1.
Irgendwann vor langer Zeit:
»Weißt du Odette, viele Menschen haben vor der Dunkelheit Angst,weil sie nicht wissen was genau in ihr lauert, aber die wenigsten haben vor der Dunkelheit Angst, weil sie wissen, was in ihr lauert.« Odettes Mutter sah das kleine Mädchen auf ihrem Schoß an. Sie war gerade erst fünf Jahre geworden und ihre raben-schwarzen Haare lagen sanft auf ihren kleinen Schultern. Nathalie Gardner-Pierce wusste, dass diese Schultern irgendwann mal eine schwere Last tragen würden. Sie wusste es und sie konnte ihr geliebtes Kind nicht davor retten,aber sie würde so lange wie möglich dafür sorgen, dass ihr Engel ein unbeschwertes Leben führen konnte.
Die Tür des hellblauen Kinderzimmers knarzte, als Nathalie die kleine braune Hand ihrer anderen Tochter erblickte und diese die Tür einen Spalt aufdrückte »Was lauert, denn in der Dunkelheit?«, fragte Laurel mit ihrer kleinen mädchenhaften und so unerfahren klingenden Stimme. Der kleine Afro ihrer sieben Jahre alten Tochter tauchte im Türrahmen auf. Laurels braune Haut glänzte leicht im Licht der Nachttischlampe und ihre Augen schimmerten durch das glänzende Licht in allen Nuancen von flüssigem Gold. Ihre beiden Töchter waren noch so jung, aber so unglaublich schön.
Laurel drückte sich durch den kleinen Spalt und betrat Odettes Kinderzimmer. Nathalie konnte sich ein Lachen nicht unterdrücken. »Hast du etwa gelauscht, Laurel?« Ihre Stimme hatte einen gespielten strengen Ton und der ließ Laurel zusammen zucken. »Kann schon sein.« Laurel tapste zu ihrer Mutter und kletterte in ihrem hellblauen Schlafkleid auf Nathalies anderes Bein.
Der Stuhl auf dem sie saßen knarzte angestrengt.
Nathalie wusste nicht wie alt dieser braune mit Kerben übersäte Stuhl genau war, aber sie könnte schwören, dass sie auf alten Familienfotos von 1876 genau den selben Stuhl wiedererkannt hatte.
Laurel saß jetzt direkt gegenüber ihrer Schwester und lächelte diese mit ihrem kindlichen und lieblichen Lächeln an.
Eigentlich wollte Nathalie nur Odette ins Bett bringen und ihr die Angst vor der Dunkelheit nehmen, denn Odette konnte und wollte nicht ohne Licht schlafen, aber jetzt saßen ihre beiden Kinder auf ihrem Schoß, während sie in diesem unbequemen Folter-Stuhl saß. Aber Nathalie machte das nichts aus. Später, wenn alles bergab ging, würde sie sich wünschen in diesem Stuhl sitzen zu können, ihre beiden Kinder auf ihrem Schoß, während ihr Mann in ihrem Bett auf sie warten würde.
Ja, so würde es sein.
Im Moment war Odettes Angst vor der Dunkelheit unbegründet, sie würde später noch genügend Angst vor ihr haben müssen,aber jetzt sollte sie ohne Winnie-the-Pooh-Nachtlicht schlafen können. »Ich weiß, dass in der Dunkelheit nichts lauert, was euch weh tun kann.« Sie küsste erst den Kopf von Odette und dann den von Laurel. Wenn es eine Sache gab, die sie mehr als alles andere auf dieser Welt liebte, dann waren es ihre beiden Kinder und ihren Ehemann.
Odette rümpfte die Nase und grunzte ungläubig. »Woher willst du das wissen? « Die moosgrünen Augen ihrer Tochter sahen sie gespannt an und auch die braunen Augen ihrer anderen Tochter wollten wissen, warum sie wusste, was sie nun eben wusste. »Ich erzähle es euch ein anderes Mal.«Ihre Hände strichen über die zarten Haare ihrer Kinder. »Aber bis dahin müsst ihr mir vertrauen. Die Dunkelheit tut euch nichts. Versprochen.« Wieder landeten ihre Lippen federleicht auf der zarten Kopfhaut ihrer Engel.
Nathalie krauste es vor dem Tag, an dem sie die Wahrheit sagen musste und der würde kommen. Aber die Zeit war noch nicht reif, wenn sie sich jetzt den Kopf darüber zerbrach, konnte sie die unbeschwerte Zeit nicht genießen, die ihr noch blieb. »Los, jetzt geht's aber schlafen.« Sie hiefte ihre beiden Kinder und sich von dem Stuhl auf dem sie saß und tätschelte ihre kleinen Köpfe. Laurel und Odette standen nun vor dem himmelblauen Kinderbett.Fast automatisch griff Odette nach der kleinen Hand ihrer Schwester und drückte diese. »Ich schlafe nur ohne Licht, wenn Laurel bei mir schläft«piepste ihr Engel.Die beiden waren jetzt schon unzertrennlich, wie würde das wohl in einem Jahrzehnt aussehen? Würde es immernoch so sein, wenn die beiden sich nicht sicher sein konnten, was in der Dunkelheit auf sie lauerte?Oder noch viel schlimmer, wenn sie wussten was in der Dunkelheit auf sie lauern würde? »Und du legst dich zu uns, bis wir eingeschlafen sind.«,nuschelte nun auch Laurel. Nathalie seufzte, wenn es um ihre Kinder ging wurde Nathalie immer schwach. »Na los, ihr könnt bei Mama und Papa schlafen.« Als hätten die beiden nur darauf gewartet sprangen sie auf der Stelle und riefen grunzend: »Jaaaa!«. Nathalie musste darüber lächeln, wie ihre beiden Kinder aus dem Zimmer stürmten und laut »Papaaaa« rufend in das Elternschlafzimmer tobten. Nathalie wusste was zutun war, denn sie konnte nicht zählen, wie oft ihre Kinder ihre Plüschtiere vergessen hatten, also griff sie nach dem hellbraunen Igel auf Odettes Bett und schlenderte dann zu dem ebenfalls hellblauen Zimmer von Laurel. Der dunkelbraune Dackel lag auf ihrem Mikey-Maus Kopfkissen. Nathalie griff danach, verließ das Zimmer und schlenderte in Richtung Elternschlafzimmer. Sie hörte ihre Kinder grunzen, quicken und lachen,hörte Thomas wie er mit ihren Kindern sprach und witzelte.
Nathalie betrat den in brauntönen gehaltenen Raum. Auf dem großen hellblauen Ehebett lag ihr Ehemann, sein dunkelbrauner Afro wurde von dem grauen Kissen zerdrückt, dass es irgendwie über seinen halben Kopf geschafft hatte. Mit seinem Rechten Arm stützte er Odette in die Luft und mit dem linken hob er Laurel an. Er verstellte die Höhe der Kinder immer wieder, was die beiden aufquicken ließ und sie grunzend zum lachen brachte. Nathalie blieb am Türrahmen stehen, in ihren Händen die beiden Plüschtiere, ihre hellblauen, fast eisfarbenen, Augen lagen auf dem so wunderschönen Augenblick. »So aber jetzt runter mit euch. Es ist Schlafenszeit.«,sprach Thomas mit seiner tiefen Stimme. Trotz des Tenors in seinem Sprachorgan hätte seine Stimme nicht liebevoller klingen können.
Er legte Odette und Laurel vorsichtig auf dem blau-grauen Laken ab. Die beiden protestierten ein wenig, doch nach anfänglichem gezetere schlüpften sie auch schon unter die Decke. Thomas hatte derweil Nathalie entdeckt und war aufgestanden. Seine dunkle braune Haut und seine braunen Augen schimmerten genauso wie die etwas hellere Haut von Laurel. Es wirkte fast so als würden die beiden in Gold leuchten.
Er kam auf Nathalie zu, umgriff mit seinen großen starken Händen ihre Taille. Er war viel größer als sie, dennoch beugte er sich runter und lehnte seine Stirn gegen ihre. »Schade dass die Kinder heute hier schlafen.« Seine Stimme war nur ein Raunen und Nathalie war sich sicher, dass ihre Kinder, die miteinander über ihren lieblings Dinosaurier diskutierten,es nicht hören konnten. Nathalie lachte und verpasste ihm mit dem Igel einen Schlag auf den Hinterkopf, denn sie wusste worauf Thomas hinaus wollte. »Nach fünfzehn Jahren Ehe denkst du immernoch an das Eine .« Sie wusste, dass die Länge ihrer Beziehung nichts damit zutun hatte ob die Luft raus war oder nicht. Und das war sie definitiv nicht, aber Nathalie mochte es Thomas zu ärgern.
Sie küsste ihren Mann, drückte ihn kurz an sich und tippelte dann zu ihren Kindern. »Mama!«, rief Odette, obwohl Nathalie schon fast am Bett angekommen war. Und auch Thomas war knapp hinter ihr. »Welcher Dino ist der beste? Spinosaurus oder Diplodocus?«, fragte Laurel, als Nathalie sich ins Bett legte. »Definitiv Spinosaurus.«,erwähnte Thomas. Auch er bugsierte seinen Körper in das Ehebett und kuschelte sich an die Liebe seines Lebens. Nathalie bettete ihren Kopf auf dem Arm ihres Mannes während Laurel über ihre Eltern kletterte um sich an ihren Vater zu kuscheln. Sie hörte nicht auf mit Odette über Dinosaurier zu diskutieren und auch Odette kuschelte sich redend an ihre Mutter. Nathalie wusste nicht wie lange ihre Kinder darüber redeten und auch Thomas mischte sich manchmal ein. Sie lauschte nur dem Klang von drei wunderschönen melodischen Stimmen. Sie lullten sie ein, beruhigten sie und brachten sie in einen ruhevollen Schlaf.
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