⋇ 12 ⋇
⋇ Yoongi ⋇
Der Rückweg fühlt sich tatsächlich viel kürzer an, als der Hinweg, obwohl wir ziemlich genau die gleiche Zeit benötigen. Ich kann das Klinikgebäude schon in der Ferne erkennen und spüre abermals, wie erdrückend die Mauern auf mich wirken.
Jungkook begleitet mich noch herein, jedoch erst nachdem ich mir noch eine geraucht habe. Er scheint zu ahnen, wie schwer es mir fällt, wieder zurück in diese Klinik zu müssen und bleibt daher die ganze Zeit an meiner Seite.
Der Kerl im Stationszimmer, bei dem wir uns melden sollten, notiert die aktuelle Uhrzeit und teilt uns noch mit, dass wir noch im zeitlichen Rahmen sind. Jungkook ist wie immer sehr freundlich und bedankt sich nochmal, dass sie mir erlaubt haben, wenigstens für ein paar Stunden raus zu gehen.
Ich schätze mal, dass Dr. Kim das auch nur aus dem Grund zugelassen hat, weil er Jungkook kennt und weiß, wie verantwortungsbewusst er ist, sonst hätte ich sicherlich so schnell noch nicht raus gedurft.
Ich bin ja nicht Taehyung, der mit einem wahnsinnigen Enthusiasmus an allen Therapien teilnimmt und sich, wo er nur kann, versucht mit einzubringen.
Im Zimmer angekommen, schnappt Jungkook sich seine Tasche, in der er die Schmutzwäsche eingepackt hat. Ich sitze derweil wieder auf dem Bett und bin einfach froh, wenn das alles hier ein Ende hat und ich wieder raus kann. Das Zimmer scheint jetzt auf einmal noch viel kleiner zu sein, als vorher.
"Sag mir Bescheid, wenn du noch was brauchst", höre ich Jungkook noch sagen.
Ich nicke stumm, weil ich schon wieder mit meinen düsteren Gedanken, und dem dadurch entstandenen beklemmenden Gefühl in meiner Brust, zu kämpfen habe. Der heutige Tag war seit ewigen Zeiten der allerbeste, doch im Kontrast dazu, wirkt diese Klinik einfach noch viel erdrückender.
Mein Selbsthass wird von meinen derzeitigen Gedanken angefacht, als sei es ein Feuer, das geschürt wurde, damit es stärker und gleichmäßiger brennt.
Mein leerer Blick richtet sich gen Boden, ohne Jungkook weiter Beachtung zu schenken. Zu stark lodern die Flammen in mir, lassen mich, für alles andere um mich herum, nahezu taub werden.
"Bis die Tage", sagt Jungkook fröhlich, als er die Tür öffnet. Ich höre am Rande, wie er überrascht inne hält und jemanden zu begrüßen scheint.
Daher hebe ich nun doch meinen Kopf, der bereits wieder von einem schmerzendem Druckgefühl heimgesucht wird, schaue zur Tür und erkenne Taehyung direkt vor Jungkook stehen.
Er scheint genau in dem Moment ins Zimmer gewollt zu haben, als Jungkook die Tür geöffnet hat, denn sie stehen etwas unbeholfen voreinander, ziemlich nah sogar und beim genauen Betrachten kann ich sehen, dass Taehyung diese Situation doch unangenehm ist.
"Oh, Hallo Jungkook. Ihr seid ja auch wieder da", lächelt er verlegen. "Ja, aber ich bin jetzt auch wieder weg", erwidert Jungkook darauf zögerlich. Warum die beiden sich kaum einen Schritt voneinander entfernen, sondern weiterhin verlegen mustern, ist mir ein Rätsel.
"Jimin war bis grade auch noch da. Ich hab ihn grade nach draußen begleitet. Schade, dass ihr ihn verpasst habt. Aber ich hoffe, ihr hattet einen schönen Tag!", kichert Taehyung daraufhin überfordert. "Den hatten wir. Danke", sagt mein bester Freund lieb, ehe er nach rechts ausweicht, um Tae Platz zum rein gehen zu machen, allerdings scheint dieser im selben Moment die gleiche Idee zu haben, da er ebenfalls nach rechts geht. Eine Sekunde später weicht Taehyung daher nach links aus und auch diesmal haben sie die selbe Idee, sodass sie trotz ihren Ausweichversuchen immer noch voreinander stehen.
Ein paar mal geht es hin und her, sehen dabei so aus, als seien sie des anderen Spiegelbild, bis sie lachenderweise aufgeben. "Ich links, du rechts", bestimmt Jungkook.
Endlich schaffen sie es aneinander vorbei, zum Glück, denn viel länger hätte ich dieses Theater nicht mehr ertragen können. Jungkook verabschiedet sich nochmal flüchtig von mir und Taehyung, ehe er endlich aus dem Zimmer geht und die Tür hinter sich schließt.
Von ihrem Eiertanz bin ich erst recht genervt, vor allem, weil ich Jungkooks lüsternen Blick gesehen habe. Nicht, dass ich was dagegen hätte, dass die beiden mehr Zeit miteinander verbringen, immerhin würden sie mich dann grade einfach ignorieren. Aber wenn, sollen sie das bitte woanders machen und nicht direkt vor meinen Augen.
Vor allem nicht, wenn in meinem Kopf wieder diese Stimmen auftauchen, deren gequälte Schreie, mir den Verstand zum ich-weiß-nicht-wievieltem Male rauben.
Kaum ist mein einziger Freund weg, passiert genau das, was ich befürchtet habe. Mein Zimmernachbar kommt zu mir rüber, setzt sich mit wirklich geringem Abstand zu mir aufs Bett und seufzt zufrieden auf. "Jungkook ist wirklich nett!", teilt er mir mit, doch ich reagiere nicht darauf. Ich bin grade viel zu sehr damit beschäftigt, das bisschen Selbstbeherrschung noch aufrechtzuhalten, daher habe ich einfach nicht die Kraft, mich jetzt mit ihm zu unterhalten.
Ich kann die glatten Tasten des Flügels noch immer unter meinen Fingern spüren, sehne mich nach der Stille in meinem Kopf und dem angenehm leeren Gefühl in meinem Inneren, als ich auf ihm gespielt habe.
"Das nächste Mal musst du unbedingt Jimin kennen lernen", kichert mein Zimmernachbar fröhlich und irgendwie geht mir seine Art grade extrem auf die Nerven. Er scheint noch fröhlicher und überdrehter zu sein, als sowieso schon immer und das ist im Augenblick wirklich nicht besonders vorteilhaft.
"Oh, super! Ich kanns kaum erwarten", sage ich daher ironisch, während ich meine Kiefer fest aufeinander presse und mich mit den Fingern in die Matratze kralle. Taehyung scheint die Ironie aus meiner Aussage offensichtlich nicht heraus zu hören, denn er labert einfach ununterbrochen weiter von Jimin und davon, was sie heute gemacht haben.
Echt mal, wenn ich im Moment auf eines verzichten kann, ist es Jimin auch noch um mich herum zu haben. Zumal ich mir vorstellen kann, dass sein Charakter sich nicht so stark von Taehyungs unterscheidet. Immerhin sind sie ja Seelenverwandte, das weiß ich, weil Taehyung mir das grob geschätzt dreihundert Mal unaufgefordert schon erzählt hat.
Vielleicht interessiert es ihn aber auch schlichtweg einfach nicht, dass ich ihm nicht so richtig zuhöre, aber dann erzählt er etwas, was sogar mich hellhörig werden lässt.
"Ich werde in drei Tagen entlassen, meinte Dr. Kim vorhin in der Sitzung. Ist das nicht cool?" Taehyung scheint sich wirklich zu freuen, verständlicherweise. Was würde ich dafür geben, hier einfach zu verschwinden, doch ich weiß, dass es noch einige Zeit dauern kann, bis Dr. Kim auch bei mir davon überzeugt sein wird, mich zu entlassen. Aber wenigstens ist so bald meine stille Einsamkeit wieder hergestellt.
Und dann kann ich Taehyung ein für allemal hinter mich lassen.
⋇
Heute ist wieder so ein Tag, wo ich Taehyung den Hals umdrehen könnte. Die ersten Tage war er ja noch erträglich, doch die Therapie scheint wunderbar bei ihm anzuschlagen und nun redet er ununterbrochen. Die Aussicht auf Entlassung scheint ihren Teil ebenfalls dazu beizutragen.
Er ist wie so ein Duracell-Hase, der einfach nicht still sitzen kann und bei dem ich das Gefühl habe, dass seine Batterie einfach niemals schwach wird. Das ist unmenschlich. Aber ein Ende ist ja glücklicherweise in Sicht.
Nachdem Tae nochmal in Begleitung von Jimin raus durfte, sitzt er nun wieder bei mir und erzählt mir mit glänzenden Augen und, ohne dabei Luft zu holen, was sie heute alles gemacht haben. Es interessiert mich herzlich wenig, doch Taehyung scheint es mal wieder genauso wenig zu interessieren, dass ich ihm gar nicht richtig zuhöre, sondern lieber wieder in meinen Gedanken versinke.
Das einzige, was sich verändert hat, ist, dass seine Nähe mich nicht mehr so wahnsinnig macht. Ich scheine mich langsam einfach daran gewöhnt zu haben, aber was bleibt mir auch anderes übrig? Er legt keinen besonders großen Wert auf körperliche Distanz.
Dass ich ihn zu Beginn versucht habe zu erwürgen, scheint er längst verdrängt zu haben.
Wenn er allerdings weiter so auf mich einredet und das Gefühl eines fast platzenden Kopfes sich noch mehr verstärkt, weiß ich nicht, ob ich ihn nicht doch noch erwürge.
"Naja. Auf jeden Fall war dann da dieser Kerl. Jimin meint, dass der gewaltig mit mir geflirtet hätte. Er ist nicht unbedingt mein Typ, aber irgendwie tut es ja doch gut, dass sich jemand für mich interessiert. Ich weiß, dass ich mich nicht direkt in die nächste Beziehung stürzen sollte und das will ich auch eigentlich gar nicht. Aber weißt du... Ich glaub ich hab mich immer schon schnell in jemanden verliebt." Ich hoffe grade, dass er nun aufhört zu reden, doch er holt nur Luft, um direkt darauf weiter zu sprechen. "Wie ist es bei dir Yoongi? Warst du mal verliebt? Hattest du schon Beziehungen?"
"Seh ich so aus, als wäre ich schon mal verliebt gewesen!?", knurre ich gereizt. Das letzte, wozu ich im Augenblick ein Bedürfnis verspüre, ist, mich mit Taehyung über die Liebe zu unterhalten.
"Aber jeder verliebt sich früher oder später. Ich meine... die Liebe..." "Hört bloß auf mit deiner Scheiß Gefühlsduselei, Taehyung! Echt, ich hab keinen Bock mich mit dir darüber zu unterhalten. Liebe ist scheiße, sie macht einen angreifbar und schwach und irgendwann zerbricht sie einen. Du... solltest das am besten wissen oder muss ich dich erst nochmal daran erinnern, warum du hier bist?", platzt es wütend aus mir heraus, weil ich das Gefühl habe, dass er mich mit seinem pausenlosen Gerede wahnsinnig macht.
Taehyung schweigt. Meine Stimme ist etwas lauter geworden, als ich ursprünglich beabsichtigt habe und eigentlich hat er es auch nicht verdient, so von mir angeschnauzt zu werden. Aber er versteht es nicht anders. Er kapiert nicht, dass ich mich nicht mit ihm darüber unterhalten will und sein pausenlosen Gerede Folter für mich ist.
Ich versuche ruhig zu atmen, um meine Anspannung etwas runter zu fahren, doch als mein Blick zu meinem Nebenmann wandert, packt mich das schlechte Gewissen.
Okay, ich bin ein Idiot.
Taehyungs Augen haben sich mit Tränen gefüllt, er knabbert nervös an seiner Unterlippe und knibbelt am Nagelbett seiner Fingernägel, ich schätze, um sich wieder ein bisschen zu beruhigen. Er hat es nicht verdient, dass ich ihm sowas an den Kopf werfe, aber leider haben die Worte meinen Mund wieder verlassen, ohne, dass ich vorher über die möglichen Folgen nachdenken konnte.
Ich überwinde mich gerade dazu, mich bei ihm zu entschuldigen, da höre ich seine traurig klingende Stimme erneut. "Vielleicht hast du recht, Yoongi. Aber ich bin trotzdem der Meinung, dass es sich lohnt. Die Liebe ist nicht nur schlecht und auch, wenn ich bis jetzt nicht viel Glück hatte, glaube ich daran, dass ich den richtigen noch finden werde."
Seine Worte scheinen nicht nur an mich, sondern auch an ihn selbst gerichtet zu sein, denn kaum hat er die Worte ausgesprochen, legt sich erneut ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen ab.
"Und du wirst auch irgendwann den oder die richtige finden, da bin ich mir ganz sicher", fügt er hinzu. "Wenn du meinst. Können wir dieses Thema dann bitte endlich beenden!?"
Taehyungs eingesunkende Körperhaltung verändert sich, als er sich wieder aufrichtet und mir ein liebevolles Lächeln schenkt. Wie ich diesen Blick hasse!
"Ach Yoongi. Ich werde deine Art wirklich vermissen. Ich weiß nicht, warum, aber ich hab dich echt lieb gewonnen."
Mein Atem stockt, als ich seine Worte höre. Sie lassen mich irgendwie gut fühlen, aber gleichzeitig weiß ich auch, dass es eben alles andere als gut ist! Taehyung ist zu lieb, zu sensibel, und er sollte nicht so über mich denken. Er sollte mich hassen, so wie der Rest der Welt.
"Idiot", knurre ich und hoffe, dass er dadurch einfach wieder verschwindet, doch da spüre ich Taehyungs Arme um mich. Ich will ihn wegdrücken, doch stattdessen sitze ich in einer Starre gefangen dort, als hätte ich einfach verlernt, wie man sich bewegt.
Hoffentlich gehen die letzten zwei Tage schnell rum, damit ich mich nicht länger mit diesen widersprüchlichen Gefühlen auseinander setzen muss.
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Tae verlässt uns bald ;___; oder doch nicht? Was meint ihr?
1968 W
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