ᴏʙsᴇssɪᴏɴ
PoV. Minho
Nun hat alles ein Ende. Ich fühle mich in dieser Leere gefangen, auch wenn der Platz vorhanden ist. Es fühlt sich an, als würde der Raum immer enger werden, je länger ich mich in der weißen Hölle aufhalte. An einer Stange sind meine Hände gefesselt. Mit Hilfe der Handschellen kann ich nicht mehr abhauen. Ich bin gefesselt, weil ich krank bin. Ich darf kein Teil der Gesellschaft mehr sein, weil mich jeder abgestoßen hat. Im Kopf bin ich für die Menschen krank, jedoch weiß ich mehr, als jeder andere Mensch denkt.
Ich sehe mich um und ich kann die Farbe „Blau" leider nicht mehr sehen. Alles, was ich zu Gesicht bekomme, erscheint mir alles schwarz-weiß. Ich weiß ganz genau, dass ich hier nicht mehr rauskommen kann, egal wie viel ich noch beten werde. Ich hätte es so viel besser machen können. Habe ich die ganze Scheiße tun gemusst? Das alles nur, um Jisungs Herz zu erobern?
Ich liebe Jisung, doch er liebt mich nicht. Seitdem ich unsere Freunde ermordet habe, findet er mich abstoßend. Er hasst mich so sehr. Wieso habe ich es auch getan? Wieso habe ich unsere Bindung so sehr aufs Spiel gesetzt? Wir hätten wenigsten Freunde bleiben können, weil ich gewusst habe und mir immer noch recht sicher dabei bin, dass zwischen uns niemals etwas Ernstes laufen könnte. Eines steht fest. Ich könnte Jisung niemals vergessen. Er ist das Beste, was mir in meinem Leben geschehen ist, auch wenn er der jetzt Grund ist, wieso ich jetzt in der Klapse stecke. Nun bin ich alleine und habe niemanden. Ich habe weder Freunde noch Familie, denn sie haben mich alle verlassen. Es ist so, als hätte ich nie eine Familie oder Freunde gehabt.
Komplett allein auf mich gestellt. Es gibt nur noch mich, die Handschellen, welche meine Hände mit der Stange verbindet. Umgeben von vier weißen Wänden, einem weißen Boden und einer weißen Decke. Der Raum könnte sich schnell rot färben, wenn ich es schaffen würde, mich von den Handschellen zu befreien. Ein kleines Fenster, welcher ein Spalt offen ist. Flüchten ist nur als eine Maus möglich, da hinter dem Fensterglas duzend Gitter dran befestigt sind. Natürlich macht dies das Flüchten unmöglich. Es gibt keinen Ausweg. Es wird so bleiben: Bei mir, bei der weißen Hölle und bei den Handschellen. In der Geschlossenen.
Ich würde alles tun, um dieses Leid zu beenden. Die Zeit holt mich ein. Ich will das alles beenden. Wenn ich mein Leben jetzt hier verbringen muss, dann will ich dieses schnellstmöglich beenden. Es soll mir genauso viel Blut fließen wie aus Seonghwas Hals, als ich ihm mitten in er Nacht seinen Kopf abgesägt habe. Es muss auch nicht blutig sein. Es kann auch schnell gehen, wie der Kopfschuss auf Jeongin. Ich denke über meine Taten nach und realisiere, wie brutal ich meine Freunde - oder frühere Opfer - umgebracht habe. Dann ist es doch kein Wunder, dass sie mich in diese isolierte Zelle gesteckt haben.
Ich kann nicht mehr klar denken. Die Zelle macht mich noch kranker, als ich es bin. Wenn ich mich aus dieser Zelle rausbekommen würde, dann würde ich für blutiges Chaos im ganzen Gebäude sorgen. Auch wenn der Gedanke krank ist, habe ich realisert, wie erleichternd und schön es ist, Menschen meinetwegen sterben zu sehen. Wie sie in der einen Sekunde nach der anderen in Atemnot geraten und ersticken. Wie sie vor meiner Nase verbluten, wie dabei auch das Blut aus unzähligen Körperstellen fließt. Wie sie panisch und schluchzend ihre letzten Worte äußern, ehe ich ihnen das Leben nehme. Das Morden hat mich so impulsiv und ambitioniert gemacht. Am liebsten würde ich fliehen, um dies fortzusetzen.
Und trotzdem ist es falsch.
Ich bin nicht ohne Grund in dieser merkwürdigen Zelle. Ich bin ein Psychopath. Mit der Einstellung, die ich jetzt habe, komme ich nicht allzu schnell raus. Auch in fünfzig Jahren sehe ich mich nicht im freien. So stark in Stich gelassen fühle ich mich. Isoliert von der Gesamtwelt. Mein Leben lang hinter Gittern. Und das nur, weil meine Besessenheit für Jisung die Kontrolle über mich genommen hat, wodurch ich mein eigenes Leben vernachlässigt habe.
Die Besessenheit hat zu nichts geführt. Ich bin jetzt hier und Jisung will mich jetzt auch nicht mehr. Ich bin jetzt allein. Komplett allein. Ohne einer Person, welche mir ganz viel Liebe geben kann. Und das ist ganz genau meine Schuld.
Plötzlich öffnet sich eine Tür, nachdem all Schlösser ausgeschlossen worden sind. Gerade ist mein Sichtfeld sehr verschwommen, da meine Augen nur ein Spalt offen sind. Ich erkenne zwei Personen und einen weißen Hintergrund, welcher von der offenen Tür gestört wird. Langsam öffnen sich meine Augen weiter, auch wenn es sich des Weiterhin so anfühlt, als hätte ich Gras geraucht. Dieses Gefühl, betäubt zu sein. Halbtot. Nichts desto trotz erkenne ich umso mehr ein bekanntes Gesicht, je länger ich diesen Menschen mustere und je schärfer dieser eine bekannte Mensch für mich wird, da er mir immer näher kommt.
Logischerweise hält er noch zielich viel Abstand zu mir, auch wenn ich sowieso keine Chance gehabt hätte, uhm etwas anzutun. Ich glaube nicht, dass ich hin auch etwas antun könnte, denn dieser Mensch ist niemand anders als Han Jisung.
,,Lee Minho.." murmelt Jisung vor sich hin, welcher einen recht emotionslosen und kalten Stimmklang hat. Nicht einmal in die Augen kann er mir schauen, doch in einem gewissen Grad kann ich dies verstehen, obwohl meine Empathie wirklich sehr eingeschränkt ist. Meinen Blck wende ch auch ganz schnell von ihm. Blickkontakt will ich vermeiden. Ich kriege kein Wort aus mir heraus. Ich hätte niemals gedacht, dass ich diesen Jungen noch einmal zu Gesicht bekomme. Wieso ist er hier?
,,Ich weiß nicht so recht, ob ich froh darüber bin, dich zu sehen oder nicht. Ich weiß es wirklich nicht... das ergibt sich noch." setzt Jisung fort und auf seinen Lippen bildet sich ein Lächeln, welches ich noch nicht einmal eine Sekunde zu Gesicht bekommen habe. ,,Okay.." schleicht sich aus meinem Mund. Es ist wirklich schwer, ein Wort aus mir herauszubekommen. Es fühlt sich gerade an, als hätte er mir mein Mund zugeklebt. Ich will ihm was sagen, allerdings habe ich keine Ideen, was für Worte ich mit ihm auswechseln könnte. Ich habe nicht geplant, mit ihm zu reden. Ich habe nicht vorausgesehen, dass wir noch jemals paar Worte auswechseln werden. Ich bin davon ausgegangen, dass wir beide miteinander abgeschlossen haben, nachdem ich in die Geschlossene gekommen bin. Was will er noch mit einem Psychopathen wie mich?
,,Was machst du hier?" frage ich eher murmelnd und unsicher. Jisung macht mich wirklich nervös, da ich seinen Zustand nicht einschätzen kann. Was macht er hier? Was will er von mir?
,,Was ich hier mache?" wiederholt Jisung spöttisch lachend, ehe er mir einen kleinen Schritt näher kommt. Jetzt macht er mir wirklich Angst. ,,Na gut.. die Frage ist sehr gerechtfertigt. Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass wir uns nie wieder sehen müssen. Allerdings..." redet Jisung vor sich hin, welcher sich schnell wieder unterbricht. Ich komme keinesweg auf die Idee, ihn zu unterbrechen, denn mich interessiert es brennend, weswegen er noch mit mir ein paar Worte auswechseln will.
,,Also... wie gesagt... ich hätte nicht gedacht, dass wir jemals miteinander reden werden. Ich bin eher gezwungen hier, weil dies ein Teil meiner Therapie ist. Ich würde jetzt mit dir über das Vergängliche reden, um alles abzuschließen." erzählt mir Jisung, welcher am Ende ein wenig trauriger oder wütender klingt. Keine Ahnung, ich merke den Unterschied zwischen all den Gefühlen nicht. Auf jeden Fall ist es verwunderlich, dass Jisung und ich uns noch einmal zu Gesicht bekommen, ehe ich keine Menschen mehr habe, welche nach mir schauen werden. Dann bin ich ein Außenseiter. Ich bin nichts weiter als ein isolierter Psychopath.
,,Okay?... Eh.. Therapie?" schleicht sich verwunderlich aus meinem Mund. Mein Blick ist weiterhin auf den Boden gerichtet. ,,Ja.. Therapie." wiederholt Jisung vollkommen trocken, ehe er anfängt, etwas darüber zu erzählen: ,,Ich gehe auf Grund des Traumas zu einer Klinik. Eine Klinik, die spezialisiert auf Traumata ist. Und dort habe ich tagsüber Therapiestunden. Jetzt geht es darum, meine Angst zu überwinden. Die Angst vor dir, Minho. Ich rede mit dir, um abzuschließen."
,,Okay.. aber wieso gehst du davon aus, das ich mit dir gerne reden wollen würde?" frage ich ein wenig skeptisch, ehe ich mich langsam traue, meinen Blick nach ihm zu richten. Ein bösartiger Blick bildet sich auf meiner Fassade. Plötzlich fühle ich mich so impulsiv. Jisung hat mir jetzt nicht einmal körperlich geschadet und trötzdem würde ich ihn gerne erwürgen wollen. Nur das werde ich nicht. Erstens bin ich an der Stange angekettet und zweitens habe ich nicht wirklich das Bedürfnis, ihm zu schaden. Obwohl dieses Verlangen in meinem psychopathischen Verhalten fehlt. Dafür, dass ich seinetwegen hier bin. Er verdient es von allen meinen Freunden eigentlich am meisten, jetzt tot zu sein. Doch dafür liebe ich diesen Idioten aber viel zu sehr.
,,Wieso auf einmal so gemein? Freust du dich nicht, mich wiederzusehen?" fragt mein Gegenüber plötzlich.
,,Wie soll ich auch nett sein, wenn ich deinetwegen jetzt hier bi-" murmele ich fauchend vor mich hin, doch der schwarzhaarige Junge unterbricht mich abrupt:
,,Weil du es verdienst, du Mörder. Es gibt einen gerechtfertigen Grund, wieso du hier bist." Ein leises Seufzen erklingt aus meinem Mund. Ich kann nicht einmal klar denken und deswegen kommt nur scheiße bei raus.
,,Und du bist jetzt hier, um mich runterzuziehen deswegen? Was willst du noch machen? Ich bin schon in der Geschlossenen. Ich habe alles verloren." merke ich an und ich bemerke schnell, dass ich mich beim Sprechen immer sicherer fühle. Woran es wohl liegen mag? Vielleicht liegt es daran, dass ich jetzt sowieso nichts mehr zu verlieren habe. Ich kann nur noch reden und reden. Schlimmeres kann ich damit tatsächlich nicht auslösen. Und wenn doch, dann ist es mir egal.
,,Naja... ich will noch die letzten Worte mit dir auswechseln, ehe ich gehe und dich hoffentlich nie wieder sehen werde." wird Jisung los und ein leises Seufzen ertönt aus seinem Mund.
,,Nun denn..." setzt mein Gegenüber wieder an und fängt an, spöttisch aufzulachen. Jetzt bin ich mehr als verwirrt.
,,Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Ich habe mich auf dieses Gespräch kein Stück vorbereitet... also frage ich einfach los:
Was hat dich dazu gebracht, all unsere Freunde umzubringen? Ich meine... man hätte den Konflikt anders lösen können, doch du hast dich für eine sehr brutale Art und Weise entschieden. Ich will wissen, was dich dazu geführt hat? Das hast du nie so wirklich erzählt." redet Jisung vor sich hin und schaut mich dabei mit einem ziemlich ernsten Blick an. Ich schlucke kurz, denn die Story dahinter ist mir ziemlich unangenehm.
Nichts desto trotz öffne ich meinen Mund und erwähne kurz und kanpp: ,,Chan war nicht der erste, den ich umgebracht habe. Ich habe schon ein wenig Erfahrung mit Menschenleid gehabt. Also fiel mir diese Methode doch um einiges leichter."
,,Wie? Jemanden umzubringen fällt dir leichter, als mit mir darüber zu sprechen, dass du Gefühle für mich hast?" unterbricht er mich.
Leise seufzend antworte ich: ,,Tatsächlich schon... ich hatte Angst, mit dir zu reden."
,,Aber denk nach... wenn du mit mir darüber geredet hättest, dann wärst du jetzt wahrscheinlich nicht in der Geschlossenen, sondern glücklich mit mir zusammen."
,,Glücklich mit dir zusammen?" wiederhole ich verwundert und meine Augen öffnen sich. Ich atme schwer, da seine Anwesenheit mehr schmerzt als wahrscheinlich die Messerstiche, die meine Opfer zu spüren bekommen haben.
,,Ja.. weil ich Gefühle für dich hatte." merkt er an. Schnell kopfschüttelnd korrigiert er seine letzte geäußerte Aussage: ,,Naja.. ich habe des Weiteren Gefühle für mich. Leider. So vielen Menschen du etwas angetan hast, wollen meine Gefühle für dich nicht endgültig verschwinden. Dies ist unter anderem einer der Gründe, wieso ich dich noch einmal zur Gesicht bekommen wollte, ehe ich endgültig mit dir abschließen kann."
Meine Augen schließen sich abrupt. Aus Hoffnung, dass ich von diesem Traum erwache. Doch leider ist dies die Realität: Ich bin gefangen. Isoliert. Weil ich duzend Menschen getötet habe. Ich müsste in ein richtiges Gefängnis dafür, doch man hat an mir schnell rausgestellt, dass ich unter einer psychischen Störung leide. Mein Kopf will die Information, dass Jisung auch Gefühle für mich hat, nicht aunehmen. Ich kann mit Gefühlen anderer nicht sonderlich viel anfangen, obwohl ich mir hoffe, dass die Person, die ich liebe, meine Gefühle erwidert. Ich will diese Information auch nicht aufnehmen. Ich kann schon an Han Jisung selbst ahnen, dass er mit mir nichts mehr anfangen kann. Ich habe keine Chance mehr bei ihm.
,,Jisung... ich bin wirklich nicht gut mit Worten. Meine beiden Hände übernehmen für mich die Aktionen." erwähne ich und dabei klinge ziemlich ernst. ,,Ich rede selten über meine Gefühle. Manchmal fühlt es sich an, als würde ich keine Gefühle besitzen. Vielleicht erklärt es auch, wieso ich keine Empathie für dich habe. Nun denn.. trotzdem habe ich auf dem ersten Blick gemerkt, dass ich dich liebe. Vielleicht zeigst du Menschen deine Liebe vollkommen anders, als ich es tue, doch ich kann meine Liebe nicht so zeigen, wie es Menschen für gewöhnlich tun." erkläre ich vollkommen ehrlich.
,,Achso? Dann zeigst du ja anderen deine Liebe, indem du alle unsere Freunde abstichst. Was für ein love language!" murmelt Jisung ganz sarkastisch und verschränkt seine Arme vor seinem Oberkörper.
,,Es war ein Fehler." nuschele ich bedrückt.
,,Hast du ja ganz früh gemerkt!" von Jisung, als würde er in Sarkasmus baden.
,,Besser... es später gemerkt zu haben, als gar nicht. Ist das nicht so?" frage ich, noch bedrückter wirkend.
,,Naja.. du hättest es merken sollen, bevor du all unsere Freunde umbgebracht hast. Das werde ich dir niemals verzeihen." brüllt Jisung ein wenig lauter und dabei zucke ich leicht zusammen.
,,Du musst es mir auch nicht verzeihen. Aber was soll man da jetzt auch machen? Zu irgendwelchen Geistern beten, damit sie unsere Freunde zurück beschwören können?" frage ich und dabei benutze ich dieselbe Waffe wie Jisung: Sarkasmus.
,,Halt die Fresse!" von Jisung, laut brülled, ehe er mir eine Backpfeife verpasst, welche ich tatsächlich schon viel früher gebraucht hätte. Man hätte mich zusammenschlagen sollen, bevor ich auf die Idee gekommen bin, unseren Freunden etwas anzutun.
Dieser Schlag von Jisung hat dazu geführt, dass ich mich wieder an meine Taten erinnere. An meine unverzeihbaren Taten. Alles hat bei Chan angefangen. Ich war bei ihm übernachten. Erstmals habe ich ein wenig gezögert, doch dann habe ich Chan in der Nacht, nachdem er schon logischerweise eingeschlafen ist, abgestochen. Changbins Tod habe ich immer noch haargenau im Kopf. Er hat was gekocht. Für mich und für sich selbt. Ich habe ihn von hinten aufgeschlitzt, sodass aus seinem Hals ununterbrochen geblutet hat, bis er an dem Blutverlust und Atemnot gestorben ist. Ich habe ihn darauf folgend noch mehrmals abgestochen, damit er schneller stirbt, was funktioniert hat. Hyunjin habe ich bei einem Streit erwürgt, nachdem er herausgefunden hat, dass ich etwas über Chan und Changbin weiß. Felix habe ich auf die Schienen geschubst - an einem Moment, an dem wir alleine an einem Zugbahnhof gewesen sind. Um dreiundzwanzig Uhr. Seungmin habe ich vergiftet. Zur Tode vergiftet. Jeongin hat einen Kopfschuss von mir bekommen nachdem er erfahren hat, dass ich seinen Bewohner Seungmin tödlich vergiftet habe. Dann sind sie alle weg gewesen. Außer Jisung und ich.
Doch dann hat er mich verpetzt. Nachdem er Beweise gefunden hat. Es hat sich rausgestellt, dass ich ein Psychopath bin. Ich habe viel Schlimmes begangen und jetzt lebe ich mit den Konsequenzen: Ich bin jetzt in dieser Zelle. Alles weitere, was für mich in meiner Anwesenheit existiert hat, habe ich verloren. Ich ende als ein alleingelasener Psychopath.
,,Was ist los? Habe ich dir die Zunge weggschlagen?" fragt Jisung amüsiert, welcher einen Schritt zurück geht.
,,Du hast ,Halt die Fresse' gesagt, also habe ich die Fresse gehalten. Wie du es wolltest. Ich würde mich auch umbringen, wenn du mich darum bitten würdest, dass ich mich umbringe." erwähne ich kurz.
,,Du bist krank, Minho. Krank.."
,,Deswegen bin ich doch hier, nicht wahr?" frage ich ebenso ein wenig amüsiert, obwohl ich keinen Grund zum Amüsieren habe. Ich kann kein erfülltes Leben mehr führen.
,,Naja egal.. ich wollte jetzt noch paar wichtge Worte loswerden." entgegnet Jisung, welcher mich erwartungsvoll anschaut.
,,Ich hätte mir wirklich gehofft, dass es mit uns beiden nicht so enden muss. Ich meine... du liebst mich und ich liebe dich. Ich habe mich schon vor Jahren in dich verliebt. Ich habe dich als den liebvollsten und zuverlässigsten Jungen gesehen. Aber naja... man hätte sich denken können, dass die liebevollsten Jungs auch die größten Psychopathen sein können. Ich habe wirklich gehofft, dass alles erstmal falsch ist. Denn ich wollte sehr gerne mit dir zusammen kommen. Mit dir glücklich sein. Meine Gefühle für dich sind von Tag zu Tag immer stärker geworden.
Jetzt hoffe ich einfach, dass meine Gefühle für dich wie ein Blatt im Wind wegfliegen."
Jisungs Worte tuen irgendwie weh. Worte beinflussen mich eigentlich nicht. Die Betonung liegt bei eigentlich. Ich würde am liebsten anfangen zu weinen. Ich bekomme in meinem Herz zu spüren, was ich angerichtet habe. Sieben meiner - unserer - Freunde habe ich umgebracht. Auch davor habe ich vielen Menschen geschadet. Einige von ihnen sind meinetwegen gestorben. Und Jisung hasst mich jetzt wahrscheinlich auch, was logisch absolut Sinn macht. Ich habe auch seine Freunde umbgebracht und ich habe ihm psychisch geschadet. Ich habe ihn mit meiner psychopathischen Persönlichkeit traumatisiert.
Ich hasse mich jetzt dafür. Ich hasse es, dass ich genau jetzt Empathie empfinde. Jetzt ist es zu spät für Empathie.
,,Ich habe Fehler begangen. Ich hatte ein wenig die Befürchtung, dass ich niemals eine Chance bei dir gehabt hätte, wenn du so viel Auswahl hast." merke ich an und klinge dabei vollkommen ehrlich.
,,Hör auf Minho... die anderen haben nicht einmal annähernd Potential für mich gehabt.. du bist die Person, die in meinen Herzen gelebt hat. Eine andere Person kam niemals in Frage für mich. Da ist es wirklich schade, dass es so für uns enden muss."
Plötzlich komme ich auf eine Idee, obwohl ich weiß, dass diese eigentlich von vorne bis hinten wahnsinnig klingt.
,,So bescheuert es auch klingen mag, aber für dich würde ich mich ändern. Mein Leben komplett umstellen und alles dafür tun, um hier raus zu kommen. Nie wieder eine Menschenseele anrühren und alles dafür tun, damit wir vielleicht noch zusammen kommen könnten?" werde ich anschließend los, doch Jisung fängt an zu lachen.
,,Du Spinner. Du denkst echt, dass ich mit dir zusammen kommen wollen würde, nachdem du unsere Freunde umgebracht hast? Vergiss es... so sehr ich dich noch liebe, das tue ich mir nicht an. Erstmal muss ich mich von diesem Trauma erholen. Ob sich danach noch etwas ergeben wird? Killer bleibt Killer." murmelt Jisung vor sich hin und klingt wieder ein wenig ernster.
,,Dann bleibe ich eben ein Killer für dich. Das heißt nicht, dass ich mich nicht ändern kann. Trotzdem akzeptiere ich deine Entscheidung." murmle ich und ich spüre, wie eine warme Träne mein Augenwinkel verlässt. Ich blinzele schnell, da ich meine Hände nicht nutzen kann, um mich vom weinen abzuhalten. Ich wollte keine Träne verlieren, da ich dies gerade nicht gebrauchen kann, aber wer hätte gedacht, dass man ein Stück Emotion in mir findet.
Und wer hätte gedacht; Jisung ist es schnell aufgefallen.
,,Uhm Minho... das sieht gar nicht nach dir aus? Weinst du?"
,,Nein.. wahrscheinlich schält jemand in der Zelle daneben Zwiebeln." von mir, recht sarkastisch. Jetzt habe ich die Kontrolle über meine Tränen komplett verloren. Es fühlt sich an, als würde ich mich wieder zurück in einen Menschen verwandeln.
,,Minho.. es ist normal, Gefühle zu zeigen. Du bist krank und du kannst mit diesen wahrscheinlich nicht sonderlich gut umgehen.." stellt Jisung fest und überlegt ein wenig, ehe er folgendes loswird: ,,Es hätte schlimmer für dich ausgehen können. Du hättest in den Knast kommen können. Lebenslang. Allerdings bist du hier, um dich heilen zu lassen. Ich verstehe das ganze zwar gar nicht... alles ist viel zu schnell für mich gegangen, aber ich glaube daran, dass du eines Tages geheilt wirst. Wie ich bis dahin zu dir stehen werde.. keine Ahnung. Ich könnte niemals vergessen, dass du getan hast! Vergiss deine Taten auch niemals!"
Ich kriege kein Wort aus meinem Mund mehr raus. Alles kommt wieder zurück. Die Erinnerungen an Jisung und mich. An unseren schönsten Momenten. An den besten Tagen. Schade, dass diese Tage jetzt vorbei sind. Ich werde niemals mehr glücklich sein können und das ist meine Schuld. Eine Träne nach der anderen rollt über meine Wange runter. Ich kann nicht mehr. Alles kommt zurück. Gedanken. Gefühle. Emotionen. Als hätte ich niemals verlernt, empathisch zu sein. Als hätte ich schon immer diese menschlichen Eigenschaften in mir gehabt. Was passiert mit mir?
,,Ich.. ich werde sie niemals vergessen. Ich werde niemals vergessen, was für einen scheiß ich abgezogen habe. Dir zu liebe, Sungie.." murmele ich leise schluchzend vor mich hin. Dabei drücke ich mich ein wenig mehr an die Stange. Meine Hände spüre ich gar nicht mehr. Als wären sie durch die Handschellen taub geworden.
,,Ich liebe dich Sungie. Hass mich ruhig. Es ist kein Problem für mich, da dies alles nur meine Schuld ist! Auch wenn du mich niemals mehr haben wollen würdest, will ich, dass du folgendes weißt: Ich liebe dich und das wird sich nicht allzu schnell ändern. Finde es ruhig ekelhaft, dass ein Killer Gefühle für dich hat, doch das kann ich schlecht ändern. Ich liebe dich." werde ich anschließed los, was mich ganz viel Kraft gekostet hat. Wer hätte gedacht, dass sich Gedanken und Gefühle nach langem wieder gut anfühlen. Obwohl sie trotzdem irgendwie falsch sind.
Plötzlich kommt mir Jisung näher und mustert mich ein wenig, bis er irgendwann eine Hand auf meine wange legt, um mir die Tränen wegzuwischen. Er wischt mir alle meine Tränen weg, bis ich keine mehr an meinem Gesicht habe. Es ändet nur nichts daran, dass mein Gesicht weiterhin feucht durch das Augenwasser bleibt.
,,Bitte weine nicht... bei Emotionen eines Killers werde ich noch selber ganz sensbibel.."
,,Sorry.." murmele ich vor mich hin. Ein leises Schniefen kann man aus mir noch entnehmen.
,,Nein.. hör auf dich zu entschuldigen." ruft Jisung dazwischen, ehe er plötzlich seine Lippen auf meine legt. Ich realisiere diesen Moment nicht einmal wirklich. Ich bin wie eingefroren. Erst, als sich Jisung wieder von meinen Lippen löst, realisiere ich, was gerade passiert ist. Han Jisung hat mich geküsst.
Die erste Frage, die mir da in den Sinn kommt: Wofür war das?
,,Sorry Minnie.. ich... wenn ich mich von dir verabschiede, dann richtig. Ich liebe dich auch, allerdings kann ich dies nicht mir dir. Ich weiß nicht... mein Herz sagt mir, dass es gerne bei dir sein will. Mit dir glücklich sein will. Mein Kopf schreit mir allerdings, dass es mich selber zum Psychopathen macht, wenn ich mit dir in eine Beziehung eingehen würde." erklärt Jisung und wirkt dabei ein wenig unsicher, was ich in diesem Fall irgendwie verstehen kann. Empathie.
,,Ich.. also.." murmele ich vor mich hin, doch Jisung unterbricht mich schnell:
,,Ich verstehe.. ich verwirre dich ein wenig zu sehr. Also... ob man sich noch ein weiteres Mal sieht? Vielleicht.. ich kann nichts versprechen. Nun denn.. ich muss jetzt los. Ich muss gleich zurück in meine Praxis, bevor wir noch ziemlich großen Ärger bekommen. Ich glaube, ich muss mich sammeln.
Ich liebe dich auch, Minnie.."
Ich schlucke und äußere nichts weiter. Es scheint mir so, als würde Jisung noch etwas aus sich rausbekommen wollen, also schweige ich.
Der schwarzhaarige Junge öffnet seinen Mund und geht ein paar Schritte wieder zurück.
,,Okay.. allein, dass ich so offen mit den Gefühlen für dich umgehe.. und dich geküsst habe... das macht mich selber zum Psychopathen. Naja... ob wir uns jemals noch einmal sehen oder nicht. Bis dann oder Lebewohl.. Minnie.."
,,Tschüss Jisung... pass auf dich auf.." murmele ich eher vor mich hin. Eine Weile halten wir noch unseren Blickkontakt, ehe Jisung sich endgültig umdreht und er diese Zelle verlässt. Abgeschlossen werden meine Türen. Erneut isoliert von den anderen und so geht der Spaß von vorne los.
Auch wenn der Anlass für das Gespräch nicht der Schönste war, habe ich realisiert, wie sehr ich es vermisst habe, mit jemandem zu reden. Vor allem über Gefühle. Es hat sich so menschlich angefühlt. Gefühle sind menschlich.
Da fühle ich mich umso weniger wie ein Psychopath. Meine Gefühle sind menschlich gewesen. Schon immer. Nur meine Taten entsprechen nicht den Normen. Und jetzt zahle ich dafür. An diesem Moment wünsche ich mir sehr, dass ich das alles nicht begangen hätte, obwohl dies mein kranker Kopf wollend zugelassen hat.
Meine Augen fallen zu. Aus Hoffnung, dass ich nur träume. Einen Alptraum, in dem in einer weißen Zelle feststecke, aus welcher ich garantiert nicht mehr lebend herauskomme. Entweder reiße ich mich zusamen oder ich gehe hier unter. Jisung hat mir gedeutet, dass ich eventuell eine Chance bei ihm hätte, wenn ich mich ändere. Aber so krank kann er auch nicht sein, dass er trotzdem mit mir auf eine Beziehung eingehen würde.
Meine Augen sind wie zugeriegelt. Die Dunkelheit ist eine Abwechslung zu der weißen Hölle. Eine Qual, täglich denselben Kontrast zu sehen. Oh Jisung. Und das nur, weil meine Besessenheit für diesen Jungen meinen Verstand übernommen hat. Und das nur, weil mein Kindheitstrauma meine Psyche vollkommen umgestellt hat. Als würde mein Hirn einfach nicht mehr richtig funktionieren.
Oh Jisung. So krank ich sein mag - das letzte Stück Hoffnung wartet darauf, dass du zurückkehst, damit du mir eine Chance gibst. Und das glaube ich noch, obwohl ich fest der Überzeugung bin, dass ich ihn so gut wie verloren habe. Solange ich von ihm und seiner Nähe besessen bin, werde ich hier auf ihn warten. Weiterhin Schlafen, Essen, Duschen, aufs Klo gehen. Ich mache weiter
und warte darauf, dass er mich wieder besuchen kommt. Mein kleiner Han Jisung.
Ende
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