𝘛𝘩𝘦 𝘮𝘰𝘴𝘵 𝘵𝘦𝘳𝘳𝘪𝘣𝘭𝘦 𝘥𝘢𝘺 𝘰𝘧 𝘮𝘺 𝘭𝘪𝘧𝘦
PoV. Changbin
//TW: Suizid, Suizidgedanken, detailreiche Beschreibungen
Wo fange ich an? Ich muss mich sammeln. Dies muss ich jedes Mal, wenn ich an dich denken muss. An dein wunderschönes Lächeln, welches mich glücklich gemacht hat. An deine wunderschönen Haare, die ich schon immer gerne stylen wollte. An deine funkelnden Augen, in welche ich mich immer wieder aufs Neue verliebt habe. An deinen Körper, welcher meinen berührt hat, wenn du mich getröstet hast. An dich, weil du die wichtigste Person meines Lebens gewesen bist.
Bis du von mir gegangen bist.
Es hat sich einiges geändert in den Tagen. Der erste Juli ist es gewesen, alias der Tag, an den ich von niemandem erinnert werden möchte, wobei es keinen großen Unterschied mehr macht, da ich durchgängig an den Jungen erinnert werde, welcher für mich alles bedeutet hat. Ich betrete den nächsten Supermarkt und ich kriege einen Nervenzusammenbruch, wenn ich Ramen sehe, da mich dieses einfach nur an ihn erinnert. So oft am Tag werde ich daran erinnert, dass das Leben nicht so ablaufen kann, wie ich es will. Ich muss mich damit abfinden, allerdings kann ich es wirklich nicht. Ganz gleich, wie stark ich es gerade versuche.
Kennt ihr das, wenn ihr selber grade nicht wisst, was ihr wollt? Kennt ihr das, wenn ihr einfach ganz laut schreien wollt, obwohl eure Stimme immer mehr verschwindet? Kennt ihr es, wenn man sich auf einmal so leer fühlt, obwohl man voller Gedanken ist?
Kennt ihr das, wenn das Leben niemals so abläuft, wie man es gewollt hat?
Ich vermisse dich, Lee Felix.
Was ein Chaos. Ich bin weiterhin dabei, mich zu sammeln. In so einem schlechten Zustand fällt es mir schwer, die richtigen Worte für mein aktuelles Problem zu finden. Ich vergrabe meinen Kopf in mein eigenes Kissen und lasse an diesem hemmungslos meine Gefühle raus. Eine Träne nach der anderen fällt sanft auf mein Kissen, wodurch diese durch die anderen hinterlassenen Tränen untertauchen. Ich habe heute so viel geweint und gerade eben bin ich noch nicht in der Lage gewesen.
Es ist viel zu viel passiert und trotzdem ist meine Routine haargenau dieselbe: Im Bett liegen, bisschen trinken und über den Vorfall nachdenken. Mein grauer, öder Alltag überholt mich und aus diesem komme ich nicht mehr heraus. Ich stecke fest, weil ich nicht mehr die Kraft dazu habe, um etwas zu ändern.
Es gibt eines, was ich sehr wenig verstehen werde, da dies Felix' Entscheidung gewesen ist, die er getroffen hat: Ich kann nicht mehr und ich weiß nicht einmal wieso. Ich weine den ganzen Tag, bis keine Träne mehr aus mir raus kommt. Ich will weinen, doch da fehlt mir sonst immer die Flüssigkeit. Mir ist durchgehend schlecht, aber übergeben will ich nicht. Es kommt durchgängig zu diesen Reflexen, doch nichts will wirklich raus. Genauso habe ich Gedanken in mir, doch sie wollen nicht raus. Eigentlich will ich schreien. Ich will so laut schreien, bis meine Stimmbänder brechen. Ich will schreien, dass ich nicht mehr kann. Ich will schreien, dass ich das Gefühl bekomme, dass meine ganze Welt zusammenbricht.
Ich will schreien, dass mein Wunsch in tausend Stücke explodiert ist.
Ich zittere, obwohl mir nicht kalt ist. Von meiner Stirn aus schwitze ich, obwohl mir nicht einmal warm ist. Kein Kopf ist voller Gedanken, obwohl ich nur noch bloße Leere spüre.
Ich will gehen, doch mit meinen Beinen habe ich keinen Halt. Ich trinke ein Glas nach dem anderen, doch dies beseitigt meine Kreislaufprobleme nicht. Ich will gehen und meinen Kopf leeren, doch die Gedanken werden mehr.
Und je mehr Gedanken es werden, umso schlechter geht es mir. Meine Sehnsucht nach dem Verschwinden steigt exponentiell. Ich finde keinen Halt. Es fühlt sich an, als wäre ich kurz vor dem Ende meines Lebens. Es fühlt sich an, als könnte es jede Sekunde aufhören. Ob es aufhört oder nicht: spielt keine Rolle. Ich will schnellstmöglich weg; kommt mir in den Sinn.
Ich kann nicht mehr und ich weiß nicht wieso. Ich sollte glücklich sein, doch ich kann nur emotionslos durch die Gegend starren. Ich sollte vor Freude weinen, allerdings Weine ich nur vor Frust. Ich sollte fröhlich sein, doch ich bin deprimiert und niedergeschlagen. Ich sollte weitermachen, doch ich habe keine Lust mehr.
Es fühlt sich an, als würde man mir die Lebenskraft von meinem Körper aussaugen. Von Sekunde zu Sekunde fühle ich mich immer schwächer.
Ich sollte glücklich sein, allerdings ist mir der letzte Hauch an Fröhlichkeit weggenommen worden, als ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren habe: Lee Felix.
Ich sollte mich freuen, denn er ist erlöst. Es ist sehr überraschend gekommen, allerdings ist er jetzt von diesem Elend befreit. Ich weiß haargenau, wie es sich anfühlt, sterben zu wollen, wenn man bedenkt, in was für einer Gesellschaft wir lieben. Ich hätte es verstehen können, aber wieso ausgerechnet er?
Und wieso hat er mir nichts davon erzählt?
Ich habe es durch meine Eltern erfahren, die sehr gut mit Felix' Eltern befreundet sind. Auch für sie ist es ein großer Schock gewesen, da man von Felix niemals so etwas erwartet hätte. Aber das zeigt wieder, dass ich ihn nicht gut genug gekannt habe, obwohl ich davon ausgegangen bin, dass er mein Seelenverwandter ist. Noch nie habe ich so stark geweint wie an diesem Tag. Schon drei Monate ist es her, als Felix sich in der Badewanne ertrinken lassen hat. Zu ertrinken ist ein schrecklicher Tod. Ich kann mir so einen Art von Tod nur als Folter vorstellen. Wieso gefällt mir der Gedanke? Natürlich nur an mir und nicht an Felix. Bei dem Anblick würde ich anfangen zu weinen. Ich hätte es erst recht nicht verkraften können. Ich hätte mich danach auch einfach ertrinken lassen können, da ich bei meinem Seelenverwandten sein will. So gerne wäre ich jetzt bei meinem Seelenverwandten, doch jetzt bin ich von ihm weiter entfernt, als geplant worden ist.
Der Tod hat sich zwischen uns gestellt. Der Tod ist der Grund, wieso ich Felix nicht bei mir haben kann.
Er ist meine Nummer 1. Und ich bin ebenso davon ausgegangen, dass ich für ihn die wichtigste Person gewesen wäre. Wenn dies der Fall gewesen wäre, dann hätte er mich nicht für den Tod verlassen. Ich hätte die Chance gehabt, mit Felix ein glückliches Leben zu führen, doch er hat sich für das Sterben entschieden. Wie bitter ist das denn bitte? Vielleicht... wenn er gewusst hätte, dass ich selber mit solchen Gedanken gespielt habe, hätte er es trotzdem getan? Oder hätte er sich zurückgehalten, weil er erstmal mir helfen würde? Ich kenne ihn viel zu gut. Für mich würde er alles zur Seite legen. Zumindest hat er das immer von sich behauptet.
Ich bin enttäuscht, traurig und entsetzt von mir selbst zugleich und ich habe absolut keine Ahnung, welches Gefühl in mir dominiert. Tausende Gefühle strömen in meinem verlorenen Körper, doch eines ist nicht dabei: Fröhlichkeit. Wann bin ich das letzte Mal glücklich gewesen? Ich frage mich, ob ich überhaupt noch glücklich sein kann?
Und falls ich irgendwie noch glücklich werden kann... was brauche ich denn noch, um glücklich zu sein? Was habe ich tagelang oder sogar monatelang übersehen, was mir sogar helfen könnte, weiterzumachen? Ich lebe ein eintöniges Leben mit einem großen Spritzer Stress und Trauer an der Spitze, von welchen so viel ist, dass es mir selbst schwer fällt, diesen Mist zu beseitigen. Jedes Mal dasselbe. Ich will diesem Teufelskreis entfliehen, doch ich denke, dass ich noch eine Weile warten muss, bis ich bessere Zeiten habe. Lohnt es sich zu warten? Will ich überhaupt warten? Kann ich es mir erlauben, mit meiner hochkonzentrierten Ungeduld zu warten? Immerhin ist sterben schneller. Sterben ist so viel schneller als noch im Leben auf einen besseren Moment zu warten. Wieso soll ich auch noch warten? Was bringt es mir noch, zu warten, wenn es nichts mehr gibt, was mich glücklich macht? Jahrelang habe ich darauf gewartet, dass etwas passiert und das Glück ist immer noch nicht in meinem Leben aufgekreuzt.
In laufe der Zeit sind meine Suizidgedanken schlimmer geworden, also habe ich mir Hilfe gesucht. Ich habe mich noch nicht getraut, zu einem Psychotherapeuten zu gehen, also habe ich erstmal mit Chan Gespräche geführt, welche mir helfen sollen, ins Leben zurückzukehren. Zwei weitere Tage sind vergangen und Chan kommt mich besuchen, um mit mir etwas zu unternehmen. Er findet es selber schrecklich, was mit Felix passiert ist und deswegen kümmert er sich so gut es geht um mich. Ich habe einen wundervollen Hyung!
,,Wie geht es dir heute, Binnie?" fragt mich Chan sofort und greift vorsichtig nach meinem Handgelenk. Es macht mich wirklich nervös, wenn er mit meinen Fingern über meinen Handrücken streicht, da dies Felix immer gemacht hat. Ich soll wirklich aufhören, Chan auf jede Kleinigkeit anzusprechen, nur weil es mich an meine verstorbenen Seelenverwandten erinnert. ,,Wie soll es mir bitte gehen? Im ernst.." gebe ich ehrlich von mir und lasse mich dabei nach hinten auf meine Couch fallen. Vorsichtig schließe ich meine Augen und hole einmal ganz tief Luft. Bei den Bildern im Kopf geht es nicht anders. Wieso erinnert mich alles meinen Seelenverwandten. Ich fühle mich schrecklich. ich fühle mich tot, aber kein Wunder, dass ich so ein Gefühl spüre, wenn die zweite Hälfte meiner Seele sich von mir gelöst hat. Ohne dieser zweiten Hälfte fühle ich mich nicht lebendig und das ist schon seit langem so...
,,Na gut.." nuschelt der Ältere vor sich hin, ehe sich dieser von meiner Hand löst. Langsam schaut er zu mir auf und versucht, mit mir den kleinsten Blickkontakt aufzubauen. Vorsichtig öffnet er seinen Mund und wird folgendes los: ,,Du scheinst... nicht wirklich in guter Stimmung zu sein. Wie wäre es, wenn wir gemeinsam rausgehen? Alleine gehst du sowieso nicht raus.. also.." Damit hat er recht: Ich hasse es rauszugehen. Ich will am liebsten nicht darüber reden, was mit mir passiert, wenn ich mich alleine draußen aufhalte. Dieses Gefühl ist die reinste Folter. ,,Na gut.." bestätige ich und irgendwann sind wir beide draußen, um ein wenig zu spazieren. Meine Hände stecke ich in meine Jackentasche rein, während Chan mit einer Hand sein Handy hält, um etwas nachzugucken.
,,Hier in der Nähe gibt es ein Kaffee.. wollen wir dorthin?" schlägt Chan vor und schenkt mir dabei ein freundliches Lächeln. Ich hinterfrage folgendes: ,,Hier soll es in der Nähe einen Kaffee geben?" Wir sind mitten im Dorf und Chans Aussage irritiert mich so ziemlich. Ich kenne hier nur einen Bauernhof und ein Friedhof.. alias der Friedhof, in dem Felix begraben liegt. Seit der Beerdigung habe ich ihn kein einziges Mal besucht und dies hat auch seine Gründe: Es macht mich kaputt, jedes Mal daran erinnert zu werden, dass mir Felix niemals gehören wird.
,,Ja.. wir müssen zwar etwas spazieren dafür, aber dieses ist wirklich nicht weit." meint Chan und gemeinsam gehen wir über den Fußgängerweg. Wir gehen immer weiter und einmal drehe ich mich nach links. Das erste, was ich zu Gesicht bekomme, ist der Friedhof, in dem Felix liegt. Ich fühle mich immer schwächer. Zugleich auch erbärmlich, da ich ihn noch nicht ein einziges Mal besucht habe. Ich sollte mich schlecht fühlen, wenn er mein bester Freund ist. Mein bester Freund war. ,,Schau da nicht hin.. wenn es dir wehtut." meint Chan plötzlich, während er nach meiner Hand greift und diese mit meiner verschränkt. Meinen Kopf drehe ich zu ihn und meine Augen weiten sich. Als wüsste er sofort, worum es geht.
,,Schon okay Hyung... ich habe mich nur gefragt, ob ich ihn vielleicht doch eines Tages besuchen sollte.." nuschele ich ehrlich vor mich hin und meinen Blick lasse ich wieder senken. Es fällt mir Schwer, über Felix' Tod zu reden, obwohl man mich als die Person kennt, mit der man über die tiefgründigsten Dinge quatschen kann. ,,Hmm.. du musst mir die Frage nicht beantworten, wenn du nicht willst, aber hast du ihn jemals am Grab besucht?" will Chan wissen und darauf folgend gebe ich kurzes Kopfschütteln von mir. ,,Ich hatte Angst..." äußere ich nervös und kralle mich dabei etwas mehr an meinen Hyung. ,,Wovor?" fragt er mich vorsichtig und ich bleibe einfach stehen. Mir fehlt die Kraft, um weiterzugehen. Ich muss mich erstmal sammeln. Wie will ich Chan erklären, wieso ich Felix noch kein einziges Mal besucht habe? Bestimmt ist es sehr einfach zu erklären, doch es will nicht aus mit raus.
Ohne wirklich weiter darüber nachzudenken erzähle ich Chan von meiner Sorge: ,,Was wenn Felix sauer auf mich ist... weil ich auch auf seiner Beerdigung nicht gewesen bin. Ich bin ganz bestimmt eine Enttäuschung für ihn." Es hat mich wirklich viel Kraft gekostet, diese Worte auszusprechen. Ich könnte jetzt anfangen zu weinen, doch ich habe genug Tränen verloren. Ich habe so viel Flüssigkeit verloren, dass ich nicht mehr weinen kann.
,,Binnie..." von Chan, seufzend. Anschließend legt er seine Arme um mich und sagt flüsternd: ,,Felix wird nicht enttäuscht von dir sein. Im Gegenteil, er wird sich darüber freuen, dass du ihn besuchen kommst. Er vermisst seinen besten Freund ganz bestimmt sehr." Er vermisst seinen besten Freund ganz bestimmt nicht, da er sich erstmal selbst umgebracht hat, ohne sich von seinem Seelenverwandten zu verabschieden. Ganz schön bitter. Und dann werde ich gefragt, wieso ich mich nutzlos und unwichtig fühle. Nichts desto trotz hat mich Chan davon überzeugt, ihn einen Besuch abzustatten.
Ich habe den Tag mit Chan wirklich genossen. Zwar geht es mir etwas besser, aber glücklicher bin ich nicht. Ich werde niemals mehr glücklich sein können, aber was soll's? Chan hat mich überzeugt. Drei Tage später habe ich mich auf dem Weg zum Friedhof gemacht. Es ist sechs Uhr abends und wir kommen der Abenddämmerung umso näher. Davor habe ich keine Zeit gehabt und ich will dieses Ereignis nicht noch weiter nach hinten verschieben. Ich will diesen Moment hinter mich bringen. Ich habe Felix Rosen gekauft. Auch wenn er sich für den Tod entschieden hat, will ich ihm zeigen, dass ich ihn immer noch liebe.
Ich betrete den Friedhof und ich mache mich auf die Suche nach seinem Grab. Da meine Eltern mir gesagt haben, wo dieses liegt, konnte ich ziemlich schnell fündig werden. Nun stehe ich da: Vor Felix' Grabstein. Lee Felix. Geboren am 15.09.2000 und gestorben am 01.07.2017. Weiß auf Schwarz. Dieser Grabstein beweist umso mehr, dass Felix nie wieder zurückkehren wird. ich habe ihn endgültig verloren und er wird nie wieder zurückkehren. Ich wünsche mir so sehr, ihn noch einmal in meine Arme nehmen zu können.
Aus meiner Jackentasche hole ich mir ein Feuerzeug heraus, um die Kerzen um Felix' Grabstein rum anzuzünden. Ganze 18 Kerzen habe ich angezündet. Achtzehn, weil er mit diesem Alter unsere Welt verlassen hat. Ich kann nicht mehr. Ich merke, dass mir wieder übel wird, obwohl ich nicht einmal Konsistenz habe, welche ich auskotzen kann. Ich habe alle Kerzen angezündet und nun lege ich die Blumen auf seinen Grab. Anschließend fange ich an, vor mich her zu reden:
,,Lee Felix.. es tut mir Leid, dass ich dich erst jetzt besuche. Der Grund ist, dass ich mich nicht getraut habe. Ich dachte du wärst sauer auf mich, weil ich versucht habe, dir aus dem Weg zu gehen. Der Gedanke tat weh. Ich wollte nicht jedes Mal daran erinnert werden, dass ich dich verloren habe. Auch von meiner Seele hast du dich gelöst. Es fühlt sich an, als wäre ein großer Teil von mir einfach in Luft aufgelöst worden. Wenn du dich entfernt hast, weil du sauer bist, dann kann ich es verstehen. Es tut mir leid, dass ich ein schlechter Freund gewesen bin. Ich hoffe, dass du mir eine letzte Chance geben wirst... wenn wir uns sehen.."
Einmal hole ich ganz tief Luft, ehe ich fortsetze: ,,Ich habe dir Rosen mitgebracht. Dunkelrot. Das sind meine Lieblingsrosen und ich habe mich dazu entschieden, dir diese zu kaufen, damit du weißt, dass ich für immer bei dir bleiben werde, egal was ist. Du meintest selbst, dass wir für immer Seelenverwandte bleiben, auch wenn wir uns voneinander entfernen. Eigentlich... bin ich noch hier, um dir etwas zu sagen."
Ich kniee mich hin, da ich keinen festen Halt mehr habe. Ich atme schwer, da es mir nicht sonderlich leicht fällt, darüber zu reden. ,,Von unserer ersten richtigen Begegnung an habe ich Gefühle für dich... vielleicht hätte sich etwas geändert, wenn ich es dir früher gebeichtet hätte. Die Vorstellung - mit dir auf Ewig glücklich zusammen zu sein - ist viel zu schön, um wahr zu sein. Ich liebe dich, Felix. Und das sollst du wissen, auch wenn du jetzt tot bist. Ich weiß, ich hätte es dir früher sagen können, aber jetzt ist es sowieso zu spät. Ich habe es satt, es mit mir zu tragen. Ich will diese Gefühle nicht mehr, da ich weiß, dass ich dich jetzt niemals mehr für mich haben werde. Ich liebe dich. Ich hasse es, dass ich dich liebe. Ich wünsche mir so sehr, dass du noch am leben bist... ich hätte DAS wenigstens beichten können, bevor du dir das Leben genommen hättest."
Meinem Blick lasse ich senken. Meine Augen sind durchgängig am zucken und es fühlt sich an, als würde ich in jeder Sekunde anfangen zu weinen. Ich will das nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Ich wünsche mir, dass alles noch viel leichter wäre. Ich kann nicht mehr aufhören, an die schönen Zeiten mit Felix zu denken. Ganz gleich, wie scheiße es mir täglich gegangen ist, er hat mich zu einem besseren Menschen geformt. Er hat mich ins Positive verändert und er ist der Grund, wieso ich noch lächeln kann. Ich vermisse seine Anwesenheit so sehr. Ich wünsche mir, dass ich zu dem Treffen zurück spulen kann, bei wir es uns auf einem Baum gemütlich gemacht haben. Noch nie habe ich mich getraut, auf einen Baum zu klettern, doch Felix hat mich dabei unterstützt. An diesem Tag habe ich auch eine Angst von mir überwunden: Die Höhenangst.
Ich will zu diesem Treffen zurück, da dies der perfekte Moment gewesen wäre, ihm von meiner inneren Unruhe und vor allem von meinen Gefühlen für ihn zu erzählen. Das wäre die letzte Chance gewesen und danach wäre es einfach zu spät gewesen. Doch an diesem Zeitpunkt hätte ich es nicht wissen können, dass dies die letzte Chance gewesen wäre. Dumm gelaufen.
,,Mir gefällt es hier." schwärmt Felix leise vor sich hin, ehe dieser einen Arm um mich legt. Den linken Arm, da ich links von ihm sitze. Ich kralle mich ängstlich an ihn, da wir etwas tun, was ich mir niemals selbst zugetraut hätte: Auf einem Baum sitzen und die Sterne beobachten. Ich habe Höhenangst und dann kommt meine Angst im Dunkeln dazu. Wenn Felix nicht hier wäre, dann wäre ich längst zusammengebrochen. ,,Es war auch klar, dass es dir so stark gefällt, Großer. Immerhin kletterst du gerne auf Bäume." äußere ich recht amüsiert und versuche dabei, so gut es geht, meine Angst zu verstecken. Ich will diesen Moment mit ihm genießen und da sollte ich keine Angst zeigen. Ich sollte eigentlich Angst haben, doch diese wird immer weniger. Liegt es daran, dass Felix mir Sicherheit bietet? Es fühlt sich an, als hätte er alle meine Sorgen vertrieben. Die Angst ist noch ein wenig da, aber die Sorgen sind verschwunden, als wären sie nie da gewesen. So ist es, wenn man mit seinen Seelenverwandten verbunden ist.
,,Ja ups... auf Bäumen klettern ist toll. Das macht richtig Spaß." behauptet er, noch ich entgegne: ,,Nein! Das ist doch voll gefährlich.. ich hätte fast beim Klettern eine Panikattacke bekommen.. du Affe." Der blondhaarige Junge drückt mich mit seinem Arm ein wenig mehr an sich, damit ich es mir auf seiner Schulter gemütlich machen kann, welche sich wie ein Kissen anfühlt. ,,Hmm.. immerhin hast du keine Panikattacke bekommen und außerdem hast du es geschafft, auf dem Baum zu klettern und darauf solltest du stolz sein: Du hast etwas gemacht, was du dir niemals zugetraut hättest." meint Felix und krault mir seiner anderen Hand sanft über meine Kopfhaut, was mich um einiges mehr beruhigt. Ich spüre, wie die Schmetterlinge in meinem Bauch immer schneller von der einen Ecke zu der anderen flattern und diese für komplettes Chaos sorgen. Ich hole ganz tief Luft, da mich seine Berührungen übertrieben schwach machen.
Ich habe mich in Felix verliebt, seitdem wir uns kennen. Einmal bin ich in die Sporthalle gegangen und da ist nur er gewesen. Er hat getanzt und ich habe ihm dabei heimlich zugesehen. Seine Technik hat mich fasziniert und ich wollte ihn dementsprechend kennenlernen. Er hat mich dabei erwischt und dann haben wir irgendwann angefangen zu reden. Beim Reden haben wir uns in die Augen geschaut und es ist etwas in mir passiert: Ich habe mich in seine magischen, funkelnden Augen verliebt und dementsprechend in ihn. Er hat mich in seinen Bann gezogen und das bis heute. Ich warte immer noch auf den perfekten Moment, um es ihm zu erzählen, nur ich habe wirklich Angst vor seiner Reaktion. Heute werde ich ihm ebenso nichts von meinen Gefühlen erzählen, da ich folgendes befürchte: Ich werde meinen Seelenverwandten verlieren un das wäre das Schlimmste, was mir jemals passieren könnte.
Ich würde alles dafür tun, damit Felix für immer an meiner Seite bleibt, auch wenn wir es auf Ewig bei einer Freundschaft belassen.
,,Ja stimmt.. aber egal. Hast du mir vielleicht etwas zu erzählen?" setze ich an und schließe meine Augen sanft, um den stillen Geräuschen der Natur zu lauschen. Dazu gehört Felix: Er ist meine Welt. ,,Ich hätte eigentlich nichts zu erzählen, außer dass ich erzählen kann, dass wir auf meiner Tanzschule an einer neuen Choreografie arbeiten, die wir hoffentlich in zwei Monaten aufführen können." erzählt mir mein bester Freund sofort und seufzt anschließend recht entspannt, was ich mit meinen Ohren wahrnehme, ohne mich darauf wirklich zu konzentrieren. Es ist so ruhig hier und die Atmosphäre ist angenehm. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir dieser Moment nicht gefällt. Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich mich so stark wohl gefühlt draußen. Wenn ich mich sonst im dunkeln aufgehalten habe, dann hat es jedes Mal damit geendet, dass ich mit einem Nervenzusammenbruch meine Wohnung betreten habe. Es ist jedes Mal dasselbe gewesen und es hat immer damit angefangen, dass ich viel zulange im Dunkeln draußen bin.
Seit zwei Stunden bin ich hier mit Felix und ich habe mich noch nie so stark wohl gefühlt, wenn ich mich im Dunkeln aufgehalten habe. Felix ist das Licht in meinem tiefschwarzen Inneren, welches mir den Weg zu einem schöneren Leben leuchtet. Seinetwegen sehne ich mich danach, weiterzumachen, insofern er mich niemals verlassen wird. Mein Seelenverwandter sollte für immer an meiner Seite bleiben. Er ist meine zweite Hälfte. Ohne meine zweite Hälfte fühle ich mich nicht vollständig. Wenn Felix jemals sterben würde, würde es sich definitiv so anfühlen, als wäre ein besonders großer Teil von mir auch gestorben. Diese Vorstellung, Felix eines Tages verlieren zu können, würde alles kaputt machen. Das Licht würde ausgehen und ich wüsste nicht mehr, in welche Richtung ich mich begeben muss. Wenn ich den Orientierungssinn in der tiefschwarzen Hölle verliere, dann sehe ich keinen Sinn mehr dahinter, weiter zu suchen.
,,Ich will euch beim Tanzen zusehen, Lixie." meine ich direkt und an diesem Punkt wäre ich am liebsten aufgesprungen, da ich mich jedes Mal aufs Neue freue, meinen besten Freund beim tanzen zuzusehen. Hätte ich gemacht, wenn wir es uns nicht auf einem gigantischen, stabilen Ast von Felix' Lieblingsbaum gemacht hätten. ,,Du bist jedes Mal eingeladen. Wenn du willst, dann kannst du auch zu unseren Proben kommen. Mein Tanzlehrer kennt dich jetzt immerhin ganz gut. Also... komme einfach am Dienstag zu meiner nächsten Tanzstunde. Oder.. wie wäre es, wenn ich dich abhole?" redet der große, blondhaarige Junge aufregend vor sich hin und neigt seinen Kopf ein wenig zu mir. Meinen Kopf habe ich zu selben Zeit zu Felix' Richtung gedreht, wodurch sich unsere Blicke treffen. Nachdem ich in starke Verlegenheit geraten bin, wende ich meinen Blick nach vorne, wodurch mit meinem Blick direkt auf den Vollmond stoße, welcher heute besonders schön ist.
,,Du kannst mich auch gerne abholen, wenn du willst." nuschele ich ein wenig nervöser, da mir Felix' Nähe den Verstand raubt. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Dieser Junge macht mich schwach und ich bin schon nahezu besessen von ihm. Ich nutze jede Gelegenheit, Felix zu sehen und wenn er mich abholt, dann sehen wir uns um einiges länger. Ich würde wirklich jede Gelegenheit nutzen, auch wenn davon nur zwei weitere gemeinsame Sekunden abhängen. ,,Okay.. dann mache ich das. Ich bin dann um 15 Uhr da." teilt er mir mit und zieht mich dabei etwas an sich. Meinen Kopf platziere ich auf Felix' Brust und nutze diese Stelle am Körper als mein neues Kissen, welches um einiges angenehmer als die Schulter ist. ,,Ich freue mich." gebe ich knapp von mir, ehe ich meine Augen schließe. ,,Ich mich auch." erwidert mein bester Freund kurz.
Ich will ihm jetzt zwar nicht beichten, wie sehr ich ihn liebe, allerdings will ich ihm auf einer anderen Art und Weise zeigen, wie wichtig er mir ist. ,,Weißt du was?" setze ich an und durch diesen Anfang erhalte ich Felix' Aufmerksamkeit. ,,Was ist los, Hyung?" fragt er kichernd und krault meine Kopfhaut weiterhin vorsichtig. ,,Ich hab dich lieb. Versprich mir, dass du für immer mein Seelenverwandter bleibst."
,,Ich hab dich auch lieb, Hyung. Ich verspreche dir, dass ich für immer dein Seelenverwandter bleibe. Ganz gleich, was in der Zukunft passieren sollte. Ich werde immer ein Teil von dir bleiben, auch wenn wir uns eines Tages nicht mehr nahe sein sollten." wird Felix los und hebt dabei meinen Kopf an. Meine Augen öffnen sich schlagartig und unsere Blicke treffen sich erneut. Nur diesmal kann ich mich nicht wegdrehen, da Felix meinen Kopf festhält. ,,Genau.. egal was jemals passieren sollte... vergiss niemals, dass ich immer ein Teil deiner Seele bleiben werde. Niemand wird sich jemals zwischen uns stellen." wiederholt er und seine Lippen legt er auf meine Stirn, um mir einen kurzen Kuss zu geben.
Und jetzt wird mir einiges klar: Mein Leben ist eine ganz große Lüge. Felix hat mich angelogen. Er er ist von mir gegangen. Nicht einmal in meiner Seele ist mein bester Freund geblieben. Er hat mich in Stich gelassen und dies ist der Grund, wieso ich keinen Sinn mehr im Leben sehe. Je länger ich über diesen Abend nachdenke, umso mehr realisiere ich, was mir Felix eigentlich vermitteln wollte: Er hat mir einen Hinweis darauf gegeben, dass er nicht mehr lange leben wird. Wie konnte ich nur so ein Idiot sein und es nicht gemerkt haben? Schande über mein Haupt. Felix hat mir indirekt gesagt, dass er nicht mehr lange leben wird und mich verlassen will.
Ich hätte ihn aufhalten können und das hätte ich auch gemacht, wenn ich es geahnt hätte. Ich bin ein schlechter bester Freund. Felix hat definitiv einen besseren verdient. Einen besten Freund, welcher sich nicht überwiegend bei ihm ausheult, weil es etwas nicht gekappt. Einen besten Freund, der sich mehr um ihn gekümmert hat als um sich selbst. Einen besten Freund, der sich immer für ihn die Mühe gemacht hätte, mehr für ihn zu tun anstatt dass alles nur aus Felix' Seite kommt. Und vor allem verdient er einen besten Freund, der bereits geahnt hätte, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Schande über mich. Mit dieser Tatsache verdiene ich es nicht zu leben. Ich will verschwinden! Ich schäme mich heftig, weil ich meine Rolle als besten Freund nicht erfüllt habe.
Ich habe Felix verloren, weil ich nur an mich gedacht habe.
Eine Träne nach der anderen verliere ich. Ich drehe mich von seinem Grabstein weg und verschwinde mit zügigen Schritten aus dem Friedhof. Ich bin lang genug hier gewesen. Ich weiß, dass ich daran nur noch mehr kaputt gehen würde, je länger ich hier bleibe. Felix' Grabstein spiegelt die Enttäuschung und Schande in mir. Ich hätte ein besserer bester Freund sein sollen, wenn ich mich um ihn gekümmert hätte. Meine negative Sanktion ist, dass auch das Licht verschwunden ist und ich jetzt in der Dunkelheit irren muss. Absolut keine Orientierung mehr. Ich wünsche mir so sehr, dass ich in die Vergangenheit reisen könnte. Mir kommen immer mehr Situationen in den Sinn, in welchen Felix mir Hinweise dafür gegeben hat, dass es ihm nicht gut geht. Ich hasse mich so sehr. Am liebsten würde ich mir jetzt einen Strick um meinen Hals binden, weil ich es nicht mehr verdiene zu leben. Ich bin der Grund, wieso Felix tot ist! Aber auch er ist der Grund dafür, wieso ich sterben will. Vielleicht ist das unser Schicksal.
Ich gehe einen Fußgängerweg entlang und es ist kein Auto weit und breit. Von daher drehe ich mich um und gehe langsam über die Straße. Erneut bin ich in Gedanken. Die ganze Zeit bin ich in Gedanken. Felix will mir nicht mehr aus dem Kopf verschwinden. Ich kann es einfach nicht wahrhaben, dass er nicht mehr am Leben ist. Drei Monate ist es schon her, als er von uns gegangen ist. Ich wünsche mir so sehr, noch einmal sein Lächeln zu sehen oder wenigstens nur einmal sein Lachen zu hören.
Ein Hupen reißt mich mit in die Realität. Ich bleibe einfach stehen, da ich davon ausgegangen bin, dass ich schon auf dem Fußgängerweg bin, allerdings ist dies nicht der Fall. Nein, ich stehe noch wie erstarrt auf der Straße und als ich mich nach rechts drehe, erlebe ich mit meinen Augen, wie ein Auto mit voller Kanne auf mich zurast. Dieses versucht zu bremsen, doch dieses wird noch schaffen, mich zu überfahren. Gerade fühlt es sich an, als würde alles in Zeitlupe ablaufen. Ich könnte schnell zu dem Fußgängerweg eilen, doch es fühlt sich gerade an, als wäre ich erstarrt. Ich kann mich nicht bewegen, als würde mein Körper wollen, dass ich hier und jetzt sterbe. Und mir ist es sogar egal.
Lee Felix.. nachdem ich dich verloren habe, habe ich den Sinn im Leben verloren. Ich hoffe, dass wir uns möglichst Bald in der Hölle sehen, falls es so etwas gibt.
Ich blinzele noch ein letztes Mal und plötzlich spüre ich diesen starken Prall, ehe ich umkippe und mir schwarz vor den Augen wird. Ich sehe keinen Sinn mehr. Das muss das Ende sein.
~Ende~
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