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Es war nicht das letzte Mal, dass Jimin Yoongi so überfallen hat. Die Tage darauf hat er keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen, um Yoongi deutlich zu machen, wie sehr er ihn will. Und weil Yoongi auch nur ein Mann ist, hat er sich nicht dagegen wehren können, auch wenn die Stimme in seinem Kopf immer lauter schreit, dass etwas nicht stimmt.
Als der September sich dem Ende zuneigt und den langsam einsetzenden Herbst einläutet, ist Jimin so weit, dass er Yoongi dafür sogar auf der Arbeit besucht. Es ist seine Spätschichtwoche und leider weiß Jimin, dass sich kurz vor Ladenschluss kaum noch ein Kunde ins Shadow verirrt. "Keiner wird etwas davon mitkriegen", waren Jimins Worte. Yoongi wollte es nicht. Dass sie trotzdem irgendwann in dem Lagerraum verschwunden sind, liegt nur an Jimins überwältigender Anziehungskraft, die er auf den Älteren ausübt. Die nächsten Tage kann Yoongi weder Hoseok, noch einem seiner anderen Kollegen in die Augen schauen. Das Lager hat er seitdem so gut es geht gemieden, weil die Erinnerungen an jenen Abend dafür sorgt, dass seine Wangen vor Scham kribbeln.
Zum Glück hat Jimin mittlerweile eingesehen, dass der Arbeitsplatz nicht der beste Ort ist, um miteinander intim zu werden.
Dafür ist es fast zur Normalität geworden, dass sie sich nach Feierabend zur Begrüßung ins Schlafzimmer zurückziehen und erst wieder rauskommen, wenn es eigentlich schon Schlafenszeit ist.
Auf der einen Seite ist Yoongi froh, weil der andere selten so unbeschwert wirkt. Auf der anderen Seite wird die warnende Stimme in seinem Kopf mit jedem Tag lauter. Bislang hat er ihr nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt, aber heute poltert sie so laut in seinem Kopf herum, dass er sie nicht mehr ignorieren kann. Jimin liegt auch jetzt wieder nackt neben ihm, ist aber schon lange vor Erschöpfung eingeschlafen. Sonst tut er es ihm gleich, nur heute will es nicht funktionieren. Und er weiß nicht, warum.
Vielleicht, weil übermorgen schon Jimins Geburtstag ist. Die meisten Dinge hat er schon vorbereitet, hat sogar Eintrittskarten für Lotte World organisiert. Trotzdem hat er das Gefühl, irgendwie unvorbereitet zu sein. Kann sein, dass es mit Jimins Wunsch zusammenhängt. Yoongi ist immer noch nicht schwindelfrei und allein bei dem Gedanken, nochmal in ein Riesenrad zu steigen, dreht sich ihm der Magen um. Aber noch viel schlimmer ist die Vorstellung, in einer dieser wackeligen Gondeln Sex zu haben. Wie er Jimin davon abhalten soll, bereitet ihm ein bisschen Sorge, denn bislang hat er ihm nie widerstehen könnten.
Allerdings bezweifelt er stark, dass seine Unruhe ausschließlich dadurch ausgelöst wird.
Sein Blick schweift über den nackten Männerkörper neben sich. Wenn Yoongi nicht alles täuscht, hat er nochmal abgenommen. Dabei wundert es ihn. Jimin hat einen guten Appetit im Moment, was nicht zuletzt wohl an der vielen körperlichen Betätigung liegt. Dass er trotzdem immer dünner wird, bereitet ihm ernsthaft Sorgen.
Jimin sieht generell schlecht aus. Seine Haut, sonst so samtig zart wie menschliche Haut nur sein kann, wirkt matt und fahl. Die Ränder unter seinen Augen wachsen stetig an, obwohl er nicht mehr jede Nacht von Albträumen heimgesucht wird. Eigentlich müsste er besser aussehen, oder nicht?
Obwohl Yoongi glaubt, keinen einzigen Muskel mehr anspannen zu können, robbt er aus dem Bett. Er weiß aus der Erfahrung, dass es sinnlos ist, liegen zu bleiben, wenn sein Gedankenkarussell einmal angefangen hat sich zu drehen. Außerdem hat Mochi sich angewöhnt, sobald die für sie verstörenden Geräusche im Schlafzimmer abklingen, zu Jimins ins Bett zu krabbeln und neben ihm zu schlafen. Selbst wenn er wach werden sollte, wäre er nicht allein und dadurch gibt es auch keinen Grund für Yoongi noch länger liegen zu bleiben.
Einen kurzen, skeptischen Blick bekommt er von Mochi dennoch zugeworfen, als er seine Klamotten einsammelt und überzieht. Jimin kriegt das nicht mit, sondern schläft seelenruhig weiter.
Aus Verzweiflung angetrieben beschließt er, nochmal alles durchzugehen, damit übermorgen alles glatt läuft. Um einen Kuchen braucht er sich glücklicherweise nicht mehr zu kümmern. Eigentlich hatte er ihre Nachbarin nur fragen wollen, ob sie irgendwelche Tipps hat, weil der vierte Backversuch genauso kläglich gescheitert ist, wie die drei anderen Male zuvor. Yoongi kann nicht backen und er wird es niemals können. Das hat er eingesehen und die Nachbarin hat daraufhin großzügigerweise beschlossen, dass sie sich darum kümmern wird. Dadurch hat es sich irgendwie ergeben, dass Yoongi sie auch zur Feier eingeladen hat. Jimin weiß davon noch nichts. Genauso wie er von Hoseok noch nichts weiß. Yoongi wollte ihm eine schöne Feier ermöglichen und natürlich benötigt es dafür Gäste. Kurz hatte er sogar überlegt, ob er Jimins Eltern auch einladen sollen, hat sich im Endeffekt aber dagegen entschieden, weil das Verhältnis eher noch schlechter als besser geworden ist.
Unruhig streift Yoongi durch die Wohnung und geht gedanklich alles durch, was er noch vorbereiten muss. Um Geschenke, Kuchen, Essen, Getränke und Gäste hat er sich gekümmert. Hoseok hat sich sogar angeboten, Jimin mit einem Vorwand so lange abzulenken, bis die Nachbarin und Yoongi die Wohnung geschmückt und das Essen vorbereitet haben. Er hat an alles gedacht, oder?
Nachdenklich betritt Yoongi den kleinen Balkon. Es ist mittlerweile ziemlich kalt nachts, aber das stört ihn nicht. Er raucht zwei Zigaretten nacheinander weg und geht erst wieder rein, als er sich ruhig genug fühlt, um schlafen zu können.
Jimin wird kurz von den eiskalten Händen wach, als Yoongi zurück ins Bett schleicht und er ihn sanft umarmt. Er sieht total verschlafen aus und keine zwei Sekunden später fallen ihm die Augen kommentarlos wieder zu. Yoongi lächelt. Vielleicht macht er sich wieder völlig umsonst Sorgen.
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Als der große Tag endlich gekommen ist, läuft alles wie geplant. Der Kuchen ist bombastisch geworden und insgeheim ist er froh, dass jemand anderes das Backen übernommen hat. Er selbst hätte das niemals so hinbekommen. Von der Decke baumeln mehr oder weniger schöne Girlanden, Luftschlangen und Luftballons. Genauso wie es zu einer richtigen Geburtstagsparty eben aussehen sollte.
Auch die Geschenke kommen gut an. Die Nachbarin schenkt Jimin zu dem Kuchen auch noch ein paar Blumen, Schokolade und eine Flasche Soju. Sie meint zwar selbst, dass es vielleicht nicht das richtige für einen nun Zwanzigjährigen ist, aber Jimin freut sich so darüber, dass er vor Dankbarkeit Tränen in den Augen hat. Hoseoks Geschenk macht das nicht besser. Für Mochi bringt er ein kleines Katzenkörbchen mit und dem Geburtstagskind überreicht er stolz die überteuerte Jacke aus dem Shadow, von der Jimin mal mit großen, funkelnden Augen geschwärmt hat.
Bei Yoongis Geschenk, zwei Eintrittskarten für Lotte World, ist es dann endgültig um Jimins Selbstbeherrschung geschehen. Er weint so heftig, dass Yoongi schon Angst hat, er würde sich den ganzen Tag nicht mehr davon beruhigen. Zum Glück wird es nach dem ausgiebigen Essen besser. Jimin bringt das strahlendste Lächeln zum Vorschein, dass Yoongi jemals sehen durfte.
"Das ist der beste Geburtstag meines Lebens!", beteuert Jimin mehrfach und keiner der Anwesenden zweifelt auch nur eine Sekunde an dem Wahrheitsgehalt seiner Aussage. Nicht bei diesen funkelnden Augen.
Am späten Abend, als alle gemeinsam auf der Couch, beziehungsweise dem Boden, sitzen, ist die Stimmung ausgelassen. Hoseok und Jimin kugeln sich wie kleine Kinder abwechselnd vor Lachen auf dem Boden, während die Nachbarin zusammen mit Yoongi auf der Couch eher die ruhigen Erwachsenen mimen. Und sogar Mochi hat ihre Scheu überwunden und gesellt sich zu der Party, als würde sie Jimin damit absichtlich eine Freude machen wollen.
Es ist schon kurz nach Mitternacht, als die Nachbarin sich verabschiedet und den restlichen drei Männern noch einen schönen Abend wünscht. Ruhe kehrt dadurch allerdings nicht ein.
"Ayooo, Jimschinie, bringste mia noch ein Pier mit?", lallt Hoseok vergnügt. Dass er keinen Alkohol verträgt und längst aufhören sollte, ignorieren alle drei gleichermaßen.
"Is leeeer. Aber wir ham noch den Soju un noch son andres Zeuch", antwortet Jimin ebenso lallend aus der Küche. Yoongi fragt sich, wann die ersten Nachbarn sich über den Lärm beschweren und dreht die Musik etwas leiser, damit Jimin und Hoseok nicht mehr ganz so laut herumbrüllen. Erfolglos wohlgemerkt.
"Yoooooo, bing ma das andre mit."
Das "Zeuch", wie Jimin es genannt hat, ist hochprozentiger Schnaps. Trotzdem kippen die beiden es runter, als wäre es Zitronenlimo. Besonders gut findet Yoongi das nicht, will Jimin seinen Geburtstag aber nicht vermiesen und nimmt es zunächst noch kommentarlos hin. Trotzdem steigt er auf Wasser um, damit wenigstens einer noch klar genug ist, den Notarzt zu rufen, falls was passieren sollte.
"Alscho, Yooooon. Stimmt das? Ihr hattet ech SEX im Lad'n?", lallt Hoseok fragend an Yoongi gewandt. Zumindest glaubt dieser, dass er mit ihm redet. So genau weiß er das nicht, weil der Blick seines besten Freundes keinen festen Punkt mehr fixieren kann.
"Super. Jimin hat also geplaudert ja?", murmelt Yoongi etwas verdrießlich. Es hätte ihm klar sein sollen, trotzdem wurmt es ihn, dass sein Arbeitskollege jetzt davon weiß. Noch mehr vermiest ihm aber der stetig wachsende Pegel der beiden seine Laune. Langsam sollten sie ein Ende finden, auch wenn Yoongi ungerne so streng sein möchte. Nicht heute. Nicht an Jimins Geburtstag, wenn er so ausgelassen wirkt.
"ALDDAAAA, wie kraaaaass." Mehr sagt Hoseok nicht, weil er sich erstmal lachend auf dem Boden rollen muss. Er kriegt sich nur schwer wieder ein, meint unter Lachen aber trotzdem noch was dazu sagen zu müssen. "Du hascht ech Chimininie im Laden gefickt...!"
"Ich glaub, ihr habt jetzt genug getrunken", sagt Yoongi schließlich doch streng, als er sieht, dass Hoseok es nichtmal mehr problemlos schafft, sich aufrecht hinzusetzen. Irgendwann ist es eben doch genug. Darum steht er auf und nimmt Hoseok die Flasche aus der Hand, bevor er wieder ansetzen kann und ignoriert den Protest. "Apropos. Wo bleibt Jimin eigentlich?"
"Häää? Der wollt Luluuu machn", bemerkt Hoseok wenig geistreich, während er seinen Versuch, sich hinzusetzen, endgültig aufgibt und sich auf dem Boden zusammengerollt. Yoongi beäugt das skeptisch, dreht sich dann jedoch weg und sieht sich suchend nach seinem Freund um. Jimin ist immer noch nicht wieder da.
Also geht er samt Flasche in die Küche, kippt den restlichen Schnaps in den Abfluss und sucht weiter. Da Jimin in keinem der Räume ist, vermutet er, dass er vor lauter Alkohol im Bad eingepennt ist. Bei dem Pegel, den die beiden erreicht haben, würde es ihn nicht wundern.
"Jiminie!", ruft er, während er kräftig an die Badezimmertür klopft. Keine Reaktion. Er drückt die Klinke nach unten, stellt verwundert fest, dass er die Tür nicht mal mehr abgeschlossen hat und öffnet sie sogleich. Sofort schlägt ihm ein widerlich säuerlich Geruch entgegen und kurz kneift er die Augen angeekelt zusammen. Was er dann aber sieht, bricht ihm beinahe das Herz. Jimin hängt über der Kloschüssel und den erschöpften Schluchzern zufolge, ist er schon vor einer ganzen Weile heulend vor der Toilette zusammengebrochen.
Yoongi schafft es, den Ekel zu überwinden und kniet sich neben Jimin, um ihn in die Arme zu ziehen. "Alles okay? Geht's wieder?", fragt er besorgt, woraufhin Jimin nur zaghaft nickt.
"War ein bisschen zu viel, hm?", versucht er Jimin aufzubauen. "Ich hab Hoseok auch schon gesagt, dass jetzt Feierabend ist. Ihr gehört beide ins Bett. Mach dich ein bisschen frisch und dann geh schlafen."
Wieder ein Nicken. Jimin rafft sich auf, verzieht angewidert das Gesicht und taumelt zum Waschbecken. Yoongi wischt derweil alles auf, was daneben ging, innerlich froh darüber, noch nüchtern genug dafür zu sein.
"Kommst du klar?", fragt Yoongi, als er auf dem Weg ist, das Bad zu verlassen. Jimin nickt ein weiteres Mal, aber kaum ist Yoongi zurück im Wohnzimmer, hört er dumpf schon wieder das Würgegeräusch aus dem Bad. Kurz wägt er ab, ob er sich erst um Jimin oder Hoseok kümmern soll, entscheidet sich aber für letzteren. Er kann Hoseok so nicht alleine nach Hause schicken, also wird er die Couch für ihn vorbereiten müssen. Um Jimin will er sich danach in Ruhe kümmern. Beiläufig teilt er seinem besten Freund mit, dass er auf der Couch schlafen darf, sofern er nicht auch vorhat, alles vollzukotzen. Wirklich reagieren tut er aber nicht. Yoongi seufzt. Er hätte die beiden vielleicht doch besser früher den Alkohol wegnehmen sollen.
Im Schlafzimmer angekommen, kramt er im Kleiderschrank nach einem frischen Bettlaken. Sie liegen ganz unten, was Yoongi gerade nicht besonders gutheißt. Er spürt seit Stunden die aufkommende Müdigkeit und sich um zwei Schnapsleichen zu kümmern macht es nicht besser. Jede Bewegung ist anstrengend und kostet unheimlich viel Kraft, aber schließlich kriegt er das hellblaue Laken zu fassen. Er zieht es hervor, richtet sich stöhnend dabei wieder auf und erschreckt, als dabei etwas zu Boden fällt.
Eigentlich will er es ignorieren, aber irgendwas hält ihn davon ab. Die auffällig rote Farbe vielleicht. Oder der Fakt, dass es kein Kissen oder ähnliches ist. Er schmeißt das Laken achtlos aufs Bett, bückt sich nach unten und findet heraus, dass es sich dabei um eine die alte Blechdose mit Nähgarn handelt. Er kann sich nicht daran erinnern, sie da rein gelegt zu haben und überlegt, ob er sie irgendwann neu befüllt hat. Weil aber auch da nichts bei ihm klingelt, hebt er kurzerhand neugierig den Deckel ab.
Nähgarn findet er darin jedoch nicht vor. Und ganz sicher ist es nichts, was er da reingelegt hat. Es sind teilweise volle, teilweise angebrochene Verpackungen von Medikamenten. Einige leere Blister liegen dazwischen. Yoongi beäugt sie skeptisch, als ihm eine Verpackung sofort ins Auge sticht, weil er sie ihm bekannt vorkommt. Lorazepam. Das ist dasselbe Mittel, was er immer für seine Mutter holen musste, wenn sie so unruhig war, das sie außer diesem Medikament nichts mehr ruhig gekriegt hat. Er wusste nicht, dass sie sich überhaupt noch im Haus befinden und versucht sich zu erinnern.
Hatte Jimin ihm nicht erzählt, dass er sie alle entsorgt hat?
Yoongi setzt sich mit der Blechdose aufs Bett und holt ein Päckchen nach dem anderen heraus. Neben dem starken Beruhigungsmittel findet er auch noch einige starke Schmerzmittel, übriggebliebene Psychopharmaka seiner Mutter, Schlaftabletten und ihm unbekannte Mittel. Aber warum sind die da?
Eine ganze Weile sitzt Yoongi regungslos auf der Bettkante, bis es endlich klick macht. Jimin meinte, dass er sie entsorgt hat - aber das hat er augenscheinlich nicht. Er hat neuerdings darauf bestanden, dass er das Bett neu bezieht und war geradezu panisch, wenn Yoongi ihm das abnehmen wollte. Bis jetzt fand er das immer ganz süß, weil er dachte, dass Jimin sich vielleicht für die auffälligen Flecken schämt. Jetzt... ist es gar nicht mehr süß. Hat er das wirklich nur gemacht, weil er ihm die Medikamente verheimlicht hat?
Dazu kommt Jimins plötzlicher übermäßiger Appetit, ohne auch nur ein Gramm zuzunehmen. Das viele Schlafen, von dem Yoongi nur geglaubt hat, dass er einfach nur sehr viel Nachholbedarf hat. Kein Wunder, dass er nicht mehr wachzukriegen war, wenn er wirklich Schlaftabletten eingeschmissen hat.
Plötzlich macht alles Sinn und trotzdem weiß er nicht, was er mit dieser Information jetzt anfangen soll. Es klingt viel zu surreal, Jimin die Einnahme von solchen Medikamenten zu unterstellen. Gewissheit wird er allerdings erst bekommen, wenn er ihn darauf anspricht, auch wenn er sich gerade vermutlich immer noch die Seele aus dem Leib kotzt. Aber selbst das macht auf einmal noch viel mehr Sinn. Falls er wirklich was davon genommen hat, ist Alkohol das letzte, was er dann trinken sollte.
Yoongi weiß nicht, wie er sich fühlt. Betrogen vielleicht, oder eher wütend, vielleicht aber eher ängstlich und hilfflos. Als er zurück ins Wohnzimmer geht, schreckt Hoseok laut quietschend auf, weil er die Blechdose auf den Tisch knallt.
"Ist Jimin noch im Bad?", fragt er streng und angespannt an seinen Kollegen gewandt. Der sieht völlig verwirrt zwischen ihm und der Dose hin und her.
"Vergiss es. Hier, dein Laken. Bezieh die Couch und dann leg dich hin. Ich muss noch was mit Jimin klären."
Hoseok nickt, ähnlich geistesabwesend wie Jimin zuvor, aber das ist ihm egal. Er muss wissen, ob und was für Medikamente Jimin genommen hat. Wobei er immer noch darauf hofft, dass es nicht wahr ist und sein Freund ihm gleich eine plausible Erklärung für alles liefert. Falls nicht, muss er überlegen, ob er mit ihm sofort ins Krankenhaus fährt.
Jimin kommt gerade aus dem Bad getorkelt und versucht an Türrahmen und Wand Halt zu finden. Yoongi, der die Dose wieder an sich genommen hat, wirft ihm einen strengen Blick zu. Schockiert starrt Jimin die Dose an, macht sich daraufhin klein und wirkt damit noch hilfloser als er ohnehin schon aussieht. Er folgt dem Älteren, obwohl keiner der beiden auch nur ein Wort sagt ins Schlafzimmer.
Die Blechdose landet laut scheppernd auf dem Nachttisch, ehe Yoongi den Deckel abreißt und den gesamten Inhalt auf dem Bett verteilt. Jimin weicht seinem stechenden Blick aus.
"Erklärs mir!" Yoongis Stimme ist messerscharf und sorgt dafür, dass sich in Jimins Augen neue Tränen ansammeln. Er stottert nicht zusammenhängende Wortfetzen aneinander und gibt schließlich auf, als er zu Schluchzen anfängt.
"Jimin, sag mir die Wahrheit. Hast du wirklich allen Ernstes dieses ganze Zeug genommen!?"
"N-nicht... oft. Anfangs nicht...", bringt er irgendwie hervor. Yoongi merkt, dass es ihm alle Kraft kostet. trotzdem ist das Thema für ihn noch nicht beendet. Seine schlimmste Befürchtung hat sich bewahrheitet. Sein Freund hat sich weder wegen der Katze verändert, noch weil seine Psyche stabiler geworden ist. Noch schlimmer findet er nur, dass er das auch noch so sehr vor ihm verheimlichen konnte. Wie konnte Yoongi das mit mitkriegen? Es muss ihm einiges an Anstrengung gekostet haben, das zu vertuschen.
Yoongi tigert aufgewühlt durch das Schlafzimmer, weil er nichts mit sich und der Information anzufangen weiß. Jimin sackt währenddessen auf dem Boden zusammen und weint immer lautrer. Anscheinend weiß er genauso gut wie Yoongi, dass es falsch war. Warum hat er es dann doch gemacht?
"DU HAST GESAGT, DU HAST DIE SCHEIßE ENTSORGT, JIMIN!", platzt es aus ihm heraus und daraufhin kehrt eine zeilang beängstigende Stille ein, die lediglich von Yoongis schwerem Seufzen und Jimins hilflosen Wimmern unterbrochen wird.
"Ich... wollte ja. Yoongi... ich wollte sie wegwerfen... aber... es ging nicht. Ich... dachte, so für den Notfall... falls alles andere nicht mehr hilft."
Eigentlich müsste Yoongi Mitleid haben. Jimin sieht nicht nur aus wie ein Häufchen Elend, er klingt auch so. Aber so furchtbar der Anblick auch ist, spürt er in erster Linie Wut.
"Hast du auch nur die leiseste Ahnung, WIE SCHEIßE gefährlich das Zeug ist!? Das gibt es nicht umsonst nur auf Rezept und es wird auch nicht ohne Grund so von den Ärzten kontrolliert! Und zusammen nehmen sollte man das erst recht nicht! Verdammt, Jimin! Wie lange nimmst du das Zeug jetzt schon?"
Jimins Antwort ist so leise, dass Yoongi sie fast nicht hört. "Ein... paar Wochen..."
"WOCHEN?" Genau das hatte er befürchtet. Es stimmt also. Jimin hat sich deswegen so verändert, es ging deswegen "bergauf", weil er Tabletten eingeschmissen hat, die weder auf seine Situation, noch auf seine psychische Verfassung ausgelegt sind. Dass er dadurch nicht komplett zusammengebrochen ist, grenzt an ein Wunder. So gut kennt sich Yoongi mit Medikamenten nicht aus, aber von seiner Mutter weiß er, dass es IMMER Neben-und Wechselwirkungen gibt, vor allem bei solchen starken Präparaten.
"Ich... habs wegen dir gemacht", kommt es nach einiger Zeit von Jimin. "Ich... wollte nicht, dass du dir immer Sorgen machst. Ich wollte doch nur... ich hab es nicht so oft nehmen wollen, wirklich. Es sollte nur eine einmalige Sache sein. Und... irgendwie... Es tut mir Leid, Yoongi... aber sie haben doch geholfen und..."
Immer öfter wird Jimin von seinen eigenen Schluchzern unterbrochen. Er sackt noch mehr in sich zusammen, versteckt sein Gesicht hinter seinen Händen und weint bitterlich vor sich hin. Yoongi kann es nicht länger mit ansehen, ihn so leiden zu sehen, auch wenn er immer noch wütend ist. In diesem Zustand bringt es wahrscheinlich eh nichts, noch länger mit ihm zu reden. Aber spätestens, wenn der jüngere seinen Rausch ausgeschlafen hat, wird er das Thema nochmal aufgreifen und ihn davon überzeugen, einen Arzt aufzusuchen. Ob er will oder nicht. Er weiß von seiner Mutter, wie gefährlich es ist, die Tabletten von heute auf morgen abzusetzen und gerade in Jimins eh schon desaströsen psychischen Verfassung will er sich gar nicht ausmalen, wie heftig es wird, ihn davon wieder loszukriegen.
"Wir reden morgen nochmal drüber", sagt er bestimmend und erhält ein erneutes Nicken als Antwort. "Geh ins Bett. Ich geh noch eine rauchen und komm dann nach."
Jimin kommt der Aufforderung sofort nach, rafft sich auf und torkelt kraftlos zum Bett, um sich umgehend unter der Decke zu verkriechen.Yoongi hat das Schlafzimmer noch nicht ganz verlassen, da kann er das Wimmern und Schluchzen erneut hören.
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Lesenacht Teil 1 :D
Um 18:30 Uhr geht's weiter ^-^
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