Kapitel 11
Elisabeth
Nach sehr langer Zeit herrschte im Hauptquartier wieder ausgelassene Stimmung für den Abend.
Jeder war heilfroh, dass die Expedition ein Erfolg gewesen war und es keine Verluste zu betrauern gab. Natürlich lobten viele, für diesen Umstand, Erens, Mikasas und Levis Leistung.
»Du hättest seinen Blick sehen sollen, Elisabeth!«, säuselte mir Hanji ins Ohr. Anscheinend war ihr der letzte Becher Wein nicht gut bekommen. »Shorty hätte mir beinahe den Kopf abgerissen!« Ich lächelte nur verlegen und nickte einfach. Mit solch einer lebendigen Stimmung im Saal konnte ich nicht wirklich umgehen. Ich wusste nicht, wie ich mich zu verhalten hatte. Wenn mich jemand beobachten würde, würde er sich wohl die Frage stellen, warum ich so steif da saß. Abrupt legte Hanji den Arm um meine Schulter. »Aber das war ja gar nichts, im Gegensatz dazu, wie er ja heute Morgen aus der Haut gefahren ist«, flüsterte sie mit Unterton.
Ich versuchte dezent Abstand zu gewinnen. »W-Was genau meinst du?«, fragte ich nach.
Hanji entfernte ihren Arm und lachte lauthals. »Na Shorty, als er dich und diesen Bengel gesehen hat. Junge, der Blick war unbezahlbar! Echt zum Fürchten.«
»Ich muss zugeben. Mit solch einer Reaktion hatte ich nicht gerechnet. Wenn man bedenkt, dass der Hauptgefreite immer so distanziert und abweisend wirkt«, warf Armin leise ein.
Hanji sah zu dem Blonden und nickte heftig. »Genau das meine ich. Shorty tut einen auf, Eisklotz! Aber kaum geht es um die schöne Elisabeth«, trällerte sie und warf mir wieder unbeholfen ihren Arm über die Schulter, »handelt auch er mal unberechenbar.«
Ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen schoss.
Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, was Levi getan hatte. Wie er sich gegenüber Alfred verhalten hatte. Er war einfach von seinem Pferd aufgesprungen, um dazwischen zugehen.
»Ach ja. Ich habe ihm übrigens gesagt, dass du den Antrag abgelehnt hast«, merkte Hanji beiläufig an und trank einen Schluck aus ihrem Becher.
Abrupt sah ich auf. »W-Was …?!«
»Sonst hätte der Schwachkopf das bis heute nicht kapiert, Elisabeth. Sei mir dankbar.«
»A-Aber Hanji … ich hatte dir das im Vertrauen erzählt! Nicht einmal Victoria hat es weiter erzählt!«, keuchte ich leise.
»Reg dich nicht auf! Spätestens nach der heutigen Aktion hat jeder begriffen, dass du nichts mit Alfred hast. Aber dafür haben viele Shortys Ausbruch gesehen«, kicherte sie.
Ich schürzte die Lippen. Eigentlich wollte ich es ihm selbst erzählen. Aber wieder einmal bewies Hanji ihr Taktgefühl. Schwermütig seufzte ich auf.
Nun ja, ich konnte es nicht mehr ändern. Immerhin lag nicht mehr diese Thematik zwischen uns.
»Wo ist Shorty überhaupt?«, verlieh Hanji meinen Gedanken Ausdruck.
»Ich habe ihn zuletzt gesehen, als er auf dem Weg zum Badezimmer war«, brummte Mike an den Rand seines Bechers. »Aber das dürfte jetzt schon Stunden her sein.«
Ich blickte nachdenklich zur Seite. Mich überkam eine Ahnung, wo er sein könnte. Dort war er immer nach einer Expedition.
Lautlos erhob ich mich. »Na, Elisabeth, willst du ihn suchen?«, feixte Hanji. Ich lächelte nur verlegen und verbeugte mich leicht zum Abschied. Jedoch, noch während ich auf dem Weg den Korridor entlang zum Dach war, beschlich mich Unsicherheit. Was, wen er einfach alleine sein wollte? Es gab einen guten Grund, warum er sich entfernt hatte. Vielleicht sollte ich ihn mit seinen Gedanken alleine lassen …
Was dachte ich denn? Nun stand ich am Anfang der Treppe, die zum Dach führte, und überlegte einfach wieder kehrt zu machen. Ich schloss kurz die Augen und atmete durch,
obwohl mir mein Verstand sagte ihn einfach alleine zulassen, sehnte sich mein Herz nach seiner Nähe. Ich war überglücklich, dass er wieder heil zurückgekehrt war. Ohne dass ich es bewusst wahrnahm, führten mich meine Beine schon die Steintreppe hinauf. Der milde Nachtwind schlug mir entgegen, als ich das Dach betrat. Ich war noch nie hier oben gewesen. Bisher hatte ich Levi nur immer in der Ferne beobachtet, wie er nach einer Expedition hier oben saß und nachdenklich in den Himmel schaute. Dieser war heute Nacht Sternenklar. Das Licht des Mondes hüllte alles in ein warmes, weißes Licht.
»Elisabeth …«
Etwas erschrocken fuhr ich auf und wirbelte herum. Mein Blick schweifte suchend das Dach entlang. »Ist etwas passiert?« Nochmals fuhr ich herum. Levi stand direkt hinter mir. Zögerlich ging ich einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf.
»Nein. Alles gut. D-Du warst nicht im Saal und ich habe … nun ja …« Verlegen brach ich den Satz ab. Kein Wort kam mehr über meine Lippen, bei dem Blick, den Levi mir entgegenbrachte.
»Solch ein Trubel ist nichts für mich. Außerdem übertreibt Vierauge es mal gerne mit dem Wein. Der mir auch nicht wirklich zusagt«, entgegnete er ruhig und musterte mich weiterhin. »Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?«
»I-Ich habe dich immer nach einer Expedition hier oben gesehen«, murmelte ich kleinlaut.
Kaum merklich hob Levi eine Braue. »So?«, brummte er etwas amüsiert und ging langsam an mir vorbei, zum Steingeländer des Daches, auf dem er seine Jacke abgelegt hatte. Ohne ein Wort kam er mit dieser wieder zurück und legte sie mir über die Schulter. Vollkommen überfordert, blinzelte ich. »Wenn du vorhast noch etwas hier zubleiben«, flüsterte er und sah kurz zur Seite, »es kann Recht frisch werden!«
»Danke schön«, hauchte ich und lächelte.
Levi
Es war nicht so, dass ich mich über Elisabeth Nähe nicht freute … Nein. Sie war gerade die einzige Person, mit der ich hier stehen wollte. Jedoch begann sich mein Magen aufgeregt zu verkrampfen. Von Außen hin ließ ich mir nichts anmerken. Doch ich war zum ersten Mal in meinem Leben Nervös. Und dieses Gefühl gefiel mir ganz und gar nicht! Es erweckte den Eindruck, dass ich nicht mehr in der Lage war klar zudenken, und das konnte ich gerade auch nicht wirklich.
Wie gebannt schaute ich in Elisabeths funkelnde Augen und schluckte kaum merklich. Mit einem warmen Lächeln wandte sie sich zur Seite und schaute in den Sternenhimmel. »Wenn man so einen schönen Anblick hat, vergisst man für den Bruchteil einer Sekunde den Käfig um uns herum«, flüsterte sie und schaute wieder zu mir. Etwas ertappt, dass ich sie die ganze Zeit angestarrt hatte, drehte ich mich auch schnell zur Seite und sah hinauf.
»Das ist wohl wahr …«, murmelte ich. Wobei meine Aussage nicht auf den Himmel bezogen war.
»Ich bin wirklich froh, dass euch nichts passiert ist«, merkte Elisabeth an. »D-Dass dir nichts passiert ist …«, flüsterte sie leise und zog meine Jacke enger um ihre Schultern. »Hanji hat dir bereits die Sache mit Alfred erzählt, wie ich weiß.« Ich richtete meinen Kopf wieder nach vorne und nickte stumm. Ein leises Lachen entkam Elisabeth. »Bestimmt denkst du jetzt anders über mich.«
Irritiert blickte ich sie an. »Warum sollte ich?«
»Es ist nicht so, dass mir ein Leben an der Seite eines mittelständigen Händlers nicht gefallen würde. Doch … vielleicht entstand der Eindruck, dass ich mir zu fein dafür wäre?«
Ich verzog die Mundwinkel. »Kein bisschen! Über so etwas hast du dir Gedanken gemacht? Was ich von deiner Entscheidung halte? Was ich über dich denke?«, entgegnete ich überrascht.
Langsam drehte Elisabeth ihren Kopf zu mir und schaute mir tief in die Augen. »Ja, habe ich. Es ist mir wichtig, was du über mich denkst, Levi …«
Erneut schluckte ich aufgeregt. Ich schloss die Augen, um die Fassung zu bewahren und setzte mich, mit angewinkelten Bein, auf den Boden.
Ich hatte das Gefühl, wenn sie mich so ansah, jegliche Haltung zu verlieren. Zögerlich strich Elisabeth ihr Kleid zurecht und setzte sich neben mich.
»Vielleicht machst du dir zu viele Gedanken«, nuschelte ich leise und holte den Flachmann aus meiner Hosentasche. Es war nicht so, dass ich mich betrinken wollte. Doch, vielleicht spülte der Whiskey für einen Moment diese Unsicherheit von mir.
Mit großen Augen musterte Elisabeth den Flachmann und kicherte. »Du bist also ein Mann, der eher die stärkeren Sachen bevorzugt«, schmunzelte sie.
Ich schluckte den Alkohol herunter und verzog amüsiert die Mundwinkel. »Das kann schon sein.«
»Dann lass uns anstoßen!«, lachte sie.
»Was?!«
»Auf die erfolgreiche Expedition und darauf, dass alle heil zurückgekehrt sind«, fuhr sie freudig fort und nahm mir den Flachmann ab.
Zögerlich hob ich meine Hand. »Elisabeth, du solltest besser nicht …« Doch sie hatte bereits den schmalen Flaschenhals angesetzt und nahm einen Schluck. Sofort drückte sie mir wieder das Gefäß in die Hand und kniff die Augen zusammen, während sie schwer schluckte.
»Oh mein Gott!«, presste sie keuchend hervor. »W-Wie … kannst du da nur keine Miene verziehen …?!«, räusperte sie sich und sah mich belustigt an.
Ich wiederum steckte den Flachmann wieder zurück und grinste finster. »Das ist ja auch eigentlich kein Getränk für Frauen, meine Liebe«, schmunzelte ich.
Elisabeth Augen funkelten plötzlich auf, bis sie mich warmherzig anlächelte. »Es steht dir gut, wenn du lächelst, Levi«, hauchte sie.
Stumm sah ich zu ihr und meine Augen schweiften zu ihren Lippen. An ihrer Unterlippe funkelte ein einzelner kleiner Tropfen des Whiskeys. Zögerlich streckte ich meine Hand aus.
»Elisabeth … schließ die Augen«, flüsterte ich rau. Überrascht blinzelte sie, bis sie jedoch kicherte und die Augen schloss.
Das war doch total verrückt! Warum war ich nur so nervös? Und nur weil sie nicht sehen sollte, wie unsicher ich war, befahl ich ihr so etwas Dummes!
Langsam beugte ich mich weiter zu ihr herüber und legte sanft meine Hand auf ihre Wange.
Elisabeth lächelte ruhig und drückte ihren Kopf leicht gegen meine Hand. »K-Kann ich die Augen wieder … aufmachen?«, fragte sie mit zittriger Stimme nach. Während ich mich ihrem Gesicht näherte.
»Noch … nicht …«, hauchte ich dicht an ihre Lippen. »B-Bitte verurteile mich nicht für das, was ich jetzt tue.« Mein Daumen strich sanft den Tropfen von ihrer Unterlippe.
»Das … werde ich nicht …«, flüsterte sie.
Ich atmete scharf ein, ehe ich meine Augenlider leicht schloss und vorsichtig meine Lippen auf der ihren legte.
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