02. Kapitel
,,Was machst du denn da draußen, Honey? Es muss doch kalt sein."
Aurora ballte ihre Hände zu Fäusten, als sie Harrys Stimme hörte. Schritte näherten sich, doch sie reagierte nicht. Sie spürte seine Präsenz, aber es kümmerte sie nicht. Eine warme Hand strich ihr die Tränen weg und legte sich auf ihre Stirn.
,,Du bist ja total unterkühlt!", stieß er hervor.
Sie konnte nicht einmal blinzeln, da hatte er seine Arme unter ihren fragilen Körper geschoben und sie hochgehoben. Erschöpft fielen ihr die Augen zu. Im Takt seines Ganges stupste ihr Kopf beinahe leblos seine Schulter an. Sie beobachtete währenddessen sein Gesicht. Dass er hübsch war, konnte sie leider nicht bestreiten und dass er das einzige männliche Wesen war, dem lange Haare standen, war auch wahr. Es fühlte sich so surreal an, dass sie sich wünschte, endlich aufzuwachen, aber egal, wie sehr sie es wollte und wie viele Gebete sie in den Himmel schickte - nichts geschah, außer dass Harry sie in das Haus hinein trug und sie auf der Couch ablegte. Sofort wurde sie von ihm zudeckte und kuschelte sich in die wärmende Decke.
,,Was hast du überhaupt bei der Kälte draußen gemacht?" Harrys Gesicht erschien vor ihr, er hatte sich hingekniet und versuchte, ihren abwesenden Blick zu deuten. ,,Honey, ich rede mit dir." Der barsche Ton in seiner Stimme ließ sie leicht zusammenzucken.
,,Ich will nach Hause", sagte sie trocken. Neben ihr senkte sich die Couch. Harry streichelte vorsichtig über ihren Kopf. ,,Lass mich bitte gehen."
,,Dir wird es hier gut gehen, Aurora."
,,Warum ausgerechnet ich?"
Harry sagte nichts. Seine Hand kraulte Aurora am Nacken und sorgte dafür, dass sie in sich hinein seufzte und entspannt die Augen schloss. Dann zog er sie unerwartet in eine feste Umarmung und strich ihr über den Rücken. Lange verharrten sie so, bis er sie eine Armlänge von sich wegdrückte und ihren Blick suchte.
,,Diesmal lasse ich es dir durchgehen, dass du fliehen wolltest, aber nächstes Mal wirst du die Folgen tragen müssen", erklärte er bestimmend und schob eine verirrte Strähne hinter ihr Ohr. ,,Wie du bemerkt hast, kann ich auch nett sein. Wenn du nett bist, bin ich auch nett. Wie du mir, so ich dir, Honey. Du kannst es hier schön haben, aber dafür musst du auf mich hören. Ich will keinen Sex von dir, falls du das gedacht hast. Ich bin kein kranker Pädophieler."
Aurora nickte überrascht. Ein Pädophieler war jemand, der sexuell an Kindern interessiert war. Daraus schlussfolgerte sie, dass er wusste, dass sie noch minderjährig war. Trotzdem wunderte es sie, über welches Wissen über sie er bereits verfügte: ihr Name und wahrscheinlich ihr genaues Alter. Es bereitete ihr allerdings auch Sorgen. Er wollte, dass sie hier blieb. Und was für Folgen würde sie bei einem weiteren Fluchtversuch tragen müssen?
,,Ich koche uns etwas, und dann legen wir uns schlafen, ja? Der Tag war hart für mich und ich habe keine Lust mehr auf etwas, was anstrengend ist." Er ging in die offene Küche und wank sie zu sich. Schnell folgte sie ihm. Wie aus dem Nichts schlang er seine Arme um ihre Hüfte und hob sie auf den kühlen Tresen.
Während Harry kochte, verfolgte Aurora den Vorgang und aus den Zutaten, die er aus den Schränken und dem Kühlschrank holte, schloss sie, dass er Eintopf machen würde. Ihr Vermutung bestätigte sich nach einer halben Stunde, in der sie zuschaute, wie er Gemüse und Fleisch kleiner schnitt und es anbriet. Als er fertig war, griff er nach den Henkeln des Topfes, jedoch zog er seine Hände blitzschnell zurück und verzog das Gesicht. Instinktiv sprang die Jüngere vom Tresen und griff nach seinen Händen. Die meisten Finger waren rot und warm und seinem Aufschrei, als sie sie vorsichtig abtastete, zufolge, hatte er sie sich verbrannt. Damit er nicht länger den Schmerzen ausgesetzt war, zog sie ihn zu dem Waschbecken, stellte einen kühlen Wasserstrom an und hielt seine Finger darunter. Seine Miene entspannte sich augenblicklich und seine hochgezogenen Schultern lockeren sich wieder.
Nachdem sie mehrere Minuten abgewartet hatte, bis die Schmerzen einigermaßen gestillt waren, machte sie den Harn wieder zu und begutachtete die geschundenen Stellen ausgiebig.
,,Hast du eine kühlende Salbe und etwas Mullbinde?", wollte sie wissen, ohne aufzuschauen.
,,Im Kühlschrank habe ich Salbe und im Schlafzimmer in dem Nachttisch müsste Verbandszeug sein", gab er zur Antwort.
,,Du holst die Salbe, ich die Binde", legte Aurora fest. Sie wusste selber nicht weshalb, aber sie rannte die Treppen möglichst schnell hoch und kramte in dem hölzernen Nachttisch neben dem Himmelbett. Sie fand einen kleinen Verbandskasten und suchte sich eine Mullbinde und ein kleines Pflaster heraus, ehe sie wieder zu Harry sputete, der hilflos in der Küche stand. Sie riss förmlich die Kühlschranktür auf, dass sie schon dachte, sie würde abfallen (und war zudem überrascht von ihrer Stärke) und entdeckte eine Salbe in einem Nebenfach. Sein kleiner linker Finger war am schlimmsten verbrannt und sie schmierte diesen großzügig mit der Salbe ein, wickelte die Mullbinde herum und befestigte sie mit einem Pflaster. Die restlichen Finger, die weniger schwerwiegende Schäden davongetragen haben, cremte sie lediglich mit einer dünnen Schicht ein.
,,Ich habe keinen Hunger mehr", murmelte sie und tat die Salbe wieder an ihren Platz.
,,Ich auch nicht", erwiderte Harry.
Sie hielten Blickkontakt und wüsste Aurora es nicht besser, würde sie behaupten, er versuchte ihre Gedanken zu lesen.
,,Legen wir uns schlafen", sagte er nach einer Minute der Stille und ging langsam die Treppe hoch. Aurora tat es ihm nach. Auch wenn sie nicht viel getan hatte, übermannte die Müdigkeit sie allmählich.
Sie duschte sich in dem großen Badezimmer in der Regendusche, von der jedes Mädchen nur so träumte. Zum Anziehen stellte Harry ihr wieder ein Oberteil von sich zur Verfügung und drückte ihr eine Unterhose in die Hand, die ihr perfekt passte. Mit angetrockneten Haaren betrat sie wieder das Schlafzimmer, in dem sie aufgewacht war. Harry lag nur in Boxershorts dort und las etwas auf seinem Handy. Als er ihre Anwesenheit bemerkte, legte er es beiseite und klopfte neben sich auf die leere Betthälfte.
,,Kann ich woanders schlafen?", fragte sie.
,,Du schläfst hier, basta." Wegen seinem herischen Ton zuckte sie zusammen und kletterte flink unter die Decke, um ihn nicht noch mehr zu verärgern. Er schaltete das Licht aus und legte ungefragt einen Arm um ihre Taille. Mit einem Ruck zog er sie näher an sich heran. Sie wehrte sich nicht, zu erschöpft war sie. Sie glitt in den Schlaf und kuschelte sich unbewusst näher an seinen warmen Körper.
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Cover by lyfeyo.
All the love as always.
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