⋇ 3 ⋇
⋇ Yoongi ⋇
Jedes Klopfen gegen die abgenutzte Holztür hinterlässt ein widerhallendes Wummern in meinem Kopf, sodass ich aus dem Bett aufstehe und zur Tür sprinte. Genervt reiße ich diese auf und fauche den schwarzhaarigen Jungen davor an. "Geht's nicht noch lauter!?"
Der Schwarzhaarige quittiert mein ironisches Fauchen mit einem belustigten Lächeln, ehe er mich grob zur Seite schiebt und in das Zimmer rein spaziert. In der Hand hat er eine schwarz-rote Sporttasche, die wenig später auf meinem Bett landet.
"Selbst Schuld, Yoongs", lacht er nur, sieht sich dabei in dem kargen Zimmer um und lässt sich schließlich auf den nichtssagenden weißen Laken des Klinikbettes nieder.
"Danke, Jungkook, dass du so schnell vorbei kommen konntest, um mir meine Sachen vorbei zu bringen. Ist das so schwer, Yoongs?", sagt er genervt und ich kann den Vorwurf aus seiner Aussage hören. Jungkook kennt mich schon lange und er weiß, dass ich nicht der Typ dafür bin, mich mit ausschweigenden Dankesreden zu brüsten.
"Hast du sie dabei?", sage ich stattdessen genervt und bekomme im selben Moment noch die Packung Zigaretten entgegen geworfen. Jungkook ist manchmal ziemlich nervig, aber wenigstens ist auf ihn Verlass, was das angeht.
"Klar. Auch wenn du weißt, dass ich das nicht gut heiße, wenn du so viel rauchst", predigt er. Es ist nicht das erste Mal, dass er mir das entgegen bringt, aber wie auch die Male zuvor, interessiert es mich herzlich wenig, was er davon hält. Stattdessen reiße ich die Plastikfolie von der Zigarettenschachtel ab, um mir eine meiner vermissten Glimmstängel raus zu nehmen.
Jungkook folgt mir, als ich das Zimmer verlasse, um mich am Stationsstützpunkt abzumelden. Der junge Mann lächelt, als er Jungkook sieht, denn selbst er ist hier mittlerweile genauso bekannt wie ich.
Wieder eine Bestätigung dafür, dass ich definitiv zu oft in dieser Klinik bin.
Jungkook erklärt in gewohnt höflichem Ton, dass er mich kurz zum Rauchen nach draußen begleitet und verbeugt sich dezent, als der Kerl sein Okay dazu gibt.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, gehe ich den Flur entlang, ignoriere die wenigen Menschen, die mir entgegenkommen und spüre, wie mein Rauchverlangen von Schritt zu Schritt stärker wird. Ich wurde gestern hier eingewiesen und habe seit dem keine einzige Zigarette rauchen können. Langsam aber sicher protestiert mein Suchtzentrum gegen den Entzug, auch wenn es noch recht früh am Tag ist. Und diese Tatsache hebt weder meine Laune, noch ist es förderlich, meine Kopfschmerzen los zu werden.
Kaum habe ich die Außenanlage der Klinik betreten, zünde ich die Zigarette an und ziehe genießerisch den giftigen Rauch in meine Lungen.
Sofort beruhigen sich meine angespannten Muskeln und mit jedem Zug klärt sich mein Verstand etwas. Auch die Kopfschmerzen lassen langsam nach, sodass ich wesentlich entspannter bin, als noch vor ein paar Minuten.
"Du sitzt ganz schön tief in der Scheiße, Yoongs", höre ich die Stimme meines einzigen Freundes. Er weiß genau, welche beruhigende Wirkung die Glimmstängel auf mich haben und scheint auf diesen Moment gewartet zu haben, dass ich ruhiger werde. "Erzähl mir was neues", stöhne ich genervt, aber in ruhiger Tonlage.
Langsam kann ich es nicht mehr hören. Alle sagen mir, wie falsch ich bin, wie hoffnungslos meine Situation ist und was für ein schlechter Mensch ich bin. Dabei weiß ich das alles schon lange selbst. Ich brauche niemanden, der mir das auch noch immer wieder vorhält.
"Ich hab mit Dr. Kim geredet", beginnt Jungkook, doch ich unterbreche ihn direkt. "Vielleicht solltest du ihm einen Heiratsantrag machen, so gut wie ihr euch versteht", grummle ich. Ehrlich, ich hab es satt, mir ständig dieselben Worte anzuhören.
"Du solltest lieber froh sein, dass es immer noch Menschen gibt, die, trotz der Scheiße, die du jedes Mal fabriziert, immer noch an dich glauben."
"Das ist Dr. Kims Aufgabe und du glaubst auch nicht an mich, du machst das nur, weil du immer noch denkst, mir etwas schuldig zu sein", sage ich lauter, stütze mich dabei von der Wand ab, an der ich bis jetzt gelehnt habe und stelle mich Jungkook ziemlich dicht gegenüber. Er erwidert völlig unbeeindruckt meinen abstoßenden Blick, doch als ich ihm den Qualm direkt ins Gesicht puste, fängt er heftig an zu husten und stößt mich angewidert weg.
"Kann sein", bringt er nach frischer Luft japsend hervor. "Trotzdem solltest du froh sein, dass es so ist. Glaubst du ernsthaft, dass du alleine wieder hier raus kommst?"
Und wieder packt mich die Wut in einer Stärke, dass ich mich wirklich zusammenreißen muss, ihm keine rein zu hauen.
Ich muss leider gestehen, dass meine Aggressionen selbst vor Jungkook manchmal keinen Halt machen. Auch wenn es noch nicht oft vorgekommen ist, dass ich ihm gegenüber handgreiflich geworden bin, so weiß ich, dass es absolut falsch ist. Gerade ihm gegenüber sollte ich mich zusammenreißen können.
Jungkook ist der einzige Mensch, der sich noch freiwillig mit mir abgibt und wie danke ich es ihm? In dem ich auf ihn los gehe?
Ich kann nur von Glück reden, dass er ziemlich kräftig ist, viel muskulöser als ich, und sich bis jetzt immer wehren konnte, wenn ich mal wieder die Kontrolle verloren habe.
"Raus kommen!? Jungkook, kapierst du's nicht!? Ich werde da niemals raus kommen!", knurre ich wütend. Dabei bin ich in erster Linie auf mich selbst sauer und gar nicht auf Jungkook. Trotzdem fühlen sich seine Worte grade an, als wolle er mich einfach verarschen. Denkt er wirklich, dass ich jetzt auf einmal alles hinter mir lassen kann? Dass die Stimmen verschwinden?
Dass ich normal werde?
"Chill, Yoongs", entgegnet er mit nur und mit einem wütenden Schnaufen lasse ich schließlich von ihm ab, um mir noch eine Zigarette anzustecken.
"Du solltest dich einfach verpissen, Kooks. Du kannst mir eh nicht helfen!", füge ich noch hinzu.
⋇
Jungkook ist tatsächlich nicht mehr lange geblieben, aber mir ist klar, dass er spätestens morgen wieder hier auf der Matte stehen wird. Warum er das macht, kann ich mir eigentlich nur durch eine Tatsache erklären.
Ich vermute, Jungkook denkt immer noch, dass er mir was schuldig ist. Ich kann mir anders einfach nicht erklären, weshalb er immer noch an meiner Seite ist. Kein Mensch hat es bis jetzt so lange mit mir ausgehalten. Und eigentlich bin ich echt froh, dass er in dem Punkt anders ist, doch ich weiß auch, dass ich ihm nicht gut tue. Er sollte mich lieber, wie alle anderen auch, im Stich lassen.
Es wäre besser für ihn.
Ich habe die Augen geschlossen, liege auf dem ungemütlichen Klinikbett, von dem ich mir sicher bin, dass sie die Dinger absichtlich so ungemütlich machen, damit man nicht zu lange liegen bleibt.
Tja, funktioniert bei mir nur leider nicht.
Ich habe nicht wirklich Interessen, für die ich freiwillig aufstehen würde. Eigentlich gar keine. Bis auf eines.
Musik.
Es ist das einzige, was meinen Kopf einigermaßen ruhig stellt. In den letzten Aufenthalten habe ich erfahren, dass das zu meinem Krankheitsbild passt. Aber ich schätze eher mal, dass das bei mir noch nie wirklich anders war. Ich hasse Sport oder sonstige unsinnige Formen der Bewegung, ich lese nicht, gehe nicht gerne feiern oder ins Kino. Oder was man sonst macht, wenn man ein Hobby hat. Und Freunde habe ich, außer Jungkook, auch keine, wenn man das denn nun als Freundschaft bezeichnen kann.
Das einzige, wofür ich wirklich eine außerordentliche Leidenschaft besitze, ist Musik hören und machen.
Aus dem Grund krame ich auch meine ziemlich abgenutzten Kopfhörer aus der Sporttasche, verbinde sie mit meinem Handy und genieße den sanften Bass, der mein Trommelfell erschüttert, als die ersten Töne erklingen. Und kaum baut sich das Lied langsam auf, spüre ich wie die Stimmen in meinem Kopf allmählich verstummen. Ich liebe diese Stimme. Dieses Lied. Sie klingt sanft und doch klingt sie, als sei sie genauso gebrochen wie ich. Als könne der Sänger verstehen, wie es ist, am eigenen Leben zu zerbrechen und es mehr und mehr zu einem täglichen Kampf wird.
Seine mitreißende Stimme samt der Instrumente verstummen langsam und zu hören ist nur noch ein hoher, ausklingender Ton.
Bis mit einer wahnsinnigen Inbrunst seine Stimme wieder erklingt, die Instrumente viel lauter als vorher wieder mit einsteigen und das Lied für mich noch mehr so klingt, als würde es von dem Schmerz meiner Seele handeln.
"Every Breath you take...", murmel ich leise, als das Lied daraufhin endgültig verstummt. Der nächste Song meiner Playlist beginnt, doch ich schalte direkt wieder zurück, um das vorherige ein weiteres Mal zu hören.
Ich weiß nicht mal etwas über diesen Sänger, Chase Holfelder, nur dass seine Stimme mich direkt vom ersten Moment an fasziniert hat. Und so hallt seine gebrochene Stimme wieder und wieder in meinen Ohren, während mein Verstand sich einzig und allein auf seine Songs konzentriert.
Nicht auf die Stimmen in meinem Koof. Nicht auf die Vergangenheit. Nicht auf die abgestumpften Gefühle, von denen ich mehr als genug habe, aber nicht mehr nach Außen zeigen kann.
Ruhe.
Je lauter seine Musik erklingt, desto leiser wird mein Kopf und das genieße ich. Diesen kurzen Moment, in dem ich mich einfach frei fühle.
Ich habe Glück, denn mein Zimmernachbar war aus dem Grund nicht da, weil er seine Papiere abgeholt hat.
Ein ruhiger Kerl, wir haben kein einziges Wort miteinander gewechselt. Und eigentlich finde ich es fast schon schade, dass er geht. Man kann nie wissen, wer danach in das Zimmer einzieht, aber vielleicht habe ich auch Glück und habe noch ein paar Tage einfach meine Ruhe.
Ich bin tatsächlich nicht besonders scharf darauf, mein Zimmer mit jemanden zu teilen, vor allem wenn das einer dieser Labertaschen ist oder noch schlimmer: einer dieser Heulsusen, die denken, sie seien die einzigen, denen es schlecht geht.
Aber darüber kann ich mir auch immer noch Gedanken machen, wenn es soweit ist. Jetzt habe ich erstmal Ruhe, denn mein Zimmernachbar verschwindet mit seinen wenigen Sachen aus dem Zimmer, ohne noch irgendwas zu sagen. Oder vielleicht höre ich das auch einfach nicht, weil meine Musik bis zum Anschlag aufgedreht ist.
Ich habe bereits kein Zeitgefühl mehr, während ich auf dem Bett liege und versuche, meinen Kopf von dem belastenden Schutt frei zu kriegen, als die Zimmertür aufgerissen wird.
Ich drehe mich nicht um und kann aus den Augenwinkeln bereits erkennen, dass es sich dabei eh nur um einen der Therapeuten handelt. Ich höre nicht zu, was er mir sagt, weil sie eh immer die selben Worte benutzen. Ich glaube ich habe es als Kind schon nicht gemocht, wenn Dinge sich wiederholt haben.
Seit ich denken kann, mag ich es, wenn etwas Veränderung mit sich bringt.
Wenn etwas in Bewegung bleibt, wie das Wasser.
Aber die letzten Jahre habe ich nicht viel erlebt, was mich neugierig gemacht hätte. Ich stecke in einer Dauerschleife fest, Tag für Tag das selbe. Jeden Tag die selben Fragen. Jeden Tag die selben Vorwürfe. Jeden Tag die selben Stimmen. Und jetzt dazu auch dieses Bild des weinenden und blutenden Jungen.
Der Mann verschwindet wieder und lässt ein voll bedrucktes DinA4 Blatt auf meinem Nachttisch zurück. Ich muss nicht drauf schauen, um zu wissen, dass es sich dabei um meinen Therapieplan handelt. Auch das kenne ich schon.
Wie ich diese Endlosspirale der Eintönigkeit verabscheue.
Ich bin nicht depressiv, obwohl sich einige Symptome doch sehr stark ähneln. Auch ich denke gerade wieder darüber nach, ob ich mein armseliges Leben endlich beenden soll. Ich würde den Menschen um mich herum damit einen Gefallen tun. Doch bis jetzt fehlt mit schlichtweg der Antrieb, das durch zu ziehen.
Vielleicht ist es endlich an der Zeit, das lähmende Gefühl beiseite zu schieben, Jungkook von deiner Schuld zu befreien und gleichzeitig Dr. Kim von seinem schwierigsten Patienten zu erlösen.
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Haha, fast 2000 Wörter XD das war ein langes Kap :D
Ich mag dieses Betteln nach Feedback eigentlich gar nicht gerne, aber ich bin bei dieser Story einfach extrem neugierig, was dabei in euch vorgeht, was ihr über Yoongi denkt, ob ihr Vermutungen habt, weshalb er so ist, wie die Stimmung bei euch ankommt usw.
Ich freue mich deshalb um jeden, der ein paar Worte da lässt ♡
Eure Taelirium ~ XD
1990 W
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