Kapitel 32
»Cayden! Hör auf zu trödeln!«, schimpfte Edmeé und drehte sich zu ihrem Bruder um. Doch er war nicht wie zuerwarten hinter ihr. Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe. Es war ein Geheimnis das sie sich mit ihm von Tante Hanji weg geschlichen hatte, um mal alleine den Marktplatz zuerkunden.
Sie hätte ihn doch an die Hand nehmen sollen.
Mit schnellen Schritten hetzte die Schwester durch die Menschenmenge und rief nach ihrem Bruder. Jedoch bekam sie nur verwirrte Blicke von Seiten der Bürger. Edmeé hielt an und atmete durch, während sie ihren Blick durch die Umgebung schweifen ließ. Und tatsächlich erkannte sie endlich Cayden in einer dunklen Gasse.
Erleichtert seufzte das Mädchen aus und ging zu ihm hinüber. Auf den Weg erkannte sie wie sich Cayden, allen Anschein nach, mit jemanden unterhielt. Doch als die Schwester bei ihrem Bruder angekommen war, war diese Person verschwunden.
Hatte sie sich alles nur eingebildet?! Edmeé schüttelte den Gedanken ab und wirbelte ihren Bruder zu sich herum.
»Ich sagte doch bleib bei mir! Wenn ich dich jetzt nicht wieder gefunden hätte?!«, überschlug sie sich. Cayden staarte seine Schwester ausdruckslos an. Nocheinmal blickte das Mädchen prüfend an Cayden vorbei.
»Sag mal, hast du dich gerade mit jemanden unterhalten?«, fragte sie nach. Cayden's Augen verengten sich.
»Kann sein.«, entgegnete er tonlos.
»Was?! Du weißt doch was Mama gesagt hat. Wir sollen uns nicht mit Fremden unterhalten.«
Der Junge zuckte nur desinteressiert mit den schmalen Schultern.
»Er ist aber nicht fremd. Wenn du nicht so unerträglich laut wärst könntest du ihn auch mal kennenlernen.«
Edmeé schnaubte auf.
»Pah! Das will ich gar nicht! Los komm! Lass uns lieber zurück bevor Hanji doch noch was merkt.«, merkte das Mädchen an und ergriff die Hand ihres Bruders.
»Ist das ein Freund von dir?«, fragte Edmeé weiter nach, während sie Cayden hinter sich herschleift.
»Keine Ahnung. Vielleicht. Er bringt mir Dinge bei.«
»Hää?! Das kapier ich nicht. Du musst doch wissen ob er dein Freund ist. Ist er ein Erwachsener?!« Edmeé sah im Augenwinkel wie ihr Bruder den Kopf schüttelte.
»Ich glaube er ist in unserem Alter.«
»Vielleicht können wir ihn ja mal zusammen Zuhause besuchen. Mama freut sich bestimmt wenn sie erfährt das du einen Freund hast. Sie macht sich doch immer Sorgen.«
»Tcch! Nicht nötig. Und nein. Er hat kein Zuhause.« Aprupt blieb die Schwester stehen.
»Hää?! Wie?!«
»Ich widerhole mich nicht Edmeé. Er hat kein richtiges Zuhause. Er lebt unter der Erde.« Die Augen des Mädchens wurde noch größer.
»Hää?! Er ist doch kein Tier, oder?! Das war doch ein Mensch den ich bei dir gesehen habe. Cayden veräppel mich nicht!«
»Warum sollte ich das tun?!«, antwortete er kühl. Edmeé verzog die Mundwinkel und schleifte ihren Bruder weiter hinter sich her, durch die Menschenmenge.
»Lass das bloß nicht Mama oder Papa hören. Unter der Erde. So ein Blödsinn! Menschen leben nicht unter der Erde.«
»Aber in den Zentrum einer Mauer?!«
»W-was?! Z ... Zen ... was?! Du und deine schlauen Wörter aus Büchern. Rede normal mit mir!«
Cayden rollte kaum merklich mit den Augen und schwieg den restlichen Rückweg über.
In seinen Augen war seine Schwester eine kleine Heuchlerin. Vor ihm tat sie immer klug. Ja, sogar ihre Sprache war anders. Doch gegenüber von Erwachsenen tat sie auf unschuldiges Mädchen.
Cayden fiel ein Satz ein den er mal zu ihm gesagt hatte.
»Selbst deine eigene Familie kann aus Verrätern und Schauspielern bestehen.«
Ganz Unrecht hatte er nicht. Denn seine Schwester war das beste Beispiel. Am meisten benahm sie sich in der Gegenwart von Vater wie ein naives Mädchen. Der Blick des Jungen richtete sich gen Himmel.
Schon seid längerer Zeit langweilte ihn alles um ihn herum.
Dieses heuchlerische Leben ...
Was erfüllte ihn in diesen Käfig, umgeben von Mauern?! Jediglich er zeigte ihm eine neue Sicht der Welt auf.
Erzählte Cayden von fremden Ländern. Von Wiesen die sich bis zur Unentlichkeit erstreckten. Von riesengroßen Wäldern, die Dörfer beherbergten. Und was es heisst in dieser Welt zu überleben.
Jeder war sich selbst der Nähste, erklärte er dem Jungen.
Und so langsam begann Cayden seine Worte zuverstehen.
Auch seine Familie bestand nur aus Heuchlern.
Während seine Schwester das Bild des unschuldigen Mädchens aufrecht erhalten wollte. Was sie eigentlich nicht wahr. So versuchte sich ihre Mutter in Schauspielkunst. Auf biegen und brechen ließ sie sich ihren Schmerz und ihre Verzweiflung nicht an merken.
Doch Cayden kannte seine Mutter zu gut. Im Gegensatz zu Edmeé beobachtete der Junge sein Umfeld äußerst genau.
Und auch die manchen Nächte an denen er ihre Mutter weinen hörte, entgingen den Schwarzhaarigen nicht.
An der Zuneigung zu seiner Mutter hatte sich in den ganzen Jahren nichts geändert. Im Gegenteil. Cayden verabscheute alles was seine Mutter zum weinen brachte, oder leiden ließ.
Ganz gleich wenn dies auch bedeutete das er gegenüber seinem Vater schon lange nicht mehr die gleichen Gefühle hatte wie vor ein paar Jahren.
Früher empfand Cayden diesem Mann gegenüber noch Ehrfurcht und Respekt. Er war der Sohn eines starken Mannes, der einen Namen unter den Bürgern hatte.
Doch nun empfand der Junge seinem Vater gegenüber nur noch Verachtung. In seinen Augen war er genauso ein Heuchler wie seine Schwester.
Dieser Mann war nicht in der Lage eine entgültige Entscheidung zutreffen. Vater oder Soldat?! Cayden begriff nicht was in seinem Vater vor sich ging.
Er war so gut wie nie Zuhause.
Er war kein Teil in dem Leben der Kinder. Er teilte keine Gefühle mit ihnen, sowie es ihre Mutter Tag ein Tag aus tat.
Er war für Cayden nur ein Bekannter der ab und an zubesuch kam. Auch wenn Edmeé dies anders empfand. Nach wievor vergötterte sie diesen Mann, und hinterfragte seine Entscheidungen kein einziges mal.
»Wie lange kennst du diese Person schon?«, durchbrach seine Schwester die Gedanken des Schwarzhaarigen. Ohne jeglichen Ausdruck im Gesicht ließ sich Cayden weiter von ihr mit schleifen.
»Knapp zwei Jahre schätze ich.«
»Was?! Und dann habe ich deinen Freund immer noch nicht kennengelernt?! Du hast mir ja nicht mal von ihm erzählt, Cayden.«
»Du hast ja auch nie gefragt ob ich mich mit jemanden treffe, oder?! Niemand fragt danach wo ich war.«
Edmeé blieb aprupt stehen und wandte sich ernst zu ihren jüngeren Bruder.
»Das stimmt nicht! Mutter fragt immer wo du warst. Sie macht sich immer Sorgen um dich. Du verkriechst dich in deinen Büchern, oder verschwindest einfach irgendwohin. Was glaubst du denn wie sie sich fühlt?!«
»Tcch! Jetzt tu nich so als ob du die Gefühle unserer Mutter verstehen würdest, Edmeé! Du bist doch total verblendet in deiner Hingabe zu Vater dass du gar nicht merkst was dieser Mann unserer Mutter eigentlich antut!«, wurde der Junge lauter und entzog sich dem Griff seiner Schwester.
Edmeé blinzelte ungläubig.
»W-was redest du da?!«
Cayden's Brust wurde von einem undeutbaren Druck erfasst. Irgendetwas wühlte gerade sein Innerstes auf. Und seine Gedanken wurden immer mehr von Wut erfüllt.
»Du hast dich in letzter Zeit ziemlich verändert, Cayden! Du bist Vater gegenüber total abweisend. Du ignorierst ihn schon teilweise. So als wäre er gar nicht da! Selbst gestern bei seiner Ankunft hast du ihm nicht mal einen Blick zugeworfen.«
»Tcch! Warum auch?! Es ist für mich so wie bisher. Als wäre er nicht da.«, entgegnete Cayden kühl.
»Sag soetwas nicht! Anstatt so abweisend zu Vater zu sein könntest du ihn wenigstens begrüßen! Oder mit ihm reden!«
»Ach?! Und worüber soll ich mit ihm reden?! Darüber das er nie da ist?! Darüber das er nicht sieht wie wir groß werden?! Darüber das es Mutter jedesmal das Herz bricht wenn er wieder geht, und sie im Ungewissen zurück lässt?!«
Edmeé staarte ihren Bruder einfach nur an. Verärgert verzog sie die Mundwinkel und schob die Brauen zusammen. Ohne ein weiteres Wort wollte sie wieder die Hand ihres Bruders ergreifen. Doch Cayden nahm Abstand.
»Ich geh nach Hause.«, brummte er tonlos und wandte sich um.
»Wa-was?! Und was ist mit Hanji?!«
»Klär du das. Ich habe damit nichts zutun.«
Edmeé blickte ihrem Bruder ungläubig hinterher, ehe sie trotzig zurück zu der Kommandantin ging.
*
»Cayden, ist alles in Ordnung? Du bist so still seid du wieder da bist.«, merkte Elisabeth an und deckte den Tisch. Cayden schaute ausdruckslos in den Topf mit der Suppe und rührte sie nocheinmal um.
»Nein. Alles in Ordnung. Mach dir bitte keine Sorgen.«, murmelte er. Die Mutter wandte sich zum Topf und nahm ihn von der Stelle.
»Dir ist bewusst das ich weiß wann du lügst, oder?! Du kaust dann immer auf deiner Unterlippe.«, schmunzelte Elisabeth und stellte den Topf ab. Cayden sah etwas ertappt auf.
»Kann sein. Es ist aber nichts passiert.«, entgegnete er. Die Mutter schaute ihren Sohn eine Weile besorgt an.
»Willst du vielleicht lieber mit deinen Vater drüber sprechen?«
Cayden fuhr auf.
»Was?!! Nein! Auf keinen Fall! Tcch!«
Er wollte nun wirklich nicht über die Diskusion mit seiner Schwester sprechen. Er empfand dies als unnötig.
Elisabeth verstand schnell das Cayden nicht weiter über das Thema reden wollte. Und beliess es dabei. Mit einem Seufzen strich sie sich ihr Haar zurück, während Cayden ins Badezimmer ging um sich die Hände zuwaschen.
Genau in diesen Moment kam auch schon Edmeé zurück. Ihr heiteres Lachen ließ Cayden sofort seine Augen verengen, als er wieder aus dem Badezimmer kam.
Natürlich tat sie wieder total unschuldig in Vater's Gegenwart. Dieser hang monoton seinen Mantel an. Sein erster Blick wanderte zu Elisabeth. Die Mutter lächelte ihren Mann warmherzig an. Levi widerrum huschte auch ein kaum merkliches Lächeln über die Lippen.
Erneut verspürte Cayden diesen Druck in seiner Brust.
Ohne seinen Vater zubeachten ging er an ihm vorbei und setzte sich schon an den Esstisch. Edmeé und Levi verschwanden währenddessen auch kurz ins Badezimmer. Elisabeth füllte das Essen auf.
Cayden staarte stumm seinen Teller an. Dieses Bild was sich gerade vor ihm abspielte ...
Alles war nur ein Facé. Angestrengt presste der Junge die Lippen zusammen. Sein Innerstes wurde immer deutlicher von einer Unruhe heimgesucht.
»Cayden?!«
Aprupt sah der Sohn auf, als Levi sich mit Edmeé an den Tisch setzte.
»Edmeé meinte du wolltest mit mir reden?!«, fuhr der Vater tonlos fort und musterte Cayden. Cayden's Augen weiteten sich für einen kurzen Augenblick, ehe er zu seiner Schwester schaute.
»Was soll dieser Scheiß, Edmeé?!«, knurrte er.
»Na! Nicht solche Wörter bei Tisch!«, ermahnte Elisabeth ihren Sohn und überreichte Levi seinen Teller.
»Tcch! Ich ... will nicht mit dir reden!«, warf Cayden schnell ein und ergriff den Löffel.
»Ich hatte eh nicht vor es beim Essen zubesprechen. Komm nachher in Ruhe zu mir wenn du-«
»Es gibt nichts was ich dir zusagen hätte!«, unterbrach der Sohn seinen Vater scharf. Eine kurze Stille erfüllte die Runde.
»H-hört auf damit!«, ging Elisabeth dazwischen, »Nicht bei Tisch!«
»Cayden ist nur feige Papa das gleiche zusagen was er mir gesagt hat!«, mischte sich nun Edmeé ein.
»Edmeé! Halt die Klappe!«, zischte der Junge zornig und ließ seinen Löffel lautstark auf den Tisch fallen.
»Rede nicht so mit deiner Schwester, junger Mann!«, tadelte Levi.
Cayden biss sich auf die Unterlippe.
»Immer ...«, nuschelte er, »... immer nimmst du Rücksicht auf sie. Sie ist nicht das liebe Mädchen was sie vorgibt zu sein! Aber das siehst du ja nicht! So wie du auch nicht siehst das du Mutter weh tust!«, sprudelte es weiter aus Cayden heraus. Levi's Augen verengten sich.
»Ich gebe überhaupt nichts vor!«, quickte Edmeé, »Ich zeige nur gerne wie sehr ich Vater liebe!«
»Tcch! Achja?! Muss ja wunderschön sein wenn man seine Aufmerksamkeit hat, nicht wahr Schwesterherz?! Du freust dich bestimmt das er dir dieses Medallion geschenkt hat!«
Reflexartig berrührte das Mädchen das grüne Schmuckstück in ihrem Haar. Nicht nur für sie hatte dieses Medallion eine Bedeutung, auch für Levi hatte es eine Bedeutung. Doch diese wussten nur er und Elisabeth.
Es war ein Symbol für das Ende, und gleichzeitig für den Anfang. Für den Verlust einer wichtigen Person in Levi's Leben, und für das Geschenk des Lebens seiner Tochter.
»Cayden!«, wurde der Vater lauter, »Halte dich zurück!«
Lautstark schob Cayden den Stuhl zurück und erhob sich.
»Du hast kein Recht mich zuermahnen!«, verlieh der Junge immer mehr seiner Wut Ausdruck, »Ich lasse mir nichts von einem Mann sagen der nie da ist!«
»Cayden! Dieser Mann ist dein Vater!«, warf Elisabeth fassungslos ein.
»Mutter! Es tut mir weh dich jedesmal weinen zuhören! Es tut weh immer wieder zu sehen wie er sich wie selbstverständlich hier hinsetzt. Dabei weiß er gar nichts über seine Kinder!«
Die Mutter staarte ihren Sohn vollkommen fassungslos an. Levi widerrum räusperte sich und stand nun auch auf.
»Ich glaube nicht das du in dem Alter bist um dir solch eine Meinung zubilden, Cayden.«, brummte er mit tiefer Stimme, »Du solltest in dein Zimmer, bis du deine Gedanken geordnet hast, junger Mann.«, fuhr er fort und wollte Cayden an der Schulter berrühren, doch dieser wich zurück und holte mit den Arm aus.
»Fass mich nicht an!!«
»Cayden ... hör ... hör auf damit!«, mischte sich Edmeé ein und stand auch auf um ihren Bruder zuberuhigen. Der Junge wandte sich wütend zu seiner Schwester.
»Das .... wieso konntest du einfach nicht dein Maul halten?!«, fuhr der Junge sie laut an und verengte die Augen. Mit einem Ruck riess er ihr das grüne Medallion aus dem Haar und warf es auf den Boden. »Du mischst dich immer ungefragt ein!«
»Cayden!!«, erhob nun auch Elisabeth ihre Stimme und stand auf.
Edmeé sah wie versteinert auf das Schmuckstück am Boden. Tränen sammelten sich in ihren Augen.
Levi knurrte kehlig auf und packte seinen Sohn gröber als er es eigentlich wollte am Arm.
»Das reicht!!«
»Ich ... fass mich nicht an verdammt!«, schrie Cayden und schwang seine Beine blitzschnell nach oben. Elisabeth hielt sich geschockt die Hand vor dem Mund, als Cayden Levi einen Tritt ins Gesicht verpasste. Automatisch ließ der Vater ihn los, und sein Gesicht lag im Schatten. Doch Elisabeth spürte genau wie sich eine dunkle Aura zwischen ihm und seinen Sohn aufbaute.
»Hör ... hört auf! Alle beide!«, flehte sie lautstark. Cayden biss sich auf die Unterlippe.
»Ich ...« Doch er schluckte seine Worte herunter und rannte Hals über Kopf aus dem Haus.
»Cayden!!«
Jaah, damit evtl keine Verwirrung aufkommt. Dieses kap spielt nochmals nach einen kleinen Zeitsprung. In den letzten kapiteln waren die Kinder ca. Fünf und Sechs Jahre. (Die beiden liegen nur ein Jahr auseinander😅) während sie jetzt Elf und Zwölf sind.
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