013


Nachdem ich Antonio ins Bett gebracht hatte, war auch für mich Schlafenszeit angesagt. Der Himmel war in einen mystischen blau getaucht, und die magische Kerze die ganz oben in einen kleinen Fenster stand, brannte friedlich vor sich hin.
Ich hatte Bruno eine gute Nacht gewünscht, und war dann mit meinen Märchenbuch zurück in Mirabel's Zimmer gegangen. Sie lag bereits friedlich dort und war schon längst eingeschlafen, während ich überhaupt nicht müde war.
Ich wechselte trotzdem in mein weißes Nachtkleid und hatte mir die Haare zu einem Zopf geflochten. Jetzt lag ich dort und starrte an die Decke.
In dieser Woche wurde mir etwas klar was ich die ganze Zeit über bis jetzt versucht hatte zu verdrängen. Denn ich erwischte mich immer häufiger dabei, dass meine Gedanken stets zu den lieblichen Rattenmann wanderten, auch wenn ich es gar nicht wollte. So langsam glaubte ich wirklich das Camilo und Mirabel recht hatten. 
"Verdammt..."
Plötzlich fing mein Herz an zu rasen und ich bekam etwas Panik.
Ich durfte mich nicht verlieben, nicht in ihn. Ich war doch nur für ein Jahr hier, danach würde ich ihn nie wieder sehen...
Allein der Gedanke daran brach mir das Herz, als ich mich aufsetzte und zum Fenster blickte. Die Holzbretter die ein wenig Licht ins dunkle fallen ließen, schienen so hell das ich aufstand.
"Verdammt warum gerade in ihn?"
Murmelte ich verzweifelt und atmete durch um mich selber zu beruhigen. Okay ganz ruhig bleiben. Liebte ich ihn wirklich oder war es nur eine Schwärmerei? Ich hatte noch nie für jemanden so gefühlt wie für ihn...war es wirklich das was ich glaubte, oder doch nur etwas vergängliches?
All die Gedanken schienen die Wände des Raumes  enger werden zu lassen, sodass ich mit zittrigen und schwitzigen Händen zur Tür lief und aus dem Raum stürmte. Erst als ich draußen stand, die Füße auf dem kalten Steinboden - bekam ich wieder Luft. Leise schloss ich die Tür um Mirabel nicht zu wecken, und sah mich dann in der Dunkelheit um.
Der Mond schien hell und breit über der Casita und tauchte alles in ein silbernes Licht. Ich atmete durch und schlurfte dann in Richtung Treppe.
Die Türen der anderen leuchteten warm und beruhigend in den Schatten, und ließen die kälte des Mondlichtes wie ein Meer wirken.
Ich musste aufpassen nicht zu viele Geräusche zu machen, damit ich Dolores nicht weckte. Ob sie mich trotzdem hörte auch wenn sie tief und fest schlief?
Als ich die ersten zwei Stufen hinunter ging, stockte ich und mein Herz schien für eine Sekunde zu stoppen. Bruno saß weiter unten am ende der Stufen, und sah in den Himmel. Er trug noch die gleichen Klamotten wie auch am Tag, er hatte sich wohl nicht die Mühe gemacht sich umzuziehen. Mein Hals wurde so trocken, dass ich kurz überlegte wieder zurück zu gehen und so zu tun als wäre ich nier hier gewesen, als er sich schon umdrehte als hätte ich ihn gerufen. Als sich unsere Blicke trafen, schien die Zeit stillzustehen. 
Er war der erste der die Stille brach.
"Hey..."
"Hey..."
Wie versteinert blieb ich stehen, bis ich spürte wie die Steine des Bodens meine Haken anhoben. Erst dann ging ich weiter zu ihn.
"Kannst du auch nicht schlafen?"
Fragte ich vorsichtig.
"Nein...aber das ist normal."
Ich schlich die letzten Stufen zu ihn hinunter und blieb dann neben ihn stehen.
"Normal? Hast du öfters Schlafprobleme?"
Ich deutete mit dem Finger auf den Platz neben ihn, und er rückte beiseite. Als ich mich setzte, hielt ich einen Abstand ein der jedoch von Casita zunichte gemacht wurde indem sich die Treppenstufe auf der wir saßen etwas aufbockte, und mich näher an ihn schob.
"Huch..."
Er lächelte nur nervös.
"Ähm ja, ich kann öfters nicht schlafen...liegt wahrscheinlich an die Gedanken."
Ich sah ihn von der Seite an. Seine schwarzen Locken hingen ihn ins Gesicht, und sein Stoppelbart glänzte teilweise Silber.
Seine dunkelgrünen Augen schimmerten im Mondlicht, als ich schon wieder ein kribbeln spürte.
"Also wenn du möchtest, kannst du mir alles erzählen was dich so beschäftigt. Ich werde dich nicht drängen es mir zu sagen- ich will nur das du weißt das ich da sein werde wenn du reden möchtest. Keiner sollte mit seinen Sorgen allein gelassen werden. Wenn man darüber spricht geht es einen gleich besser."
Ich legte die Hände zwischen die Beine um das zittern zu unterdrücken.

Bruno sah mich eine ganze Weile stumm an, und nach einiger Zeit wollte ich ihn schon sagen das es mir leid tat- doch dann fing er an zu reden.
"Möchtest du wirklich meine Geschichte hören? Sie ist nicht so schön wie die aus deinem Märchenbuch, leider..."
"Ganz egal. Erzähl mir alles was du möchtest, ich werde dich nicht verurteilen."
"Okay also...ich weiß nicht wo ich anfangen soll also beginne ich einfach mit dem größten Ereignis..."
Fing er an und spielte mit einen Faden seiner Ruana.
"Ich weiß nicht ob du davon gehört hast, aber unsere Casita ist einmal zusammengebrochen."
Ich nickte.
"Ja, ich habe davon gehört. Das ganze Dorf hat mitgeholfen sie wieder aufzubauen."
"Genau...sie ist aber wegen einer meiner Visionen zusammengebrochen..."
Sein lächeln schwand, und er senkte den Blick wieder.
"Damals an dem Tag an dem sich Mirabel's  Gabe zeigen sollte...hat sie es nicht. Das arme Kind stand vor der Tür und musste mit ansehen wie sich der Zauber zurückgezogen hat...Mama hatte so eine Angst das etwas mit unseren Encanto nicht stimmen würde, und hat mich angefleht in die Zukunft zu schauen. Ich habe ihr den gefallen getan, und...diese Vision war anders als jede die ich sonst hatte. Es gab keinen klaren Weg wie es laufen würde, es war zwiegespalten. Es zeigte Mirabel vor der Casita, auf der einen Seite mit Rissen als wenn sie in sich zusammenfallen würde- doch auf der anderen Seite schien es so als wenn Mirabel dieses Ereignis verhindert hätte. Aber ich wusste was dabei herausgekommen wäre häztte ich es ihnen gesagt. Weil jeder immer von den schlimmsten ausgeht, denn Bruno sagt nur die schlimmen Dinge hervor und diese treffen immer ein- ganz egal ob es noch ein zweites ende geben könnte...!"
Während er erzählte, konnte ich die Wut sehen die sich in ihn aufstaute. Er ballte die Hände zu Fäusten und verkrampfte diese auf seinem Knie- in seinen Augen spiegelten sich Verzweiflung, Wut und Trauer.
Fast Instinktiv legte ich meine Hand auf seiner Faust um ihn zu beruhigen. Er zuckte unter der Berührung zusammen, und sah mich dann mit großen Augen an. Die Wut schien sich plötzlich wieder besänftigt zu haben.
Ich sah ihn nur an.
"Was ist dann passiert?"
Fragte ich ruhig und entschied mich meine Hand auf seinen  Arm zu legen.
"...ich bin gegangen. Ich wollte ihnen nicht sagen was ich gesehen hatte und habe meinen Turm verlassen. Ich bin jedoch nie wirklich gegangen, sondern bin in den Wänden gezogen..."
Ich sah ihn verwundert an, als er zu mir blickte.
Er erzählte mir von den zehn Jahren in denen er allein und abgeschottet gelebt hatte, aber die Familie immer beobachten konnte, durch einen Schlitz in der Wand in der Küche. Er erzählte mir von seinen Ratten, dass er diese Geschichten die wir zusammen aufgeführt hatten- seine Art war mit der Einsamkeit klar zu kommen, wie er sich immer Nachts heraus geschlichen hatte um sich etwas aus der Küche zu holen...wie er immer mit den anderen aß, nur im verborgenen und mit einem aufgemalten Teller, bis hin zu der Heldentat von Mirabel...

"Meine Gabe hat der Familie nicht geholfen...aber- ich liebe meine Familie."
Er lächelte mich traurig an.
"Weißt du, es war immer das gleiche gewesen. Die Leute kamen und waren wütend auf mich, haben gesagt ich würde nur das schlechte hervorsagen, oder sogar heraufbeschwören."
Er sah traurig zu Boden, und plötzlich tat er mir so unfassbar leid das ich ihn an beide Hände nahm auch wenn meine Wangen heiß brannten. 
"Bruno..."
Er sah mit weiten Augen zu mir auf.
"Du hast so ein großes Herz...du bist gegangen um Mirabel zu beschützen und hast es aufgenommen allein zu sein, all die Zeit über. Deine Gabe ist hilfreich gewesen, sie hat Mirabel dazu gebracht etwas zu unternehmen. Auch wenn das Haus zusammengebrochen ist, auch wenn du den Leuten nur gezeigt hast was passieren würde. Die Leute mögen grausames zu dir gesagt haben, dich dafür verantwortlich gemacht haben für etwas wofür du nichts kannst. Und es tut mir so wahnsinnig leid das du all das Erleben musstest. Ich wünschte ich wäre schon früher da gewesen, denn dann hätte ich dir sagen können wie falsch alle lagen. Du magst dir zwar die Schuld geben, dabei kannst du nichts dafür. Egal was du jemals gesehen hast, es war nie deine Schuld. Und wird es auch nie..."
Seine Augen wurden glasig, als ich ihn nur ansah und ihn kurzerhand umarmte.
Er war überrascht und verspannte sich, bevor er dann doch fest zupackte und mich an ihn dran drückte als hätte er schon lange niemanden mehr wirklich in den Arm genommen.
Ich spürte seinen Herzschlag der rasend schnell schlug, so wie meines. Ich genoss seine Wärme, und seine Locken kitzelten meine Wange und Hals. Ich hoffte so sehr ihn irgendwie Trost spenden zu können, denn er hatte es mehr als verdient.
"Du verdienst so viel besseres als das was dir passiert ist..."
Sagte ich jetzt leise neben seinen Ohr.
Eine Weile verging in denen wir einfach nur still dort saßen und uns gegenseitig Trost gaben.
"Du bist echt toll, weißt du das?"
Seine Stimme brach leise, als ich etwas zurück zog um ihn in die Augen sehen zu können.
Eine Träne stahl sich aus seinen linken Auge und rannte seine Wange herunter. Ich wischte sie weg und schob ihn eine Locke aus dem Gesicht.
"Nein...du bist toll. Ich habe noch nie jemanden getroffen der seine Familie so sehr liebt wie du es tust."
Bruno sah mich nur an und wusste nicht was er sagen sollte, aber das brauchte er auch nicht.
"Ich werde dir helfen davon zu heilen. Also wenn du möchtest. Du brauchst das nicht alleine durchzustehen."
Sagte ich und lächelte leicht.
"Würdest du das wirklich tun? Ich will dich nicht mit meinen Problemen-"
"Deine Probleme sind auch meine. Du bist...mir sehr wichtig. Auch wenn das seltsam klingen mag. Aber ich verspreche dir, dass du mich niemals mit etwas belästigen könntest. Niemals, also merk dir das ja?"
Ich stupste ihn auf der Nase und brachte ihn damit zum lachen.
"Ich weiß nicht was ich sagen soll außer...danke."
"Brauchst du auch nicht. Ich bin immer für dich da."
Eine Zeit lang blieben wir beide still, nur der Wind zog an unseren Haaren.
"Mariposa..."
Ich sah zu ihn.
"Was?"
"Dein Spitzname...Mariposa. Ich weiß nicht du erinnerst mich einfach an... einen Schmetterling."
Ich lächelte.
"Das ist ein süßer Spitzname, gefällt mir."
Er lächelte froh. Es war schön ihn wieder etwas froher sehen zu können...
Als wir so da saßen, dachte ich über die Geschichte von Bruno nach. Wahrscheinlich waren all diese Erinnerungen schuld für seine Schlaflosen Nächte. Ich bekam eine Idee und stand auf.
"Komm, lass uns etwas gegen deiner Schlaflosigkeit unternehmen."
Ich hielt ihn die Hand hin, dieser er ergriff. Ich zog ihn hoch und drehte mich um. Zum Glück wusste ich mit was man die Nerven beruhigen konnte...









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Bis zum Nächsten Kapitel ♥♥♥

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