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⋇ Yoongi ⋇

Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal freiwillig zu einer der Einzeltherapien gehe, doch ich habe keine andere Wahl, wenn ich Taehyung nicht direkt wieder begegnen will.

Jetzt stehe ich vor der nussbraunen Tür meines Arztes und könnte grade einfach das kotzen kriegen. Leider muss ich zugeben, dass der Tag doch noch schlimmer geworden ist.

Schlecht gelaunt klopfe ich an der Tür an und ich schätze, dass Dr. Kim allein an meinem viel zu kräftigen Bollern schon merkt, wie gereizt ich bin. Ich gehe rein, nachdem ich seine Aufforderung gedämpft durch die verschlossene Tür höre.

"Min Yoongi. Es freut mich zu sehen, dass du dich doch dazu hast ermutigen lassen, an unserem Gespräch teilzunehmen", sagt er überfreundlich und schenkt mir eines seiner beschissenen Lächeln.

"Spar dir dein scheiß Grinsen!", fauche ich ihn an und überlege, ob ich doch wieder gehen soll, als ich seine Stimme erneut höre. Sie klingt noch immer freundlich, jedoch liegt nun auch eine gewisse Drohung darin. "Ich freue mich aber wirklich, dass du deine letzte Chance anscheinend doch noch nutzen willst. Na komm, jetzt bist du einmal hier, setz dich."

Ich weiß grade nicht, wen ich mehr hasse. Taehyung oder meinen herzallerliebsten behandelnden Arzt.

"Freuen? Und du glaubst ernsthaft, das ich dir das abkaufe? Du wartest doch nur darauf, dass ich nochmal Mist baue, damit du mich endlich abschieben kannst!", kontere ich und stelle mich den großgewachsenen Arzt gegenüber, anstatt mich zu setzen.

"Tut mir Leid, dich enttäuschen zu müssen, Yoongi. Doch ich mache meinen Beruf tatsächlich gerne. Und ich freue mich, wenn selbst so Patienten wie du, langsam etwas kooperativer werden." Sein erneutes Lächeln, dass er mir darauf schenkt, strotzt von Ehrlichkeit, weswegen ich klein beigebe und mich missmutig auf den Sessel fallen lasse.

"Da wir das anscheinend geklärt haben, möchte ich dich gerne etwas fragen, Yoongi."

"Laber nicht immer so drumrum, sondern komm auf'n Punkt", unterbreche ich ihn genervt. Habe ich schon mal erwähnt, dass ich nicht der Freund von ausschweifenden Reden bin? Dr. Kim ist Experte darin.

"Na schön. Dann formuliere ich es anders. Yoongi, gibt es etwas, was dich wirklich interessiert?", beginnt er erneut, ehe er sich ebenfalls auf einem Sessel niederlässt. Wir sitzen uns an seinem großzügigen Schreibtisch gegenüber, wobei er vor sich etwas zum Schreiben, sowie meine Akte hingelegt hat.

"Mich interessiert, ob ich hier eine rauchen darf", antworte ich lediglich, schließe meine Augen und bete, dass diese Sitzung schnell vorbei ist. Die dauert mir nämlich jetzt schon zu lange.

"Sehr schlagfertig geantwortet, aber leider wird dich das hier kein Stück weiter bringen. Aber ich dachte mir schon, dass du so reagieren wirst, deshalb habe ich im Vorfeld schon mit Jungkook gesprochen."

Ich verdrehe genervt die Augen, doch als ich das mit Jungkook höre, schleicht sich ein fieses Grinsen auf meine Lippen. "Gesprochen also, ja? Meinst wohl eher, dass Jungkook hübsch die Beine für dich breit gemacht hat, hm?"

Dr. Kim lacht erheitert auf meine Bemerkung hin auf und legt den Stift beiseite. Er stellt seine Arme auf dem Schreibtisch auf, um seinen Kopf darauf abzulegen.
"Ach Yoongi. Irgendwann wirst du merken, was du ihm zu verdanken hast. Und dann werden dir deine abfälligen Bemerkungen im Halse stehen bleiben."

Ich schlucke leer, als ich seinen Blick und sein Grinsen sehe. Ich weiß noch nicht, was der Gesichtsausdruck mir nun sagen soll, denn das einzige was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass eine Art Überheblichkeit darin liegt. Er weiß etwas, was ich nicht weiß und das macht mich grade ziemlich sauer.

"Zurück zum Thema. Jungkook meinte, dass du Interesse an Musik hast. Sowohl hören, als auch selbst machen. Spielst du ein Instrument? Was bewirkt die Musik bei dir?"

"Scheiß Petze", grummel ich, schließe erneut meine Augen und hoffe auf ein Wunder. Irgendeine Störung im Raum-Zeit-Kontinuum, das mich von meiner Einzeltherapie befreit.

"Yoongi. Das hier funktioniert nur, wenn du mitarbeitest. Sperr dich ruhig weiter dagegen, aber dann wirst du kein Stück weiter kommen. Und ich habe ehrlich gesagt, besseres zu tun, als mir weiter deine abfälligen Bemerkungen anzuhören. Komm wieder, wenn du dich dazu bereit fühlst, zu reden."

Dr. Kims Stimme hat auf einmal etwas hartes an sich und er spricht viel lauter, als ich es gewohnt bin. Und irgendwie scheine ich diese Art zu brauchen, denn mir fällt auf Anhieb nichts mehr ein, was ich dagegen aufbringen kann.

"Also gut. Hab's ja verstanden. Ja, Musik bedeutet mir viel. Jetzt zufrieden?"

Dr. Kim lächelt zufrieden und notiert sich einige Stickpunkte auf der sonst weißen Seite der Akte. Er wirkt ziemlich fröhlich gestimmt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur an der Tatsache liegt, dass ich Musik tatsächlich gerne mag.

"Geht doch. Und magst du mir jetzt auch verraten, was Musik genau für dich bedeutet?"

Ich überlege lange, wie ich es in Worte verpacke und ob ich ihm überhaupt erzählen soll, was dann in mir vorgeht. Doch da denke ich wieder an Jungkook und Taehyung, die mich, im Gegensatz zu mir, noch nicht aufgegeben haben.

"Das ist das einzige, was die Stimmen in meinen Kopf verstummen lässt", sage ich leise.

Dr. Kim antwortet nicht darauf, sondern notiert sich stattdessen schweigend etwas in der Akte, ehe er diese wieder zusammen klappt.

Die Tage vergehen und ich habe es Taehyung zu verdanken, wie auch immer er das schafft, dass ich mich teilweise an den Therapieplan halte, meine Auflagen bezüglich der hauswirtschaftlichen Beteiligung einhalte und sogar regelmäßig an den Mahlzeiten teilnehme.

Taehyung ist ziemlich glücklich darüber und auch Dr. Kim hat mich für mein kooperatives Verhalten schon gelobt. Es sind weniger seine Worte, als die von Jungkook, die ich mir wieder ins Gedächtnis rufe, ehe ich feststelle, dass er Recht hat. Wenn ich nicht in der Geschlossenen landen will, sollte ich mich wenigstens zeitweise kooperativ verhalten.

Dass es mich bald wahnsinnig macht, wie nah Taehyung mir nun täglich kommt, scheint dieser gar nicht zu merken. Im Gegenteil. Er wird jeden Tag etwas mutiger. Mir ist das eindeutig zu viel körperliche Nähe und ich weiß, dass er mich nur auf dem falschen Fuß erwischen muss, bis ich wieder in meinen dissoziativen Zustand gerate.

Besonders schlimm ist es, wenn er von einer seiner Therapien wieder kommt und sich bei mir ausheulen will. Ich bin ganz gewiss nicht der Mensch, der gut in freundschaftlichem Rat geben ist und es überfordert mich jedes Mal maßlos. Der einzige Lichtblick ist Jungkook, der mir schreibt, dass er im Laufe des Tages noch vorbei kommen wird.

Er hat sich anscheinend erkundigt, wie ich der Behandlung mittlerweile gegenüberstehe und klingt, so wie ich es durch die Nachrichten erahnen kann, ziemlich positiv überrascht. Als Belohnung für meine Mitarbeit, darf ich heute sogar das Klinikgelände in Begleitung für ein paar Stunden verlassen.

Ich freue mich einfach darüber, dass ich mal einen halben Tag Ruhe vor Taehyungs naiver und anhänglicher Art habe. Erleichtert, mal nicht auf jede seiner Bewegungen achten zu müssen. Ich finde es, um ehrlich zu sein, einfach extrem anstrengend, weil meine Sinne dann jedes Mal bis zum äußersten angespannt sind und ich erst abends merken kann, wie sich meine überreizten Nerven endlich entspannen können.

Trotzdem hat Taehyung irgendwas an sich, was ich selbst nicht wirklich verstehe, doch ich will ihn nicht enttäuschen. Nicht, wenn er mir wieder einen seiner scheiß naiven Blicke zuwirft, von denen ich das Gefühl habe, dass sie direkt in das Innerste meiner Seele blicken können.

"Hey du Sumpfkröte", begrüßt mich die, mir gut bekannte, Stimme, als Jungkook ins Zimmer kommt.

"Hallo Jungkook, wie schön dich zu sehen, freut mich dass du da bist!", kommt es mal wieder ironisch von meinem Kumpel, nachdem ich auf seine Begrüßung nicht wirklich reagiere. "Wann lernst du das endlich?", fügt er beleidigt hinzu, während er wie selbstverständlich zu meinem Kleiderschrank geht und die alte Wäsche gegen frische eintauscht.

Ich habe ihn nie darum gebeten, aber für Jungkook scheint es wirklich eine Selbstverständlichkeit zu sein, dass er regelmäßig frische Kleidung vorbei bringt und meine alte mit nach Hause nimmt, um sie zu waschen.

Ich liege auf dem Bauch, daher drehe ich mich einmal herum, um Jungkook mit einem gespielten Lächeln ansehen zu können. "Hallo Jungkook. Ich freu mich so, dich zu sehen. Es ist sooo lange her!", sage ich gespielt fröhlich und Jungkook beginnt darauf zu lachen und macht mir mit einer abwinkenden Handbewegung deutlich, dass ich bloß damit aufhören soll. "Okay, das ist gruselig! Lass das besser", lacht er, weil er mich so eben nicht kennt.

Er weiß, dass ich mich niemals so dankbar zeigen werde, wenn er mich besuchen kommt. Es passt nicht zu mir und sowieso zeige ich nur äußerst selten wirklich sowas wie Emotionen. Auch das passt zu meiner Krankheit, wobei ich, glaube ich, noch nie wirklich der Typ dafür gewesen bin, den Menschen um mir herum zu zeigen, wie es gerade in mir aussieht.

Ich weiß ja noch nicht mal, wie es mir grade geht. Keine Ahnung. Irgendwie fühle ich grade nicht viel, außer Erschöpfung.

"Wollen wir dann los?"

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Yay, endlich mal raus aus der Klinik ^_^

1490 W

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