27 ❤️ Jenseits der Grenzen

It starts with a small flap
Now, inside my heart, a hurricane
Been been there never been been there
The world gets smaller and smaller
Take me there way too far, becomes new
This moment Dreams, Dreams may come true

Vorsichtig drückte ich die Tür zur Krankenstation auf und spähte in den Raum hinein. Etwas erleichtert atmete ich aus. Chishiya schien noch nicht wieder da zu sein. Ann allerdings schon. Sie wandte sich überrascht zur Tür um, als ich eintrat.

"Du bist zeitig dran", sagte sie mit einem flüchtigen Blick auf die Uhr.

Ich lächelte und schloss dann die Tür hinter mir.

"Ja, ich wollte sehen, wie es den Patienten geht", sagte ich und beobachtete, wie Ann sich etwas auf ihrem Klemmbrett notierte, während sie der Reihe nach die Medikamente in dem Schrank durchging.

"Den älteren Herren habe ich vorhin entlassen. Er war soweit wohlauf, auch wenn er noch ein wenig Kopfschmerzen hatte, doch wir benötigen den Platz für die kommenden Patienten."

"Und die anderen?", erkundigte ich mich mit einem besorgten Blick zum Nachbarzimmer.

"Scheinen auf dem Weg der Besserung zu sein. Hoffen wir, dass heute Nacht nicht zu viele hinzukommen werden."

"Egal was kommt, wir werden unser Bestes geben!", versprach ich mit entschlossener Miene und hob kampfbereit die Faust.

Ann sah mich mit leicht gerunzelter Stirn an. Dann nickte sie jedoch langsam.

"Chishiya scheint ein solides medizinisches Fachwissen zu haben. Du solltest weiterhin aufmerksam bleiben, damit du möglichst viel von ihm lernst. Solange ich nicht da bin, wird er für dich verantwortlich sein und dich anleiten, deshalb hoffe ich, dass ihr zwei gut miteinander auskommen werdet."

An ihrem Blick konnte ich erkennen, dass sie sich darum sorgte, dass es anders sein könnte.

"Mach dir keinen Kopf! Wir werden das hier schon schaukeln", sagte ich zuversichtlich, obwohl ich nicht verleugnen konnte, dass mich die erneute Zusammenarbeit mit Chishiya auch etwas nervös machte, aus vielerlei Gründen. "Konzentrier dich voll und ganz auf dein Spiel! Um alles andere kümmern wir uns schon."

Ann schien fast ein wenig überrascht von meinem Tatendrang, doch immerhin huschte für einen Augenblick ein seltenes Lächeln über ihr Gesicht.

"Schön, dann werde ich mich mal auf den Weg machen. Chishiya dürfte ja auch jeden Moment eintreffen. Wie ich ihn einschätze, wird er heute Abend eher nicht zur großen Versammlung gehen, denn Hatter wird es sich garantiert nicht nehmen lassen, alle Beach-Bewohner über die neuesten Entwicklungen zu informieren."

Ich biss mir auf die Lippe.

"Denkst du, sie werden ihn für seine Taten verurteilen?", fragte ich zögerlich.

Ann seufzte leise.

"Einige mit Sicherheit, vor allem aber der Militärtrupp. Sie werden Chishiya trotz allem für einen Abtrünnigen halten und ihn zur Rechenschaft ziehen wollen, völlig gleich welche Gründe er für sein Handeln hatte und ob Hatter ihn begnadigt hat."

Ich schluckte schwer. Was Ann da erzählte, klang nicht sonderlich beruhigend. Erst jetzt wurde mir bewusst, welches Risiko Chishiya eingegangen war, als er mein Leben gerettet und sich dem Beach gestellt hatte.

Vielleicht hätte er mich bei diesem Spiel in der Bücherei besser zum Sterben zurücklassen sollen.

Der Gedanke, jemanden Probleme zu bereiten, behagte mir nicht, schon gar nicht jemandem, dem ich so viel schuldig war. Ich wusste, dass ich mir das nie verzeihen würde, egal was für eine Art Mensch Chishiya letztendlich war, denn wäre er nicht gewesen, dann wäre ich jetzt mit Sicherheit nicht hier.

Nachdem Ann sich verabschiedet und die Tür hinter sich geschlossen hatte, blieb mein besorgter Blick einen Moment länger an der verschlossenen Tür haften.

Hoffentlich würde sie unversehrt wieder zurückkehren.

Entschlossen wandte ich mich ab und holte aus dem Spind die strahlend weiße Uniform hervor, die noch völlig knitterfrei auf dem Bügel hing, um sie mir über meine Kleidung zu ziehen. Tatsächlich war ich froh, die Badebekleidung wenigstens hier auf der Krankenstation ablegen zu dürfen, ohne dass ich ernsthafte Konsequenzen befürchten musste.

Ein flüchtiger Blick in den Spiegel an der Schrankinnentür verriet, dass mein Lächeln etwas zu angestrengt aussah und meine Augen leicht nervös wirkten. Ich versuchte daraufhin, verschiedene Gesichtsausdrücke zu üben: Mal war ich die kämpferische Krankenschwester, dann wieder die fürsorgliche Seele, die sich um jeden Patienten kümmerte. Zu guter Letzt probierte ich mich an dem Blick einer Ärztin, die eine verheerende Diagnose überbrachte, und setzte dafür eine ernste, aber mitfühlende Miene auf. Ich band meine Haare fest am Hinterkopf zusammen, um sie dramatisch nach hinten zu werfen.

Dann gab ich ein resigniertes Seufzen von mir.

Was mache ich hier eigentlich?

Womöglich war ich wirklich ein wenig aufgekratzt, wegen dem, was mir heute bevorstand. Nun, wo ich wusste, was auf mich zukam, war ich zwar ein wenig entspannter, gleichzeitig war ich aber auch besorgt. Und das lag vor allem an einer gewissen Person, mit der ich zusammenarbeiten sollte. Eine Person, die definitiv nicht nachsichtig sein würde, wenn ich erneut einen Fehler machte. Ich versetzte mir ein paar feste Klapse auf die Wangen. Ich musste mich heute wirklich besser konzentrieren, sonst wäre ich meinen Job schneller wieder los, als ich "Borderland" sagen konnte.

Ich wandte mich wieder dem Spind zu, um ihn zu schließen, hielt jedoch abrupt inne, als ich bemerkte, dass ein weiterer Arztkittel in dem Metallschrank hing, der allerdings nicht Ann gehörte. Etwas neugierig griff ich danach und nahm ihn heraus, um ihn im Licht zu begutachten.

Wie Chishiya damit wohl aussehen würde?

Ich prustete lauthals los. Alleine der Gedanke löste einen sofortigen Lachanfall bei mir aus.

Nein, das war zu absurd.

Meine Vorstellungskraft wehrte sich dagegen, ihn mir in solch einer förmlichen Kleidung vorzustellen. Andererseits war ich jetzt auch ein bisschen neugierig.

"Was grinst du denn so?"

Panisch wirbelte ich herum. Chishiya stand dort, gelassen wie eh und eh, und schloss gerade die Tür hinter sich. Er sah mich argwöhnisch an, während er seine Hände lässig in die Jackentaschen schob. Ein verlegenes Lachen drang aus meiner Kehle und ich spürte, wie mein Gesicht brennend heiß wurde.

"Chi-iishiyah", stammelte ich. Mein Herz schlug wie ein Presslufthammer in meiner Brust. "Willkommen zurück!", fügte ich mit einem breiten Lächeln hinzu, um von meiner eigenen Verlegenheit abzulenken.

Chishiya zog eine Augenbraue nach oben. Eine Geste, die ich an Anderen schon immer attraktiv gefunden hatte. Wer bitte hat die Körperbeherrschung, um nur eine einzige Augenbraue zu heben? Ich jedenfalls nicht.

"Da scheint sich ja jemand sehr auf unsere kommende Zusammenarbeit zu freuen", gab er mit süffisanter Miene zurück.

Ich lächelte weiter, halb augenrollend, halb herausfordernd und hielt ihm dann den Kittel hoch, um ihn vor Chishiya zu präsentieren.

"Eher darauf, dass du das hier während der Arbeit tragen wirst. Ann besteht darauf, dass wir professionell wirken, weißt du?", grinste ich provokant und wartete ungeduldig darauf, dass er ihn entgegennahm.

Chishiya sah mich an, als wäre ich übergeschnappt. Dann schüttelte er ungläubig den Kopf und riss mir das Kleidungsstück mit einem Ruck aus den Händen.

"Schön, wenn du dann Ruhe gibst", grummelte er, legte seine Jacke ab und streifte sich den Kittel über das dunkle T-Shirt, das er darunter trug. Zufrieden beobachtete ich ihn dabei, wie er die Knopfleiste schloss, und sich routiniert ein Gummiband vom Handgelenk streifte, um sich die hellblonden Haare im Nacken zusammen zu binden. Er tat dies mit fast übertriebener Langsamkeit, jede seiner Bewegungen war betont anmutig, als würde er wollen, dass mir keine Sekunde davon entging.

Mit regloser Miene ließ ich meinen Blick über sein ungewohntes Erscheinungsbild schweifen, während mein hämmernder Herzschlag sich bei dem Anblick wieder überschlug. Der Kittel passte wie angegossen und... er sah absolut nicht lächerlich an ihm aus - im Gegenteil - er stand ihm ausgezeichnet, als wäre diese Art von Kleidung für ihn gemacht worden. Der kleine Zopf, den er jetzt trug, unterstrich seine Attraktivität, während seine seriöse Aura mich vollkommen in einen Bann zog. Es war, als würde ich Chishiya in einem ganz neuen Licht betrachten. Zum ersten Mal konnte ich ihn mir tatsächlich auch in einer Welt außerhalb von Borderland vorstellen, in seiner Rolle als angehender Arzt.

Was für ein Mensch er dort wohl gewesen war?

Als er fertig war, griff er nach Anns Stethoskop, das an der Wand hing und legte es sich profimäßig um den Hals. In meinem Bauch begann sich ein zartes Prickeln auszubreiten, das im kompletten Widerspruch zu dem stand, was mein Kopf über ihn wusste.

"Bist du dann fertig mit Starren?", versetzte seine Stimme mich wieder unsanft in die Realität.

Mir entfuhr ein heiseres Kichern. Ich räusperte mich.

"Entschuldige, aber ich muss diesen ungewohnten Anblick erstmal verarbeiten."

"Ich hoffe mal, mein ungewohnter Anblick hält dich nicht davon ab, dich auf deine Arbeit zu fokussieren."

Ich gluckste erneut, während mein Blick erneut bewusst langsam an ihm hinabwanderte.

"Das kann ich nicht versprechen."

Chishiya stöhnte und rollte genervt mit den Augen, während er seine Hände in den Taschen des Kittels verschwinden ließ.

"Wer hätte gedacht, dass du so leicht zu beeindrucken bist."

Seine Stimme war von Ironie durchsetzt.

"Und wer hätte gedacht, dass sich Aussehen und Charakter eines Menschen so sehr voneinander unterscheiden können?", konterte ich und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

Ein stummes, leicht belustigtes Lächeln huschte über Chishiyas Lippen, bevor er sich abwandte, um die ersten Vorbereitungen zu treffen.

Während ich ihm dabei zusah, spürte ich eine Mischung aus Aufregung und Nervosität in mir aufsteigen. Die Dynamik zwischen uns war kompliziert, um es milde auszudrücken. Einerseits machte mich seine überhebliche Art mit mir zu reden wahnsinnig, andererseits fühlte ich mich von seiner Präsenz auch merkwürdig angezogen. Diese seltsame Kombination aus Anziehung und Abstoßung irritierte mich.

Er war ein Mensch, den ich selbst, nachdem ich ihm schon einige Male gesehen und mit ihm gesprochen hatte, immer noch nicht richtig einzuschätzen wusste. Aber genau das schien auch meine Neugier zu wecken: dass er eben nicht auf Anhieb zu durchschauen war wie jeder andere. Er war das komplette Gegenteil von Makoto, dem man seine Gedanken quasi wie bei einem Buch schon vom Gesicht ablesen konnte.

Ich beschloss, mich auf meine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren und den Gedanken an Chishiya vorerst beiseite zu schieben. Doch wie es schien, war das leichter gesagt als getan, denn er ließ mich einfach nicht los. Alleine ihn anzusehen, verursachte ein unkontrolliertes Flattern in meiner Brust gegen das ich mich nicht wehren konnte. Und sein neues, ungewohntes Erscheinungsbild machte es nicht besser. Es war fast unmöglich, meinen Blick auf etwas anderes zu richten.

"Steh nicht nur herum wie ein Felsbrocken, sondern mach dich nützlich", tadelte er mich streng, als ich mich immer noch nicht von der Stelle bewegt hatte.

"Ähm ja, also... was soll ich tun?", fragte ich aufgekratzt und straffte den Rücken.

"Desinfiziere die Oberflächen und sterilisiere die Instrumente!"

Ich nickte motiviert und zog mir wie Chishiya zuvor ein paar Handschuhe aus dem Spender, griff nach dem Desinfektionsmittel und begann dann die Umgebung gründlich zu desinfizieren. Als ich mit dieser Aufgabe fertig war, hielt ich nachdenklich inne:

"Also....wie sterilisiert man die Instrumente?"

Chishiyas Blick wanderte langsam zu mir hinüber, seine Miene war fast reglos.

"Hat Ann dir das nicht gezeigt?"

Meine Lippen verzogen sich zu einem leichten Schmollmund.

"Noch nicht. Ich habe schließlich gestern erst angefangen."

Er stöhnte mit einem fassungslosen Kopfschütteln auf.

"Das gehört zu den grundlegendsten Dingen. Komm her!"

Mit klopfendem Herzen trat ich näher an ihn heran. Er griff nach der Flasche Desinfektionsmittel und erklärte mir, wie ich mit Wasser eine Lösung ansetzte, um die Instrumente darin einzutauchen. Während er sprach, verschwand der spöttische Ton aus seiner Stimme fast gänzlich, was mich immerhin ein wenig ruhiger werden ließ. Ich versuchte, mir jedes Wort gut einzuprägen und die Vorgehensweise zu verinnerlichen, doch seine unmittelbare Nähe machte es auch schwer, meine Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten.

Es dauerte nicht lange, bis die ersten Verletzten eintrafen. Der Dienst war diesmal vollkommen anders als am Vortag. Nicht nur, weil weniger Spieler eintrafen als in der Nacht zuvor, sondern auch weil Chishiya offensichtlich beschlossen hatte, mich zu triezen. Es schien sein neues Hobby zu sein, mich wie eine Bedienstete von A nach B zu schicken, mich ständig für jeden noch so kleinen Fehler zurechtzuweisen und absichtlich mit irgendwelchen Fachausdrücken um sich zu werfen, von denen ich noch nie etwas gehört hatte. Trotz der recht überschaubaren Anzahl an Patienten, schaffte ich es daher kaum, von meiner Arbeit aufzublicken. Als ich irgendwann so geschafft war, dass ich kurz ein wenig länger innehielt, um durchatmen zu können, versetzte mir Chishiyas Stimme sofort wieder einen Dämpfer.

"Beeil dich ein bisschen! Ausruhen kannst du, wenn du tot bist."

Ein verzweifeltes Stöhnen kam über meine Lippen.

Ich wünschte ich wäre es.

Missmutig öffnete ich das Schubfach, um das geforderte Nähbesteck zu entnehmen, doch ein blitzartiger stechender Schmerz ließ mich schwächelnd gegen die Kommode sinken. Mit einer Hand klammerte ich mich an dem Möbelstück fest, mit der anderen griff ich an meine Brust. Mein Puls stolperte schmerzhaft und schien sich alarmierend zu beschleunigen. Es war ein vertrauter Schmerz, einer, den ich gehofft hatte, nie wieder zu spüren. Vorhin hatte ich mir noch eingeredet, dass alles bloß Einbildung war. Dass es lediglich eine Erinnerung war, ein Überbleibsel an etwas, das längst der Vergangenheit angehörte. Doch fühlte sich alles wieder so real, so beängstigend an.

Das konnte nicht sein, oder?

Ich versuchte tief Luft zu holen und das Stechen auszublenden, das mit jedem Atemzug quälender wurde. Meine Hände zitterten, als sie nach dem silbernen Besteck in der Schublade greifen wollten. Angst erfüllte mich mit jeder Faser.

Bitte, nicht jetzt! Nicht hier!

Ein unsichtbares Gewicht schien sich auf meiner Brust niederzulegen, während meine Sicht langsam verschwamm.

"Was treibst du denn so lange? In der Zeit hätte ich es mir schon fünfmal geholt."

Ich wollte zu einer Antwort ansetzen, doch aus meinem Mund quoll nur ein qualvolles Stöhnen hervor, bevor mein Verstand von endloser Dunkelheit verschluckt wurde. Sanft wurde ich von Schatten umhüllt, die mich Stück für Stück weiter in die unendliche Tiefe zogen. Mit ihnen schwand auch der Schmerz. Es war, als würde die Dunkelheit mich mit offenen Armen willkommen heißen. Taubheit legte sich über mich, während mein Geist sich allmählich von meinem körperlichen Dasein löste. Ich spürte, wie ich langsam aus meinem Körper glitt, als wäre er nur ein eng anliegendes Kleid aus Haut und Muskeln.

Der Rest von mir schwebte in körperloser Form zu einem mit Sternen übersäten Nachthimmel hinauf. Unter mir konnte ich mich selbst sehen - das, was einst ich gewesen war und jetzt nur noch als leblose leere Hülle existierte, zumindest so lange, bis der Organismus der Erde sie zu sich geholt hatte und daraus wieder neues Leben entstehen würde.

Ich flog hoch hinaus, über die Stadt hinweg, bis das Beach-Hotel nur noch ein stecknadelgroßer Lichtpunkt in der Ferne war. Ich konnte die roten Laser über Tokyo sehen und die Spielorte, die als einziges die Stadt hell erleuchteten. Der Anblick von oben war überwältigend und die Angst wich einem Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit. Ich fühlte mich wie eine Feder im Wind, die davongetragen wurde, ohne zu wissen, wohin die Reise führen würde. Ich erfasste den Nachthimmel, ohne den Blick zu heben, und gleichzeitig nahm ich alles unter mir wahr. Meine Existenz war so formlos wie Nebel, der sich überall ausbreiten konnte. Ich schwebte über der Stadt, als ob die Zeit und der Raum keinerlei Bedeutung hätten. Es gab keine Grenzen mehr, nur unendliche Weite. Ich konnte alles sehen, was passiert war und was noch passieren würde. Alles war nichts und nichts war alles.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich in diesem scheinbar endlosen Zustand verweilte - es könnten Minuten oder aber auch mehrere Jahrhunderte sein. Doch auf einmal sah ich etwas aufleuchten am Horizont, der mich umgab. Es flackerte nur ganz schwach auf, schien jedoch nach und nach an Stärke zu gewinnen. Es war, als würde sich der Nebelschleier, der ich war, wieder ein wenig lichten. Helligkeit drang zu mir hindurch und durchflutete mein Bewusstsein mit angenehmer Wärme wie ein gleißender Sonnenstrahl. Ich folgte dem Licht, ohne zu wissen, wieso. Ich war wie eine Motte, die unbewusst vom Licht angezogen wurde. Die Wärme intensivierte sich, je näher ich ihm kam. Es fühlte sich an, als würde ich in reiner Energie baden. Und plötzlich fiel ich ins Bodenlose. Ich fiel und fiel und fiel, ohne zu wissen, wohin und ob ich jemals landen würde. Es war, als würde ich geradewegs in einen Kaninchenbau fallen, oder mit der Achterbahn in einen endlosen Abgrund stürzen. Der Aufprall war erschütternd, und ein scharfer Schmerz durchzuckte meinen Körper wie ein Blitz. Ein unwiderstehlicher Drang trieb mich dazu, zurückzukehren, und ich kämpfte gegen die Schwärze an, die mich zu verschlingen drohte.

Mit aller Kraft stemmte ich mich gegen die Dunkelheit, während die Wärme des Lichts mich weiterhin umgab und mit neuer Stärke erfüllte. Langsam, aber beharrlich, kehrte ich zurück in die Welt der Lebenden. Ich spürte, wie mein Herz energisch zu schlagen begann, wie mein Körper wieder neues Leben eingehaucht bekam, und ich mir langsam wieder meiner Umgebung bewusst wurde.

Als der Schmerz endlich nachließ, spürte ich eine gewisse Erleichterung. Langsam begann mein Bewusstsein zu schwinden, und eine schwere Müdigkeit überkam mich. Ein leises, monotones Piepsen erklang in der Ferne, das mich sanft in einen tiefen Schlummer zu wiegte.

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