Die Stimmen verfolgen mich, reden wild durcheinander, schreien mich an.
,, Warum hast du mir nicht geholfen, Jiminie? Bin ich keine gute Mutter? "
,, Du bist eine Schande für die Familie Park"
,, Ich hasse dich! Du bist nie für mich da, Egoist."
,, Schlimmer als Akira Takaoka, du Arschloch."
Es werden immer mehr Stimmen, immer mehr Vorwürfe, die mich zu zerreißen drohen.
Ich presse mir verzweifelt die Hände an die Ohren. Ich will es nicht hören, bitte, lasst mich in Ruhe.
Jeder Satz verletzt mich, klammert sich an mich. Bis sie mich zu Fall bringen wie ein Kartenhaus. Meine Knie können die Last nicht mehr tragen. Ich falle zu Boden.
Die Stimmen werden lauter, bringen mich zur Verzweiflung, fressen mich innerlich auf.
Lasst mich in Frieden.
Ich mache mich klein, schließe die Augen, die Hände noch immer fest an die Ohren gedrückt.
Dennoch dringen die Geräusche weiterhin zu mir durch.
Der Schmerz wird immer größer, greifbarer... beängstigender.
,, Es tut mir so unfassbar leid", flüstere ich mit Tränen in den Augen, ,, Ich wollte das alles nicht."
Die Stimmen hören mich nicht oder , was wahrscheinlicher ist, sie ignorieren meine Worte absichtlich.
,, Arschloch "
,, Versager. "
Ich kann sie nicht zum Schweigen bringen. Sie werden niemals verstummen.
,, Warum bist du nicht gestorben?"
Langsam, Stück für Stück, brechen sie mich. ,, Lieber du als sie. " Bis nichts als eine leere Hülle zurückbleibt: Hören die Stimmen auf, wenn ich sterbe? Komme ich dann in den Himmel, finde Erlösung? Werde ich zu einem Engel, sowie Mama?
,, Du hast es nicht verdient."
Ein lautes Klingeln holt mich aus diesem grausamen Traum. Schweißgebadet und mit einem rasendem Herzschlag schlage ich meine Lider auf.
Es war nur ein Traum... nur ein viel zu realistischer Traum. Ich greife nach dem lärmenden Gerät. Die jetzige Uhrzeit genauso wie das heutige Datum zeigt mir das Display an. Ich stelle das grässliche Piepen ab, seinen Zweck hat es erfüllt. Ich bin hellwach.
Heute ist ein Samstag, an dem ich ausnahmsweise mal keine Schule habe.
Trotzdem heißt das noch lange nicht, dass ich mich auf die faule Haut legen kann. Ich muss weiterhin mich Ddosun raus und die freie Zeit nutzen, um zu lernen. Außerdem muss ich noch am Nachmittag zu dem kleinen Cafe, in dem ich als Kellner Gäste bedienen darf.
,, Auf in den Kampf", beinahe schon enthusiastisch mache ich mich auf den Weg ins Bad... Betonung auf beinahe.
Der Morgen verläuft ohne Komplikationen oder nicht geplanten Zwischenfällen...leider.
Dieses Mal ist Jungkook nicht da, um ehrlich zu sein habe ich gehofft auf ihn zu treffen.
Durch seine einzigartige Art hat er es geschafft mich glücklich zu machen. Ich habe mich so unbeschwert wie schon lange nicht mehr gefühlt. So selbstsüchtig wie ich bin, würde ich gerne wieder auf ihn treffen, mit ihm seltsame Gespräche führen und einfach lachen können.
Natürlich kommt der Junge nicht, er hat an einem Samstag Morgen bestimmt besseres zu tun, als mit seinem Terrier- Mix Gureum spazieren zu gehen und sich mit mir rumzuschlagen.
Seufzend nehme ich einen Bissen von meinem belegten Brötchen, was mache ich mir eigentlich für Hoffnungen? Über meine Torheit kann ich nur den Kopf schütteln. Absurd. Wahrscheinlich tue ich ihm leid.
Der arme große Bruder von Jihyun. Ich könnte kotzen.
Ich brauche sein scheiß Mitleid nicht. Ich habe die vergangenen acht Wochen auch alleine durchgestanden, selbst wenn ich Narben davongetragen habe. Ich habe überlebt, ist das nicht das wichtigste?
Ich sehe an deinem Bruder wie sehr es ihn mitnimmt, doch du bist für ihn da und kümmerst dich um ihn. Allerdings ist keiner für da, der sich um dich kümmert, der für dich da ist.
Du hast es erkannt, Appa. Ich bin für Jihyun da, ich habe die Pflicht, mich um ihn zu kümmern.
Ihn wieder hinzubekommen. Das sollte ihm Vordergrund stehen, nicht ich.
,, Warum bist du so früh auf, Jimin?" Ein verschlafener Jihyun steht gähnend im Türrahmen ,
,, Haben wir heute Schule? Scheiße. " Mit einem Schlag verfliegt seine Müdigkeit und er beginnt zu fluchen.
,, Wir haben nur noch...", sein Blick geht in Richtung Uhr, ,, eine halbe Stunde? Eine halbe Stunde, verdammte Scheiße. Wie soll ich das nur anstellen?"
Wie von der Tarantel gestochen rennt er zurück in unser Zimmer. Er gibt mir gar nicht die Chance die Wahrheit zu sagen, weswegen ich nur Schulter zuckend weiter esse.
,, Was sitzt du eigentlich noch hier rum? Wir müssen in die Schule! "
Jihyun schaut mich verständnislos an, seine Haare verwuschelt, sein Hemd halb zu geknöpft.
Ich halte es nicht länger aus und fange an zu lachen, in Jihyuns Gesicht bilden sich tausende Fragezeichen. ,, Du kannst gerne in die Schule, aber ohne mich. ", sage ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
,, Du bist so ein... Wie konntest du nur? "
,, Du hast mir nicht die Möglichkeit es dir zu sagen, du warst zu sehr in deinen Flüchen und Theorien
vertieft. "
,, Argh", erwidert mein Bruder daraufhin verärgert und setzt sich zu mir. Ich frage ihn, ob er essen möchte. Jihyun verneint.
,, Das war keine Frage, entweder du suchst es dir aus oder ich tue es und ich verspreche dir, es wird genauso ekelig wie dieses Brötchen von letzter Woche."
Der Gedanke an dieses grauenhafte Etwas lässt mich erschaudern, widerlich.
,, Jimin, du verstehst es nicht." Jihyun sieht mich mit glasigen Augen an.
,, Was verstehe ich nicht? Dass du nichts essen willst? " Ich verschränke die Hände vor der Brust, schaue ihn abwartend an.
,, Es ist... es ist einfach nur...", seine Lippen beben, er hadert mit sich selbst.
,, Was? Jihyun, was? Ich will dir helfen." Doch du lässt mich nicht.
,, Das Monster ", sagt er schließlich zögernd , ,, es hat mich fest im Griff. Ich kann ihm nicht entfliehen. "
Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Was passiert hier?
,, Welches Monster, Jihyun?" , Mein Hals ist auf einmal staubtrocken, ich spüre wie die Panik schleichend meinen ganzen Körper lähmt.
Wie eine hinterlistige Schlange.
Jihyun schüttelt mit dem Kopf, wendet sich ab, doch ich lasse es nicht zu. Ich greife nach seinem Arm.
,, Bitte...Jihyun, ich bitte dich " , ich hindere das salzige Wasser daran meine Augenwinkel zu verlassen. Nicht jetzt. Nicht jetzt schwach sein.
,, Richtig, ich lebe, weil ich nicht sterben kann. Ich fühle so viel Schmerz und Einsamkeit aber Leute sagen weiterhin, dass ich wieder zur Besinnung kommen soll. Ich habe jeden Tag Angst meine Augen zu öffnen und zu atmen. Selbst meine besten Freunde und meine Familie wenden
sich von mir ab, ich empfinde Angst, wenn die Zeit vergeht.
Es fühlt sich so an, als wäre da nur ich, ich hoffe alles verschwindet, wenn ich alleine bin. Ich hoffe die Dinge verschwinden wie eine Illusion... Ich hoffe die Dinge verschwinden, ich hoffe mein verdammtes ich verschwindet."
,, Jihyun... ", er entreißt sich meinem Griff: ,, Ich muss frische Luft schnappen, bin in ein paar Stunden wieder da. "
Meine verzweifelten Rufe ignoriert er, die Tür fällt mit einem lauten Knall ins Schloss.
,, Bitte verlass mich nicht, ", wimmere ich: ,, Jihyun. " Mein Magen fängt an zu rebellieren.
Ich taumele durch die Wohnung in unser Bad, stürze hektisch atmend zur Toilette. Keine Sekunde später verabschiedet sich mein Mageninhalt von mir. Zitternd kralle ich meine Hände in den Boden. Warum hasst mein Leben mich so sehr?
,, Weil du es nicht anders verdient hast, Park." Wut durchströmt meinen Körper. Ich balle meine Hände zu Fäusten, schwankend richte ich mich auf. Gelbe Punkte tanzen vor meinen Augen, doch ich schenke ihnen keine Beachtung. Aus dem Augenwinkel erkenne ich etwas... Jemand, der meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit sofort inne hat.
,, Ich hasse dich", sage ich zu der abscheulichen Person und torkele auf sie zu ,, Du bist ein Monster. " Ich hole aus. Schlage zu, immer und immer. Getrieben von Hass und Wut wie ein wildes Tier. Ein stechender Schmerz, Blut. Meine Hände umhüllt von der roten Flüssigkeit.
,, Verschwinde, VERSCHWINDE. LASS MICH IN RUHE", fauche ich.
Tränen steigen mir in die Augen. Ich will, dass sie aus meinem Blickfeld verschwindet und mir nie wieder unter die Augen tritt. Doch das kann sie nicht, wird sie niemals tun können.
Egal wie sehr ich mich bemühe, ich werde sie niemals loswerden. Denn sie ist ein Teil von mir.
,, Hättest du nicht verrecken können? " Die Abscheu vor mir selbst wächst jede Sekunde. Jede Sekunde, die ich mein Spiegelbild ansehen muss. Selbst in den winzigen Einzelteilen ist die Person vor mir Abschaum.
Abschaum mit dem ich jeden Tag meines Lebens verbringen muss.
,, Scheiße verdammt. " Der Spiegel ist hin. Super, noch mehr aus dem Fenster geschmissenes Geld. Gut gemacht.
Meine Hände besudelt von meinem eigenen Blut. Ich starre auf meine linke Hand. Eine Scherbe steckt fest, ansonsten nur oberflächliche Schnitte. Nichts problematisches.
Nichts, was man nicht helfen kann.
Es verheilt, anders als andere Dinge. Mit etwas Glück bleibt nicht einmal eine Narbe.
In ein paar Tagen wird es nur noch eine verschwommene Erinnerung tief in meinem Unterbewusstsein sein.
Eine der vielen Gedanken, die mich abends wachhalten. Es sind so viele, das es auf den einen mehr oder weniger nicht mehr ankommt... Ich kann nicht mehr klar denken, fühlen, handeln. Sie haben die Kontrolle über mich erlangt.
Eine meiner neuen Arbeitskolleginnen reicht mir meine Arbeitskleidung und zeigt mir einen Platz zum Umziehen.
,, Deine Sachen verstaust du in dem Spind mit der Nummer vierzehn, wenn du das getan hast, kommst du unverzüglich in die Küche für weitere Anweisungen. "
Meine Antwort wartet sie nicht ab, mehr als ein erschöpftes Nicken würde sie sowieso nicht bekommen. Fürs Reden reicht meine Kraft nicht mehr aus.
,, Du spülst jetzt solange das dreckige Geschirr ab, bis ich dir was anderes sage, verstanden?"
Nicken. Verstanden.
Eine Wahl bleibt mir nicht, beschweren bringt mir nichts. Ich tue es, selbst als meine Hände anfangen zu brennen aufgrund des Spülmittels. Ich halte inne.
,, Worauf wartest du noch? Eine schriftliche Einladung? Fang an!", faucht eine Stimme hinter mir.
Ich beiße mir auf die Lippe. Dummheit muss bestraft werden.
Meine Finger pochen. Ich kann an nichts anderes denken, als an diesen unfassbaren Schmerz. Hör auf so selbstsüchtig zu sein, hat Papa sich jemals beschwert? Hat Mama sich jemals beschwert? Sie wollten es dir nur Recht machen, wie dankst du es ihnen?
Nicht gut genug. Ich bin ein beschissener Sohn, ein schlechter Mensch. Reicht das nicht als Antwort? Ich habe das Gefühl in Vorwürfen zu ertrinken, ich weiß, dass ich nicht gut genug bin, dass ich verdorben bin. Sowohl von außen als auch von Innen. Ich wünschte ich könnte selbstloser sein, mehr an andere denken, gut in der Schule sein, keine Fehler machen, Mama so ehren, wie sie es verdient hat. Aber ich kann es nicht.
Ich hasse mich selbst dafür so schwach zu sein, nicht zu funktionieren. Ich gebe mein Bestes, doch es reicht nie aus. Ich sehe mich im Spiegel an und frage mich wer diese Person ist, die ich vor mir sehe.
Bin ich das wirklich oder versucht mir mein Kopf einen Streich zu spielen? Ich traue meinem Gehirn mittlerweile alles zu. Elender Verräter. Wie konnte es nur so weit kommen, wie konnte mein Leben sich in wenigen Augenblicken um hundertachtzig Grad drehen? Ich wollte mein Leben ausschließlich dem Tanzen widmen, an eine Tanzschule gehen und jetzt ist dieser Traum genauso weit weg von mir wie Mama.
Als kleiner Junge dachte ich immer arbeiten macht Spaß, weil man für Dinge bezahlt wird, die einem Spaß machen. Ich konnte es kaum abwarten endlich arbeiten zu gehen, doch meine Eltern erlaubten es mir nie. Ich hatte sie nicht verstanden, jetzt tue ich es.
Ich arbeite nur sechs Stunden, ungefähr die Hälfte von dem was Appa an einem Tag arbeitet und es ist ehrlich gesagt, alles andere als Spaß. Ich werde von so ziemlich allen herumgeschubst und meine Hände brennen noch immer von dem Spülmittel. Die einzigen beiden, die mich nicht wie Dreck behandelt ist Jung-hyun. Ein ehemaliger Schüler aus meiner Schule.
,, Sie testen dich", raunt er mir unauffällig zu, ,, sie wollen sehen aus welchem Holz du geschnitzt bist. " Aus welchem Holz ich geschnitzt bist?
,, Warum tun sie das? ", er lässt meine Frage unbeantwortet und schüttelt stattdessen mit dem Kopf.
,, Schwächlinge werden nicht gebraucht", er wendet sich ab. Der nächste Kunde wartet auf seine Bestellung. Ich werfe ihm einen kurzen Blick hinterher.
Schwächlinge werden nicht gebraucht.
Es ist ein versteckte Warnung. Sie versuchen alles, um dir deinen Aufenthalt so schwer wie möglich zu machen. In diesem Cafe herrscht eine klare Hierarchie und in dieser langen Kette sitze ich ganz unten.
Ich weiß nicht warum ich diesen Job weiter behalten habe. Ich wurde gewarnt, hier musste man sich jeden Won hart erarbeiten. Darin liegt für mich ein gewisser Reiz, außerdem zahlen sie mir nicht gerade wenig.
Vielleicht eine Art Wiedergutmachung für die Gemeinheiten, die ich hier erfahre.
Tief im Inneren weiß ich, dass es eine Herausforderung ist. Es werden mich viel Schweiß, Tränen und womöglich sogar mein Blut kosten, jedoch bin ich bereit diesen Preis für meine Familie zu zahlen.
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