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PoV. Hyunjin
Inzwischen sitze ich wieder Zuhause auf meiner Couch. Ich habe die Blumen, die noch in Chans Vase stehen, hinter mich auf die Fensterbank gestellt, wo ich sie nicht sehen muss, doch es ist, als hätte sich ihr Bild auf die Innenseite meiner Schädelplatte eingebrannt.
Auch wenn ich sie nicht sehen kann, kann ich nie vergessen, dass sie da sind. Genauso wenig, wie ich vergessen kann, für wen sie eigentlich bestimmt sind.
Obwohl es das ist, was ich mir am meisten wünsche.
Wenn ich Jisung nur einfach so vergessen könnte. Aber wie soll ich das tun? Er hat schon alle meine Mauern überwunden und jetzt verhindern sie nur noch, dass er wieder herauskommt. So kann ich ihn nicht vergessen.
Und ein Teil von mir wehrt sich auch weiterhin krampfhaft es zu versuchen. Der Teil von mir, dem nie etwas gleichgültig ist. Der Teil von mir, der Jisung mit jeder Sekunde mehr zu lieben scheint. Der Teil von mir, der einfach nicht aufhören kann zu träumen.
Diese Blumen sollten nicht hier stehen. Sie sollten bei Jisung sein. Sie sind die Verbindung zu ihm, die ich nicht mehr will, die Dornenranke, an die ich mich klammere. Was tut wohl mehr weh? Festzuhalten oder loszulassen?
Chan hat gesagt, ich solle nicht aufgeben.
Aber wie oft kann ich es noch tun? Wie oft soll ich mich noch mit Jisung streiten? Wie viel mehr kann ich ertragen? Wie viel mehr kann Jisung ertragen?
Die Fragen ersticken mich und unwillkürlich presse ich die Hände auf meinen Kopf, damit es aufhört. Aber es hört nicht auf. Es wird nie aufhören.
Nicht, wenn ich nicht loslasse.
Frustriert drehe ich mich um und sehe die Blumen jetzt doch noch an. Der Tag bisher ist eine einzige Katastrophe gewesen. Wenn ich es jetzt noch mache, muss ich immerhin keinen anderen Tag mehr dafür ruinieren.
Aber ich muss mich erst einmal sammeln. Dieses Mal werde ich es anders machen. Es bringt nichts, wenn ich wieder und wieder versuche mich zu entschuldigen. Sobald ich den Mund aufmache, entsteht wieder Streit. Das kann ich nicht noch einmal zulassen.
Ich muss etwas anderes machen.
In Ermangelung einer besseren Idee schnappe ich mir ein Papier. Eine Notiz in den Strauß zu legen wird hoffentlich nur halb so schwer, wie die Worte wirklich auszusprechen. Doch als ich auf das Blatt starre, ist mein Kopf wie leergefegt. Ich habe so viele Sachen, die ich ihm sagen will, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Oder wie.
Schließlich fange ich einfach mit dem an, was ich sagen will, was ich schon die ganze Zeit sagen wollte.
Es tut mir leid.
Alles was passiert ist tut mir leid. Ich wünschte es gäbe einen Weg alles rückgängig zu machen. Aber das kann ich nicht. Ich kann nur ändern, was ich in der Zukunft tue.
Ich habe mich von Minho getrennt, um dir zu zeigen, dass ich mich geändert habe, um dir zu zeigen, dass ich jetzt verstehe was du meinst, wenn du über Liebe redest. Ich glaube, ich brauchte dich, um es zu verstehen.
Es tut mir leid, dass ich immer so verletzende Sachen sage. Nicht nur heute sondern alles was ich gesagt habe, seit wir uns kennen. Ich werde an mir arbeiten, damit es nicht wieder passiert.
Ich hoffe, du kannst meine Entschuldigung annehmen...
Ich zögere. So gerne würde ich noch einen Satz, einen letzten Satz hinzufügen. Ihm sagen, wie ich fühle. Aber ich kann nicht. Ich habe zu große Angst.
Und so falte ich den Zettel zusammen und stopfe ihn unter die Blumen. Ich habe schon genug Glück, wenn er ihn findet und die Blumen nicht einfach wegschmeißt.
Nervös mache ich mich auf den Weg zur Tür. Wahrscheinlich erlebe ich gleich den dritten Streit des Tages. Aber hey, aller guten Dinge sind drei!
Ich mache die Tür auf und trete fast in einen Rosenstrauß.
Einen absurden Moment lang denke ich, jemand will mir einen schlechten Streich spielen. Dann erkenne ich die Rosen. Es sind genau dieselben, die Jisung für mich gekauft hat, da bin ich mir sicher. Etwas verwirrt stelle ich meinen eigenen Blumenstrauß beiseite und hocke mich hin. Mein Herz klopft wie wild, als ich den Blumenstrauß in die Hand nehme.
Es ist eindeutig der von Jisung. Hat er ihn für mich hier abgelegt? Nachdem wir uns gestritten haben? Als ich angekommen bin, war er noch nicht da, also muss Jisung ihn irgendwann in der letzten Stunde hingelegt haben. In der letzten Stunde...
Ich sehe auf die Uhr. Es ist eigentlich zu spät, um noch loszugehen, aber... Erneut sehe ich den Blumenstrauß an. Wenn Jisung ihn hierher gebracht hat, dann gibt es noch Hoffnung, oder? Vielleicht ist er immer noch bereit sich mit zu versöhnen...
Entschlossen richte ich mich auf und will den Blumenstrauß hereinbringen, als mir die Karte auffällt, die zwischen den Rosenblüten steckt. Jisung hat mir eine Karte geschrieben? Allein der Gedanke daran, lässt meinen Magen einen Purzelbaum schlagen.
Vorsichtig ziehe ich die Karte heraus und lege den Rosenstrauß zur Seite. Meine Aufregung wächst. Was hat er da rein geschrieben?
Meine Hand zögert die Karte aufzuschlagen. Wenn er nun in seiner Wut einfach nur einen Hassbrief geschrieben hat, um es mir heimzuzahlen? Ich könnte es ihm nicht übel nahmen, aber... ich weiß nicht, ob ich das verkraften würde.
Andererseits, ich habe es sowieso nicht anders verdient. Wenn Jisung mich hasst, soll er es mich doch wissen lassen. Vielleicht verstehe ich es dann.
'Jetzt sei kein Feigling, Hyunjin.' Wenn ich es nicht lese, werde ich es nie wissen. Also schlage ich die Karte auf und lese.
Und ich lese es noch einmal.
Und noch einmal.
Ich kann nicht glauben, was da steht.
Mein Herz klopft so schnell wie noch nie zuvor und ich habe das Gefühl unter Strom zu stehen. Jisung liebt mich? Mich?
Er muss vollkommen irre sein! Ein Lachen steigt in mir auf. Ich kann es nicht fassen! Jisung liebt mich. Ich lese die Worte noch einmal, wieder und wieder, doch sie ändern sich nicht. Es steht hier wirklich.
Sofort ist jeglicher Zweifel, jegliche Sorge ausgelöscht. Jetzt zählt nur noch eines: Ich muss zu Jisung. Sofort.
Meine Blumen schnappe ich gerade noch und stoße dabei fast Chans Vase um, doch das kümmert mich nicht. Ich kann es nicht erwarten, zu Jisung zu kommen!
Das Taxi ist mir viel, viel zu langsam, ich kann die ganze Fahrt über nicht stillhalten. Was soll ich Jisung sagen? Soll ich ihm die Blumen erst überreichen und es ihm dann sagen? Was wenn wir uns wieder streiten?
Ich schüttelte den Kopf. Nein, noch einmal lasse ich es nicht zu. Wir haben heute oft genug gestritten. Wenn Jisung mich wirklich mag... Ein idiotisches Lächeln zerrt an meinen Lippen. Himmel, warum bin ich auf einmal so glücklich? Wer hätte gedacht, dass heute noch so ein guter Tag werden würde...
Endlich komme ich an. Ich gebe dem Taxifahrer das Geld, dann stürme ich auch schon zu dem Gebäude, in dem Jisung sein Apartment hat. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so wenig darum gekümmert, dass andere Leute mich anstarren, während ich mit meinem Blumenstrauß durch die Gänge eile.
Ich habe keinen Plan, nicht den Hauch einer Ahnung, was ich tun soll, wenn ich Jisung sehe, aber das ist mir egal. Hauptsache ich kann zu ihm.
Ich biege in den Gang ein, in dem Jisung sein Apartment hat und sehe ihn, wie er gerade durch die Tür gehen will. "Jisung!", schreie ich so laut ich kann und laufe die letzten Schritte zu ihm. Erst wenige Zentimeter vor ihm bleibe ich stehen.
Erschrocken sieht er erst zu mir hoch, dann zu den Blumen in meiner Hand und dann zu Boden. "Ha-hallo Hyunjin...", murmelt er.
Schwer atmend suche ich seinen Blick. "Jisung... meintest du... was du auf die Karte geschrieben hast. War das dein Ernst?", frage ich leise und versuche die aufkommende Panik zu unterdrücken.
Was wenn das der Scherz war? Bin ich zu dumm dafür, dass ich das geglaubt habe? Was wenn-?
Jisung nickt. "Ja..." Er hört sich an, als würde er am liebsten im Erdboden versinken, doch das kümmert mich nicht. Mich kümmert in diesem Moment gar nichts mehr, außer die Tatsache, dass es wahr ist, dass Han Jisung mich liebt, dass er meine Gefühle erwidert!
Alle Worte sind vergessen, alles was ich hätte sagen können, was ich hätte sagen wollen, ist unwichtig und so tue ich das einzige, was mir in diesem Moment noch einfällt:
Ich drücke meine Lippen auf seine.
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