Kapitel 3
Mit trüben Blick wanderte Edmeé's Fingerkuppe über die raue Oberfläche des grünen Medaillons.
»Du solltest es umbinden wenn du deinen ersten Tag an der Akademie antrittst.«
Erschrocken wirbelte die Schwarzhaarige herum. Mit einem sanften Lächeln stand Elisabeth am Türrahmen des Kinderzimmers. Sofort fiel der Blick der Mutter zu der Hose ihrer Tochter. Denn diese war an den Knien zerkratzt und schmutzig.
»Was hast du da denn gemacht?!«, erkundigte sich Elisabeth überrascht. Irittiert sah Edmeé an sich herunter.
»Oh. Das habe ich ja komplett vergessen. Ach! Irgend so ein Spinner meinte mich umzurempeln! Nachdem ich Hanji's Büro verlassen hatte. Der kam einfach so aus der Ecke geschoßen!«, erzählte sie aufgebracht. Elisabeth schüttelte belustigt den Kopf.
»Du bist bestimmt nicht ganz unschuldig. Du hast bestimmt geträumt.«, feixte die Mutter. Edmeé hob eine Braue und legte das Medaillon zurück in die Schublade.
»Vielleicht ...«, nuschelte die Schwarzhaarige kleinlaut, »Er hat sich zum Glück entschuldigt. Aber irgendwie habe ich ihn hier noch nie gesehen ...«
»Es ist ja nichts passiert. Komm! Das Essen ist fertig. Und danach legst du die Hose in die Wäsche!«, ermahnte Elisabeth sanft ihre Tochter und wandte sich um zur Küche. Edmeé seufzte kaum hörbar aus und ließ ihren Blick durchs Kinderzimmer schweifen. Jenes Zimmer was sie sich mit ihren Bruder geteilt hatte ...
Bestimmt hätte er sich über sie lustig gemacht. Sie und Medizin.
Ein verträumtes, trauriges Lächeln huschte über Edmeé's Züge.
Erinnerungen waren schon etwas sonderbares.
An manchen Tagen konnte sie sich haargenau an ihren Bruder erinnern. Und dann gab es wieder Tage an denen sie sich fragte ob er nur die verblaste Erinnerung eines Traumes sei. Lediglich die kleine feine Narbe an der Seite ihres Nasenrückens zeigte ihr, dass Cayden kein Überbleibsel eines Traumes war. Edmeé schloss kurz die Augen und atmete durch. Ehe sie sich zu ihrer Mutter in die Küche gesellte.
*
Lange Zeit verharrte Levi in seiner Position. Ein kehliges Brummen entkam ihm und er entfernte sich ein paar Meter von dem Haus seiner kleinen Familie.
Er empfand es als äußerst unangebracht einfach so einzutreten als sei nie etwas gewesen ...
Mit finsteren Blick atmete er scharf aus und massierte sich die Schlefe.
»Oii! Meister! Kannst du mir sagen wie ich zum Hauptquartier komme?!« Hektisch fuhr Levi herum. Für den Bruchteil einer Sekunde weiteten sich seine Augen, als er sein Gegenüber erblickte. Dieser blinzelte verwirrt unter seinem Hut hervor. Levi hingegen nahm rasch Abstand zu ihm und musterte ihn dunkel.
»Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht erschrecken. Nur ... ich habe mich verlaufen. Hier sieht aber auch jede Straße gleich aus.«, grinste der Fremde Levi breit an. Der Schwarzhaarige nahm eine autoritäre Haltung an.
Er hatte den Fremden absolut nicht bemerkt ...
»Mach die Augen auf Bursche! Das Hauptquartier erkennst du von hier aus!«, brummte Levi gereizt und wies in die Richtung. Verwundert drehte sich der Fremde um und lachte kehlig auf, während er den Hut vom Kopf nahm und sich peinlich berrührt durchs volle schwarze Haar fuhr.
»Hast Recht Meister. Gott! Ich bin völlig fertig! Das ganze Gebiet hier ist doch ziemlich groß um es alleine zu überblicken.«, erklärte er. Levi verengte die Augen. Und begutachtete die Kleidung des Fremden. Er schien nicht von hier zu sein. Kam er sogar von ausserhalb?!
»Na dann!«, grinste der Fremde und klopfte Levi einfach so unbefangen auf die Schulter, ehe er sich wieder den Hut aufsetzte. »Danke Meister! Jetzt finde ich bestimmt hin.« Der Vater brummte nur zur Antwort und sah dem Burschen nach.
Er schätzte den Fremden nicht mal auf Anfang Zwanzig. Aber dennoch hatten seine Gesichtszüge schon etwas hartes.
Ein seltsames Gefühl breitete sich in Levi aus. Irgendetwas sagte ihm das der Fremde gefährlich sei ...
Doch woher dieses Gefühl genau kam konnte der Vater nicht benennen. Lag es vielleicht an der Tatsache dass sich der Bursche einfach so angeschlichen hatte?!
Kaum merklich schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf und blickte wieder zu seinem Zuhause. Von dem er immer noch nicht sicher war ob er es einfach betreten sollte. Für einen kurzen Moment zuckten seine Muskeln zusammen, als die Haustür auf ging. Doch lediglich Edmeé trat hinaus.
Wie von seiner Tochter zu erwarten brachte sie die Essensabfälle nach Draußen. Bestimmt wollte sie diese an die Pferde verteilen. Levi presste kurz die Lippen zusammen und trat näher. Augenblicklich sah Edmeé auf und lächelte schief, als sie ihren Vater bemerkte.
»Wie kommt es?! Du hier?!«, flüsterte sie etwas lauter und verschränkte die Arme. Levi blickte ernst zur Seite.
»Willst du heute wieder zu den Ställen?!«, merkte er an. Edmeé nickte während sie den Beutel mit den Abfällen schulterte.
»Jop! Mutter ist im Schlafzimmer. Sie sortiert Wäsche.«, grinste Edmeé mit Unterton und trat an ihren Vater vorbei, »Ich bleibe länger weg. Danach muss ich noch etwas mit Hanji besprechen. Also« Mit einer ruckartigen Handbewegung schubste Edmeé ihren Vater Richtung Haustür, »versau es nicht!«
»Wie redest du mit ... mir ...?!«, wurde Levi aufbrausend. Doch seine Tochter war bereits schon weiter gegangen. Levi verzog die Mundwinkel und seufzte auf. Edmeé hing eindeutig zu viel bei Vierauge rum. Kam es ihm in den Sinn, während er zögerlich die Hand nach der Klinke ausstreckte. Gott! Es war auch sein Zuhause! Auch wenn er in den letzten zwei Jahren so gut wie gar nicht hier gewesen war ...
Dennoch, war es auch sein Heim! Levi sog scharf Luft in seine Lungen und drückte die Klinke nach unten. Dann stiess er die Haustür auf. Sofort kam ihm der Duft von frischer Wäsche entgegen. Umhüllt von den warmen, ruhigen Duft seiner Frau.
Es hatte sich nichts verändert. Nach wievor strahlte alles eine beruhigende Wärme aus. Die sich durch Elisabeth Einrichtung spiegelte. Leise schloss Levi die Haustür und streifte sich die Schuhe von den Füßen. Ehe er sich seinen Mantel entledigte.
»Edmeé, wenn du schon zu Hanji gehst dann bring deinem Vat-« Elisabeth stoppte mitten im Satz, als sie mit Hemden im Arm aus dem Schlafzimmer trat. Anscheinend hatte sie gedacht ihre Tochter sei nochmal zurück ins Haus gekommen. Verwundert und überrascht starrte sie Levi an. Ehe sich ihre Gesichtszüge wieder normalisierten.
»Oh ...«, entkam es Elisabeth leise, »Lässt du dich auch mal blicken ...?!«, fuhr sie tonlos fort und legte die Hemden auf den Esstisch. »Das passt ja. Du kannst sie gleich mitnehmen.« Mit langsamen Schritten näherte sich Levi dem Tisch und seiner Frau.
»Ich ... ich denke das wird nicht nötig sein ...«, flüsterte er rau. Argwöhnisch sah Elisabeth zu ihm auf.
»Wie darf ich das verstehen?! Hast du noch genügend Hemden im Hauptquartier?!«
»Das ... ja ... das auch ... du achtest ja schließlich darauf das Edmeé mir immer frische Kleidung bringt. Obwohl das nicht nötig ist.«
Elisabeth zuckte mit den Schultern.
»Gut. Ok. Dann lass ich es absofort sein.«, murmelte sie bissig. Levi rollte unbemerkt mit den Augen.
Genau deswegen wollte er nicht herkommen ...
Doch zugleich wurde ihm bewusst das seine Wortwahl auch nicht gerade günstig gewählt war.
»So war das nicht gemeint. Es ... es genügt wenn du sie einmal die Woche vorbei schickst. Ich kann die Wäsche schließlich auch im Hauptquartier waschen.«
»Gut. Also«, entgegnete Elisabeth matt, »möchtest du etwas mit mir besprechen? Wenn es um Edmeé's Ausbildung geht. Es ist alles geregelt. Alert hat mir bei dem Papierkram geholfen. Schließlich hast du ja keine Zeit dafür gehabt!« Levi biss sich auf die Unterlippe.
Ihm lag ein bissiges Kommentar auf der Zunge. Jedoch schluckte er es herunter.
Er war doch eigentlich her gekommen um diese Anspannung zwischen sich und seiner Frau zu lösen. Doch nach wievor lag diese dicke, schwarze Wolke über ihnen. Und verzog sich kein Stück.
»Ja ... tut mir Leid ...« flüsterte Levi brüchig.
»Ach ... ich bin ja nichts anderes gewohnt. Und? Kann ich dich zu einem Tee in deinem Zuhause übereden?!«, fragte Elisabeth mit Unterton nach. Levi brummte kaum hörbar und setzte sich an den Tisch.
»Ja ... kannst du ...«
Die Mutter nickte nur und ging zur Küchenzeile herüber.
»Sag mal, stimmt es das sich bald Söldner an eurer Seite befinden?«, durchbrach Elisabeth die Stille. Während sie das Wasser aufsetzte.
»Tcch! Wenn Vierauge nichts dagegen unternimmt dann ja.«
»Hmm ... naja ... trotz der Tatsache das diese Leute nur für ihren Vorteil den Finger krumm mache. Ist es vielleicht nicht schlecht. Wenn man gewisse Personen ausschliesst ist eurer Trupp doch sehr schwach, nicht wahr?!«
Levi schob die Brauen zusammen.
»Bitte?! Wir brauchen solche Leute nicht!«, knurrte Levi und überschlug ein Bein.
»Cayden hätte dem bestimmt auch nicht zu gesagt ...«, nuschelte Elisabeth abwesend. Dennoch verstand ihr Mann jedes Wort.
Wenn sie immer begann von Cayden zusprechen zog sich Levi's Brust zusammen.
Den Schwarzhaarigen machte es schirr wahnsinnig das Elisabeth über ihren Sohn sprach ohne auch nur ein bisschen die Miene zu verziehen. Nicht einmal ein trauriger Ausdruck lag in ihren Augen.
»Das kannst du nicht wissen, Elisabeth. Hör auf über solche Dinge nachzudenken!«, murmelte Levi tonlos.
»Sag du mir nicht was ich denken soll! Du wohnst hier doch schon lange nicht mehr! Geschweige denn das du dich blicken lässt!«, herrschte seine Frau ihn an. Levi's Kiefer spannte sich an.
»Tcch! Ja, und wenn ich dich denn mal sehe dann scheint ja dieser Alfred an deiner Seite zu sein!«, entgegnete der Schwarzhaarige zynisch.
»Ach! Hör doch auf! Alfred hat nun selbst Familie. Aber im Gegensatz zu dir achtet er auf seine Mitmenschen!«
»Bitte?!«, hakte Levi kühl nach und verengte die Augen. Während das Wasser aufkochte wie die Gemüte der Anwesenden ...
»Was glaubst du wie soll es uns gehen wenn du nicht da bist?! Als Mann und Vater hast du komplett versagt!«, entfuhr es Elisabeth aufgebracht. Jedoch realisierte sie Sekunden später den Inhalt ihrer unbedachten Worte. Überfordert blickte sie zur Seite und biss sich auf die Unterlippe.
»B ... bitte entschu-«, die Mutter sah erschrocken auf, als Levi sich lautstark erhob und um die Küchenzeile herum, auf sie zu ging.
»Tcch! Was glaubst du warum ich nicht da bin?! Warum, wenn ich überhaupt hierher komme, nur mitten in der Nacht auftauche?!«, hauchte er mit tiefer Stimme. Elisabeth ging ein paar Schritte zurück.
»W-warum stellst du mir diese Frage?! Ist ... du ... du kannst einfach hinaus gehen und nach unserem Sohn suchen!! Ich kann nur meine Unfähigkeit verfluchen! Das ich nichts tun kann! Das ich jeden verdammten Tag nur hoffen kann! Willst du mir das unter die Nase reiben, ja?!«
Levi biss die Zähne zusammen und ergriff Elisabeth's Oberarme.
»Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht das du unfähig bist!«, entgegnete er lautstark. »Wie lange willst du dir das noch einreden?! Wie lange willst du in Selbstmitleid versinken?! Wann akzeptierst du endlich das er nicht mehr zurück kommt?! Hör endlich auf Elisabeth und fang an dich deiner Gefühle zustellen!«
Elisabeth's Muskeln spannten sich an.
»Ich soll mich meiner Gefühle stellen?! Das aus dem Mund von dem Mann der seinen eigenen Sohn aufgegeben hat?!«
»Gott, Elisabeth! Wieviele Wochen, Monate war ich unterwegs?! Wieviele verfluchte Tage und Nächte habe ich gesucht?! Ich bin sogar wieder an dem Ort zurück gekehrt der für uns beide die Hölle war! Also, sag du mir nicht ich hätte ihn aufgegeben!«, wurde Levi lauter und verstärkte seinen Griff um ihre Oberarme. »Ich habe eine andere Art damit umzugehen. Doch du ... Elisabeth! Fang endlich an zu weinen! Ich .... ich will die gefühlvolle, sanfte Frau wieder haben in die ich mich verliebt habe! Die meine zerfickte Persönlichkeit ausgleichen kann! Und nicht das du selbst beginnst alles weg zuspeeren!«
Lange Zeit herrschte Stille und die beiden sahen sich einfach nur an. Nur das Pfeifen des Wasserkochers erfüllte den Raum. Levi presste die Lippen zusammen und senkte den Blick. Unter seinen Fingerspitzen konnte er genau spüren wie Elisabeth's Körper begann zu beben.
»Tcch! Vergiss einfach was ich gesagt habe ...«, raunte der Schwarzhaarige. Elisabeth zog scharf die Luft ein und hob die Hand.
Ein lauter Knall ging durch die Küche.
»Wieso ... wieso ... wenn du das alles weißt ... wieso kommst du trotzdem nicht nach Hause?! Es ist doch egal ob es mitten in der Nacht ist. Nur ... kehre wieder zurück! Weißt du wie oft ich manchmal gar nicht wusste ob du überhaupt noch am Leben bist?! Wieso verstehst du nicht das ich mir immer Sorgen um dich mache, du Mistkerl?!«, überschlug sich Elisabeth, während sie ihre Hand streichelte. Die von der Ohrfeige pochte.
Mit kühlen Augen sah Levi zu seiner Frau und zog sie grob dichter zu sich heran.
»Mistkerl, ja?! Und wieso hast du nie gesagt das ich einfach nach Hause kommen soll?! Woher sollte ich bitte wissen das du dir das wünschst?! Ich habe zwar Intuition Elisabeth, aber ich kann keine Gedanken lesen!«, zischte er ungehalten, während sich seine Arme um die Taille seiner Frau schlangen.
»Erzähl doch nicht Levi! Soetwas merkt man doch!«, antwortete Elisabeth bissig und näherte sich seinem Gesicht. Schroff wirbelte Levi seine Frau herum und hob sie auf die Küchenzeile.
»Wieso denkst du so verfickt kompliziert du Miststück?!«, knurrte der Schwarzhaarige tief und ergriff Elisabeth's Haare am Hinterkopf.
»Tue ich nicht! Du bist einfach nur unfähig dein Gegenüber zu verstehen!«, murmelte die Mutter finster und krallte sich in den Stoff an seiner Schulter.
»Tcch! Das ist wohl deine Antwort auf alles, was?!«, raunte Levi und ihre Lippen waren wenige Zentimeter voneinander entfernt.
Mit unregelmässigen Atem schaute sich das Ehepaar an.
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