🌊 Kapitel 47 🌊
Yoongi.
Mein Körper fühlte sich unglaublich schwer an, doch gleichzeitig auch so leicht, als würde er lediglich aus Luft bestehen. Zaghaft öffnete ich meine Augen und merkte schnell, dass ich nicht wirklich wach war, denn hier war alles weiß. Neblig weiß.
Ich war mir sicher, immer noch in dem verbotenen Areal zu sein, doch schnell wurde mir klar, dass dies nicht der Fall sein konnte.
Ich spürte ein komisches Kribbeln an meinen Füßen, welches sich unaufhörlich immer weiter hinauf arbeitete. Zwar langsam, doch ich merkte es deutlich.
Gleichzeitig spürte ich einen komischen Druck auf meiner Lunge, weswegen ich nur unglaublich flach atmen konnte. Es war schmerzhaft.
Als meine Hand deswegen in Richtung Brust schnellte, spürte ich eine komische feste Struktur an meinen Fingern. Sie war leicht rau, ähnlich wie Schorf, aber gleichzeitig war da auch etwas sehr weiches. Ich sah deswegen nach unten und erschrak bei dem Bild, welches sich mir bot.
In meiner Brust prangte ein riesiges Loch. Dieses war verkrustet, aber nicht mit Blut, sondern einer weißen Substanz, die immer wieder kleine Nebelschwaden bildete. Ich tastet noch etwas weiter.
Von dem verkrusteten Loch gingen weiße Striche ab, die aussahen wie ziemlich scharfkantige Adern. Sie schmerzten, wenn ich sie berührte. Es war ein komisches Gefühl, wenn ich ehrlich war.
Plötzlich wurde das Kribbeln stärker. Ich sah verwundert zu meinen Füßen, als ich erschrocken aufschrie. „Was zur Hölle!?" Goldenes, fast schon spielerisch glitzerndes, Licht tanzte um meine Beine herum.
Doch das war nicht der alleinige Grund, der mich schreien ließ, sondern der Fakt, dass meine Beine sich auflösten.
„Ich sterbe", hauchte ich erstaunt.
Wie? Aber das sollte doch garnicht mein Schicksal sein. Hatte es Jonghun wirklich geschafft mein Schicksal soweit zu verändern, dass er an der Macht blieb?
Traurig musste ich mit ansehen, wie sich mein Bauch langsam auflöste und sich dem Gewülst immer weiter näherte.
Im nächsten Moment musste ich plötzlich Husten, ziemlich stark sogar. Immer wieder hustete ich, bis plötzlich Nebel aus meinem Mund kam. Ich hustete tatsächlich Nebel.
Während des Hustens verwandelte sich das Kribbeln in ein schmerzhaftes Brennen, weswegen ich immer wieder vor Schmerzen auf zischte.
Irgendwann leuchtete ich nur noch und sah nach unten. Es sah so aus, als ob der Nebel das goldenen Licht davon abhielt mich weiter aufzunehmen. „Was?"
Ich verstand rein gar nichts mehr. Ein alles einnehmender Schmerz peitschte durch meinen gesamten Körper, weswegen ich erneut aufschrie, diesmal noch lauter und gequälter. Schlagartig wurde mir bewusst, dass meine Beine wieder erschienen waren. Erschrocken besah ich mich ihrer und merkte schon, wie das Licht erneut damit beginnen wollte, mich aufzulösen.
Just in diesem Moment schoss ein weiterer, blitzartiger Schmerz durch mich durch, weswegen ich wieder aufschrie. Ich sah, wie die weißen, aderähnlichen Linien sich immer weiter ausbreiteten und mir dieser Prozess anscheinend diese Schmerzen bereitete.
Ich fiel auf die Seite, krümmte mich wimmernd in dem nicht auszuhaltenden Schmerz hinein, während meiner Kehle gequältes Stöhnen entwich.
Es sollte einfach aufhören. Ich löste mich lieber auf und starb noch an Ort und Stelle, als diese Schmerzen weiter zu durchleiden.
Durch meine zu gepressten Augen sah ich plötzlich einen goldenen Schleier. Erschrocken riss ich meine Augen auf und erkannte unscharf eine Person vor mir, beziehungsweise die Umrisse einer Person.
Sie sprach nicht, sondern blickte nur freundlich auf mich herab und reichte mir die Hand. Ich wollte sie entgegen nehmen, doch wieder fuhr eine neue Schmerzenswelle durch mich.
„Komisch. Wieso will der Nebel dich nicht gehen lassen? Der Nebel bedeutet einem Jeden den Tod, doch dich rettet er. Nur verstehe ich das nicht. Was ist an dir besonders, dass er dir als Strafe solch Höllenqualen aufbürdet und dennoch nicht ziehen lässt?" Obwohl der Schemen keinen Mund besaß, nahm ich seine außergewöhnlich tiefe Stimme sehr genau war.
„Sag mir deinen Namen. Vielleicht kann ich dir helfen."
„Yoongi. Min Yoongi", presste ich keuchend hervor, ehe ich entkräftet wieder meine Augen zufallen ließ.
„Unmöglich. Du wagst es, dich als das amtierende heilige Etwas auszugeben? Welch irrsinnige Frechheit bringt dich dazu!?"
"Aber... das ist die Wahrheit!", versuchte ich ihn zu überzeugen, denn öffentlichlich wollte er mir keinen Glauben schenken. Warum auch immer er der Überzeugung war, dass ich nicht ich sein konnte.
"Das heilige Etwas sitzt in seinem Schloss auf seinem Thron, so wie es sein sollte und wie es vom Schicksal festgeschrieben steht!", sagte der Schemen und ging etwas auf mich zu. „Außerdem ist es unmöglich, dass jemand wie er sich an diesem Ort befindet, um zu Sterben. Er ist der bislang reinste und stärkste aller. Seine Amtszeit wird die aller übersteigen."
„Bitte nicht", keuchte ich genervt bei der Vorstellung, dass mein Leben Jahrhundertelang so weiterging, wie bisher. Das erste Mal in meinem Leben sehnte ich mich nach dem langweiligen Dasein, dass ich bislang geführt hatte. „Mir geht das ganze Engelsding ja jetzt schon auf den Geist."
„Und daran erkennt man, dass du nicht von Jophiel abstammen kannst. Du bist zu genervt dafür und siehst darin nicht die Verantwortung, die eine solche Regentschaft mit sich bringt. Du hast keinen Blick für die schönen Dinge im Leben, so wie es Jophiel einst tat."
Der Schemen hockte sich vor mich hin, und sah mich an, wenn man es denn so bezeichnen konnte. Denn seine Augen waren praktisch nur weiße Löcher, als wären sie ein nicht vollendetes Gemälde. Es sah skurril und angsteinflösend aus.
Stille kehrte ein. Sie wirkte beinahe beruhigend auf mich, wenn da nicht diese Schmerzen gewesen wären. Der Schemen beugte sich noch etwas näher zu mir hinunter, musterte mich anscheinend eingehend, ehe seine auffällig dunkle Stimme erneut erklang.
„Weißt du eigentlich das Jophiels Tod erst vor rund 30 Jahren war?"
Ich hatte keine Ahnung, was das hier alles sollte. Ich hatte grade definitiv andere Probleme, als mich mit dieser skurrilen Gestalt zu unterhalten. Meine Antwort war daher etwas flapsiger, als beabsichtigt, doch das konnte ich ja schon immer gut.
„Naja, Sinn ergibt es. Meine Ma ist schließlich auch nur etwas über 30."
Endlich ließen die Schmerzen ein klein wenig nach und wichen einem merkwürdig leichten Gefühl.
Atmen tat ich mittlerweile nur noch Rauch, aber dafür röchelte ich nicht mehr. Wenn ich meine Hand so begutachtete, so sahen diese aus, als ob die weißen Adern mittlerweile geplatzt wären. Meine ganze Haut war an den Stellen, wo vorher die weißen aderartigen Linien waren, nun mit weißen Flecken besprenkelt, die sich immer weiter ausbreiteten.
„Jophiel ging damals auf die Erde, um Maria zu heiraten und eine Familie mit ihr zu gründen. Das ist ein schweres Vergehen, die engelhafte Rasse mit der irdischen zu vermischen. Praktisch Hochverrat. Doch Jophiel liebte Maria und Maria Jophiel." Der Schemen stand wieder auf und blickte nachdenklich in die weiße Ferne. „Man brauchte seine Seele, immerhin war er ein Erzengel. Also nahm man ihm das, was ihn auf der Erde hielt. Marias Liebe."
Nun packte mich doch die Neugierde. Ich wollte wissen, was es damit auf sich hatte, schließlich hing es hier um die Geschichte meiner Familie, über die ich bislang nur bruchstückhaft Details wusste. „Man nahm Maria die Liebe?", fragte ich daher den, aus goldenen Staub bestehenden, Schemen an.
„Ja. Die einzige Liebe, die sie noch empfand, war die zu ihrer Tochter, Areum. Eine kleine Schönheit, doch sie lehnte es ab in den Himmel zu kommen, um den Platz ihres Vaters einzunehmen. Sie wollte nicht bei den Kreaturen leben, die ihren Vater in den Selbstmord und ihre Mutter in die Kälte geschickt hatten."
Wenn ich die Geschichte meiner Oma so betrachtete, tat sie mir leid. Sie konnte gar nichts dafür, alles zu hassen. Es war das einzige, was ihr geblieben war. Alles andere hatte man ihr genommen. Ihren Mann, ihre Liebe, ihre Tochter und ihre Zuversicht. Und vielleicht wusste sie, welchen Weg das Schicksal für mich bereithielt und hatte mich deswegen immer so sehr abgelehnt.
„Wer bist du eigentlich?", fragte ich nach, als mir auffiel, dass ich nichtmal wusste, wer er war. Er schien sich gut auszukennen und viele Informationen zu besitzen, zumindest was das anging. Über die aktuellen Ereignisse, also die Auseinandersetzung zwischen Jonghun und mir, schien er nicht viel zu wissen, denn sonst hätte er sich nicht geweigert zu glauben, dass ich Yoongi bin.
„Ich?", fragte er irritiert und schien kurz zu überlegen, ob er mir darauf antworten sollte. "Ich bin nur einer von acht Wächtern, der das Licht der Quelle bewacht und jede Seele in ihre neue Heimat führt."
Also gab es noch sieben weitere von ihnen. Großartig...
"Aber dann verstehe ich endlich, warum meine Oma so verbittert ist", kam ich wieder auf das ursprüngliche Thema zurück, weshalb der Schemen nachfragte, was ich meinte. "Naja, meine Oma hat mich immer gehasst. Aber jetzt verstehe ich es."
Ich erklärte ihm, was es damit auf sich hatte und, dass meine Oma Maria war, von der er gerade gesprochen hatte.
"Also bist du es wirklich? Sag, warum sitzt du nicht auf deinem Posten als heiliges Etwas, sondern bist hier im Licht der Quelle gefangen?" Ich erklärte, was Jonghun getan hatte und endlich schien auch die Gestalt vor mir, mir zu glauben.
„Dann will ich dich nicht länger aufhalten, immerhin hast du noch etwas dringendes zu erledigen. Aber denk dran, der Nebel ist gefährlich für jeden, der ihn nicht beherrscht! Doch du bist sein neuer Herrscher, also herrsche auch. Ich will dich nicht so schnell wiedersehen, Min Yoongi. Immerhin ist deine Zeit noch lange nicht gekommen." Damit drehte er sich um und verschwand in einem gleißend goldenen Licht.
Erschrocken wollte ich noch nach ihm rufen, doch schlug ich plötzlich die Augen auf und setzte mich hustend auf. Irgendwie schaffte ich es, mich aus dem kleinen Becken, in dem ich mich befand zu hieven und hustete mir den Leib aus der Seele.
Die goldenen, schimmernden Tropfen liefen an mir hoch zu meiner Brust, in der immer noch das kleiner gewordene Loch prangte. Langsam schloss sich dieses und ich konnte aufhören zu Husten. Erst langsam nahm ich war, dass niemand mehr in meiner Nähe war. Tatsächlich war ich hier alleine.
Aber wo war ich eigentlich? Jetzt erst erkannte ich das mit Licht gefüllte Becken unter mir, als säße ich inmitten eines Brunnen. War das die Quelle? Oder nur das, was mein Hirn sich gerade in meiner Bewusstlosigkeit zusammen dachte? Und wo waren die anderen?
Wo war Jimin?
Langsam richtete ich mich auf und ließ meine Flügel erscheinen. Anscheinend musste ich fliegen, um die anderen zu finden, denn unter mir befand sich rein gar nichts. Nichts. Nur dieser Brunnen, oder Quelle, oder was auch immer inmitten eines unendlichen Nichts.
Wenn ich die anderen wieder sehen wollte, musste ich wieder zu Bewusstsein kommen. Und dafür musste ich von diesem Ort weg.
Aus dem Grund tat ich das einzige, was mir in dieser Situation einfiel. Ich schwang mich mit Hilfe meiner gigantischen Flügel in die Lüfte.
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