046
"Bianca?"
"Komme!"
Ich sammelte die restlichen Wäschestücke die verstreut auf Antonio's Zimmerboden lagen, auf und stopfte sie in dem geflochtenen Wäschekorb hinein.
Mit einem ruck hob ich den schweren Korb der mit Klamotten des ganzen Hauses befüllt war an, und hob mit der Schuhspritze das weiße Hemd welches heraus gerutscht war an und hielt es fest. Ich ging aus dem Raum und sah mich nach Julieta um die schon zu mir hoch kam.
Sie stoppte als sie mich mit dem Korb sah, aber winkte dann doch nur ab.
"Gut, du hast zwar etwas zu tun aber das kann ich auch machen. Gehst du schnell zum Markt und besorgst noch ein paar Dinge? Bald ist Mittag..."
Ich ließ die Schultern hängen und ließ den Korb sinken.
"Julieta, wie oft habe ich dir gesagt das du dich nicht so überarbeiten sollst?"
Fing ich an und nahm ihr den Zettel aus der Hand.
Die Frau seufzte nur und wollte sich schon den Korb schnappen, als ich sie zurück schob.
"Nein, dass lässt du jetzt mal schön bleiben. Ich mache die Wäsche nachher wenn ich wieder komme. Du weißt ja, es kommt so wie so immer noch einer mit einem Kleidungsstück an, wenn ich schon längst weg bin."
"Aber-"
"Nichts aber, meine Güte jetzt sei nicht so störrisch Julieta. Weißt du, wie wäre es wenn du deinem Mann gesellschaft leistest, hm? Der findet nämlich auch das du dich überarbeitest."
Mit diesen Worten gab sie sich endlich geschlagen, und ich schnappte mir den großen Einkaufskorb um mich auf dem Weg zu machen. Die letzten zwei Monate in denen ich hier war, waren für mich die schönsten. Alles schien plötzlich viel leichter zu sein, keine Geheimnisse mehr, keine versteckten Gefühle, keine Sorgen um Gaben oder keine Gaben... es war als wenn sich das Blatt gewendet hatte, und ich endlich nach all den Jahren durchatmen konnte.
Fröhlich summend stieß ich die Tür mit dem Rücken auf und drehte mich dann wieder mit dem Zettel in der anderen Hand um, um zu planen wo ich als erstes hin gehen würde.
Ich schmunzelte als ich die Spanischen Wörter las. Julieta kannte bei dem Thema Sprachen lernen keine Gnade, und schrieb alles ohne Übersetzung auf den Zettel.
'Nur so würde ich wirklich etwas lernen können', hatte sie gesagt. Jetzt wo ich hier blieb, wollte ich umso mehr auch die schöne Sprache wenigstens verstehen können. Dann konnte ich endlich verstehen was Bruno zu mir sagte, denn er nannte mich immer anders.
Mi Amor, Mi Vida...ich wusste die Bedeutung dieser Wörter langsam aber sicher, und fand es immer süß. Nur kam ich mir selber etwas dümmlich vor, ähnliche oder die gleichen Wörter für ihn zu benutzten, da meine Aussprache zu wünschen übrig ließ.
Bruno hingegen fand es unfassbar toll wenn ich versuchte Spanisch zu reden, egal ob es nun normale Wörter, oder besondere waren. So begeistert wie er war ich nicht von mir, meistens fand ich es nur peinlich wenn ich ein Wort falsch aussprach.
Ich konzentrierte mich also um heraus zu finden ob manteca nun Butter oder nicht doch Tomate hieß, als mich jemand von hinten hochhob. Ich zuckte zusammen und sah mich hektisch um, als ich meinen Freund nur lachen hören konnte.
"Hey, seit wann sind wir denn so mutig geworden?"
Fragte ich und drehte den Kopf. Er ließ mich runter und ich drehte mich zu ihn um.
"Jetzt lass mir doch einmal den Sieg..."
Bruno sah verlegen zur Seite. Ich musste lachen und nahm sein Gesicht in beider meiner Hände um ihn auf die Stirn zu küssen.
"Ich bin stolz auf dich, cariño."
Da war es wieder, dass Wort. Bruno fing an zu strahlen.
"Ich bin auch stolz auf dich, Mi Bombón!"
Ich legte nur die Finger an meinem Nasenrücken.
"Nein bin ich nicht, und jetzt muss ich leider gehen Tschüssi!"
Ich hob die Hand und drehte mich um, Bruno jedoch folgte mir und legte die Hände auf meine Schultern.
"Ay, ich kenne dieses Wort ja gar nicht...was wolltest du sagen?"
Er sah gespielt nachdenkend in die Luft und ich stieß nur frustriert die Luft aus.
"Tu nicht so, du willst doch nur das ich wieder Spanisch wie ein Baby rede!"
Ich hörte nur sein Lachen.
"Komm schon, du hörst dich süß an! Außerdem freue ich mich wenn meine Freundin meine Sprache lernen möchte! Das macht nicht jeder weißt du?"
Fing er an.
"Schon vergessen, ich bin auch nicht wie jeder. Du so wie du, wir sind beide bekloppt."
Ich sah ihn von der Seite an.
"Da hast du wohl recht also...was wolltest du nochmal sagen?"
"Argh, man gut das du jetzt etwas weißt, hm? Adios Bruno, Adios!"
Ich legte Daumen, Zeige und Mittelfinger zusammen und wedelte damit vor seiner Nase herum.
"Ahh das meintest du!"
"Du bist ein verdammter Idiot. Aber mein Idiot."
Bruno lachte und begleitete mich zum Markt, obwohl ich ihn sagte das ich auch gut allein das ganze Zeug zurück schleppen konnte. Aber er wollte mir immer helfen, sogar bei der kleinsten Sache. Ich fand es süß.
Als wir wieder zurück gingen, hob ich mein Gesicht in die helle Sonne, die mein Gesicht bestrahlte. Der Wind wehte leicht und bewegte meine Haare. Bald müsste ich mir etwas luftigeres zum Kleiden nähen, denn mein altes rosa Kleid aus London mit den langen Ärmeln und den festen Stoff, ließ so gut wie keine Luft durch.
Als wir so weiter gingen und uns unterhielten, hörte ich hinter mir plötzlich eine Stimme die mir Gänsehaut über den Rücken jagte.
"BIANCA!"
Sofort blieb ich stocksteif stehen, Bruno drehte sich um und sah dann erschrocken zu mir. Ich drehte mich beinahe in Zeitlupe um, als ich sie erkannte.
Die Frau mit den strengen Dutt, und den schwarzen Kleid ohne auch nur ein einziges Muster. Sie starrte mich wütend und empört an, neben ihr stand ein Mann der in etwa meinen Alter war. Dieser trug die Haare streng zurück gekämmt, das Blond wirkte hell und beinahe wie bemalt. Seine kalten blauen Augen sahen mich durchdringend an, und sein widerliches lächeln war hämisch.
"Mama? Was machst du hier?"
Fragte ich empört. Meine Mutter kam auf mich zu und zerrte mich am Arm.
"Du kommst jetzt mit Fräulein! Denkst du wirklich du kannst so leicht abhauen? Du wirst zurück nach Hause kommen, und dich endlich für deine Verlobung vorbereiten."
Sie zeigte auf dem Mann der- wenn er sich nicht zusammenreißen müsste- am liebsten vor Schadenfreude gelacht hätte, so wie ich ihn einschätzte.
"Was nein! Ich werde nicht mitkommen, das kannst du vergessen!"
Ich riss mich los, als der Typ seinen Arm zu mir ausstreckte.
"Sei vernünftig Bianca. Hör auf deiner Mutter."
Ich funkelte ihn wütend an.
"Einen Dreck hast du mir zu sagen!"
Fing ich an, als Bruno sich vor mir stellte.
"Fass sie nicht an! Was denkst du eigentlich wer du bist?"
Fauchte er. Der Blonde sah ihn nur ruhig mit einer abstoßenden Miene an.
"Und wer bist du, hm?"
"Er ist mein Freund, und ein viel besserer Partner als du es jemals sein könntest- nur so zur Info!"
Fügte ich hinzu. Ich kannte ihn noch von meiner Stadt. Er war ständig unterwegs und ließ stets den wohlhabenden, frommen Mann raus hängen- nur weil sein Vater eine große Schule besaß. Das meine Mutter meinte sie müsste mich mit ihn verheiraten, war mir daher nur umso klarer gewesen.
"Wie redest du mit Jonathan, Bianca?!"
Meine Mutter wollte noch mehr sagen, doch Jonathan legte ihr nur die Hand auf die Schulter. Seine braune Weste und das weiße Hemd war teilweise mit goldenen Manchetten oder Knöpfen besudelt.
"Ist schon in Ordnung Miss."
Er wandte sich wieder zu mir.
"Das ist doch nicht dein ernst, dass er dein Partner sein soll."
Sein Blick wanderte abfällig zu Bruno.
"Es ist aber so. Und ich werde nicht zulassen das Sie sie mir einfach weg nehmen, wenn sie es gar nicht will!"
Bruno sah zu meiner Mutter, als Jonathan plötzlich nahe an ihn heran trat.
"Ach und das sagt wer? Du? Tz, dass ich nicht lache du Witzfigur-"
"Sag mal geht's noch oder was?"
Ich schubste ihn zur Seite, bevor die Situation außer Kontrolle geraten konnte.
"Du wirst bestimmt nicht hier bleiben und weiterhin mit diesem Mann und seiner komischen Familie zusammen leben!"
Meine Mutter hob den Arm.
"Du hast mir gar nichts zu sagen, Mutter!"
Ich funkelte sie wutentbrannt an, und trat einen Schritt auf sie zu. Jetzt reichte es mir endgültig. Was fiel ihr eigentlich ein hier einfach her zu kommen und mich wieder mitnehmen zu wollen?
"Ich bin 25, du hast mir gar nichts mehr zu sagen Mutter! Außerdem wie bist du überhaupt hierher gekommen? Woher wusstest du wo ich bin?"
Fragte ich jetzt.
"Ein Pendler kam zum Glück in die Stadt und erzählte überall herum das sich die Frau in der Gastfamilie Madrigal in ein brennendes Haus gestürzt hat!"
Sie machte eine ausschweifende Bewegung und schüttelte nur den Kopf.
"Ehrlich Bianca, was ist nur mit dir los? Du bist ja völlig wahnsinnig geworden seitdem du hier bist. Das liegt bestimmt an der Anwesenheit dieser Familie!"
Sie sah nur zu Bruno, dieser wütend zu ihr schaute.
"Diese Familie ist eine bessere als die du jemals für mich warst!"
Die Wort rutschten mir nur so aus, und ich biss mir auf die Lippen. Jetzt war es draußen. Und wenn ich so darüber nachdachte, stimmte es auch.
Meine Mutter zog nur erschrocken die Luft ein.
"Wie bitte? Du verstößt deine eigene Mutter? Für so welche?-"
"Ja genau Mutter, für so welche!"
Meine Stimme wurde immer lauter, die Bewohner drehten sich zu uns um.
"Du weißt nicht wie es für mich gewesen ist, als du mich ständig zu allem gezwungen hast! Hast du vielleicht auch mal eine Sekunde darüber nachgedacht wie es mir die ganze Zeit ging? Du warst nicht mehr die liebevolle Mutter als ich noch ein Kind war- du wurdest mit jedem Jahr strenger!"
Ich sah sie wütend an. Sie hingegen hatte nur eine gleichgültige Miene aufgesetzt.
"Du brauchtest diese Erziehung. Man sieht ja, dass du nicht alleine klar kommst."
Fassungslos starrte ich sie an und schüttelte den Kopf.
"Nein Mutter. Du bist diejenige die nicht klar kommt. Ich weiß nicht warum du so besessen darauf bist, dass ich diesen Typen da heirate aber das kannst du vergessen. Ich bleibe hier, bei Bruno, bei seiner Familie. Bei meiner Familie. Ich liebe Bruno über alles, genauso wie den Rest seiner Verwandtschaft. Und mir ist egal was du denkst, oder ob du mich nie wieder sehen willst."
Entschlossen ging ich zu Bruno und nahm seine Hand in meiner. Er sah mich nur mitleidig und unentschlossen an.
"Das kann nicht dein ernst sein, Kind. Wenn du jetzt nicht verdammt nochmal mitkommst dann-"
"Lieber setzte ich mich selbst in der Wüste aus, als mit dir mit zu gehen!"
Plötzlich wurde sie still. Ihre Miene zeigte keinerlei Liebe, Enttäuschung oder andere Gefühle die eine Mutter bei ihrem Kind verspüren sollte.
Sie sah mich nur kaltherzig an und drehte sich dann zu Jonathan um.
"Es tut mir leid Jonathan. Sei froh das du so eine nicht als Frau nehmen musst."
Zutiefst verletzt sah ich sie weiterhin streng an, und versuchte mir die tiefen Wunden die sie mir zugefügt hatte, nicht durchschimmern zu lassen.
"Geh."
Sagte ich mit rauer Stimme. Als die zwei mich jedoch nur ansahen, verkrampfte ich meine Hand und wurde lauter.
"Ich sagte Geh! Und komm nie wieder hier her zurück!"
Und jetzt sah sie mich nur ein letztes mal an, und schüttelte bloß den Kopf. Sie drehte sich um, Jonathan folgte ihr und warf mir einen letzten hämischen Blick zu. Am liebsten hätte ich ihn etwas an den Kopf geworfen. Ich fixierte die beiden bis sie nicht mehr als zwei winzige Punkte waren, und ließ mich dann auf die Knie fallen. Bruno kam sofort erschrocken zu mir und setzte sich neben mir.
"Warum ist sie so, Bruno?"
Fragte ich, den Blick immer noch geradeaus gerichtet.
"Warum hasst sie mich so..."
Langsam sah ich zu ihn, seine Brauen waren zusammengezogen, sein Blick mitfühlend.
"Ich weiß es nicht, Mi Amor..."
Er zog mich an sich heran, und ich lehnte meinem Kopf an seiner Brust und ließ den Tränen freien lauf. Plötzlich kam all die verdrängte Trauer die sich in mir gestaut hatte wieder hervor, und ich drückte mich weiter in Bruno's Umarmung hinein. Plötzlich fühlte ich mich leer und allein, obwohl ich wusste das ich es nicht war. Aber sie war nun einmal meine Mutter. Diejenige die mich großgezogen hatte, allein. Diejenige von der ich alles gelernt hatte, die mit mir herum gealbert hatte, die mich immer so herzlich angeschaut hat...
Waren all dies nur noch Schatten der Vergangenheit? Gab es die alte, liebevolle Mutter nicht mehr, sondern nur noch die Griesgrämige, verschlossene Mutter die ihr Kind plötzlich nicht mehr liebte?
Ich spürte wie Bruno mir über den Kopf strich, und mir leise etwas zuflüsterte. Ich konnte ihn jedoch nicht verstehen, da mein schluchzen zu laut war.
"Ich hasse sie..."
Presste ich hervor.
"Ich weiß..."
Er drückte mich fest an sich heran und strich mir über den Rücken, gab mir einen Kuss auf die Haare.
"Schh...es ist okay. Es ist okay...sie hat kein Recht dich noch mehr zum weinen zu bringen."
Mein Schluchzen wurde leiser, bis mir nur noch stumm die Tränen über die Wangen liefen.
Was hatte ich ihr nur getan, dass sie mich so behandelte?
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Ich lass' Bianca auch echt nicht in Ruhe, oder? (˵╹-╹)
Bis zum Nächsten Kapitel ♥♥♥
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