41♦️ Alles nach Plan

Oh, she′s sweet but a psycho
A little bit psycho
At night, she's screamin′
"I'm-ma-ma-ma out my mind"
Oh, she′s hot but a psycho
So left but she's right, though
At night, she's screamin′
"I′m-ma-ma-ma out my mind"

Die Schreibtischlampe flackerte wieder ein wenig, genau in dem Moment, als ich die beiden feinen Drähte miteinander verbinden wollte.

Ausgerechnet.

Ich hielt inne und wartete einen Augenblick, bis das Licht sich wieder halbwegs stabilisiert hatte. Der Generator im Beach war zwar normalerweise relativ zuverlässig, doch vor allem abends schwankte die Stromzufuhr häufig - kein Wunder, bei all der Musik und den Partylichtern, die das Netz jeden Tag auf Hochtouren laufen ließ. Doch anscheinend nahm Hatter das gern in Kauf für sein selbst geschaffenes Utopia, wie er es immerzu nannte.

Ich schüttelte kaum merklich den Kopf und konzentrierte mich dann wieder auf meine Arbeit. Die verschlungenen Drähte in meinen Fingern erinnerten mich ein wenig an Blutgefäße. Jede Bewegung musste präzise sein, jeder Handgriff musste sitzen, genau wie bei einem chirurgischen Eingriff. Vor mir ausgebreitet lagen die Überreste eines alten Handys sowie die des defekten Walkie Talkie, das ich vergeblich versucht hatte, wieder flott zu machen. Außerdem eine Batteriezelle und einige andere Bauteile, die ich mir unter anderem aus Rauchmeldern und Alarmanlagen im Hotel zusammengeklaut hatte.

Vorsichtig schloss ich die Drähte des Handymikrofons an die Platine des Walkie Talkies an. Ein siegessicheres Lächeln glitt mir über die Lippen, als ich mein Werk begutachtete: ein kleines, unscheinbares Abhörgerät - etwas, das ich fast überall unbemerkt platzieren konnte. Wenn es funktionierte, würde es mir vielleicht dabei helfen, Informationen zu sammeln und dabei herauszufinden, ob das Militär irgendwas hinter Hatters Rücken geplant hatte. Allerdings tat ich das weniger für Hatter, als für mich selbst. Es schadete nicht zu wissen, was im Beach vor sich ging. Und vielleicht bekam ich auf diese Weise sogar heraus, wo Hatter den Tresor mit den Karten aufbewahrte. Alles, was ich tun müsste, wäre es, eine zusätzliche Wanze zu bauen und sie unauffällig in Hatters Suite zu installieren.

Ich war gerade dabei, die Elektronik in einen leeren Kaugummibehälter zu verstauen, als lautes Lachen durch die Wände drang. Ich hielt kurz inne und lauschte. Die Stimmen - es scheinen mehrere zu sein - drangen eindeutig aus Kuinas Zimmer. Bisher hatte sie eher selten Besuch gehabt. Das letzte Mal, als es nebenan etwas lauter zuging, hatte sie mit Izumi einen Filmabend veranstaltet. Doch das war nichts im Vergleich zu der Lautstärke, die sie heute anschlug. Ich hob den Kopf, als plötzlich laute Musik einsetzte, unterlegt von einer schrägen, schief gesungenen Melodie.

Ein weiteres, albernes Kichern drang durch die Wand. Izumi. Ich war mir ziemlich sicher, dass es ihre Lache war. Doch sie schienen nicht alleine zu sein. Dafür war es zu laut. Mein Blick wanderte wieder zu der kleinen, noch unfertigen Wanze vor mir, aber meine Gedanken schweiften ab. Ich sah ihr Gesicht vor mir, der Moment, in dem sie den Stoff aus der Verpackung zog und begriff, dass es das Kleid aus dem Schaufenster war. Das Kleid, das sie angestarrt hatte, als symbolisierte es alles, was sie sich je im Leben gewünscht hatte.

Auch, wenn ich wusste, dass mein Plan aufgehen würde und sie ihre Überraschung nicht verbergen konnte, so hatte ihre Reaktion auf das Kleid mich doch etwas nachdenklich zurückgelassen. Es war nicht nur der Ausdruck ihrer Freude, sondern etwas Tieferes, Ehrliches, das sich in ihrem Blick widerspiegelte. Für einen Augenblick hatte es den Anschein gemacht, als sei das Kleid mehr als nur ein Stück Stoff für sie.

Ich konnte nicht sagen, warum dieser Gedanke mich so sehr beschäftigte. Schließlich war das Kleid nur ein Schritt in meinem Plan gewesen, ein Mittel zum Zweck, um ihr Vertrauen zu gewinnen und sie an mich zu binden. Izumi hatte mir längst gezeigt, dass sie empfänglich für kleine Aufmerksamkeiten war, besonders, wenn sie damit nicht rechnete. Je mehr sie glaubte, dass hinter meiner kalten Fassade etwas Sanftes, Gutmütiges steckte, desto einfacher würde es werden, sie zu manipulieren. Und doch...

Ein weiteres lautes Lachen riss mich aus meinen Gedanken. Ich schnaubte leise und widmete mich wieder meiner Arbeit, ermahnte mich zur Konzentration, doch die Geräusche nebenan waren schwer zu ignorieren. Stattdessen spürte ich ein seltsames Gefühl in mir aufkommen. War es Neugierde? Nein, es war, als ob irgendwas in mir nicht zur Ruhe kommen wollte. Doch ich konnte nicht genau sagen, was der Auslöser dafür war. Vielleicht fing es auch nur an mich zu nerven, das schrille Gekicher und der unmelodische Gesang.

Ich schloss den Kaugummibehälter mit einem leisen Klicken und lehnte mich dann zurück in das Polster des Sofas. In etwa zwei Stunden würde der Strom in den Zimmern sowieso gekappt werden und Kuinas kleine Karaoke-Session nebenan würde abrupt ihr Ende finden.

Nur wenig später hörte ich, wie der bekannte Sound von "Hit Me Baby One More Time" einsetzte. Mein Blick fiel zurück auf den Tisch, auf dem die improvisierte Wanze lag. Vielleicht sollte ich sie testen, bevor sie zum Einsatz kommt. Schaden konnte es sicher nicht und vielleicht wäre Kuinas kleine Party ja sogar der perfekte Anlass dafür. Oder vielleicht konnte ich es mir auch nur nicht nehmen lassen, Izumis rotes Gesicht zu sehen, wenn sie erkannte, dass ich ihr beim Singen zusehen würde. Es war ein verlockender Gedanke und mit Sicherheit unterhaltsamer als hier herumzusitzen und Löcher in die Tapete zu starren.

Ich griff nach dem Kaugummibehälter und ließ ihn in meine Hosentasche gleiten, bevor ich aufstand und die Hotelsuite hinter mir ließ. Drei Schritte später stand ich vor Kuinas Zimmer und klopfte energisch gegen die Tür.

Schlagartig verstummte das Kichern hinter der Tür und die Musik wurde leiser gedreht. Schritte näherten sich. Dann wurde die Tür aufgerissen. Kuina stand vor mir und grinste breit. Als sie mich erblickte, setzte sie einen erstaunten Gesichtsausdruck auf. Ihre Augen waren leicht glasig vom Alkohol, dennoch erkannte ich, wie sie minimal die Augen verengte.

"Chishiya?", fragte sie mit bleierner Stimme. Sie lehnte sich fast provokativ gegen den Türrahmen und zog eine Augenbraue nach oben. "Was verschafft uns die Ehre?"

Ich ließ meinen Blick betont gelangweilt durch das Zimmer gleiten und sah, dass Izumi und Kiko sich auf ein paar Sitzkissen vor dem Fernseher ausgebreitet hatten, jeder mit einem Mikrofon bewaffnet. Außerdem war auch die junge Frau mit den blauen Haaren anwesend. Minsu, wenn ich mich recht erinnere. Als Izumi meinem Blick begegnete, weiteten sich ihre Augen kurz und ihre bereits geröteten Wangen schienen noch etwas mehr Farbe zu bekommen. Ich beobachtete, wie ihre Finger nervös mit dem Kabel des Mikrofons spielten.

"Ich wollte nur sicherstellen, dass hier drinnen keine Katzen gefoltert werden. Ihr wisst schon, dass ihr mit eurem Gejammer die halbe Etage beschallt."

Kuina rollte mit den Augen.

"Was denn? Haben wir etwa deinen Schönheitsschlaf gestört?", entgegnete sie in einem ungewohnt abfälligen Tonfall.

"Wohl eher einen akuten Tinnitus verursacht. Noch etwas länger und ich könnte Schmerzensgeld verlangen."

Kuina schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust, ihre Augen blitzten herausfordernd.

"Wenigstens wissen wir, wie man Spaß hat", behauptete sie und reckte ihr Kinn ein wenig.

Ich ließ meine Augenbraue nach oben wandern und meinen Blick über das Chaos in dem Zimmer gleiten: offene Chipstüten, leere Getränkedosen und aus irgendeinem unerfindlichen Grund lag ein riesiger Berg mit Kleidung auf Kuinas Bett.

"Wenn ihr das so nennen wollt", entgegnete ich ruhig.

Mein Blick glitt wieder zu Izumi, die sich leicht schwankend vom Boden hochzog und das Mikrofon in die Höhe hielt, geradewegs in meine Richtung. Zu meiner Überraschung sah sie mir diesmal direkt in die Augen mit einem fast herausfordernden Funkeln darin. Ihre Wangen glühten, ein Zeichen, dass der Alkohol bereits sein Werk getan hatte.

"Komm schon, Chishiya", rief sie übermütig. "Sing mit uns! Dann wollen wir mal sehen, ob du mehr drauf hast als deine neunmalklugen Kommentare."

Trotz ihrer wackeligen Schritte wirkte sie erstaunlich selbstbewusst, als sie mir das Mikro mit ausgestreckter Hand entgegen hielt. Dabei schien sie für einen Moment zu vergessen, dass es an einem Kabel hing. Sie strauchelte rückwärts, als sie abrupt wieder zurückgezogen wurde. Verdutzt sah sie sich um.

"Huch", machte sie.

Kiko lachte über Izumis Missgeschick, während diese verdutzt auf das verhedderte Kabel starrte, als könnte sie nicht verstehen, was gerade passiert war. Ein amüsiertes Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Izumi hob wieder den Kopf und verzog entrüstet den Mund.

"Ach, das findest du also witzig, ja?", sagte sie mit gespielter Entrüstung und stemmte die Hände in die Hüfte. "Du hast doch nur Angst, dich zu blamieren."

"Blamieren? Ich glaube kaum, dass ich da mit dir mithalten kann", sagte ich spöttisch und lehnte mich entspannt gegen den Türrahmen.

Kuina, die noch immer in der Tür stand, sah skeptisch zwischen uns hin und her.

"Also Chishiya, wenn du nicht mitsingen willst, dann mach einen Abflug. Das hier ist außerdem ein Mädelsabend. Du bist hier nicht erwünscht."

Sie machte Anstalten, mir die Tür vor der Nase zuzuknallen, doch ich stellte schnell meinen Fuß dazwischen. Kuina verengte ihre Augen fast bedrohlich zu Schlitzen. Ich wusste wieso. Sie wollte vermeiden, dass ich Izumi zu nah kam, weil sie genau wusste, was ich vorhatte. Sie wollte sie vor mir schützen. Doch vielleicht war es gerade das, was mich motivierte, die Situation weiter anzustacheln. So leicht gab ich mich nicht geschlagen.

Ich ließ meinen Fuß fest an Ort und Stelle und begegnete Kuinas finsterem Blick mit einem spöttischen Lächeln.

"Nicht erwünscht?" Meine Stimme triefte vor gespieltem Bedauern. "Das verletzt mich jetzt aber. Dabei wollte ich doch nur live miterleben, wie ihr eure Stimmbänder ruiniert."

Ich sah demonstrativ an Kuina vorbei in den Raum.

„Chishiya, wir meinen das ernst," fauchte Kuina und versuchte, die Tür mit ein wenig mehr Nachdruck zu schließen, doch ich rührte mich nicht.

"Ach, Kuina. Du hast doch bestimmt nichts zu verbergen, oder?"

Ein kaum merkliches Zucken ging über ihre Miene, bevor sie den Blick kurz zu Izumi gleiten ließ, die in sicherem Abstand stand und uns beobachtete, mit einem verwirrten, leicht belustigten Ausdruck im Gesicht.

Kuina verzog die Lippen zu einem angespannten Lächeln und trat einen halben Schritt zurück.

"Du weißt genau, dass das hier eine Mädchenrunde ist, Chishiya", sagte sie mit deutlich gesenkter Stimme. "Also wieso machst du es dir nicht einfach und gehst? Ich glaube nicht, dass du wirklich Interesse an Karaoke und Frauengesprächen hast."

"Karaoke vielleicht nicht", gab ich ruhig zurück und warf einen bedeutungsvollen Blick in Izumis Richtung, "aber wer weiß, was der Abend noch so zu bieten hat."

Kuinas Hände ballten sich unmerklich zu Fäusten, doch bevor sie etwas erwidern konnte, stolperte Izumi grinsend nach vorn und schob sich leicht taumelnd zwischen uns.

"Lass ihn doch, Kuina!", sagte sie mit einem enthusiastischen Grinsen. "Soll er doch bleiben, wenn er will. Wer weiß, vielleicht kriegen wir ihn ja doch noch dazu, einen Song zu singen."

Ich schob meine Hände in die Jackentaschen und warf Kuina ein siegessicheres Lächeln zu. Sie musterte mich finster, doch das hielt mich nicht davon ab, die Tür aufzustoßen und mich an ihr vorbei zu schieben, ohne auf ihr empörtes "Hey!" zu reagieren. Sie gab ein frustriertes Schnauben von sich und ließ die Tür wieder zufallen. "Ja, klar, fühl dich wie zu Hause."

Ich bahnte mir einen Weg durch das Chaos am Boden und ließ mich entspannt in einen der Sessel am Fenster fallen. Während ich die Szenerie halb belustigt, halb abwartend betrachtete, bemerkte ich, dass Izumis Blick förmlich an mir klebte. Sie stand immer noch leicht schwankend da, das Mikrofon fest umklammert, und warf mir einen entschlossenen, wenn auch leicht vernebelten Blick zu.

"Komm schon ,S-shishiyaah", drängte sie weiter, ihre Sprache inzwischen leicht verwaschen. "Zeig uns, dass du mehr drauf hast als nur diese verschlossene, kühle Nummer."

Ich sah sie an mit einem kleinen, unterdrückten Grinsen. Irgendwie bereitete mir das hier mehr Vergnügen, als ich erwartet hatte. So verpeilt wie sie war, könnte ich sie heute vermutlich dazu bringen, mir jedes ihrer kleinen Geheimnisse zu verraten - und das ohne jeglichen Aufwand.

Ich lehnte mich im Sessel zurück, verschränkte die Arme und ließ meinen Blick unbeeindruckt über sie gleiten.

"Wozu? Am Ende stelle ich euren Gesang, wie ihr ihn nennt, noch in den Schatten."

Izumi verzog die Lippen.

"Ach, komm schon, du bist doch einfach nur zu feige", forderte sie mich heraus und straffte den Rücken.

"Interessante Theorie", entgegnete ich und schlug lässig die Beine übereinander. "Aber eigentlich will ich nur verhindern, dass ich dich mit meiner Performance unnötig aus dem Konzept bringe."

Izumi schnaubte leise.

"Feiiigliiing", zog sie mich weiter auf und wandte sich dann wieder an Kiko. "Komm, wir brauchen diesen Spielverderber nicht! Lass uns das da singen."

Sie hatte nach dem altmodischen Controller der Konsole gegriffen und ließ den entsprechenden Song in der Vorschau laufen. Kuina hatte sich inzwischen im Schneidersitz auf ihr Bett gesetzt, wo auch Minsu saß und das Geschehen nur still beobachtete, als wäre sie ebenfalls wenig erpicht auf eine peinliche Gesangseinlage.

Izumi wählte "das da" an und die Melodie des bekannten Popsongs hallte lautstark an den Wänden wider. Der Gesang setzte fast zeitgleich ein. Belustigt sah ich zu, wie die beiden zusammen ins Mikrofon grölten, wobei Kikos katastrophale Aussprache dem ganzen eine unfreiwillige Komik verlieh. Die Wände schienen regelrecht zu vibrieren, während sie laut und, nun ja, stellenweise ziemlich unmelodisch, den Song zum Besten gaben. Es war fast ein Wunder, dass die alten Mikros den schrillen Tönen standhielten.

Kuina verdrehte die Augen, grinste aber, als Izumi sich lachend an Kiko klammerte. Minsu sah das Ganze mit einem leicht amüsierten, wenn auch distanzierten Lächeln und schien zufrieden, die Rolle der stillen Beobachterin einzunehmen.

Ich lehnte mich tiefer in den Sessel, den Kopf auf eine Hand gestützt, und ließ das Chaos vor mir einfach auf mich wirken. Die absurde Szenerie hatte tatsächlich etwas Unterhaltsames. Izumis Begeisterung für dieses Spektakel war fast ansteckend. Trotzdem konnte ich mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, als die beiden sich im Refrain verhedderten und Kuina in schallendes Gelächter ausbrach.

Oh, she's sweet but a psycho, a little bit psycho...

Der Text schien wie geschaffen für Izumi. Ironischerweise war es gar nicht so weit hergeholt, sie sich als eine Art "Psycho" vorzustellen - zumindest, wenn man die Tatsache bedenkt, wie sie hier vor mir stand, leicht angeschwipst, unberechenbar und irgendwie auch nicht von dieser Welt, aber dennoch mit diesem Hauch von unschuldiger Naivität.

Sweet but Psycho.

Ich spürte, wie meine Mundwinkel sich weiter hoben, als sie sich ins Zeug legte und fast wie in Trance die Augen schloss. Sie war absolut in ihrem Element, völlig ahnungslos, was ich wirklich vorhatte - und das spielte mir in die Hände. Ich nutzte den Moment, in dem sie vollkommen vertieft waren in den Song und zog dann die kleine Kaugummidose aus meiner Hosentasche. Ohne den Blick von der Szenerie zu wenden, drückte ich die Aufnahmetaste und klebte die Wanze, die ich vorher mit Klebefilm präpariert hatte, unten an dem kleinen Beistelltisch neben mir fest.

Izumi warf mir beim Singen immer wieder einen verstohlenen Seitenblick zu, doch sie schien meine Handbewegung unter den Tisch, dank des schummrigen Lichts im Raum, nicht bemerkt zu haben. Sie grinste mich nur an - mit rosigen Wangen und verlor daraufhin mehrmals den Faden beim Singen. Es war kaum zu übersehen, wie sehr meine Anwesenheit sie ablenkte. Ein gutes Zeichen - gut für mich. Ich hatte sie bereits Haken. Nicht mehr lange und sie würde alles tun, was ich von ihr verlangte, ohne es zu hinterfragen.

Fast beiläufig griff ich nach der Zeitschrift, die neben mir auf dem Tisch lag - ein Modemagazin - wahrscheinlich Kuinas und blätterte es flüchtig durch. In meinem Kopf zählte ich währenddessen von 60 Sekunden runter. Genauso lange würde es vermutlich dauern, bis Izumi den Weg zu mir gefunden hatte. Mein Blick heftete sich scheinbar konzentriert auf den Seiten fest.

...50, 49, 48...

Rasch überflog ich den zweiseitigen Farbtyp-Test. Ich hielt das Magazin direkt vor mein Gesicht und ging jede einzelne Frage gedanklich durch. Nebenbei schaute ich immer wieder auf die Uhr und beobachtete, wie der Sekundenzeiger sich langsam auf die 12 zubewegte.

...13, 12, 11, 10...

Eine Bewegung aus den Augenwinkeln ließ mich kurz aufblicken. Schritte näherten sich. Ich hatte mich geirrt. Es waren nur 56 Sekunden gewesen.

Ich ließ das Heft sinken und sah, dass Izumi sich in den anderen Sessel daneben fallen ließ, zwischen uns nur der Beistelltisch. Sie hielt ein Sektglas in der Hand, ihre Miene war noch immer ungetrübt heiter, als sie mich musterte.

"Und? Irgendwas Spannendes entdeckt?", fragte sie neugierig und blickte auf das Heft in meiner Hand.

Ich neigte den Kopf ein wenig nachdenklich zur Seite.

"Nun, anscheinend bin ich ein Wintertyp", bemerkte ich trocken.

Sie gab ein albernes Kichern von sich, als hätte ich den Witz des Abends gerissen.

"Winter also, hm?" Sie kniff die Augen zusammen, legte die Finger ans Kinn und betrachtete mich übertrieben kritisch, fast als würde sie eine Skulptur kunstwissenschaftlich analysieren. "Triste, kühle Farben...ja, das passt zu dir."

Ich schmunzelte und zog eine Augenbraue hoch, während ich das Magazin zuklappte.

"Kühl und trist, ja? Das klingt ja geradezu schmeichelhaft."

Izumi grinste, ließ sich ein wenig zurücksinken und hob das Sektglas an die Lippen, während sie ihren Blick durch den Raum schweifen ließ. Kiko und Kuina stimmten im Hintergrund bereits den nächsten Song an, ohne auf unsere Unterhaltung zu achten.

"Aber, weißt du, ich würde dich auch gern mal in etwas anderem sehen als diesem sterilen Ärzteweiß", sagte sie und warf mir ein neckendes, fast charmantes Lächeln zu.

Flirtete sie etwa mit mir?

Mutig, das musste man ihr lassen, doch der Alkohol war daran sicherlich nicht ganz unbeteiligt. Ich schmunzelte leicht über ihre Bemerkung.

"Ah ja, und was schwebt dir da so vor?", fragte ich herausfordernd.

Sie lehnte sich wieder zurück und ließ ihren Blick langsam über meinen Körper wandern. Kaum zu fassen, dass ich mich tatsächlich zu so einer Art Gespräch hinreißen ließ. Doch ich musste mir eingestehen, dass es durchaus seinen Reiz hatte.

„Vielleicht... einen Anzug", sagte sie gedehnt, als würde sie laut nachdenken. "Etwas Elegantes... in grau oder schwarz. Ja, ich denke, das würde dir gut stehen."

Ein Anzug also. Es war offensichtlich, worauf sie hinauswollte. Der Ball. Wie ich schon vermutet hatte, war sie nicht ganz so begeistert davon, dass ich ihn auslassen würde. Sie sprach das Thema nicht direkt an, doch der Gedanke schien ihr unübersehbar durch den Kopf zu spuken. Ich lehnte mich im Sessel zurück und musterte sie, dabei konnte ich mir ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen.

"So? Einen Anzug? Willst du damit auf etwas Bestimmtes anspielen?"

Sie biss sich kurz auf die Unterlippe und faltete ihre Hände nervös im Schoß zusammen, ohne das leere Glas dabei loszulassen. Unauffällig schielte sie wieder zu mir hinüber.

"Ich dachte, es wäre schön, dich dort zu sehen... auf dem Ball", murmelte sie leise.

Ich zog meine Augenbrauen leicht hoch, ließ sie aber noch einen Moment in ihrem verlegenen Schweigen schmoren, bevor ich schließlich mit einem Lächeln antwortete.

"Ich wusste gar nicht, dass dir so viel an meiner Gesellschaft liegt", gab ich in gewohnt zynischem Ton zurück. Ihre Gesicht bekam wieder etwas Farbe. "Leider ist so eine Veranstaltung nicht ganz mein Stil."

Sie senkte den Kopf.

"Das dachte ich mir schon. Aber das Kleid... wieso hast du es mir geschenkt, wenn du selbst gar nicht teilnehmen willst? Ich verstehe es nicht. Es... passt irgendwie nicht zu dir."

Sie sah mich fragend an.

Natürlich. Das Kleid. Das war es also, was sie in Wirklichkeit beschäftigte.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht wollte ich dich nur verwirren. Sieht so aus, als hätte es geklappt."

Sie schnaubte und schob die Unterlippe ein wenig nach vorn, sichtlich unzufrieden mit meiner nichtssagenden Antwort.

"Du machst das absichtlich, oder?", knurrte sie. "Immer diese schwammigen Antworten... du machst das doch nur, weil du... weil du es genießt, mich damit in den Wahnsinn zu treiben."

Ihre Reaktion amüsierte mich mehr, als sie sollte.

"Vielleicht", antwortete ich ruhig. "Oder vielleicht auch nicht. Wer weiß?"

Izumi starrte mich an, deutlich frustriert von meinen Worten, doch da war noch etwas anderes, das in ihren Augen aufflackerte, etwas, das sie nicht vor mir verbergen konnte - ein Hauch von Neugier. Ich hatte sie dort, wo ich sie haben wollte, unwiderruflich in meinen Bann gezogen. Sie ahnte es vielleicht noch nicht, aber das Netz, das ich um sie gesponnen hatte, schloss sich langsam - ein Netz aus fein gesponnenen Lügen und subtiler Manipulation. Alles verlief genau nach Plan.

Wenn ihr die Geschichte mögt, würd ich mich wirklich über Votes auf jedes Kapitel freuen. Vielleicht knacke ich dann doch irgendwann doch mal die 1K Votes. Das wäre wirklich toll 🥰

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