❤️ Welcome to the Teaparty

Welcome to the Tea Party
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That's okay (That's okay)
Welcome to the Tea Party
oh oh oh oh
Want to be my VIP?
When I'm all steamed up (up)
Hear me shout

Der Blick in den Spiegel ließ mich für einen Moment innehalten. Der rote, seidige Stoff des Kleides schimmerte dezent im warmen Licht der Lampe, während ich mich langsam drehte, um es von allen Seiten zu bewundern. Das Kleid schmiegte sich wie eine zweite Haut an meinen Körper und betonte dabei genau die richtigen Stellen, während es die Unvorteilhaften gekonnt kaschierte. Ich konnte nicht leugnen, dass ich mir darin gefiel. Ich fühlte mich darin elegant, fast wie die Königin, die ich verkörperte und ja, sogar ein bisschen sexy. Und der Gedanke, dass es ein Geschenk von Chishiya war, machte es in meinen Augen noch wertvoller. 

Warum hatte er es mir gegeben?

Diese Frage tauchte immer wieder in meinem Kopf auf. Sein trockener Kommentar, "Weil du es angestarrt hast", war nicht besonders hilfreich gewesen. Das war so typisch Chishiya – mysteriös, unnahbar, und gleichzeitig ließ er genug Raum für Interpretationen, um mich wahnsinnig zu machen. 

Aber warum würde er mir ein Kleid schenken und dann selbst nicht zum Ball gehen? Es ergab keinen Sinn, egal wie lange ich darüber nachdachte. Stattdessen hatte er beschlossen, heute Abend den Dienst auf der Krankenstation zu übernehmen und das, obwohl heute mit keinerlei Verletzten zu rechnen war. Die einzigen zwei Patienten vom Vortag hatten nur leichte Verletzungen erlitten und konnten eventuell sogar noch vor dem Beginn des Balls entlassen werden. Und doch schien er seine Meinung nicht geändert zu haben. Chishiya würde nicht zum Ball kommen. Damit sollte ich mich abfinden.

Anfangs hatte ich mich noch auf den Ball gefreut, doch um ehrlich zu sein, fühlte es sich inzwischen mehr wie eine lästige Pflicht an. Ich versuchte mir einzureden, dass es schön werden würde. Es war eine seltene Möglichkeit, die Sorgen dieser Welt wenigstens mal einen Abend lang zu vergessen. Niemand würde heute spielen müssen, niemand würde bangen müssen und vor allem niemand würde sterben müssen. Und dennoch wäre ich gerade lieber dort gewesen... auf der Krankenstation. Bei ihm. 

Irgendwas zwischen uns hatte sich verändert seit dem Vorfall mit dem Patienten neulich. Anfangs hatte ich noch geglaubt, dass er mich nur aufziehen wollte, weil ich in seiner Gegenwart immer nervös wurde, doch inzwischen glaubte ich, dass es mehr war als das. Seine Hand auf meiner Schulter – diese winzige Geste war fast mitfühlend gewesen, als wäre ihm mein Wohlbefinden nicht völlig egal. Und selbst danach hatte er mich weniger zurechtgewiesen als sonst, was ich immerhin als kleinen Fortschritt sah.

Es klopfte an der Tür und ich zuckte etwas zusammen. 

"Ich bin's nur. Kann ich reinkommen?"

Es war Kuinas Stimme. Wir hatten vereinbart, dass sie mich um 18 Uhr abholte. Es war zwei Minuten vor um. 

"Warte kurz", rief ich und griff schnell nach der goldenen Krone auf dem Nachttisch, um sie auf meinen Kopf zu setzen. 

Ich hatte sie aus einem alten Kostümfundus des Hotels ergattern können und obwohl sie nur aus billigem Plastik bestand, verlieh sie dem Kostüm den letzten Feinschliff. Die kleinen, roten Steine, die auf der Krone eingefasst waren, glänzten fast wie edle Rubine. Es war schwierig gewesen, alle Accessoires zusammenzutragen: die roten Ohrringe in Herzform, die eleganten, schwarzen Schuhe, die glücklicherweise keine zu hohen Absätze hatten und den goldenen Armreif an meinem Handgelenk. Um meinen Hals schmiegte sich außerdem ein eng anliegendes Band aus Spitze, das meine Narbe geschickt verdecken sollte. 

Meine Finger berührten den goldenen Herzanhänger um meinen Hals. Für einen kurzen Moment überlegte ich, die Kette abzunehmen, entschied mich aber doch dagegen. Einerseits weil sie gut dazu passte, andererseits weil Makoto bestimmt enttäuscht wäre, wenn ich sie nicht trage. Doch bevor ich weiter darüber sinnieren konnte, ging die Tür einen Spalt auf und Kuinas Kopf erschien dahinter.

"Was machst du denn so lange?"

"Sorry, ich musste noch meine Krone richten", sagte ich mit einem schiefen Grinsen und drehte mich dann schwungvoll zu ihr um.

Kuinas trat ein und hielt für einen Augenblick inne, um mich zu betrachten. Ihre Augen weiteten sich kurz, dann gab sie ein anerkennendes Pfeifen von sich.

"Wow, Izzy! Du siehst absolut umwerfend aus", sagte sie und drehte beiläufig eine lange Zigarettenspitze in ihrer Hand, während sie das Kleid näher in Augenschein nahm.  "Wo hast du denn dieses Wahnsinns-Kleid aufgetrieben? Raus mit der Sprache!"

Ich biss mir kurz auf die Unterlippe.

"Also ähm, ich hab im Kostümfundus noch ein altes Kleid gefunden und hab es von diesem Typen, Kiyoshi, etwas aufpeppen lassen", log ich schnell, bemüht, möglichst überzeugend zu klingen.

Das schlechte Gewissen nagte kurz an mir, doch ich schob es beiseite. Kuina wäre mit Sicherheit nicht erfreut, wenn ich ihr sage, woher ich das Kleid wirklich hatte. Außerdem wäre die Gefahr zu groß, dass Makoto es erfahren könnte, dem ich bereits dieselbe Geschichte aufgetischt hatte. Wenn er wüsste, dass Chishiya mir das Kleid geschenkt hatte, dann würde er ihm garantiert bei der nächsten Gelegenheit an die Gurgel springen. Und ich wollte keine weitere Eskalation zwischen den beiden riskieren – vor allem, weil ich wusste, dass Chishiya mit seiner sarkastischen Art garantiert Öl ins Feuer gießen würde und die Gefahr bestand, dass Makoto ihm am Ende noch die Nase brach.  

"Wirklich? Das ist unglaublich", staunte sie und riss mich damit aus meinen Gedanken. 

Mein Blick glitt ehrfürchtig zu Kuina und zum ersten Mal musterte ich auch sie eingehender. Verblüfft betrachtete ich das eng anliegende, blaue Kleid, das ihre schlanke Figur perfekt betonte. Es schillerte dezent metallisch, fast wie der Panzer eines exotischen Käfers. Ihre Dreads hatte sie kunstvoll nach hinten in einen hohen Dutt drapiert und einige Strähnen blau eingefärbt. Alles, vom Make-up bis hin zu den Accessoires, war bis ins Detail aufeinander abgestimmt und die Zigarettenspitze in ihrer Hand rundete das Ganze perfekt ab.

"Ich, Unglaublich? Hast du dich mal angesehen?" Ich schüttelte den Kopf und konnte ein ehrliches Lächeln nicht zurückhalten. "Du bist der absolute Hammer, Kuina. Du siehst aus wie ein Filmstar. Die perfekte rauchende Raupe. Absolem würde erblassen vor Neid."

Kuina lachte nur, ihre Augen funkelten amüsiert. 

"Na ja, es hat mich einiges an Nerven gekostet. Aber wenn hier jemand königlich aussieht, dann bist du das, Izzy. Bin ja gespannt, wie viele Herzen du heute Abend brechen wirst", sagte sie mit einem spielerischen Augenzwinkern.

Ich gluckste leise. Doch trotz ihrer Worte konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, dass ich neben ihr verblasste. Kuinas Ausstrahlung war wie ein Magnet, der alle Blicke auf sich zog. Im Vergleich dazu fühlte ich mich fast... unscheinbar, wie ein unbedeutender Statist. Mein Kleid, das mir eben noch so königlich vorgekommen war, wirkte plötzlich eher schlicht, und ich ertappte mich dabei, wie ich unbewusst meine Haare zurecht zupfte.

"Komm, lass das", ermahnte Kuina mich und hakte sich bei mir unter. "Du siehst fantastisch aus. Dein Ex wird Augen machen, wenn er dich so sieht. Und nicht nur er."

"Ach, hör schon auf", sagte ich abwehrend. Alleine der Gedanke, Makoto heute Abend zu sehen, ließ ein flaues Gefühl in mir aufsteigen. "Er hat mich schon so oft gesehen. Das ist nichts Neues."

"Aber garantiert nie so", behauptete sie, während wir gemeinsam die Tür ansteuerten. Ich lächelte leicht, dabei wusste ich, dass mir Makotos Reaktion nicht annähernd so viel bedeutete, wie die von jemand anderem – jemand, der heute Abend mit Abwesenheit glänzte. "Dann mal los! Die rauchende Raupe und die Herzkönigin machen sich auf den Weg, um den Ball im Sturm zu erobern."

Kuina war kaum zu bremsen in ihrem Enthusiasmus und ich musste zugeben, dass sie mich fast ein wenig damit ansteckte. Ich kicherte und wir gingen gemeinsam nach unten in Richtung Eingangshalle, wo die große Feierlichkeit stattfinden sollte. 

Je näher wir kamen, umso lauter wurde das dumpfe Dröhnen der Bässe, das rhythmisch an den Wänden widerhallte. Auf dem Weg dahin trafen wir bereits die ersten Gäste, die in aufwendigen Kostümen an uns vorbeihuschten – ein seltener Anblick hier im Beach, wo sonst jeder in Badebekleidung unterwegs war. Doch gerade das schien den besonderen Reiz des Events auszumachen. Heute wurden die Regeln außer Kraft gesetzt – zumindest die modischen.

Staunend blickten wir uns um, als wir die große, festlich geschmückte Eingangshalle betraten, die kaum wiederzuerkennen war. Das gewohnte elegante Design war einer märchenhaften, extravaganten Wunderland-Kulisse gewichen. Über unseren Köpfen hingen blaue und violette Lichterketten, an denen Skatkarten in unterschiedlichen Größen aufgereiht waren. Zwischen ihnen baumelten goldene Taschenuhren, die im Licht fast magisch funkelten und sich wie kleine Windspiele leise hin und herdrehten. 

Das Herzstück des Raumes jedoch war die Tanzfläche, die mit einem überdimensionalen Schachbrettmuster überzogen war. Ringsherum gab es runde Stehtische, auf denen Blumenbouquets mit abwechselnd weißen und roten Rosen arrangiert waren, sowie kleine Stapel mit kitschigen Teetassen, die an die Teeparty des Hutmacher erinnerten. An den Wänden hingen vereinzelt Gemälde, die die Figuren des Kinderklassikers darstellten: Alice mit ihrer blauen Schleife im Haar, der exzentrische Hutmacher mit einer Teekanne in der Hand und natürlich die ikonische Grinsekatze mit ihrem breiten, schamlosen Grinsen. Ich konnte mir ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen, als mein Blick an ihrem Porträt hängen blieb.

"Wow, die haben sich echt ins Zeug gelegt", hörte ich Kuina neben mir sagen, während sie mit ihrer Zigarettenspitze in Richtung Bühne deutete.

Mein Blick folgte ihrer Geste nach vorne, zur Tribüne. Dort, direkt unter der Empore, wo Hatter normalerweise seine berüchtigten Motivationsreden hielt, stand ein massiver, großer Stuhl, der mit goldenen Schnitzereien und tiefrotem Samt verziert war – ein Thron, der perfekt zur Herzkönigin gepasst hätte. Doch hier, in unserer Version, in Borderland, saß dort kein anderer als Danma, unser charismatischer Anführer höchstpersönlich. Und sein Kostüm war – wenig überraschend – das des Hutmachers.

Sein typischer Bademantel hatte diesmal einen edlen violetten Farbton. Darunter konnte man ein weißes Seidenhemd mit Rüschen hervorblitzen sehen, das jedoch so weit offen stand, dass es seine dicht behaarte Brust präsentierte. Statt einer langen Hose trug er knielange Shorts und an seinem Gürtel hingen ein paar Spielkarten und eine kleine silberne Teekanne. Auf seinem Kopf thronte ein großer Zylinder in der gleichen Farbe wie sein Yukata, der ebenfalls mit Karten gespickt war. Ein selbstgefälliges Grinsen lag auf seinem Gesicht, das fast so übertrieben wirkte, wie das der Grinsekatze an der Wand.

Ich konnte ein leises Schnauben nicht unterdrücken. Hatter liebte es, sich in den Mittelpunkt zu stellen, und dieser Abend war für ihn nur eine weitere Möglichkeit zur Selbstinszenierung. Es war schwer zu sagen, was ich an ihm mehr verachtete: seine schmieriges Getue, seine grenzenlose Eitelkeit oder die Art, wie er uns alle weiß machen wollte, dass der Beach ein Ort voller Hoffnung war, der uns irgendwann alle wieder zurück in unsere Welt bringen würde. 

Die Musik wurde plötzlich leiser gestellt und Hatter erhob sich mit weit ausgestreckten Armen von seinem Thron. Er strahlte in die Menge, wie ein stolzer Vater, der auf seine Kinder herabschaut. 

Neben ihm stand Mira in einem roten, eleganten Kleid, das perfekt auf ihre Figur zugeschnitten war. Der hohe Kragen verlieh ihr etwas Majestätisches, aber auch Unnahbares. Eine kleine, goldene Krone zierte ihren Kopf und ihre knallroten, herzförmigen Lippen formten ein Lächeln, das mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagte. Ihr Lächeln schien etwas zu verbergen, so als könnte sie die Geheimnisse jedes Menschen mit einem einzigen Blick durchleuchten. Alleine wegen ihrer unheimlichen Ausstrahlung gab sie wahrscheinlich die bessere Herzkönigin von uns beiden ab.

In unmittelbarer Nähe standen Ann und Kuzuryu, die ebenfalls der Führungsriege angehörten. Ann trug ein schlichtes, enges Etuikleid in weiß und ein silbernes, filigranes Diadem - die weiße Königin, vermutete ich. Kuzuryu dagegen hatte sich für einen schlichten Anzug mit einem klassischen Schachbrettmuster entschieden, der das Thema nur subtil aufgriff. Auch der Rest der Elite war anwesend: der furchteinflößende Typ mit den Tattoos, den alle nur Last Boss nannten (und völlig unverändert aussah) und Aguni, der Anführer des Militärs, der wie immer eine einschüchternde Aura hatte und Abstand zu den Anderen hielt. 

Und dann war da – zu meinem Bedauern – noch Niragi, das wandelnde Ärgernis, das es immer wieder schaffte, meine Laune innerhalb von Sekunden auf den Tiefpunkt zu bringen. Er hatte sich, wenig überraschend, für ein ebenso auffälliges wie provokantes Outfit entschieden. Eine enge schwarze Hose aus glänzendem Leder kombiniert mit einem weißen, zerschlissenen Hemd, das seinen Oberkörper zur Schau stellte. Darunter blitzte das Motiv eines Herzens hervor, das von einem Dolch durchstochen war. Dicke Blutstropfen quollen daraus hervor, die sich wie ein makabres Kunstwerk auf das weiße Hemd ausbreiten. Statt seines Gewehrs, das normalerweise demonstrativ auf seiner Schulter ruhte, trug er, übertrieben lässig, ein langes Schwert über der Schulter, als würde er nur darauf warten, einen Vorwand zu finden, um jemanden damit den Kopf abzuschlagen. 

Die ganze Führungsebene des Beach war anwesend, alle außer Chishiya. Es war seltsam, wie sehr mir seine Abwesenheit auffiel, als ob er eine Lücke in mir hinterlassen hatte. Und doch konnte ich nicht aufhören, mich zu fragen, was er getragen hätte, wenn er gekommen wäre. 

Wahrscheinlich genau dasselbe wie sonst auch: weiße Jacke und seine Hawaii-Badeshorts.

Die Vorstellung ließ mich fast laut auflachen.

Mein Blick ging wieder nach vorn, als Hatter sich hörbar räusperte. Sofort verstummte die schnatternde Menge und richtete ihre Aufmerksamkeit zur Tribüne. 

"Meine lieben Freunde! Heute ist ein besonderer Tag! Heute feiern wir nicht nur meinen 40. Geburtstag, sondern auch den Erfolg jedes einzelnen Bewohners im Beach", begann er mit mitreißender Stimme. "Der Beach ist mehr als nur ein Ort. Er ist unsere Zuflucht, eine Gemeinschaft und ein Symbol für Freiheit!" Laute Jubelrufe drangen aus dem Publikum und irgendjemand warf tatsächlich einen Damenslip auf die Bühne. Hatter lachte nur und warf der wild gestikulierenden Frau eine übertriebene Kusshand zu.  "Danke, danke. Ich liebe euch auch!"

Ich musste mich ernsthaft bemühen, nicht mit den Augen zu rollen. Auch Kuina warf mir einen semigenervten Blick zu und machte eine Kotzgeste, die mich unwillkürlich zum Kichern brachte. 

Hatter hob beschwichtigend die Hände und sofort wurde es wieder ruhiger im Saal. Ich beobachtete jedoch, wie nebenher ein paar Männer in schwarzen Westen und weißen Hasenohren mit Tabletts herum gingen und volle Sektgläser an die Leute verteilten. 

"Hey Tsu", wisperte eine Stimme neben mir. Ich zuckte zusammen und fuhr erschrocken herum. Makotos vertrautes Gesicht jedoch entlockte mir ein erleichtertes Lachen. Ich musterte ihn amüsiert, als ich sah, dass er ebenfalls eine schwarze Weste über einem glatt gebügelten, weißen Hemd trug. Aus seiner Westentasche blitzte eine goldene Taschenuhr hervor und auf seinem Kopf saß eine weiße flauschige Mütze mit langen, herunterhängenden Hasenohren, auf der ein fröhliches Hasengesicht zu sehen war. Er hielt mir ein Tablett vor die Nase. 

Ich gluckste leise und griff nach einem Glas.

"Wie süß", sagte ich leise, während Hatter weiter erzählte. Makoto beugte sich ein wenig über meine Schulter.

"Nicht so süß wie du!", flüsterte er zurück. "Du siehst wunderschön aus."

Ich senkte kurz den Kopf.

"Danke", sagte ich leise. 

Auf ihn wirkte meine Reaktion vielleicht verlegen oder schüchtern, doch in Wahrheit wollte ich ihm nicht zeigen, dass seine Komplimente mir jedes Mal einen unangenehmen Kloß im Hals verursachten. 

"...und deshalb hoffe ich, wir können heute alle zusammen einen wundervollen Abend verbringen. Dieser Abend ist mein aufrichtiger Dank an jeden einzelnen von euch für euren unermüdlichen Einsatz, deshalb genießt ihn so gut ihr könnt", beendete Hatter seine Rede und hielt jetzt selbst ein Sektglas in die Höhe, um es in Richtung Publikum zu prosten. "Cheers!"

Die Leute ringsherum taten es ihm nach und hoben ihre Gläser. Erst jetzt bemerkte ich, dass an dem Stiel ein kleines Schildchen mit Drink Me angepinnt war. Schnell hob ich es hoch.

"Bis gleich, Tsu", flüsterte Makoto mir verschwörerisch zu. 

Ich sah ihm kurz nach, bis er in der Menge verschwand. Ich schluckte schwer und der Kloß sackte nach unten Richtung Magen. 

"Und damit erkläre ich das Buffet für eröffnet!", verkündete Hatter freudestrahlend und deutete mit seinem Glas auf die langen Tische hinter uns, die sich an der Wand entlang erstrecken. 

Als ich näher trat, sah ich Makoto und seine beiden Kollegen – ebenfalls als Kaninchen verkleidet – die gerade mehrere Wunderkerzen entzündeten, die auf der üppig gedeckten Tafel arrangiert waren und nun mit leisem Knistern für eine stimmungsvolle Atmosphäre sorgten. Sofort versammelten sich alle Anwesenden um die Tische, um staunend dabei zuzusehen. 

Dort fand man alles, was das Herz begehrte: große Schüsseln mit dampfenden Reis, gebratene Nudeln, bunte Salate, Sushi in allen erdenklichen Formen und Farben, Reisbällchen, Pudding und sogar eine aufwendig dekorierte Obstplatte mit einer kunstvoll geschnitztem Wassermelone, die unverkennbar Makotos Handschrift trug. Er hatte ein besonderes Talent dafür, Obst auf kreative Weise anzurichten und liebte es, sich in die kleinen Details zu verlieren. Mein Blick schweifte weiter über die Fülle an Köstlichkeiten und blieb an einer Etagere hängen, auf der hübsch dekorierte Cupcakes thronten, gekrönt von kleinen Spießchen mit dem Schriftzug Eat Me. Der Anblick ließ mir unweigerlich das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so ein Festmahl vor mir hatte. Im Beach war das Essen normalerweise streng rationiert, weil es schwierig war frische Lebensmittel zu bekommen und nicht abzusehen war, wie lang unsere derzeitige Situation hier andauern würde. Die Führungsriege hatte generell einen Sonderbonus, was die Größe der Portionen und die Extras anging, doch das niedere Fußvolk, wie Kuina, Makoto oder ich es waren, bekam nur das lebensnotwendige Minimum an Rationen zugeteilt. Es war also leicht zu erraten, wie schnell die ersten sich auf das Buffet stürzten und ihre Teller mit allem befüllten, was sie kriegen konnten. Ich schaffte es nicht mal einen Teller zu holen, da wurde ich bereits von mehreren Leuten rücksichtslos beiseite gedrängt. Ich seufzte und gab den Kampf fürs Erste auf, denn ich hatte zugegeben wenig Lust darauf, mich mit jemandem um ein Reisbällchen zu schlagen.

"Die sind ja wie wilde Tiere", knurrte Kuina neben mir, die es auch nicht geschafft hatte, gegen den Andrang anzukommen.

"Ich glaube, Tiere sind zivilisierter", sagte ich kopfschüttelnd und verschränkte die Arme, während ich das chaotische Spektakel vor uns beobachtete.

Kuina gluckste.

"Aber vielleicht besser so," meinte sie und warf mir einen schelmischen Blick zu, "sonst würde ich hier noch das Kleid sprengen... und das wäre wirklich eine Katastrophe."

Ich prustete laut los bei der Vorstellung.

"Schlüpfst du dann vielleicht als blauer Schmetterling heraus?", sagte ich mit einem kecken Grinsen.

Kuina hob eine Augenbraue und schmunzelte. 

"Blauer Schmetterling? Klingt edel. Aber wenn schon, dann bitte mit Glitzerflügeln – ich will schließlich Eindruck machen."

Ich lachte und schüttelte den Kopf. 

"Wenn du so weitermachst, hast du bald die halbe Halle um dich versammelt."

Sie zuckte mit den Schultern und legte dabei eine gespielte Bescheidenheit an den Tag. 

"Was soll ich sagen? Manche haben es, manche nicht."

Mein Lächeln wurde breiter. Kuina hatte die seltene Gabe, selbst in den absurdesten Momenten Leichtigkeit zu verbreiten. Gerade wollte ich etwas erwidern, als ich Makoto bemerkte, der sich mit einem vollen Tablett auf uns zubewegte.

"Na, ich dachte, ihr zwei verhungert noch, wenn ihr nur hier steht und plaudert", sagte er und stellte das Tablett mit einer übertriebenen Geste auf einem der Stehtische ab. Darauf türmten sich kleine Häppchen, farbenfrohe Obstspießer, Reisbällchen und sogar ein paar der "Eat Me"-Cupcakes.

"Und wie bist du da durchgekommen, ohne jemanden umzubringen?" fragte Kuina mit einem skeptischen Blick auf den Menschenauflauf, der noch immer das Buffet in Beschlag genommen hatte.

Makoto grinste selbstzufrieden. 

"Vorteil des Küchenpersonals. Niemand legt sich mit dem Koch an."

Ich schnappte mir ein Reisbällchen und grinste ihn an.

"Du bist der Held im Kaninchenfell, so viel ist sicher."

Kuina nickte und griff ebenfalls zu und schob sich einen Cupcake in den Mund.

"Mega Lecker", mampfte sie.

Makoto lachte, und für einen Moment vergaß ich die seltsame Spannung, die mich den ganzen Abend begleitet hatte.

Während wir noch dabei waren, die ersten Häppchen zu probieren, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie zwei vertraute Gestalten auf uns zukamen. Kiko und Minsu, und ich musste schmunzeln, als ich ihre Kostüme sah.

Kiko trug das klassische Alice-Outfit: ein hellblaues Kleid mit weißer Schürze, ergänzt durch eine große Schleife im Haar. In ihrer Hand hielt sie einen kleinen weißen Plüschhasen umklammert, der allem Anschein nach selbstgenäht war. Sie lächelte uns zu und hob höflich die Hand, um zu winken. Ich winkte grinsend zurück.

Minsu neben ihr trug einen violetten Frack mit einer bunt gestreiften Weste darunter, kombiniert mit einem übergroßen Zylinderhut, der schief auf ihrem Kopf saß. Es überraschte mich ein wenig, dass sogar sie sich in ein Kostüm getraut hatte.

Sie kamen zu unserem Tisch, jeder mit einem Teller voll Essen.

"Dürfen wir uns zu euch gesellen? Es ist fast alles belegt."

"Aber klar", sagte ich zwischen zwei Bissen.

"Danke, ihr zwei seht übrigens wirklich toll aus", sagte Kiko bewundernd und musterte uns von oben bis unten. "Die Idee, sich als Absolem zu verkleiden, ist so kreativ. Ich glaube, du bist die einzige blaue Raupe hier. Und Izzy", sie ließ ihren Blick zu mir wandern, "du bist eine so majestätische Herzkönigin. Dieses Kleid steht dir wirklich unglaublich gut."

Ich kicherte vor Verlegenheit.

"Und du Kiko, siehst aus, als wärst du geradewegs in einen Kaninchenbau gefallen", sagte ich anerkennend.

Kiko lacht leise, ihre Hände vor sich gefaltet.

"Danke. Ich dachte, das passt ganz gut, oder?"

Ich nickte begeistert.

"Definitiv. Du bist die perfekte Alice. Und Minsu – wow, der Hutmacher steht dir richtig gut! Besser als... ihm da", sagte ich mit einem Seitenblick hoch zur Tribüne, wo Hatter gerade herzhaft in ein Sushiröllchen biss.

Erst da fiel mir auf, dass die Führungsriege ihr ganz eigenes Buffet aufgebaut hatte. 

Die Glücklichen. 

Vielleicht sollte ich mich im nächsten Spiel noch mehr anstrengen, um es auch irgendwann in die Top 10 zu schaffen. 

Das Essen war genauso gut, wie es aussah, und obwohl ich versucht war, meinen Teller noch einmal aufzufüllen, gab es andere, die immer noch dabei waren, sich wie hungrige Wölfe auf das Buffet zu stürzen. Ich beschloss, es dabei zu belassen, und legte die Serviette beiseite.

Die musikalische Beschallung war inzwischen wieder in vollem Gange und einige waren bereits dabei, die Tanzfläche für sich einzunehmen.

"Na, wer traut sich als erstes von uns?" fragte Kuina grinsend und stützte sich auf die Tischkante. 

Sie sah in die Runde, ihr Blick blieb kurz bei mir hängen, doch bevor ich antworten konnte, hörte ich Makotos Stimme neben mir.

"Tsuki?" Er stellte sich vor mich und streckte mir mit einem breiten Lächeln die Hand entgegen. "Darf ich um diesen Tanz bitten, eure Herzigkeit?"

Ich war kurzzeitig sprachlos. Es war nicht ungewöhnlich, dass Makoto spontan war, aber in diesem Moment fühlte es sich... anders an. Sein Tonfall war spielerisch, aber in seinem Blick lag ein Anflug von Ernsthaftigkeit.

"Oh, ähm, also ich..." begann ich, doch Kuina stieß mir grinsend mit dem Ellbogen in die Seite.

"Los, Izzy! Ich bin mir sicher, dass die Herzkönigin eine Tanzfläche erobern kann."

Es war nicht das Tanzen, vor dem ich Angst hatte oder dass ich mich dabei blamieren könnte - es war Makoto und die Tatsache, dass er sich so sehr um mich bemühte, während ich ihn immer wieder hinhielt, in der Hoffnung, dass er es irgendwann aufgab. Doch das tat er nicht. Und ich wusste, dass ich jetzt unmöglich ablehnen konnte, ohne ihn zu verletzen, also griff ich nach seiner Hand und ließ mich von ihm auf die Tanzfläche ziehen. 

Die Atmosphäre im Saal bildete einen deutlichen Kontrast zu den üblichen wilden Beach Partys, bei denen es für gewöhnlich nur darum ging, wer als letztes noch gerade stehen konnte. Ich bemerkte, wie leichter Nebel in der Halle aufstieg und uns umhüllte. Zusammen mit den blau-violetten Lichtern über uns und den sich drehenden Taschenuhren, die das Licht in tanzenden, goldenen Sprenkeln wieder zurück an die Wand warfen, verlieh es der Halle ein fast magisches Ambiente. 

Makoto lächelte, als er seine Hand an meine Taille legte und mich an sich herzog. Der Song, der lief, war etwas ruhiger als der zuvor, jedoch nicht zu ruhig, um romantisch zu sein, worüber ich tatsächlich erleichtert war. 

"Ich kann mich wirklich glücklich schätzen heute Abend mit der Herzkönigin zu tanzen", sagte er, als wir eine kleine Pirouette drehten. "Noch dazu mit einer, die so überwältigend aussieht."

Ich lachte leise und schüttelte den Kopf.

"Du weißt aber schon, dass dich das deinen Kopf kosten könnte", entgegnete ich mit einem schiefen Grinsen, während wir uns weiter drehten.

"Für einen Tanz mit dir, geh ich dieses Risiko gern ein."

"Du weißt aber auch, dass Königinnen und weiße Kaninchen eine seltsame Kombi sind, oder?"

Er zuckte mit den Schultern.

"Im Wunderland ist alles möglich, oder?"

Ich lachte, aber der Kloß in meinem Hals blieb. Er war da, schwer und unangenehm, und schien mit jeder Sekunde größer zu werden. Der Song wechselte. Ein fröhlicher Partyhit dröhnte jetzt aus den Lautsprechern. Die Tanzfläche füllte sich schnell mit Menschen, die ausgelassen lachten und sich von der Musik treiben ließen. Die Stimmung war jetzt unbeschwert, fast sorglos – ein Kontrast zu dem Chaos, das sonst unsere Realität bestimmte.

"Das war früher dein Lieblingssong, erinnerst du dich?", rief Makoto laut, um die Musik zu übertönen.

Ich nickte energisch. Ich hatte mich inzwischen von ihm gelöst, um mich freier bewegen zu können. Er beobachtete mich mit einem breiten Lächeln, während ich mich drehte und die Arme in die Luft warf. Die Musik hatte mich für einen Moment mitgerissen. Ich schaltete kurz ab, versuchte, alles um mich herum auszublenden. Borderland, die Spiele, die Menschen, die gestorben waren. Und plötzlich fühlte ich mich für einen winzigen Augenblick in die Zeit zurückversetzt. Ich war auf meinem Schulabschlussball und Makoto und ich tanzten zum ersten Mal zusammen. Es waren unbeschwerte Zeiten – Zeiten, in denen ich noch nicht gewusst hatte, was mir einmal bevorstehen würde und in denen meine Krankheit noch nicht über mein gesamtes Leben bestimmt hatte. So sorglos wie damals würde ich wohl nie wieder sein. 

Die Erinnerungen ließen mich kurz innehalten. Und doch, all das gehörte der Vergangenheit an. Ich spürte, wie ein bittersüßes Gefühl an mir zerrte, das ich nicht ganz greifen konnte. Makoto lachte leise, als er mir zusah, und für einen Moment fühlte ich mich schuldig. Schuldig, dass ich nicht vollständig hier bei ihm war, in diesem Moment. Etwas in mir hatte sich verändert, und ich wusste genau, was, oder vielmehr wer, der Grund dafür war.

Mein Blick huschte unwillkürlich durch den Raum, suchend, fast reflexartig. Es war albern, aber ich konnte nicht anders. Irgendetwas an ihm ließ mich nicht los, obwohl ich mir wünschte, dass es nicht so wäre. Und dann plötzlich sah ich ihn. Chishiya.

Er lehnte lässig an einer Säule, genau dort, wo er auch bei Hatters Reden stand, die Arme locker vor der Brust verschränkt, sein Gesicht wie immer neutral, fast unbeteiligt. 

Die Luft schien kurz zu knistern, als unsere Blicke sich trafen, beinahe elektrisierend. Er hatte sich umgezogen, trug jetzt einen schlichten schwarzen Anzug mit offenem weißen Hemd – nichts Übertriebenes, aber dennoch auffällig elegant. Er war, ohne Frage, attraktiv.

Ich schluckte schwer.

Sein Blick war direkt auf mich gerichtet. Nicht auf die Tanzfläche, nicht auf Makoto – nur auf mich.

Das Kapitel ist von der Länge her mal wieder bisschen ausgeartet. Tut mir leid, aber ich wollte es ungern nochmal teilen 😂

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