Wenn du so achtlos läufst, wirst du dir nur weh tun.«
Als hätten meine Beine einen direkten Befehl bekommen, blieb ich stehen. Zögerlich wandte ich mich zur Seite. Von dem abzweigenden Korridor kam Levi auf mich zu. Augenblicklich schluckte ich schwer, während er näher kam.
»Was … was machst du hier?«, kam es unüberlegt aus meinem Mund.
Levi hob kaum merklich eine Braue. »Der übliche Rundgang«, antwortete er knapp und musterte mich. Es war sehr ungewöhnlich, dass er den Rundgang in voller Ausrüstung tat. Sogar den grünen Umhang hatte er um. »Und wo möchtest du so eilig hin? Auf den Markt? Wie ich sehe, hast du das neue Kleid an«, bemerkte er und kam eine Fußlänge Abstand vor mir zum Stehen.
»I-Ich möchte … zum alten Eichenbaum«, presste ich hervor.
Levi verengte die Augen und schaute kurz aus dem Fenster. »Bei dem Wetter, was aufzieht?!«
Ich blickte stumm zur Seite und war nicht fähig, etwas zu entgegnen. Seit heute Morgen hatten wir uns nicht mehr gesehen. Und jetzt machte mich seine Nähe nervös und unsicher. Levi seufzte leise auf und kam dichter. Irritiert sah ich auf, als er mir einfach stumm seinen Umhang über die Schulter warf. Es war fast so, als würde er mich umarmen. »Es wird sicher regnen«, murmelte Levi, während er den Umhang zuknöpfte. »Du triffst dich doch sicher mit diesen Burschen, oder? Als dein Verlobter sollte er mehr Rücksicht auf dich nehmen. Seine Frau bei so einem nahenden Wetter herbei zu bestellen«, fuhr er gereizt fort und richtete die Kapuze des Umhangs ordentlich.
Ich öffnete den Mund, um zu antworten. Doch die Worte kamen nicht sofort über meine Lippen. »E-Er ist ni -«
»Halte dich nicht zu lange draußen auf. Du bist schließlich kein Rekrut, dem ich Befehle erteilen kann, sonst würde ich dich nicht hinauslassen.«
»Levi …« Er atmete hörbar aus und nahm wieder Abstand zu mir, ehe er wortlos an mir vorbeiging.
Eine ganze Weile sah ich ihm nach, und der Druck in meiner Brust wurde mehr. Ich atmete tief durch und machte mich dennoch auf den Weg zum Eichenbaum.
*
»Elisabeth!«, begrüßte mich Alfred freudig, und kam mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Mit einem warmen Lächeln musterte er mich. »Du siehst wie immer wunderschön aus.« Ich lächelte nur verlegen und sah zum Himmel hinauf. Dieser verdunkelte sich immer mehr, und die Wolken gewannen immer mehr an Dichte. »Dass du hier bist, kann nur bedeuten, dass du es dir überlegt hast«, warf er freudig ein.
Ich musste mich zusammenreißen auf ihn zu achten und nicht auf die Wolken!
»Ähm … also Alfred, ich … habe darüber nachgedacht«, begann ich zögerlich.
Alfred nahm etwas Abstand und ergriff erwartend meine Hand. »Mein Vater wird sich freuen. Er lag mir schon seit dem ersten Tag in den Ohren, dass ich mich trauen soll dich anzusprechen. In seinen Augen bist du eine tüchtige, fleißige Frau.«
»Alfred, das … es ist sehr schmeichelhaft, dass dein Vater mich so sieht, und du mir -«
»Er hält nichts von diesen hochnäsigen Weibern. Und ich auch nicht. Wie kann sich nur eine so umwerfende Frau wie du in der Küche des Aufklärungstrupps verstecken?«, scherzte er.
»Alfred! Bitte. Hör mir zu! Dein Antrag schmeichelt mir sehr, und die Gefühle, die du mir gegenüber hegst, ehren mich. Aber -« Die langsam, auf ins herab wandernden Regentropfen, unterbrachen mich kurzzeitig.
»Aber …?« Alfred ließ meine Hand los.
»Aber … ich kann deine Gefühle leider nicht erwidern. Es tut mir leid. Es wäre nicht richtig, deinen Antrag anzunehmen«, fuhr ich leise fort. Augenblicklich zuckte ich zusammen, als ich das erste leise Donnergrollen vernahm. Mein Herz begann schneller zuschlagen.
»Was? Aber ich dachte … du bist schließlich auch hierhergekommen. Ich dachte wirklich, du würdest ja sagen, Elisabeth«, keuchte Alfred schockiert.
Ich presste nervös die Lippen zusammen. Der Regen wurde mit einem Schlag heftiger und ein Blitz zog sich durch den Himmel. Erneut zuckte ich ängstlich zusammen. »A-Alfred … das Wetter … wir sollten nicht unter dem Baum bleiben …!«, presste ich angestrengt hervor und nahm Abstand.
Doch Alfred ergriff hart meine Hand. »Sag, Elisabeth, bin ich dir nicht gut genug? Ich könnte dir wirklich viel bieten! Es wird dir an nichts fehlen!«, versicherte er mir lautstark. Doch ich wollte im Moment einfach nur vor dem Wetter flüchten!
»Alfred … das ist es nicht. Bitte … lass uns zum Hauptquartier gehen!«, drängte ich panisch. Erneut ließ ein Donner in meinen Augen den Boden beben. Hysterisch legte ich meine Hände auf beide Ohren und kniete mich auf den Boden. Mein Körper zitterte und ich kniff panisch die Augen zusammen.
»E-Elisabeth?« Alfred berührte mich an der Schulter. Doch ich bewegte mich kein Stück. Kein Wort kam über meine Lippen. In panischer Angst verkrampften sich meine Muskeln und ich hoffte inständig, das Gewitter würde vorüberziehen.
»Oii! Bursche, was stehst du da wie angewurzelt?! Sieh zu, dass du deine Verlobte von hier weg bringst!« Ich riss die Augen auf und sah zögerlich auf. Levi sprang vom Baum herunter und sah zu mir. Ohne Alfred zu beachten, ging er auf mich zu, wobei er Alfred grob an der Schulter streifte. Mit ruhiger Miene kniete er sich zu mir herunter.
»Kannst du aufstehen?«, fragte er nach und hielt mir seine Hand hin. »Wir sollten schnell verschwinden. Das Unwetter ist genau über uns.« Wieder zog ein Donnerschlag durch die Luft und dröhnte in meinen Ohren. Panisch quiekte ich auf und klammerte mich reflexartig an Levi. Dieser legte vorsichtig seine Arme um mich und seufzte.
»Genau, weil ich wusste, dass dies passiert, habe ich gesagt, du sollst nicht gehen«, flüsterte er tonlos und nahm mich hoch auf seine Arme. Unbewusst schlang ich meine Arme um seine Schultern, und presste meinen Kopf gegen seine Brust, als erneut ein Donnerschlag ertönte. Mein Körper begann stärker zu zittern.
»Bursche! Steh da nicht wie ein dummer Ochse! Beweg deinen Arsch und folge mir, oder ich lass’ dich hier stehen!«, knurrte Levi und setzte sich hastig in Bewegung. Ich nahm gar nicht wirklich mein Umfeld wahr. Ich klammerte mich an Levi und konzentrierte mich nur auf seine Wärme, um dem Unwetter entfliehen zu können.
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