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"Danke nochmal", murmelt Yoongi leise, ehe er sich vor der älteren Frau verbeugt. Es gibt nur wenige Menschen, denen er ernstgemeint dankbar ist. Seine Nachbarin ist eine davon, denn ohne sie wäre er aufgeschmissen. Sie hat vor ein paar Monaten angeboten, ein Auge auf seine Mutter werfen zu können, als der Zustand sich verschlimmert hat. Nun passt sie jedes Mal auf, wenn er zur Arbeit muss. Er weiß, dass die geringe Bezahlung, die er ihr dafür gibt, bei Weitem nicht ausreicht, aber es ist alles, was er entbehren kann. Zum Glück macht sie es nicht wegen des Geldes, sondern weil sie meint, dass sich Nachbarn so gut wie möglich unterstützen sollten. Manchmal kommt sie und fragt, ob Yoongi ihr helfen kann. Meistens hat sie dann wieder Schwierigkeiten mit dem Fernseher oder sie braucht jemanden, der ihr beim Tragen der Einkäufe hilft. Yoongi macht es gerne, nicht aus Schuldgefühlen oder weil er meint, ihr eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Er mag sie. Er findet, sie ist eine erstaunliche Persönlichkeit. Er hat in seinem Leben bislang wenige Menschen getroffen, die eine solche Einstellung haben. Für gewöhnlich handeln die Leute so, wie die anderen Katzen in der Ruine. Jeder kämpft für sich allein, jeder ist sich selbst der Nächste.

"Du brauchst dich nicht jedes Mal bedanken, mein Junge. Das weißt du doch", antwortet sie, ehe sie sich ebenfalls kurz verbeugt. Yoongi schenkt ihr ein ehrliches Lächeln, ehe seine Mutter zu ihm in den Hausflur kommt. Man merkt, dass sie mit dieser Situation längst vertraut ist, denn sie folgt ihm ohne Schwierigkeiten in ihre Wohnung.

"Ich geh noch eben duschen", erklärt er ihr, während er ihre Schuhe auf Seite stellt und ihr hilft, in die Hausschuhe zu schlüpfen. "Ich mach dir solange Fernsehen an." Seine Mutter antwortet nicht, lässt sich aber von Yoongi zur Couch dirigieren. Sie schaut aus dem Fenster und scheint draußen etwas zu beobachten, obwohl er nichts erkennen kann. "Kami friert bestimmt...", murmelt sie schließlich. Yoongi dreht sich nochmal um, seufzt schwer und kniet sich vor seine Mutter.

"Ihm gehts gut, Mama. Da bin ich mir sicher." Er weiß nicht, was er sonst sagen soll. Kami ist schon vor über fünfzehn Jahren verschwunden. Es war sein Fehler. Damals hatte er den Käfig einfach offen gelassen und ihr Wellensittich hatte die Chance genutzt und ist durch das gekippte Fenster rausgeflogen. Eigentlich weiß sie, dass Kami längst tot ist. Eigentlich weiß sie, dass er niemals zurückkehrt, und doch sammeln sich gerade Tränen in ihren Augen, weil sie hofft, dass er jeden Moment wieder zum Fenster reingeflogen kommt.

"Guck mal, Mama. Ich hab dir deine Lieblingssendung angemacht", sagt er liebevoll und versucht dadurch, ihre Aufmerksamkeit wieder auf etwas anderes zu lenken. Ihr Blick löst sich vom Fenster. Sie erkennt die Melodie und fängt an, leise mitzusingen. Yoongi nutzt die Gelegenheit und verschwindet ins Bad. Er braucht das einfach. Es sind die wenigen Momente, die ihm alleine gehören und in denen er Kraft tanken kann. Unter der Dusche wirbeln seine Gedanken nicht so stark durcheinander. Das warme Wasser lindert seine Kopfschmerzen und spült gleichermaßen einen Teil seiner Hoffnungslosigkeit ab. Er muss sich dringend etwas überlegen. Er weiß, dass es so nicht mehr lange weitergehen kann. Auch die Nachbarin wird irgendwann an ihre Grenzen kommen. Wenn es eine Möglichkeit für ihn gäbe, an Geld zu gelangen, dann könnte er seine Mutter in eine Einrichtung geben, wo man sich viel besser um sie kümmern kann. Er hat keine Ahnung, was er da eigentlich tut und wie man mit solchen Erkrankungen umgeht. Er stößt so regelmäßig an seine Grenzen, dass sie zu einem festen Bestandteil seines Alltags geworden ist.

Yoongi nimmt es einfach hin, als er aus dem Bad kommt und das Chaos sieht, dass seine Mutter in der kurzen Zeit im Wohnzimmer veranstaltet hat. Er kennt das schon, es ist nichts Neues für ihn und deswegen bringt ihn das nicht mehr aus der Ruhe. Langsam geht er auf seine Mutter zu und kniet sich direkt neben ihr auf den Boden. "Mama, was machst du denn da?", fragt er sanft und greift nach ihrer Hand. Es ist schwer für ihn, immer Verständnis zu zeigen, obwohl er am liebsten schimpfen würde. Er muss ruhig bleiben. Meckern bringt nichts, das hat er mittlerweile immerhin gelernt. Es macht es nur schlimmer. "Das muss doch irgendwo sein", antwortet sie verbissen und befreit sich aus Yoongis Griff. Sie schaut ihn nicht an, sondern zieht einen weiteren Stapel Papiere aus dem Wohnzimmerschrank. 

"Ich such das nachher. Na komm, es ist spät, du musst ins Bett." Yoongi hilft seiner Mutter auf die Beine. Heute hat er Glück und sie lässt sich ohne Probleme ins Bett bringen. Auch das ist manchmal unglaublich nervenaufreibend. Er kommt einfach nicht zur Ruhe. Seit einer geschlagenen Stunde hat er ein solch starkes Verlangen nach dem Nervengift, dass er sich wie ein Mantra immer wieder selbst sagen muss, sparsam zu sein. Es sind nur noch drei Zigaretten übrig. Das ist verdammt wenig und wenn Yoongi könnte, würde er am liebsten alle direkt hintereinander wegrauchen. Eine genehmigt er sich dennoch, bevor er das Chaos im Wohnzimmer beseitigen will. 

Yoongi betritt den kleinen Balkon, auf dem er sich abends zurückzieht, wenn er eine rauchen geht. Neben dem Nikotin beruhigt auch die kühle Nachtluft seine Nerven. Aus dem Grund bleibt er länger draußen, als er eigentlich müsste, und verliert sich in dem Anblick von Seochon bei Nacht. Sie wohnen im dritten Stock, dementsprechend kann Yoongi einige Häuser und die engen Gassen überblicken. Es ist kaum jemand um diese Uhrzeit unterwegs und die meisten Lichter der Wohnungen sind schon erloschen. Er mag es, wenn er für einen Moment das Gefühl hat, alleine in dieser Stadt zu sein. Denn das würde bedeuten, dass er endlich mal nur für sich ist und sich seinen Kopf nicht schon wieder darüber zerbrechen muss, wie er das alles noch stemmen soll. Wie soll es nur weitergehen? Wenn Yoongi doch nur endlich eine Antwort auf seine Frage erhalten würde, dann würde seine Zukunft vielleicht nicht mehr so grau und kaputt aussehen, wie das Mauerwerk der Ruine.
    
    

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"Es tut mir sehr Leid, aber wir haben das wirklich nicht mehr vorrätig." Es ist egal, wie oft die freundliche Bedienung hinter dem Tresen die Worte zu Yoongi sagt. Er ist angepisst. Er hat nicht die Zeit, jetzt noch durch halb Seochon zu laufen, um in einer anderen Apotheke das Medikament zu bekommen. Er will sich nicht eingestehen, dass er an dem Schlamassel selbst schuld ist, denn wäre ihm früher aufgefallen, dass es fast leer ist, hätte er sie vorbestellen können. Aber nein. Yoongi hat mal wieder vergessen, rechtzeitig nachzuschauen, und darf jetzt zusehen, wie er an Neue kommt. Das größte Problem ist, dass er sich den Bus nicht leisten kann. Denn dann wäre das alles halb so schlimm. Aber Yoongi spart, wo es eben geht. Das bisschen Geld, das er zur freien Verfügung hat, nutzt er, um der Katze Futter zu kaufen. Durch ihre körperlichen Einschränkungen ist sie nicht in der Lage, sich ihr Fressen selbst zu erbeuten. Eigentlich verzichtet Yoongi daher gerne auf den Bus und läuft lieber zu Fuß. Heute jedoch hat er für solche Sparmaßnahmen streng genommen nicht die Zeit. Er muss zur Arbeit und kann sich nicht erlauben, zu spät zu kommen. Er möchte aber nicht, dass die Katze hungert. Sie ist sowieso schon so abgemagert. Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich zu beeilen.

Er holt nochmal tief Luft, ehe er schnellen Schrittes durch die engen Gassen Seochons hetzt, um zu der anderen Apotheke zu gelangen, die die Verkäuferin ihm genannt hat. Er hat keinen Bock mehr auf den Tag, dabei hat er gerade erst angefangen. Das kann ja was werden. Zu allem Überfluss hat Hoseok heute seinen freien Tag. Wäre er da, würde er mit Sicherheit all seine schlechte Laune abbekommen. Wo soll er sie auch sonst raus lassen? Seine Mutter kann nichts dafür, dass sie krank ist, und Hoseok traut er am meisten zu, dass er es verkraftet unbegründet angemeckert zu werden. Er wird sich heute zusammenreißen müssen. Die anderen Kollegen sind nicht so wie Hoseok, und das macht ihm schon jetzt Angst. Was, wenn er sich nicht zurückhalten kann?Hoffentlich kassiert er wegen seines Fehlverhaltens nicht irgendwann noch eine Abmahnung.

Als er in Gedanken versunken an der Apotheke ankommt, schaut er auf die Uhr und stellt fest, dass er schneller war, als er gedacht hat. Leider ist heute wirklich nicht Yoongis Tag, denn das kleine Gebäude ist überfüllt mit Kunden. Yoongi presst seine Kiefer aufeinander und versucht, nicht die Geduld zu verlieren. Gar nicht so einfach, wenn ein Typ vor einem an der Kasse ist und meint, stundenlang diskutieren zu müssen. Er will einfach nicht verstehen, dass er das Medikament nicht ohne Rezept bekommt, egal wie lange er sich mit den Verkäuferinnen anlegt. Yoongi bemerkt, dass der Typ stark zittert, und beginnt Theorien über ihn aufzustellen. Er kann nicht anders. Es ist wie ein Zwang geworden, die Menschen verstehen zu wollen. Die Probleme mit seiner Mutter haben das nicht besser gemacht, sondern eher noch gefördert. Yoongi weiß selbst nicht, wieso er das tut. Vielleicht erhofft er sich, die Menschen um sich herum besser verstehen zu können und dadurch Sicherheit im Umgang mit ihnen zu bekommen. Vielleicht macht er es, damit er von den Ansprüchen der Gesellschaft nicht mehr maßlos überfordert wird. Oder er will sich immer noch nicht eingestehen, dass manche Dinge ohne ersichtlichen Grund passieren. Dass sie einfach so sind, wie sie sind. Das würde auch erklären, weshalb er wieder an den Typen vorm Buchladen denken muss. Er hat sich überaus seltsam verhalten, so seltsam, dass Yoongi sich im Vergleich zu ihm noch recht normal empfunden hat. Sein Grübeln bringt nur nichts. Er weiß nicht, was der junge Mann aussagen wollte, weshalb er ohne Jacke in der Februarkälte gestanden hat und ob er den Abend überlebt hat.

Endlich hat er Typ vor ihm verstanden, dass es zwecklos ist. Yoongi ist an der Reihe, erhält das Medikament für seine Mutter und verstaut das Päckchen in seiner Jackentasche, ehe er schleunigst aus der Apotheke eilt. Wenn er sich jetzt beeilt, dann kommt er sogar noch ohne Verspätung auf der Arbeit an.

Leider zieht es sich wie ein roter Faden durch den Tag. Kaum kommt Yoongi an der großen Kreuzung an, schaltet die Fußgängerampel auf Rot um. Er weiß, dass ihn das wieder ein paar Minuten kosten wird. Wieso gibt es solche Tage, an denen alles schief geht, was schiefgehen kann? Natürlich ärgert er sich und überlegt kurz, ob er trotzdem rüber gehen soll, aber da kommen schon die ersten Autos ins Rollen. Dafür, dass es Mittwoch ist, ist verdammt viel los heute. Nicht nur die Straßen sind völlig überfüllt. Auch die Fußgänger sind gefühlt doppelt so viele wie sonst. Die unzähligen Gespräche, das Brummen der Motoren und die viele Leuchtreklamen an allen Ecken sind einfach zu viel für Yoongi. Er hat schon wieder Kopfschmerzen und die ganzen Eindrücke machen es nicht besser. Er geht einen Schritt zurück, ballt die Hände zu Fäusten und versucht, ruhig zu atmen, obwohl er innerlich aufgewühlt ist. Er braucht Ruhe. Ein paar Tage Auszeit. Einen Ort, der einfach menschenleer und leise ist.

Stattdessen muss er sich mit Zeitdruck im Nacken durch die überfüllten Straßen Seochon quetschen. Und weil das alles noch nicht genug ist, spielt das Schicksal ihm einen weiteren Streich. Neben ihm an der Ampel steht der junge Mann, dem er gestern vor dem Buchladen begegnet ist. Er ist in sich zusammengesunken und sieht total weggetreten aus. Er schaut zu Boden, hat mit seinen Armen den Oberkörper umschlungen und zittert am ganzen Leib. Den dünnen Pullover von gestern trägt er immer noch. Yoongi schlussfolgert daraus, dass er sich keinen Unterschlupf gesucht hat und auch nicht mehr zu Hause war, wenn er überhaupt eins hat. Immerhin lebt er noch und liegt nicht erfroren vor dem Shadow. Ob es das besser macht, weiß Yoongi nicht. Er hofft einfach, dass der junge Mann ihn nicht bemerkt oder anspricht, weil er von ihrer letzten Unterhaltung schon maßlos überfordert war. Ehrlich. Yoongi hat immer noch keine Ahnung, was der Typ ihm da gestern sagen wollte. So redet doch niemand. Zumindest niemand, der halbwegs bei Verstand ist.

Yoongi geht noch zwei Schritte nach hinten und versucht, möglichst wenig aufzufallen. Zwischen den vielen anderen Passanten stehen seine Chancen gut. Als er zu dem Jungen schaut, und sich vergewissern will, ob er sich gut genug versteckt hat, sieht er, wie dessen Blick plötzlich zur Ampel schnellt. Es wirkt surreal auf Yoongi und als sei ein tonnenschwerer Stein von den Schultern des Fremden genommen worden. Er fixiert mit einem erleichterten Lächeln einen Punkt auf der anderen Straßenseite und selbst das Zittern hat urplötzlich aufgehört. Hat der Fremde etwa jemanden entdeckt, den er kennt? Oder hat Yoongi verpasst, dass die Ampel schon auf Grün umgeschaltet ist? Schnell kontrolliert er die Fußgängerampel, aber sie ist weiterhin rot. Die zahlreichen Autos rauschen an ihnen vorbei und es sieht auch nicht so aus, als ob sich das in den nächsten Sekunden ändert. Trotzdem erkennt Yoongi, dass der Junge einige Schritte nach vorne geht. Weiß er nicht, wie gefährlich es ist, der Hauptstraße so nah zu kommen? Was hat er vor? 

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