[7]
Währenddessen stand Jimin in Hoseoks Wohnung und kniff überlegend die Augen zusammen. Hier war es definitiv zu still und zu dunkel.
»Hobi?«, rief er in die kleine Wohnung hinein, doch bekam keine Antwort. In der Küche ging er zum Fenster und öffnete die zugezogenen Gardinen.
Er drehte sich um und blickte direkt auf das Sofa, auf dem ein großer Deckenknäul lag. »Ach Hobi...«, seufzte er lächelnd. Er ging langsam auf das Sofa zu, bis er direkt davor stand.
Jimin zog ruckartig die Decke weg und offenbarte einen jammernden Hoseok. »Neeeein. Zu viel Licht.«
Der Brünette schmiss die Decke beiseite und stemmte seine Hände in die Hüfte. »Was machst du denn hier?«
»Trauern.«, schmollte er. »Trauern?«, wiederholte Jimin,»Um wen denn?«
»Kyu.« Hoseok klang, als würde er jede Sekunde in Tränen ausbrechen. Er kroch zu der Decke, aber wurde von Jimin abgehalten.
»Du bist viel zu dramatisch.«, stellte Jimin kopfschüttelnd fest. »Wieso denn?« Hoseoks Unterlippe zitterte, als er sprach.
»Du tust so, als wäre jemand gestorben.«
»Was?! Kyu ist... t-t-t-tot?« Jetzt brachen alle Dämme bei Hoseok und er fing an, wie verrückt zu heulen. »Um Gottes Willen, Hobi! Nein! Nein, ist er nicht!«, versuchte Jimin seinen besten Freund zu beruhigen und nahm ihn in den Arm.
»Ja...?« Mit großen Augen blickte Hoseok zu Jimin.
Ehe Jimin etwas sagen konnte, hörte man ein aufgeregtes Bellen und einige Sekunden danach sprang ein weißer Fellknäul auf das Sofa. Sofort wurde Hoseok von diesem überfallen und er kippte nach hinten.
»Kyu!«, schrie Hoseok überglücklich und kuschelte sich in das Fell seines zurückgekehrten Hundes.
Jimin richtete sich wieder vom Sofa auf und betrachtete seinen nun wieder fröhlichen besten Freund.
»Sorry, er hat sich einfach wieder losgerissen.« Yoongi trat hinter Jimin und blickte ebenfalls zu Hoseok. »Alles gut. Er hat Hobi anscheinend sehr vermisst.«, beruhigte ihn der Brünette.
»Aber nur halb so viel, wie dein Freund ihn.«, kommentierte der Schwarzhaarige und bedachte Hoseok mit einem kritischen Blick. Jimin zuckte mit den Schultern. »So ist Hobi eben. Der emotionsvollste Mensch dieser Erde.«
»Ich geh dann mal wieder.«, beschloss Yoongi, Jimins Worte ignotierend, und pfiff einmal, damit Holly ihm folgte.
»Bis irgendwann.«, meinte Jimin, sich an die Situation in der Bibliothek erinnernd. Yoongi sagte daraufhin nichts mehr, doch ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen.
Als Yoongi die Tür hinter sich schloss, richtete Hoseok sich mit wirrem Haar auf. »Wer war das?«, fragte er perplex.
»Nur Yoongi.«
»Nur Yoongi?« Hoseok setzte sich in den Schneidersitz und verschränkte die Arme vor dem Körper. Sein Blick war nicht zu deuten.
Kurz war es still, nur Kyu saß hechelnd auf dem Sofa.
»Ich wusste es!«, schrie Hoseok plötzlich los und sprang auf, um sich auf Jimin zu schmeißen. Der ging total überrumpelt zu Boden und ließ auch einen kleinen Schrei los.
»Woah Hobi, was zum...?« Ein grusliges Kichern ließ ihn verstummen und er schaute verstört zu Hoseok.
»Du hast...«, flüsterte dieser erst, aber wurde dann immer lauter,»...einen Freund!« Hoseok sprang wieder auf und begann, durch den Raum zu tanzen.
»Nein, hab ich nicht!«, entgegnete Jimin schnell und versuchte Hoseoks Aufmerksamkeit zu bekommen, doch dieser war weiterhin mit seinem Freudentänzchen beschäftigt.
Jimins Augen wanderten von Hoseok zu einem Stuhl hinter ihm, auf dessen Lehne...
...Yoongis Leine lag!
»Oh, verdammt...«, realisierte Jimin.
Schnell rappelte er sich vom Boden auf und schnappte sich die Leine, um im nächsten Moment aus der Wohnung zu stürmen.
Hoseok protestierte und fragte, wohin er wollte, doch eine Antwort bekam er nicht.
Währenddessen sprang Jimin schon zum zweiten Mal an diesem Tag die Treppen hinunter und stolperte aus der Tür auf den Gehweg.
Hektisch schaute er sich um, in der Hoffnung, den Schwarzhaarigen zu entdecken.
Er wollte schon aufgeben, doch im Augenwinkel erblickte er das Fell eines braunen Hundes, das gerade hinter der Häuserecke verschwand.
»Yoongi! Warte!«, schrie Jimin, doch dieser konnte ihn natürlich nicht mehr hören, da er zu weit weg war.
Er sprintete los und schlitterte um die Ecke. «Yoongi!« Der Brünette krachte mit einer alten Frau zusammen und brachte sie beinahe zu Fall.
»Es tut mir so leid!« Jimin half ihr, sich aufzurichten. »Schon gut, mein Jungchen.« Sie lächelte betrübt. »Du hattest sicherlich einen guten Grund.«
»Aber der rechtfertigt meine Unachtsamkeit nicht.«, sprach Jimin dagegen. »Wie kann ich das wieder gut machen?«
»Würdest du die Taschen tragen?«, fragte sie,»Das wäre wirklich lieb.« Die Dame hob zwei volle Einkaufstaschen nach oben.
Jimin nickte eifrig und nahm ihr die Taschen ab. »Natürlich.«
Die Frau lief langsam los und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Wie heißt du denn, mein Lieber?«, wollte sie wissen.
»Jimin.«, antwortete er und bedachte etwas langsamer zu laufen, damit die Frau sich nicht überanstrengen musste.
»Schönheit...«, murmelte sie und bog plötzlich nach links in einen engen Weg zwischen zwei Wohnblöcken ein. »Hm...?«, brummte Jimin fragend und blickte sich noch einmal um, bevor er ihr folgte. Vielleicht tauchte Yoongi doch noch auf, allerdings wurden seine Hoffnungen nicht erfüllt.
Leicht enttäuscht ging er der Frau hinterher bis zu ihrer Wohnungstür. Sie schloss auf und bat Jimin, die Taschen in die Küche zu stellen. »Mach ich.«, lächelte er nickend.
Der Brünette blickte sich interessiert um. Es war keine besonders große Wohnung, aber dafür sehr gemütlich eingerichtet. Überall standen Pflanzen herum und auf dem Tisch und in den Schränken lagen Haufen an Büchern.
»Sie haben es hier wirklich schön.«, meinte Jimin, während er die Taschen abstellte.
»Danke. Es ist zwar manchmal etwas einsam, aber einer alten Dame wie mir genügt das.«, sprach sie ruhig mit einem seelischen Lächeln auf den Lippen und klopfte neben sich auf das Sofa.
Jimin verstand und setzte sich neben sie. »Haben Sie denn keine Kinder oder Enkelkinder, die sie besuchen könnten?«, fragte Jimin neugierig und zugleich hoffte er, dass sie nicht nein sagen würde.
»Doch doch, das habe ich. Wir verstehen uns nur nicht so gut.«, erklärte sie, noch immer mit einem Lächeln.
»Oh, das tut mir leid. Aber vielleicht kann ich Sie ja öfters besuchen kommen. Mein Kumpel wohnt gleich um die Ecke, da könnte ich immer mal vorbeischauen.«, schlug der Brünette vor. Zwar kannte er die alte Dame nicht, aber sie war ihm sofort sympathisch gewesen und sie schien sehr einsam zu sein.
»Du bist wirklich zu gut für diese Welt.«, stellte die Frau fest. Jimin lächelte daraufhin schüchtern und wurde rot im Gesicht. »Ich versuche nur meinen Mitmenschen zu helfen und ihnen eine Freude zu machen.«, meinte er.
»Das hast du bei mir schon geschafft.« Sie stand auf und ging zur Küche. »Tee?«
Jimin nickte und schaute sich, während sie den Tee zubereitete, die Bilder an den Wänden und auf dem kleinen Schränkchen genauer an. Auf den meisten Bildern war nur ein kleines Kind abgebildet – mal in einem Park, auf einem Spielplatz, mit einer Katze im Arm oder mit einem mit Schokolade beschmierten Mund. Einige Bilder zeigten den kleinen Jungen auch nackig.
Jimin musste kichern. Seine Eltern hatten Zuhause sicherlich tausende solcher Bilder von ihm. Sie hatten es früher immer geliebt ihn in möglichst jeder Situation zu fotografieren.
Die alte Dame gesellte sich wieder zu Jimin und stellte den Tee auf den Couchtisch.
»Das ist übrigens mein Enkel.«, meinte sie und zeigte auf die Bilder. Sie hatte gemerkt, dass Jimin diese betrachtet hatte.
»Warum gibt es keine Bilder auf denen er älter ist?«, wunderte sich Jimin. »Seine Eltern waren der Meinung, ich wäre ein schlechter Einfluss, deshalb durfte ich ihn nach seinem 4. Geburtstag nicht mehr sehen.«, sie seufzte traurig und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
»Das heißt, Sie wissen gar nicht, wie er jetzt aussieht?« Jimin war leicht schockiert, als die Frau nickte. »Er ist jetzt Anfang 20. Wahrscheinlich ist er mittlerweile ein hübscher junger Mann.«, spekulierte sie.
»Da bin ich mir sicher«, stimmte Jimin zu. »Ich kann Ihnen helfen, ihn zu suchen.« Doch sie lehnte seinen Vorschlag dankend ab. »Das kann ich nicht von dir verlangen, mein Kind.«
»Aber ich möchte Ihnen helfen. Sie sollten nicht alleine sein und endlich Kontakt zu ihrem Enkel haben dürfen.«, protestierte der Brünette.
Die Frau nahm ein Bild in die Hand und strich mit ihrem Finger über das Abbild ihres Enkels. »Vielleicht hast du recht. Ich möchte meinen Kleinen wenigstens noch ein einziges Mal sehen.«
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Heute folgt gleich noch ein Kapitel, als kleines Geschenk für eine besondere Person.
(Und weil ich zu verpeilt war, um zu checken, dass gestern Samstag war und nicht Sonntag haha.)
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