. ⋅ ˚̣- : ✧ : - ⭒Kapitel 40 ⭒ - : ✧ : -˚̣⋅ .
◇ ─ ◇ ── ◇ ── 40 ── ◇ ── ◇ ─ ◇
. ⋅ ˚̣- : ✧ : - ⭒✦⭒ - : ✧ : -˚̣⋅ .
Yoongi ist froh, dass seine Nachbarin und Hoseok jeden Tag vorbeikommen, um die Wohnung wieder aufzuräumen und um ihm wieder auf die Beine zu helfen. Sie kümmern sich auch um Mochi und zumindest ihr geht es langsam besser. Er hätte es nie für möglich gehalten, aber selbst sie trauert um Jimins Verlust. Tagelang hat sie sich, ähnlich wie Yoongi, verschanzt, hat nichts essen wollen und nur darauf gewartet, dass der Schmerz endlich nachlässt.
Besonders über Hoseoks Besuch freut sie sich jedes Mal. Er tut ihr gut. So gut, dass sie sich letzte Nacht sogar ein Herz gefasst hat und zu Yoongi auf die Couch gekrabbelt ist, um ihn zu trösten.
Ebenso achten sie darauf, dass Yoongi etwas isst. Aber meistens erbricht er das Essen wieder, sobald sie die Wohnung verlassen haben. Sein Magen scheint sich nur sehr langsam wieder an feste Nahrung gewöhnen zu können, rebelliert jedoch jeden Tag ein bisschen weniger. Sein Alkoholkonsum ist rückläufig geworden. Auch den Tabletten hat er endgültig abgeschworen, das allerdings eher aus Schuldgefühlen Jimin gegenüber und nicht für einen weniger schädlichen Genussmittelkonsum. Nur Duschen war er noch nicht, denn sobald er an dem Bad auch nur vorbeigeht, dreht sich ihm der Magen um und sein ganzer Körper schüttelt sich vor Panik.
Irgendwann ist er soweit, dass er es in der erinnerungsgefluteten Wohnung nicht mehr aushält. Die Wände scheinen mit jedem Tag etwas näher zu kommen und deswegen flüchtet er, zumal er zur Zeit nicht mal zum Arbeiten das Haus verlassen muss. Der Chef hat natürlich von seinen Aktionen mitbekommen und daraufhin wurde er gefeuert. An diesem Punkt sollte er sich wohl um einen neuen Job kümmern. Aber noch sieht er keinen Grund, etwas an diesem Umstand etwas zu ändern.
Alles scheint sinnlos.
Yoongi ist viel zu sehr in seiner Trauer gefangen, als dass ihn sowas interessieren würde. Dass er trotzdem jeden Tag aufsteht, ist ihm selbst ein Rätsel. Vielleicht, weil er sich Mochi gegenüber verantwortlich fühlt. Vielleicht auch, weil er Hoseok nicht noch mehr Sorgen bereiten möchte.
Kraftlos greift Yoongi nach den Zigaretten und verlässt die Wohnung. Der kalte Wind bläst ihm ins Gesicht und als er an sich herunter sieht, stellt er fest, dass er seine Jacke vergessen hat. Der September neigt sich dem Ende zu. Es ist viel zu kalt, um ohne Jacke raus zu gehen. Eigentlich. Denn wenn er ehrlich ist, glaubt er nicht, dass die Jacke ihm jetzt noch weiterhilft. Er friert, aber nicht wegen dem Wetter. Seit Jimin fort ist, ist es immer dunkel und kalt.
Ist es das, was Jimin damals gefühlt hat, als er vor dem Kaleidoskop stand?
Fühlt es sich so an, wenn es keinen Ort mehr gibt, an dem es hell und warm genug ist?
Yoongis Füße tragen ihn ohne sein bewusstes Zutun zum Shadow. Aber das ist nicht sein Ziel. Er geht noch einige Meter weiter und bleibt vor dem blauen Schild stehen.
"Wenn du in das Kaleidoskop blickst, öffnet sich das Tor zu neuen Welten."
Es hat sich also nicht verändert. Manche Dinge bleiben wohl für die Ewigkeit. Er steht rauchend vor dem Laden und mustert den Slogan des Buchladens, so wie er es schon seit Jahren tut.
Yoongi geht ein paar Schritte zurück, als sein Herz sich schmerzhaft zusammenzieht. Er will nicht mehr daran erinnert werden, wie er Jimin hier das allererste Mal begegnet ist. Es tut zu sehr weh. Also rennt er los. Blind. Und lediglich von seiner Hilflosigkeit getrieben.
Als er das nächste Mal aufsieht, steht er plötzlich vor einer Kreuzung. Er hebt seinen Blick und erkennt, wie die Fußgängerampel auf grün schaltet. Die Menschen um ihn herum setzen sich in Bewegung. Yoongi bleibt inmitten der Strömung stehen. Wird angerempelt, verliert fast das Gleichgewicht und schafft es am Ende nur mit Mühe, stehen zu bleiben. Die Ampel schaltet auf rot. Er mag kein rotes Licht. Und blaues ebenso wenig. Grünes Licht ist okay und deswegen starrt er die Ampel an, in der Hoffnung, dass das rot schnell wieder verschwindet. Alles was er sonst noch wahrnimmt, sind die röhrenden Motoren der Autos, die an ihm vorbeirauschen. Er schafft es nicht, den Blick von der Ampel abzuwenden und verläuft sich in seinen Gedanken.
Warum immer rot? Weil er die Warnung noch nicht verstanden hat?
Jimin wollte über die rote Ampel gehen.
Das Blut seiner Mutter, das an seinen Händen geklebt hat, war ebenfalls rot.
Und seine Wohnung war rot beleuchtet, als sie Jimin abgeholt haben.
Vielleicht waren das alles Zeichen? Vielleicht sollte es ihm schon die ganze Zeit sagen, dass es an der Zeit ist, dass er diese Welt endlich verlassen soll. Vielleicht wird es an der Zeit, das Tor zu neuen Welten zu öffnen, so wie das Kaleidoskop ihm schon vor Jahren suggerieren wollte. Eine Welt, in der kein Schmerz mehr existiert. In der er niemals wieder von etwas Abschied nehmen muss, weil er selbst zum Abschied wird.
Und ganz ehrlich? Was soll er auch noch in dieser Welt? Es gibt nichts, das ihn noch hier hält. Bis auf Hoseok und Mochi sind alle fort. Tot. Weil Abschied die einzige Konstante in seinem Leben ist.
Erst denkt er, dass er Hoseok und Mochi nicht zurücklassen kann. Dann aber wird es ihm schlagartig bewusst. Sie wollte eh niemals bei Yoongi sein, sondern immer nur bei Jimin. Sie würde bei ihm eh niemals glücklich werden. Dafür scheint sie in Hoseok einen neuen Seelenretter gefunden zu haben. Vielleicht geht sie sowieso irgendwann freiwillig mit ihm mit, weil sie niemals wirklich mit Yoongi mitgehen wollte, sondern nur deswegen gefolgt ist, um zu Jimin zu gelangen. Bald wird sie ihn verlassen, genauso wie alle anderen ihn verlassen haben.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis alles endet. Warum also noch warten?
Schwerfällig rafft sich Yoongi wieder auf. Es ist immer noch rot. Oder vielleicht auch schon wieder, er weiß es nicht. Die Menschen um ihn herum sind zu einer grauen Masse verschmolzen. Nur das rote Licht der Ampel sticht hervor. Eigentlich ist es egal. Ob er jetzt geht. Oder in zwei Jahren. Oder in zwanzig. Im selben Moment, in dem Jimin von ihm gegangen ist, ist auch er gestorben. Und was soll ein lebloser Körper noch auf dieser Welt?
Yoongi lächelt. Wie beruhigend wäre es, auf die Art zu sterben, auf die Jimin ursprünglich von dieser Welt gehen wollte? Yoongi weiß, dass es jetzt an der Zeit ist, durch das Tor zu gehen. Er wird das vollenden, was Jimin damals nicht vollenden konnte. Es wird der perfekte Abschluss sein. Ein perfekter Kreislauf. Und deswegen ist es ihm auch egal, dass ihn jemand am Arm zieht, als er noch einen Schritt auf die Kreuzung zugeht. Auch die laute Stimme neben ihm ist ihm egal. Er geht noch einen weiteren Schritt nach vorne. Und noch einen.
Ein leichtes Gefühl, das der Schwerelosigkeit sehr nah kommt, erfüllt ihn. Deswegen kann ihn auch das laute Hupen nicht erschrecken, als er stehen bleibt. Auch den darauffolgenden Aufprall empfängt er, wie eine liebevolle Umarmung.
"SCHEIßE VERDAMMT! BIST DU JETZT TOTAL WAHNSINNIG GEWORDEN, YOONG!?"
Bei der Erwähnung seines Namens dreht er den Kopf zur Seite und erkennt, wie Hoseok neben ihm liegt. Seine Atmung geht gehetzt, aber Yoongi begreift nicht, was passiert ist. Sollte er nicht tot sein? Er wollte doch sterben. Er wollte an denselben Ort, an dem Jimin jetzt ist. Er wartet sicher, dass er ihm endlich folgt. Und was soll er noch länger hier bleiben? Die Welt ist kalt und dunkel. Er will hier nicht sein! Er will in diese verfluchte andere Welt! Zu Jimin...
"LASS MICH!", brüllt er Hoseok entgegen und rappelt sich auf, um wieder zur Straße zu rennen. Aber sein Freund hält ihn fest, zieht ihn wieder zu Boden und schreit ihn an. Yoongi wehrt sich, indem er um sich schlägt.
"Sag mal, geht's noch!?", zischt Hoseok ihn scharf an, während er ihn auf dem Beton festpinnt.
Plötzlich wird es ganz still. Yoongi kann seinen eigenen Herzschlag hören und traut sich nicht mehr, sich zu bewegen. Er kennt die Worte. Es sind dieselben, die er damals zu Jimin gesagt hat. Er hat daraufhin angefangen zu weinen. Das war das erste Mal, das Yoongi in den Augen des anderen ertrunken ist. Auch in seinen Augen sammeln sich nun Tränen. Warum?, schreien sie, während sie über seine Wangen brennende Bahnen ziehen. Warum ausgerechnet er?
"Yoongi, ich glaube, du brauchst Hilfe", sagt Hoseok. Nicht bösartig. Eher fürsorglich. Hilflos. Und ja, vielleicht hat er Recht. Er kann nicht mehr. Er will nicht mehr.
. ⋅ ˚̣- : ✧ : - ⭒✦⭒ - : ✧ : -˚̣⋅ .
Es ist längst dunkel und doch bleibt Yoongi weiterhin auf der Couch liegen. Er hat versucht ins Bett zu gehen, aber keine zwei Minuten später ist er durchgedreht. Das BEtt fühlt sich schrecklich leer an. Die Sehnsucht nach Jimin ist dort noch viel stärker, als an jedem anderen Ort in der Wohnung. Deswegen entscheidet er sich doch wieder dafür, auf der Couch zu schlafen.
Nur, dass er mal wieder nicht schläft. Wie auch? Seine Gedanken drehen sich unaufhaltsam weiter. Was soll er jetzt tun? Will er noch weiter leben? Oder entscheidet er sich am Ende doch dafür, Mochi zu Hoseok zu geben und dann diese stinkende, grausame Welt zu verlassen?
Hoseok ist schon vor einer Weile gegangen. Er meinte, dass er morgen wieder Frühschicht im Shadow hat.
Ob sie schon jemand Neuen als Ersatz für Yoongi angestellt haben? Oder hängt an den Schaufenstern des Shadows schon wieder ein neuer Aushang, dass sie einen freien Job besetzen wollen, so wie Yoongi ihn damals gesehen hat?
In seiner Vorstellung erscheint das Bild eines Mannes, der vor dem Kaleidoskop steht und nur durch Zufall beim Vorbeigehen die Stellenuschreibung des Shadow entdeckt. Vielleicht geht er daraufhin auch in den Laden, trifft auf Hoseok und fragt ihn, ob er hier anfangen kann. Daraufhin sagt Hoseok, dass er selbst dort nur angestellt ist, gerne aber mal den Chef ansprechen kann. Dass er ein gutes Wort einlegen kann, weil er sich gut mit ihm versteht und zu einem der zuverlässigsten Mitarbeitern zählt. Und dann fragt sich Yoongi, ob dieser Mann irgendwann nach Feierabend auch auf jemanden treffen wird, der vor dem geschlossenen Buchladen steht. Oder ist die Geschichte von Jimin und ihm zu traurig, als das sie sich wiederholen könnte?
Sollte sich ihre Geschichte wiederholen, so hofft er für die anderen beiden, dass ihnen ein glücklicheres Ende vergönnt ist.
Yoongi wird aus seinen Gedanken gerissen, als ihn etwas an der Hand anstupst. Verwundert schaut er runter und sieht, dass Mochi sich zu ihm legen will, aber noch nicht ganz zufrieden ist, wie Yoongi liegt. Das hat sie immer schon gemacht. Jimin war dann jedes Mal so gut und hat sich auf den Rücken gelegt, damit sie genug Platz hat, um sich auf seine Brust zu legen. Irgendwie mag Mochi das anscheinend besonders. Vielleicht, weil sie dadurch Jimins großem Herzen ganz nah war?
Wieder ein Stupsen. Mochi sieht ihn auffordernd an.
"Ich bin nicht Jimin", antwortet Yoongi nur leise, weil er nicht glaubt, dass sie dasselbe gute Gefühl haben wird, wenn sie auf seiner Brust liegt.
Sie miaut. Stupst ihn nochmal an und klettert umständlich auf seinen Schoß.
"Du weißt schon, dass du gleich bitterlich enttäuscht sein wirst, weil ich weder Jimin noch Hoseok bin", fügt er hinzu, ehe er sich nach hinten legt und einmal locker auf seine Brust klopft. Mochi sieht zufrieden aus, fängt direkt an zu schnurren und dreht sich ein paar Mal, bevor sie sich auf seine Brust legt. Zögerlich streichelt er ihr über Kopf und Rücken. Er spürt, wie sich ihre Krallen ein seinen Pulli graben, aber er lässt sie. Sie scheint, entgegen seiner Erwartung, ganz zufrieden zu sein.
"Du vermisst ihn auch, oder?", fragt er nach einiger Zeit. Sie hebt ihren Kopf und öffnet das erste Mal seit langem wieder ihre Augen. Ihre Blicke treffen sich und warum auch immer jagt es Yoongi einen Schauer über den Rücken.
"Ich auch", antwortet er ihr. Gleichzeitig spürt, er, wie sich ein dicker Kloß in seinem Hals bildet. Mochi rafft sich auf, leckt ihm fürsorglich über die Hand und schnurrt weiter.
"Du könntest auch zu Hoseok gehen", schlägt er vor. Sie schaut ihn kurz an, wendet sich dann aber wieder ab. Was hat er auch erwartet? Sie wird sich schlecht ihr Katzenkörbchen schnappen und sagen, dass das eine tolle Idee ist.
"Oder... willst du bleiben?", fragt er schließlich, als sie sich wieder zu einer schlafenden Kugel zusammengerollt hat.
"Weißt du... ich würd mich freuen, wenn du bleibst. So ist es nicht. Ich... wollte dich nie verlieren. Auch wenn ich es am Anfang nicht so gezeigt habe."
Warum Yoongi ihr auf einmal so ausführlich seine Gedanken mitteilt? Wer weiß. Es könnte daran liegen, dass er es einfach braucht. Dass er seine Gedanken viel zu lange zurückgehalten hat und jetzt froh ist, sie mit jemanden teilen zu können.
"Erinnerst du dich? Jimin war damals ganz entsetzt, weil ich dir nie einen Namen gegeben habe. Ich hab das gar nicht böse gemeint und erst viel später begriffen, warum ich es nicht getan hab. Du... warst mir direkt sehr wichtig. Aber ich hab immer versucht, dich nicht zu sehr in mein Herz zu schließen, weil es bedeutet, dass ich irgendwann sehr leide, wenn du mich verlässt. Aber... ich bin froh, dass Jimin da anders ist... war..."
Yoongi schnauft sich selbst belächelnd.
"Keine Ahnung, warum ich dir das alles erzähle... vielleicht hoffe ich einfach, dass du es irgendwie verstehst. Obwohl du nur eine Katze bist. Was ich aber eigentlich sagen will..."
Ein Schlucken. Der Kloß in seinem Hals schwillt immer mehr an.
"Bitte bleib bei mir, ja?"
Tränen brechen aus ihm heraus und lässt seinen Körper beben. Mochi bekommt das mit, sieht sich verwundert um und scheint dann zu begreifen, dass Yoongi leidet. Sie krabbelt nach oben, versteckt ihr Köpfchen in seiner Halsbeuge und schnurrt konstant weiter. Im selben Moment kann Yoongi nichts mehr zurückhalten und lässt den Tränen freien Lauf.
. ⋅ ˚̣- : ✧ : - ⭒✦⭒ - : ✧ : -˚̣⋅ .
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top