♦️ Neugier ist der Katze Tod

I've been watchin', I've been waitin'
In the shadows for my time
I've been searchin', I've been livin'
For tomorrows all my life

Die alten Neonröhren surrten leise – ein Geräusch, das man normalerweise ausblendete, doch heute übertönte es die erdrückende Stille, die sich auf die Krankenstation gelegt hatte. Ich lehnte mich in Anns Stuhl zurück, ließ ihn gefährlich nach hinten kippen, während meine Füße lässig auf dem Schreibtisch ruhten. In den Händen drehte ich gedankenverloren einen Kugelschreiber, das leise Klicken des Mechanismus war eine willkommene Abwechslung zu der unnachgiebigen Stille.

Die letzten beiden Patienten hatte ich vor Stunden mit ein paar Kratzern und Prellungen entlassen. Sie wären vermutlich auch selbst gegangen, wenn ich es nicht getan hätte – alles nur, um den Kostümball nicht zu verpassen. Das groß angekündigte Event, auf das der Beach seit Tagen hingefiebert hatte, ließ niemanden freiwillig hier verweilen. Niemanden, außer mir.

Auch wenn ich solchen Veranstaltungen nichts abgewinnen konnte und den Trubel für gewöhnlich mied, fragte ich mich zunehmend, warum ich überhaupt noch hier war. Die Krankenstation war leer, das Summen der Leuchtstoffröhren monoton, und selbst meine Geduld begann langsam zu bröckeln. Fast schon sehnsüchtig stellte ich mir vor, wie die Tür aufging – egal, ob es jemand wäre, der sich am Buffet überfressen hatte oder einer der üblichen Kandidaten, der sich mit billigem Alkohol ein paar Gehirnzellen weggesoffen hatte. Alles wäre besser gewesen als diese lähmende Langeweile, die mich hier festhielt.

Ein bisschen begann ich zu bereuen, dass ich die Schicht übernommen hatte, obwohl ich mir zu dem Zeitpunkt sicher war, dass es die beste Alternative wäre. Doch jetzt, inmitten der trostlosen Stille, schien sogar der Gedanke an den Ball, mit all seinen skurril kostümierten Gestalten, erträglicher.

Der Feier war bereits in vollem Gange. Wenn man genau hinhörte, konnte man hin und wieder das leichte Vibrieren der Wände vernehmen, das der dumpfe Bass erzeugte.

Ob Izumi gerade dabei war, sich unter die Menge zu mischen?

Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie sich zu der Musik bewegte, ein wenig unbeholfen vielleicht, aber dafür mit purer Hingabe. Mit ihrem eleganten, roten Kleid würde sie zweifelsohne die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen. Und natürlich wäre er an ihrer Seite — der nervige Hundewelpe — immer bereit, ihr auf den Schoß zu springen, wenn sie nach ihm rief.

Ich spürte, wie meine Finger sich unbewusst um den Stift klammerten, während sich dieser Gedanke in meinem Kopf manifestierte: Izumi und der Welpe, wie sie zusammen tanzten. Er mit diesem lächerlich treuherzigen Gesichtsausdruck, mit dem er sie immerzu anhimmelte. Sie, mit einem hellen, vielleicht etwas verlegenem Lachen, aber dennoch nie abgeneigt auf seine Avancen einzugehen.

Mein Kiefer spannte sich an und ich drückte den Stift so fest, dass das Klicken kurzzeitig erstarb.

Und wenn schon?

Was scherte es mich, wenn die beiden gerade über die Tanzfläche stolperten und er ihr dabei irgendwelche schwülstigen Liebesschwüre ins Ohr flüsterte? Es würde keinen Unterschied in meinen Plan machen, denn ich hatte sie bereits da, wo ich sie haben wollte.

Aber… was, wenn er doch etwas in ihr auslöste? Sie waren schließlich schon einmal ein Paar gewesen, also war es nicht vollkommen ausgeschlossen, dass sie sich wieder annähern könnten und alte Gefühle wieder neu aufflammten. Und das wäre… zugegeben unpraktisch. Für mich, für meinen Plan. Vielleicht war ich zu selbstsicher, hier herumzusitzen, und darauf zu vertrauen, dass sich alles von selbst fügte, wenn ich die Zeit stattdessen effektiver nutzen könnte. Ich könnte zum Ball gehen und die Lage auskundschaften. Sehen, wie sie auf mich reagierte. Sie ein wenig aus dem Konzept bringen. Der Gedanke war reizvoll. Fast zu verlockend, um ihn zu ignorieren.

Noch verlockender war die Vorstellung, wie der Welpe reagieren würde, wenn er mich sah. Würde er sie besitzergreifend an sich ziehen und versuchen, mich zu ignorieren? Oder würde er direkt die Beherrschung verlieren und mir eine verpassen? Es wäre unterhaltsam, ihn ein wenig zu provozieren. Es war so leicht, ihn zu reizen und ihn wie einen kompletten Vollidioten dastehen zu lassen.

Der Gedanke brachte mich zum Schmunzeln. Es wäre eigentlich fast zu schade, dieses Spektakel zu verpassen. Der Welpe war so vorhersehbar und Izumi würde wahrscheinlich wieder versuchen, die Situation zu entschärfen mit ein paar beschwichtigenden, diplomatischen Worten.

Mit einem leisen Seufzen stand ich auf, streifte den Kittel ab und warf ihn achtlos über die Stuhllehne. Für heute Nacht hatte ich hier ohnehin nichts mehr zu tun.

Auf dem Weg zu meiner Suite ging ich im Kopf noch einmal die möglichen Szenarien durch, die mich unten erwarten könnten. Es gab wenig, was mich überraschen konnte, aber es war besser vorbereitet zu sein – auf alles.

Oben im Zimmer öffnete ich meinen sporadischen Kleiderschrank. Es gab nicht viel darin. Im Beach war gewöhnliche Kleidung etwas überflüssiges, doch ich war vorbereitet für den Fall der Fälle. An dem Tag, als ich Izumis Kleid besorgt hatte, hatte ich in weiser Voraussicht auch ein paar andere Kleidungsstücke mitgehen lassen, darunter ein schwarzes Jackett mit lässigem Schnitt, eine weite Anzughose und ein weißes Hemd. Nichts aufsehenerregendes, schon gar nicht für einen Kostümball, aber es erfüllte seinen Zweck.

Nachdem ich mich umgezogen hatte, trat ich vor den Spiegel und ließ meinen Blick nachdenklich über meine ungewohnte Erscheinung wandern. Der Anzug saß, wie erwartet, perfekt – schlicht, etwas lässig und trotzdem noch elegant genug für eine Feierlichkeit wie diese. Meine Hand strich flüchtig über mein Haar, das ich noch immer in einem kleinen Zopf zurückgebunden hatte. Für einen kurzen Moment überlegte ich, es offen zu tragen, wie ich es sonst außerhalb der Krankenstation tat.

Doch dann dachte ich an Izumi. Ihre flüchtigen, bewundernden Blicke, die sie mir zuwarf, wenn wir zusammen arbeiteten und ich den Zopf trug. Sie glaubte wohl, ich hätte es nie bemerkt – doch ich bemerkte alles. Es war fast zu einfach, ihre Gedanken zu lesen.

Ich ließ den Zopf. Nicht, weil es eine modische Bedeutung für mich hatte, sondern weil es... taktisch sinnvoll war. Ein kleiner, unauffälliger Schachzug, der sie subtil aus dem Gleichgewicht bringen würde. Kontrolle war das Stichwort. Ich hatte sie in der Hand und diesen Vorteil durfte ich nicht verspielen, schon gar nicht an das lästige Schoßhündchen.

Mit einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel schob ich die Hände in die Hosentaschen und ließ die Suite hinter mir. Meine Schritte hallten leise durch den Korridor, während ich auf die große Lobby zusteuerte. Das dumpfe Pochen der Musik wurde lauter, ein vertrauter, fast greifbarer Rhythmus, der mich daran erinnerte, dass das nächste Spiel jeden Moment begann – mein eigenes, ganz persönliches Spiel.

Ich musste nicht lange suchen, um sie ausfindig zu machen. Izumis rotes, ausschweifendes Kleid war der Mittelpunkt der Tanzfläche. Wie ein aufgedrehter Wirbelwind bewegte sie sich zur Musik, völlig in ihrer eigenen Welt, als wären die Menschen um sie herum nur Statisten. Ihre Schritte waren schnell, unüberlegt, manchmal sogar ein wenig ungeschickt. Doch ihr Gesichtsausdruck verriet eine Leichtigkeit, die ich bisher nur selten an ihr gesehen hatte.

Ich lehnte mich gegen eine der Säulen am Rande der Halle, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ meinen Blick auf ihr ruhen. Die Tanzfläche füllte sich allmählich, immer mehr Menschen schoben sich ins Sichtfeld, doch Izumis rotes Kleid schimmerte immer wieder unverkennbar hindurch. Es war unmöglich, sie nicht zu bemerken.

Dicht an ihrer Seite stand – wenig überraschend – der anhängliche Hundewelpe. Seine Augen waren förmlich an sie geheftet, als hätte alles andere um ihn herum aufgehört zu existieren. Jede ihrer Bewegungen verfolgte er mit der Hingabe eines Wachhundes, der darauf wartete, dass sein Besitzer ihm endlich Aufmerksamkeit schenkte. Mein Blick blieb an der albernen Mütze hängen, deren herabhängende Ohren bei jeder Bewegung hin und her wippten. Ich musste ein Schnauben unterdrücken. Wirklich passend. Auch wenn er vermutlich versucht hatte, ein weißes Kaninchen darzustellen, konnte ich spätestens jetzt die verblüffende Ähnlichkeit zu einem Dackelwelpen nicht länger übersehen.

Lächerlich! Fehlte nur noch, dass er hechelte und anfing, mit dem Schwanz zu wedeln.

Doch mein Lächeln erstarb, als ich sah, wie er eine Pirouette mit ihr drehte und sie daraufhin lachte. Ihr Lachen war ehrlich, ungezwungen, fast ansteckend, doch aus irgendeinem Grund störte mich genau das. Mein Körper spannte sich fast unmerklich an und ein unsichtbares Gewicht schien sich auf meinen Brustkorb zu legen. Was war das? Ärger? Eifersucht? Der Gedanke war so lächerlich, dass ich beinahe aufgelacht hätte. Izumi war unbedeutend – ein kleines, naives Puzzleteil, das ich nach Belieben lenken konnte. Es gab keinen Grund, dass mich die Aufmerksamkeit, die sie ihm schenkte, auch nur im Geringsten interessierte.

Dennoch konnte ich das Gefühl nicht ganz abschütteln. Wahrscheinlich war es nur Frustration. Schließlich hing mein Plan davon ab, dass sie mir weiterhin vertraute. Doch wenn er es tatsächlich schaffte, sie mit dieser erbärmlichen Show einzuwickeln, konnte ich mein Vorhaben endgültig begraben und mir etwas Neues einfallen lassen.

Dabei wäre es so leicht diese brechreizerregende Szenerie vor meinen Augen zu beenden. Alles, was ich tun müsste, wäre es, zu Izumi zu gehen und sie in seiner Anwesenheit zum Tanzen aufzufordern. Der Blick des Welpen, wenn sie ihn einfach auf der Tanzfläche stehen ließ, wäre zweifellos unbezahlbar. Doch so unterhaltsam die Vorstellung auch war, es war mir zu plump, zu direkt. Das war nicht mein Stil.

Nein, ich wartete lieber. Wartete darauf, dass sie mich bemerkte, dass ihr Blick in der Menge an mir hängen blieb, und sie schließlich von selbst zu mir kam. Der Moment, wenn sie ihn einfach dort stehen ließ, ihm die kalte Schulter zeigte, wäre eine wahrhafte Genugtuung für mich. Es wäre ein stiller Sieg, aber ein Sieg, der ihm vor Augen hielt, wer hier wirklich die Fäden in der Hand hielt. Ich beobachte sie noch eine Weile, bis die Menschenmenge die Sicht auf Izumi wieder freigab.

Und dann geschah es.

Ihr Blick streifte meinen, und sie hielt inne, einen Moment lang, während ihre Augen sich vor Ungläubigkeit weiteten. Unwillkürlich spürte ich ein leichtes Stolpern in meiner Brust, einen winzigen Schlag, der aus dem ursprünglichen Rhythmus geriet, als hätte mein Herz ihn kurzzeitig vergessen. Doch ich schob das Gefühl schnell beiseite, steckte es gedanklich in eine Schublade und beschriftete sie: Triumph. Es war das Gefühl, das sich einstellte, wenn ein Plan sich genau so entwickelte, wie ich es mir vorgesehen hatte – nicht mehr und nicht weniger.

Sie tanzte weiter, versuchte sich nichts anmerken zu lassen, doch meine Anwesenheit schien sie so sehr aus dem Konzept gebracht zu haben, dass ihre Bewegungen zunehmend unsicherer wurden. Es war fast zu amüsant, ihr dabei zuzusehen, wie sie fast über ihre eigenen Füße stolperte, während sie verzweifelt versuchte, Haltung zu bewahren.

Meine Lippen zuckten leicht, als ich sie bei ihren unkoordinierten Tanzschritten beobachtete. Was mag wohl gerade in ihrem kleinen, naiven Kopf vorgehen? Womöglich malte sie sich gerade zahllose Szenarien aus, warum ich hier war.

Und der Hundewelpe? Keine Spur von Wahrnehmung. Mit dem Rücken zu mir gekehrt, tanzte er unbekümmert weiter, völlig blind für das Offensichtliche. Wahrscheinlich würde er es nicht mal mitbekommen, wenn ein T-Rex mitten auf der Tanzfläche erschien und alles in Schutt und Asche zerlegte. Seine Unfähigkeit, die Situation zu erfassen, war fast schon bemitleidenswert.

Izumi bemühte sich, meinen Blick zu meiden, doch es war ein schwacher, halbherziger Versuch. Immer wieder glitten ihre neugierigen Augen in meine Richtung, fast reflexartig. Es waren Sekundenbruchteile, kaum mehr als ein Wimpernschlag – doch mir entging kein Einzelner davon.

Ich konnte fast sehen, wie Izumis Hirn auf Hochtouren arbeitete, während sie vorspielte, mich nicht bemerkt zu haben. Ihre Mimik war ein offenes Buch für mich. Es hätte mich nicht überrascht, wenn sie gleich anfing, Dampf aus den Ohren zu pusten – doch der einzige Dunst kam von den Nebelscheinwerfern, der sich zunehmend im Saal verdichtete.

Die Sicht trübte sich kurz, bis ich nur noch einen schemenhaften roten Umriss in der Menge ausmachen konnte.

Doch dann veränderte sich die Szenerie. Als der Nebel sich stellenweise lichtete, sah ich, dass sie aufgehört hatten zu tanzen. Izumi stand dicht bei dem Welpen, beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Seine Reaktion ließ nicht lange auf sich warten – ein kurzes Nicken, bevor er sich ohne Zögern von ihr abwandte und in die Menge verschwand.

Ein kaum merkliches Lächeln huschte über meine Lippen, während ich eine Augenbraue hob. Interessant. Offenbar hatte sie etwas vor. Der Gedanke war genauso reizvoll wie die Gewissheit, dass sie dabei genau das tat, was ich erwartet hatte.

Es fiel mir schwer, den Anflug von Genugtuung aus meinem Gesicht zu verbannen, als sie sich umdrehte und zielstrebig in die entgegengesetzte Richtung ging – direkt auf mich zu.

Perfekt.

Die Falle war zugeschnappt. Mein Plan hatte funktioniert – genau so, wie ich es vorhergesehen hatte.

Unbeeindruckt lehnte ich an der Wand, meine Hände lässig in den Hosentaschen verborgen, während sie auf mich zukam. Mit jedem Schritt, den sie sich näherte, schien sich ihr Lächeln aufzuhellen, als könnte sie die Anspannung zwischen uns nicht verbergen.

Sie blieb etwa einen Meter vor mir stehen, ihre Augen glitten prüfend über mich, als wollte sie jedes Detail meines Erscheinungsbildes aufnehmen, um es später in Gedanken wieder abzurufen zu können.

“Chishiya, was machst du denn hier?“ Ihre Stirn war leicht gerunzelt, aber der Tonfall verriet mehr Neugier als Vorwurf. “Müsstest du nicht eigentlich auf der Station sein?”

“Die Station?“ Ich ließ die Worte kurz in der Luft hängen, als müsste ich erst überlegen, wovon sie sprach. “Ach ja, die Station.” Ich zuckte leicht mit den Schultern, als wäre es das Belangloseste der Welt. “Der Patientenansturm war derart überwältigend, dass ich mich entschieden habe, den strategischen Rückzug anzutreten. Und rein zufällig bin ich hier gelandet.”

Izumi stieß ein leises Lachen hervor, ihre Wangen trugen bereits einen deutlichen rötlichen Schimmer – vom Alkohol, vermutete ich. Unauffällig ließ ich meine Augen über ihre Gestalt wandern. Das Kleid betonte ihre weiblichen Rundungen, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Die schwarze Spitze am Ausschnitt zog unweigerlich die Blicke so mancher Männer im Raum auf sich, gab jedoch gerade so viel Preis, um noch genug Spielraum für die eigene Fantasie zu lassen. Mein Blick verweilte an ihrem Schlüsselbein, wo der goldene Anhänger in Form eines anatomischen Herzens schimmerte.

Direkt darüber trug sie ein eng anliegendes Halsband aus Spitze, das ihre Brandnarben geschickt verdeckte. Ihr dunkles Haar war zur Hälfte hochgesteckt, die andere Hälfte fiel in weichen Locken über ihre Schulter. Ein paar widerspenstige Strähnen hatten sich, vermutlich während des Tanzens, gelöst und umrahmten ihr Gesicht auf eine Weise, als hätten sie ihren eigenen Willen. Es verlieh ihr einen Hauch von Natürlichkeit, die zwar elegant, aber auch unbekümmert wirkte. Selbst ihr Make-up war eher zurückhaltend, von den roten Lippen abgesehen, die einen auffälligen Kontrast zu ihrer hellen Haut bildeten. Mein Blick blieb einen Moment zu lange an ihnen hängen, gerade als sie sich zum Sprechen öffneten.

“Rein zufällig, ja? Das klingt irgendwie nicht nach dir.” Sie warf einen kurzen, besorgten Blick vor zur Tribüne. “Was würde Ann wohl dazu sagen?”

Ich zog langsam eine Augenbraue hoch, während sich meine Lippen zu einem spöttischen Lächeln kräuselten.

“Ich habe natürlich ein professionelles Schild an die Tür gehängt: Wenn ihr Hilfe braucht, sucht woanders.”

Izumi schmunzelte, ihre Augen funkelten amüsiert, und sie verschränkte die Arme vor der Brust.

“Das widerrum klingt schon eher nach dir", sagte sie. Dann wurde ihr Gesichtsausdruck nachdenklicher. “Und, was hältst du von dieser…”, sie ließ ihren Blick wieder über die bunt kostümierte Menge schweifen, “Veranstaltung?”

Ich folgte ihrer Blickrichtung und überlegte kurz.

“Laut. Chaotisch. Skurril. Aber erstaunlich unterhaltsam, wenn man an der richtigen Stelle steht.”

Meine Augen blieben an ihr hängen, musterten sie eingehend, diesmal jedoch mit Vorsatz, als wollte ich etwas implizieren, das ich nicht laut aussprechen wollte.

Izumi neigte leicht den Kopf, in ihren Augen lag eine stumme Frage. Oder vielleicht sogar mehrere. Doch dann verzog sich ihr Mund zu einem vergnüglichen Lächeln.

“Und die richtige Stelle ist natürlich hier bei der Säule, oder? Wo du alles aus sicherer Entfernung beobachten kannst und mit der Umgebung eins wirst?”

Der Ton in ihrer Stimme schien mich fast spielerisch herauszufordern. Mir entging nicht, wie sie währenddessen nervös an einer Haarsträhne zupfte. Ein eindeutiges nonverbales Zeichen, dass sie an mir interessiert war.

“Das ist der Vorteil, wenn man unsichtbar ist. Man sieht alles, ohne gesehen zu werden.”

Izumi lachte wieder, während ihre Wangen erneut aufglühten.

“Unsichtbar? In diesem Aufzug? Ich glaube, du überschätzt deine Tarnung. Oder ist das etwa dein vergeblicher Versuch einer Grinsekatzen-Verkleidung?”

“Vielleicht.” Ich ließ absichtlich ein kleines Grinsen hervorblitzen. “Und du? Herzkönigin nehme ich an?”

“Was dagegen?”

Sie verschränkte die Arme, hob herausfordernd das Kinn, doch das amüsierte Funkeln in ihren Augen verriet, dass es spielerisch war.

“Nicht direkt.” Ich ließ meinen Blick langsam über sie wandern und schmunzelte. “Aber du bist eindeutig zu gutmütig für diese Rolle.”

“Mag sein,” gab sie zu, bevor ihre Haltung sich veränderte. “Aber ich habe geübt.” Sie räusperte sich übertrieben, und ihre Gesichtszüge wurden plötzlich ernst, beinahe theatralisch.  Sie straffte sich, hob die Stimme und rief mit unerwarteter Autorität: “Ab mit ihrem Kopf!”. Dabei deutete sie auf eine Frau im Alice-Kostüm, die nur wenige Schritte von uns entfernt stand. Die Frau wirbelte erschrocken zu uns herum und warf Izumi einen entsetzten, fast beleidigten Blick zu, bevor sie sich, immer noch etwas irritiert, wieder ihrer Gruppe zuwandte.

“Ups!”, stieß Izumi hervor, doch kaum hatte sie das gesagt, fiel ihre Fassade in sich zusammen und sie brach sie in unkontrolliertem Gekicher aus.

Ich zog eine Augenbraue nach oben und verschränkte die Arme vor der Brust, während ich mir ein Grinsen nur schwer verkneifen konnte. Ihre Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, war so kindisch und doch… irgendwie seltsam einnehmend.

“Eine beeindruckende Darbietung.” Meine Stimme triefte vor Sarkasmus. “Die arme Alice wird kommende Nacht bestimmt nicht schlafen können vor Angst.”

Izumi lachte nur verlegen, ihre Gesichtsfarbe konkurrierte fast mit der Farbe ihres Kleids. Dennoch trat sie einen Schritt näher an mich heran, ihre Miene nun deutlich ernster.

“Also, was machst du wirklich hier?”, fragte sie mit gesenkter, fast verschwörerischer Stimme, als wollte sie verhindern, dass jemand mithörte. “Ich erinnere mich, dass du nicht gerade scharf darauf warst, an dem Ball teilzunehmen, also was hat deine Meinung geändert?”

Ich hielt kurz inne und dachte einen Moment nach, bevor ich mit den Schultern zuckte.

“Die Langeweile hauptsächlich. Und vielleicht auch, um mir mit eigenen Augen anzusehen, ob diese Veranstaltung tatsächlich so viel Aufhebens wert ist, wie alle behaupten.”

“Und? Zu welchem Entschluss bis du gekommen?”

“Nun, die Dekoration ist bestenfalls mittelmäßig, die Musik klingt, als käme sie aus einer rostigen Blechdose, und die albernen Kostüme zusammen mit den Nebelscheinwerfern erinnert mich unangenehm an eine dieser billigen Geisterbahnen, die man sonst nur auf Jahrmärkten findet. Die Art, die nicht mal Dreijährige gruselig finden. Aber…” Ich ließ das Wort kurz in der Luft hängen, bevor ich mit einem winzigen Schmunzeln hinzufügte: “...ich muss zugeben, die Gesellschaft hebt das Niveau… minimal an.”

Sie kicherte leise, während wieder Blut in ihre Wangen schoss.

“So? Also gibst du zu, dass du nur neugierig warst?”

Ihre Augen blitzen jetzt herausfordernd auf.

“Neugierig?”, wiederholte ich, als hätte sie etwas Absurdes in den Raum geworfen. “Das ist ein großes Wort. Nennen wir es… die Suche nach etwas Unterhaltung.”

“Und, hast du sie gefunden?”

Mein Blick wurde unwillkürlich abgelenkt, als ich eine Gestalt mit albernen weißen Hasenohren bemerkte, die sich unbeholfen durch die tanzende Menge kämpfte. In den Händen balancierte sie zwei Cocktailgläser, während ihr Blick hilflos im Raum umher irrte, offensichtlich auf der Suche nach jemandem, der längst nicht mehr dort war, wo er sie zurückgelassen hatte. Meine Mundwinkel zuckten unmerklich, als sich ihre Augen plötzlich auf uns richteten – und dort verharrten.

“Die Chancen steigen”, sagte ich trocken, ohne meinen Blick von der Gestalt abzuwenden.

Ich beobachtete, wie er die Gläser mit einer unsanften, ruckartigen Bewegung auf einem der Tische abstellte und mit schnellen, festen Schritten auf uns zusteuerte, seine Augen bedrohlich auf mich gerichtet.

Und das Spiel beginnt in 3, 2, 1…

Hinweis:
Die Bilder im Text sind natürlich immer nur Beispielfotos, die ich mit KI erzeugt habe, sehen also nie 100%ig so aus wie ich es beschrieben habe.

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