❤️ Schicksalhafte Begegnungen
Everywhere I go
I'm haunted by your ghost
You stay on my mind, can't help but keep you close
Oh baby, everywhere I go
I'm haunted by your ghost
You're the one I love and I fear the most
"Pah, nie im Leben. Er versucht doch nur herauszufinden wer es war, weil er keine Verräter im Beach duldet. Das war ein hinterhältiger Bluff um dich auf seine Seite zu ziehen und in Erfahrung zu bringen, ob du möglicherweise doch mehr weißt als du zugibst."
Kuina wirkte sichtlich aufgebracht als ich ihr von meinem Gespräch mit Hatter erzählte. Sie glaubte genausowenig wie ich, dass er je vorhatte sich bei meinem Retter erkenntlich zu zeigen.
Ich nickte nachdenklich und rührte dabei die Eiswürfel in meinem leeren Cocktailglas um.
"Hmm, aber in einer Sache hat er schon Recht. Der Beach könnte jemanden mit seinen medizinischen Fertigkeiten gut gebrauchen. Wäre das nicht ein Grund sein Leben zu verschonen?", fragte ich hoffnungsvoll.
Kuina schnaubte.
"Darauf würde ich nicht setzen. Ich glaube nicht, dass es ihn sonderlich kümmert, so lange Ann da ist und den Job erledigt."
"Aber sie ist nur Forensikerin und ich glaube sie ist jetzt schon am Ende ihrer Kräfte."
Sie zuckte mit den Schultern.
"Nicht Hatters Problem, oder?"
Ich ließ die Eiswürfel frustriert gegen das Glas klirren. Vermutlich hatte sie Recht. Nach allem, was ich bisher über diesen Mann wusste, der diesen Ort regierte, schien er jemand zu sein, dem es wichtig war im Rampenlicht zu stehen und von seinem Volk verehrt zu werden. Er sah sich selbst als eine Art Heilsbringer, der die Menschheit befreite und sie wieder in die alte Welt zurückführte.
Allerdings verlangte er im Gegenzug absolute Opferbereitschaft für seine Sache. Deshalb hatte er auch Regel Nummer 3 eingeführt. Weil der Beach vermutlich nicht anders funktionieren würde. Verräter konnten also unter keinen Umständen geduldet werden. Und da ich neu hier war und gegen ihren Willen hier eingedrungen war, wollte er mir auf den Zahn fühlen und testen, ob ich mich als vertrauenswürdig erweisen würde. Es war riskant weiterhin zu lügen, aber welche andere Wahl hatte ich?
Egal, was ich tat, ich wurde als Verräterin gelten - entweder gegenüber dem Beach oder gegenüber demjenigen, der mir das Leben gerettet hatte. Aber mit meiner jetztigen Entscheidung konnte ich immernoch besser leben als mit der meinen Retter an den Beach auszuliefern. Für mich war es schlichtweg eine Frage von Moral ihn nicht zu verraten.
"Los, lass uns auf den Schock noch was trinken oder willst den ganzen Abend deinen Eiswürfeln beim Schmelzen zusehen?"
Kuina sprang übereifrig vom Tisch auf und ich folgte ihr mit angeheitertem Gekichere durch das Getümmel direkt zur Bar. Zeit die Vernunft für einen Augenblick über Bord zu werfen. Das Leben war schließlich kurz genug.
Allerdings hatte ich dabei beinahe verdrängt, dass ich nicht viel vertrug. Der darauffolgende Cocktail hatte es wirklich in sich. Ich war so ausgelassen, angetrieben von einer Stimmung wie ich sie schon so lange nicht mehr verspürt hatte. Selbst Hatter und meine vorherigen Bedenken rückten in meinen Gedanken schon bald in weite Ferne.
Die Musik auf der Tanzfläche pulsierte in meinem Körper und meine Sinne wurden von einem Gefühl der Freiheit und Sorglosigkeit erfüllt. In diesem Moment schienen alle meine Sorgen und Ängste von mir abzufallen. Ich tanzte zusammen mit Kuina, wir lachten und genossen die elektrisierende Atmosphäre um uns herum bis es dunkelte.
Doch mit jedem weiteren Drink, den ich mir genehmigte, spürte ich auch, wie sich meine Sinne beträchtlich trübten. Mein Gleichgewicht geriet zunehmend ins Wanken als ich versuchte mich durch die Menschen zu schieben um zur Toilette zu gelangen. Auch mein Magen rebellierte ein wenig, ich hatte es eindeutig übertrieben.
Den letzten Erdbeer-Shot hatte ich mir von Hideki, dem Barkeeper andrehen lassen. Er fand es offensichtlich amüsant, dass ich bereits nach wenigen Drinks vollkommen hinüber war. Ich kicherte in einer Tortour und vermutlich hatte er das erneut als Flirten misinterpretiert, denn er hatte sich zwischenzeitlich recht nah zu mir über den Tresen gelehnt und versucht mir ein paar persönliche Fragen zu entlocken, die ich, angeheitert wie ich war allesamt brav beantwortet hatte.
Hätte er in diesem Moment die richtigen Fragen gestellt, hätte ich vermutlich sogar meine tiefsten Geheimnisse offenbart, aber glücklicherweise blieb das Gespräch weitesgehend oberflächlich.
Kuina, die meine zunehmende Unbeholfenheit bemerkte, als ich wieder vom Klo zurückkam, wandte sich etwas besorgt an mich.
"Mann, du siehst echt fertig aus. Vielleicht sollten wir für heute Schluss machen", sagte sie mit einem milden Lächeln. Ich nickte und lehnte mich dann dankbar an sie, während wir uns durch die tanzende Menge kämpften. Kuina stützte mich dabei seitlich etwas ab, sobald ich zu stark ins Taumeln geriet.
Behutsam führte sie mich aus dem lauten Gewirr der Party hinauf zu meinem Zimmer. Die Musik dröhnte noch immer in meinen Ohren nach, als wir mit dem Aufzug im dritten Stock ankamen.
"Wir müssen dich wohl noch etwas trinkfest machen. Achtung, hier geht's lang", giggelte sie als ich die falsche Zimmertür ansteuerte und schob mich dann weiter zur nächsten Tür.
"In dies'm beschiss'n Korridor sieht all's gleich aus."
"Deshalb gibt es Nummern an den Türen. Du hast die 13. Weißt du noch?"
"Klar, ich bin nur besoff'n, nicht dement", lallte ich. "Aber die Zahl'n flimmern so lustig. Wusst'st du, dass die 13 im Westen als Unglückszahl gilt? Mein Ex war vor einiger Zeit in Amerika und die haben dort nichtmal 'nen dreizehntes Stockwerk", erzählte ich mit einem haltlosen Kichern, während Kuina mich mühsam über die Türschwelle bugsierte.
Als ich mit den Beinen gegen das Bett stieß, ließ ich mich schwächelnd darauf fallen. Ich lächelte selig als meine Hände das Kissen zu fassen bekamen und es sehnsüchtig in die Arme schloss.
"Das kannst du mir ja alles morgen noch erzählen", sagte Kuina beruhigend und breitete eine flauschige Kuscheldecke über mir aus. "Jetzt solltest du erstmal deinen Rausch ausschlafen. Ich hol dich morgen wieder zum Frühstück ab. Schlaf gut, Izzy-chan."
Ich lachte beschwipst auf.
"Has' du auch diesen Typen mit den schön'n Aug'n geseh'n? "
Kuina sah mich zweifelnd an.
"Was für ein Typ? Redest du von Hideki?"
Ich gluckste belustigt.
"Nee, doch nich' der. Der mit der weiß'n Jacke und den hell'n blond'n Haar'n. Er war in der Lobby. Du muss' ihn doch auch geseh'n hab'n", entgegnete ich in trotzigen Tonfall.
Sie lachte.
"Vermutlich hast du einen Geist gesehen."
"Mhm vielleicht, aber es war'n verdammt attraktiver Geist" , nuschelte ich in das Kissen.
"Na, dann träum schön von deinem geheimnisvollen Geist, der in deinem kleinen Köpfchen herumspukt."
Sie tätschelte mir übers Haar und löschte dann das Licht. Ich lächelte dankbar und schloss die Augen, während Kuina leise den Raum verließ. Die Stille umhüllte mich sanft und ich driftete allmählich in einen tiefen sorglosen Schlaf.
♡
Der nächste Morgen brachte mich wieder unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück. Ein forderndes Klopfen ließ mich verschreckt aus dem Schlaf fahren. Ich sah mich verwirrt um. Ich lag in meinem Zimmer und es war bereits taghell.
Warum war ich von dem Licht nicht aufgewacht?
"Izzy? Geht's dir gut?", drang Kuinas Stimme zu mir herüber. "Ich komme jetzt rein."
Die Klinke wurde geräuschvoll heruntergedrückt und Kuina steckte zögerlich den Kopf durch die Tür. Mein Kopf wandte sich schwach in ihre Richtung. Dabei spürte ich wie sich wie ein heftiger dumpfer Schmerz durch meine Stirn zog. Nur wenige Sekunden später war Kuina neben mir und öffnete eine Flasche Wasser.
"Geht's dir gut?", wiederholte sie aufrichtig besorgt.
Ich nickte und nahm ihr die Flasche ab, die sie mir reichte, während ich versuchte meinen trägen Oberkörper unter Anstrengung nach oben zu hieven. Ich setzte die Flasche an meine Lippen und trank gierig von der klaren Flüssigkeit. Sofort fühlte ich mich ein wenig wacher.
"War wohl doch etwas zuviel gestern?", gluckste sie belustigt. "Du warst ziemlich hinüber. Hast es kaum alleine in dein Zimmer geschafft. Wie gut, dass ich da war."
Ich setzte ein quälendes Lächeln auf.
"Danke dir, Kuina. Ich trinke sonst eigentlich nicht so viel", murmelte ich etwas beschämt und massierte dabei eingehend meine Schläfen.
"Zeit dich etwas abzuhärten. Aber vorher sollten wir dir vielleicht erstmal eine Schmerztablette auftreiben. Ann hat bestimmt noch welche da. Schaffst du es bis zur Krankenstation?"
Ich nickte.
"Gib mir zehn Minuten."
Als ich mich in Zeitlupe aus dem Bett gequält hatte, stellte ich mich kurz unter die Dusche. Das kalte Wasser auf meiner Haut belebte meine Sinne wieder ein wenig, doch meine hartnäckigen Kopfschmerzen vermochte es nicht so leicht zu vertreiben. Meine Glieder fühlten sich bei jedem Schritt, den ich tat, steif und unbeweglich an.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht?
Ich lachte tonlos auf, als ich mein abgefracktes Abbild im Spiegel betrachtete.
Vermutlich nicht so viel.
Zu allem Übel bemerkte ich, dass sich ein unschöner roter Pickel an meinem Kinn gebildet hatte. Mit ein bisschen Foundation, Puder und Eyeliner versuchte ich zu retten, was möglich war.
Okay, besser wird's heut nicht mehr.
Ich schüttelte kurz meine Haare durch, in der Hoffnung ihnen damit einen bewusst wild-gestylten Look zu verleihen.
"Wow, die Partylöwin kehrt zurück", scherzte Kuina, als sie sah, wie ich aus dem Badezimmer kam.
Ich versteckte mein Gesicht hinter meinen Händen.
"Kein Kommentar zu meinem Aussehen bitte."
Kuina kicherte.
"Ach was, einen schönen Menschen entstellt doch nichts."
Gemeinsam machten wir uns auf dem Weg zur Krankenstation. Kuina klopfte gegen die schwere Tür, doch von drinnen kam keinerlei Reaktion. Vorsichtig betraten wir den Raum. Das Zimmer wirkte verlassen.
"Vermutlich ist sie gerade unten beim Frühstück. Wenn wir uns beeilen, können wir sie vielleicht noch abfangen", sagte Kuina zuversichtlich.
"Klingt gut. Ich sterbe gleich vor Hunger", seufzte ich. Auch, wenn mir noch ein wenig übel war, rumorte es inzwischen lautstark in meinem Bauch. Ich brauchte definitiv eine Grundlage, um diesen Tag zu überstehen.
Als wir das Restaurant betraten, war es proppevoll. Wahrscheinlich war gerade Stoßzeit. Wir sahen uns flüchtig um, doch von Ann war keine Spur, weshalb wir uns mit einem Tablett in der Hand in der langen Schlange einreihten.
"Vielleicht sitzt sie irgendwo weiter hinten. So, wie ich sie kenne, hat sie sich einen Tisch abseits der Massen gesucht."
"Und wie gut kennst du sie?", fragte ich mit einem schiefen Lächeln.
Bei meiner Frage färbten sich Kuinas Wangen ein wenig rosa.
"Man kennt sich eben..."
Oha, das war eine unerwartete Reaktion.
Ich hakte nicht weiter nach, sondern hob nur mit einem verkniffenen Lächeln die Augenbrauen. Für Gespräche dieser Art kannten wir uns wahrscheinlich noch nicht gut genug und außerdem war hier wohl kaum der richtige Ort dafür.
Nachdem wir endlich unser Essen erhalten hatten, durchstreiften wir das riesige Restaurant mit wachsamen Blicken, doch die Forensikerin blieb weiterhin unauffindbar. Die meisten Plätze waren inzwischen besetzt, weshalb wir uns kurzzeitig etwas planlos zwischen den Tischen hindurchschlängelten. Plötzlich erstarrte ich in der Bewegung.
Nur wenige Meter von uns entfernt saß eine Person mit weißer Jacke und hellblondem schulterlangen Haar, die uns den Rücken zugekehrt hatte. Mein Herz machte einen heftigen Satz.
"Perfekt", rief Kuina auf einmal neben mir und ihre Miene hellte sich unverzüglich auf. "Komm, Izzy. Ich glaub ich hab einen Platz für uns gefunden."
Sie setzte sich in Bewegung und steuerte mit ihrem Tablett genau auf den Tisch mit dem jungen Mann zu, der schon seit Tagen meine Gedanken heimsuchte.
Kannte sie ihn etwa?
Mit einem mulmigen Gefühl folgte ich ihr. Kuina blieb neben dem Tisch stehen und der Typ sah dezent erstaunt zu ihr auf.
"Morgen, Chishiya. Du hast doch sicher nichts dagegen zwei hilflose junge Frauen an deinem Tisch aufzunehmen. Die anderen Plätze sind alle besetzt", sagte Kuina mit entschuldigender Miene.
Sein wachsamer Blick wanderte langsam zu mir hinüber und verharrte für einige unangenehme Sekunden auf meinem Gesicht. Ich senkte den Kopf ein wenig und spürte wie meine Wangen brannten.
Jetzt nur nicht die Nerven verlieren.
Ich schielte wieder ein wenig zu ihm hinüber. Er sah noch besser aus, als in meiner Erinnerung.
Nach einer gefühlten Ewigkeit nickte er knapp und Kuina ließ sich auf dem Platz ihm gegenüber fallen. Da es ein Vierertisch war, setzte ich mich zögerlich neben sie.
"Ach ja, das hier ist übrigens Izumi Tsuki", stellte sie mich vor. "Ich hab dir ja letztens von ihr erzählt."
Ich setzte ein gezwungenes Lächeln auf, während sein Blick erneut forschend über mein Gesicht glitt.
Dann wandte sich Kuina wieder an mich.
"Izzy, das ist Chishiya. Er ist Mitglied im Rat, also nehme dich vor ihm in Acht", witzelte sie.
Ich nickte verstehend und sah ihm mutig in die Augen.
"Sehr erfreut", sagte ich mit deutlich klopfendem Herzen.
Er war Mitglied im Rat? Und das obwohl er den Beach offensichtlich verraten hatte.
Der Kerl namens Chishiya reagierte kaum auf meine Worte, sondern wandte sich wieder unbedarft seinem Essen zu.
Kuina schien die seltsame Anspannung zwischen uns zu bemerken.
"Sag mal, hast du Ann heute schon gesehen?", fragte sie dann wieder an Chishiya gerichtet.
"Hab ich. Sie war kurz vor euch hier."
"Ach Mist, dann haben wir uns wohl gerade verpasst. Izzy braucht dringend eine Schmerztablette. Hideki hat sie gestern ein bisschen zu sehr abgefüllt", kicherte sie ungehalten.
Ich versteckte mein Gesicht etwas peinlich berührt hinter meinem Pony.
Erdboden, tu dich auf!
"Draußen im Kräutergarten wachsen Ingwer und Wacholder. Ein Aufguss daraus reicht völlig, alternativ auch Kaffee mit etwas Zitrone", entgegnete Chishiya ohne mich dabei eines Blickes zu würdigen.
"Uhh, spricht da jemand aus Erfahrung? Das hätte ich dir ja gar nicht zugetraut", zog Kuina ihn mit einem verschmitzten Grinsen auf.
Dieser widerrum zog nur missbilligend eine Augenbraue nach oben.
"Die meisten Arten von Kopfschmerzen werden auf die gleiche Art und Weise behandelt, egal ob sie durch Alkohol verursacht wurden oder durch etwas anderes."
"Boar, Chishiya. Hör auf immer so den Klugscheißer raushängen zu lassen. Das nervt echt", beschwerte sie sich.
Chishiya verzog seine Lippen zu einem selbstgefälligen Lächeln, erwiderte jedoch nichts darauf, sondern richtete seine Aufmerksamkeit wieder dem Essen zu. Ich nutzte diesen kurzen Moment um ihn unauffällig aus den Augenwinkeln zu mustern.
Er war schön. Unbemüht schön. Seine Haltung jedoch war abweisend, fast schon unterkühlt. Er ignorierte mich noch immer, obwohl ich ihm fast direkt gegenüber saß.
Ich musste zugeben, dass es ein wenig wehtat nach allem, aber er hatte mit Sicherheit seine Gründe dafür. Dennoch war sein Verhalten meiner Meinung nach wesentlich auffälliger, als wenn wir nur ein paar profane Worte miteinander gewechselt hätten.
Plötzlich erhob er sich abrupt von seinem Stuhl.
"Entschuldigt mich. Ich habe noch zu tun", sagte er kurz angebunden.
Kuina schien ein wenig irritiert.
"Ähm nagut. Vielleicht sehen wir uns später."
Er nahm sein Tablett und wandte sich um. Panisch sah ich ihm hinterher, während meine Gedanken sich überschlugen. Bevor ich nachgedacht hatte, sprang ich ebenfalls von meinem Stuhl auf.
"Was ist denn los?", fragte Kuina verwirrt neben mir.
Ich setzte ein flüchtiges Lächeln auf.
"Ich...muss mal dringend auf Toilette. Bin gleich wieder da."
Ich wartete nicht erst auf ihre Reaktion, sondern stürmte vollkommen kopflos durch das Restaurant. Einige Menschen versperrten mir den Weg, doch ich schob mich ungeduldig an ihnen vorbei und lief hinaus in den Korridor. Verzweifelt sah ich mich dort um.
Wo war er hingegangen?
Einer inneren Eingebung folgend bog ich linkerhand ab. Mein Herz trommelte noch immer schmerzhaft gegen meinen Brustkorb, als ich hektisch den Gang entlanglief. Ich blickte prüfend in einen Nachbarkorridor ohne stehenzubleiben...und knallte mit voller Wucht gegen ein unerwartetes Hindernis.
"Autsch...", ich rieb mir schmerzverzerrt den Kopf und blickte auf in ein vertrautes Gesicht. Vollkommen überrascht starrte ich die Person vor mir an. "Makoto?"
Das Gesicht des Angesprochenen hellte sich schlagartig auf, als ihn die Erkenntnis traf, wer in ihn hineingelaufen war.
"Tsu-chan. Ich fasse es nicht. Was machst du hier?"
"Dasselbe wie du, schätze ich", sagte ich mit einem hilflosen Gesichtsausdruck und versuchte noch immer meinen Blick suchend umherschweifen zu lassen.
Verdammt, er war mir entwischt.
Makoto musterte mich besorgt. Wie ich diesen mitleidigen Blick inzwischen leid war.
"Wie ist das möglich? Ich dachte du wärst..."
Er brach ab.
"Tot?", fragte ich, als er nicht forfuhr.
Er nickte betreten.
"Tja, sieht wohl so aus als wäre das nicht der Fall. Offensichtlich hatte das Schicksal andere Pläne für mich."
"W-wie geht es dir? Wie lange bist du schon hier?"
Er schien um Worte zu ringen, während er kaum die Augen von mir abwenden konnte.
"Erst seit ein paar Tagen. Das Krankenhaus war plötzlich leer und dann musste ich dieses tödliche Spiel spielen. Kurz danach hat man mich hierhergebracht."
Makoto wurde blass.
"Bist du etwa die Neue, von der alle reden? Die Frau, die die Pik 4 erspielt hat?"
Ich lächelte matt.
"Live und in Farbe, aber die Autogramme gibt's später" scherzte ich.
Er sah vollkommen verblüfft aus.
"Wie hast du das geschafft, ohne Sauerstoffgerät?"
Ich zog ahnungslos die Schultern nach oben.
"Ich...kann es nicht erklären. Es ist, als hätte dieser Ort...mich geheilt."
In dem Moment konnte ich nicht verhindern, dass meine Augen feucht wurden. Es war, als wäre mir in diesem Moment erst klar geworden, was das für mich bedeutete: Ich würde weiterleben. Ich musste nicht sterben. Zumindest, wenn ich diese Spiele irgendwie gewann. Das war immer noch der kleine Haken an der Sache.
"Tsuki...", völlig unerwartet zog Makoto mich in eine innige Umarmung, "Ich hab dich so vermisst. Ich hab jeden Tag an dich gedacht."
Seine Offenbarung überraschte mich nicht sehr. Er hatte die Trennung damals nur widerwillig akzeptieren wollen, weil er entschlossen war, mich bis zum bitteren Ende begleiten zu wollen, egal wie dieses ausgesehen hätte. Doch ich wollte nicht, dass er meinetwegen leiden musste und konnte den Schmerz und das Mitleid in seinen Augen nicht mehr länger ertragen.
Makoto war abgesehen von dieser Sache der perfekte Freund gewesen. Er hatte mich immer unterstützt, während der Zeit, in der es mir stetig schlechter ging und hatte versucht mich aufzumuntern, wenn ich mal wieder vollkommen am Boden zerstört war. Er war mein Hafen gewesen, mein Ein und Alles.
Ich schluchzte unwillkürlich auf.
Warum nur musste ich ausgerechnet jetzt so emotional werden?
Als ein paar Leute an uns vorbeiliefen, die uns argwöhnische Blicke zuwarfen, trat ich wieder einen kleinen Schritt von ihm weg und wischte mir schnell die Tränen aus den Augen.
"Ich muss wieder zurück zum Frühstück. Kuina wartet sicher schon auf mich", sagte ich entschuldigend.
Er lächelte jetzt wieder, aber an seinen glasigen Augen bemerkte ich, dass ihm der Moment genauso nah gegangen war, wie mir.
"Das trifft sich gut. Ich wollte auch gerade was essen. Also falls du nichts dagegen hast, würde ich dich gern begleiten."
Er sah mich hoffnungsvoll an.
Ich nickte.
"Sicher. Kuina hat bestimmt nichts dagegen."
♡
"Ex-Freund?"
Kuina starrte ihn verdutzt an, als er ihr gegenüber am Tisch Platz nahm, genau da wo Chishiya zuvor gesessen hatte.
"Ähm, ja", sagte ich fast verlegen.
"Das ist ja echt ein verrückter Zufall, dass ihr euch ausgerechnet hier wiederbegegnet."
"Ich glaube nicht an Zufälle", warf Makoto ein. "Ich denke, es war so vorherbestimmt."
Ich rollte ein wenig mit den Augen. Hoffentlich fing er jetzt nicht damit an ihr einen Vortrag über die übernatürlichen Kräfte zu halten, die über unser Leben und das Universum bestimmten, denn sonst würden wir heute nicht mehr von hier wegkommen.
"Tja, dann kann es ja nur noch besser werden, was?" Kuina grinste mich verschwörerisch an, als sie das sagte. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Ich glaube dein Essen ist inzwischen kalt, so lange wie du wegwarst", merkte sie an, als ich mich wieder meiner Schüssel Reis zuwandte.
"Ich kann es dir aufwärmen lassen, wenn du willst", bot Makoto großzügig an. "Ich arbeite hier in der Küche."
"Tatsächlich?", fragte ich milde erstaunt.
"Sag bloß, du hast was anderes von mir erwartet?", grinste er.
"Ehrlichgesagt nicht", entgegnete ich und erwiderte das Grinsen. "Aber es geht schon. Danke für das Angebot."
"Du bist also der Koch hier im Beach?", fragte Kuina erstaunt.
Er nickte.
"Ja, allerdings nicht der Einzige. Es gibt noch zwei Weitere abgesehen von mir."
"Ist sicher nicht einfach Koch im Borderland zu sein bei den eingeschränkten Möglichkeiten", überlegte Kuina laut.
Er lächelte schief.
"Um ehrlich zu sein, ist es eine Katastrophe. Aber was soll man machen? Verhungern wollen wir ja auch nicht."
"Da ist was dran", pflichtete sie ihm bei.
Als wir fertig mit dem Frühstück waren, gingen wir zusammen auf den Korridor hinaus.
"Tut mir Leid, aber ich muss jetzt wieder zurück in die Küche. War wirklich schön dich wiederzusehen, Tsu. Ich denke mal, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein."
Seine Augen durchbohrten mich mit hoffnungsvoller Miene.
"Mit Sicherheit nicht", schmunzelte ich.
"Müsstest du nicht heute auch wieder Spielen? Dein letztes Spiel müsste doch jetzt genau vier Tage her sein, oder?"
"Ja, das ist richtig", sagte ich trübsinnig. Ich hatte es tatsächlich geschafft den Gedanken an das kommende Spiel weit vor mir herzuschieben. Doch die Erinnerung daran, versetzte mich wieder in jähe Panik.
"Ich muss heute auch wieder Spielen. Ich hoffe wir sehen uns nochmal davor." Seine Stimme klang jetzt ebenfalls etwas niedergedrückt. Auch er hatte Angst. Er wandte sich mit einem letzten Blick von mir ab und ich sah ihm gedankenverloren hinterher.
"Ist er derjenige, der dir die Kette geschenkt hat?", durchbrach Kuina meine Gedankengänge als er verschwunden war.
Ich presste die Lippen fest aufeinander und nickte dann.
"Ja."
"Okay, ich frag lieber nicht weiter nach", sagte sie und knirschte nebenher auf einem Plastikhalm herum. Offensichtlich merkte sie, dass ich im Augenblick nicht darüber sprechen wollte.
"Es ist kompliziert."
Das war wohl noch ziemlich untertrieben.
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Das Sternchen hier unten braucht etwas Liebe und möchte gedrückt werden 🤗
Danke!
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