04
PoV. Hyunjin
Als wir endlich aussteigen, weiß ich schon, dass es eine lange Nacht werden wird. Noch einmal überlege ich ernsthaft, einfach abzuhauen und mir ein Zimmer zu mieten. Jetzt wäre die letzte Gelegenheit dafür.
Jisung, der schon vorgegangen ist, bleibt stehen und dreht sich zu mir um. "Kommst du jetzt?", fragt er, mit nur mühsam verhohlener Wut. Ich schenke ihm ein süffisantes Lächeln und setze mich in Bewegung. "Beruhig dich. Ich bringe dich schon nicht um deinen wertvollen Schönheitsschlaf.", erwidere ich bissig. Zu meiner Zufriedenheit erwidert Jisung dazu nichts mehr, sondern folgt einfach Chan in das Gebäude.
Fast alles sieht hier genauso aus, wie in meinem Appartement-Komplex. Die Gänge sind alle einfach gehalten, mit hellgrauen Wänden und Gummiböden. Immer wieder liegen Türen an den Seiten, die Sorgfältig mit den zugehörigen Nummern beschriftet sind. Chan trennt sich bald von uns. Ohne ihn wird Jisungs Haltung deutlich zurückhaltender, weswegen ich mir ein weiteres Lächeln gestatte. Klar, wenn sein Chan weg ist, dann zieht er den Schwanz ein.
Schließlich bleibt Jisung vor einer Tür stehen und kramt seinen Schlüssel heraus. Seine Miene ist bitter, doch er sagt nichts, als er mir die Tür aufhält. Wirklich? Jetzt macht er einen auf höflich? Denkt er, damit wird diese Nacht irgendwie angenehmer für einen von uns? Nein danke. Wir können uns von mir aus schön weiter ignorieren. Und deswegen trete ich ein, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.
Kaum habe ich jedoch einen Fuß über die Schwelle gesetzte, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Selbst die Einrichtung des Appartements ist ziemlich ähnlich zu meiner, nur hier und da hat Jisung ein paar persönliche Möbel hinzugefügt, was bei mir vollkommen fehlt. Das ist es jedoch nicht was mich entsetzt. Was mich entsetzt ist die Unordnung. Auf der Couch liegen Wolldecken, wahllos zusammengeknüllt, eine hängt halb auf dem Boden. Der Wohnzimmertisch ist überladen mit Kopfhörern, Heften und was weiß ich, was sonst noch. Einige Kleider liegen achtlos hingeworfen auf einem Stuhl in der Ecke, vor dem Fernseher türmen sich Computerspiele und CDs auf dem Boden.
Ich schaudere. Jisung kommt hinter mir herein, er scheint das Chaos gar nicht zu bemerken. Sorglos zieht er die Schuhe aus und schubst sie in eine Ecke. "Wow.", sage ich nur und bleibe angewidert stehen. "Du hast nicht nur schlechten Geschmack, du bist auch ein richtiger Chaot." Ich rümpfe die Nase und versuche mich nicht weiter umzusehen. Bei mir ist es immer ordentlich. Ich kann mich nicht entspannen, wenn auch nur die kleinste Unordnung herrscht, deswegen räume ich selbst spät nachts noch auf, wenn ich todmüde bin. Es ist schon fast zwanghaft.
Und jetzt soll ich in diesem Saustall hier schlafen?
Jisung hat meine Bemerkung ignoriert und geht zu einer Tür, auf meiner linken. "Hier ist das Schlafzimmer.", sagt er mit ausdrucksloser Stimme. Ich habe schon fast Angst hineinzugehen, aber ich reiße mich zusammen. Betont sorgfältig ziehe ich die Schuhe aus und stelle sie neben die Tür, ehe ich ihm folge. Was mir zuerst auffällt ist, dass es hier immerhin nicht ganz so chaotisch ist, was jedoch auch einfach daran liegen könnte, dass das Zimmer kleiner ist. Das einzige, was mich stört sind die Klamotten die achtlos auf der Couch verteilt liegen.
Das zweite was mir auffällt ist, dass Jisungs Bett, das einzige im Raum ist. Mit einem Schulterzucken setze ich mich darauf und stelle meine Tasche neben mir auf den Boden. Jisung kommt hinter mir herein und fängt an seine Sachen von der Couch zu sammeln. "Ach, jetzt fällt dir auch mal ein, dass du aufräumen sollst.", murmele ich leise. Lauter sage ich: "Du kannst mich jetzt auch einfach in Ruhe lassen. Tschüss. Gute Nacht!" Ich muss mir nicht einmal Mühe geben, das sarkastisch klingen zu lassen. Jisung hält kurz inne und ich sehe, wie seine Kieferknochen sich anspannen, dann schüttelt er den Kopf und bringt die Kleider zu dem Schrank der an der Wand am Fußende des Bettes steht.
"Du schläfst nicht auf dem Bett.", sagt er schlicht und dreht sich wieder zu mir um. Ich starre ihn an. "Was?" Er geht zur Couch und klappt sie auf, sodass sie sich in etwas verwandelt, was entfernt an ein Bett erinnern. "Du schläfst hier."
Ich kann ein leises Lachen nicht unterdrücken. "Ja, klar.", schnaube ich und schüttele den Kopf. Der hat vielleicht Nerven. "Das kannst du vergessen. Schlaf du doch da.", sage ich nur und lege mich aufs Bett. Dass ich auf der Couch schlafe kann er vergessen. Schon schlimm genug, dass ich mir ein Zimmer mit ihm teilen muss! Der Tag war lang, da brauche ich morgen nicht noch einen steifen Nacken. Jisung jedoch, lässt nicht locker.
"Das ist mein Bett. Geh da runter.", sagt er unnachgiebig. Ich sehe ihn gelangweilt an und gähne. "Du bist der Gastgeber, solltest du mich nicht besser behandeln?", frage ich und siehe ihn mit hochgezogener Augenbraue an. Es amüsiert mich, dass Jisung sich wirklich Mühe zu geben scheint, das Ganze schmerzlos hinter sich zu bringen. Das wird nicht funktionieren Kleiner. Wir beide können uns nun mal nicht ausstehen. Komm damit klar. Jisung scheint langsam die Geduld auszugehen. "Laber keinen Scheiß' Hyunjin. Wir haben beide keinen Bock auf das hier. Also beweg dich von meinem Bett runter."
Langsam richte ich mich auf. Der Tag war schon lang genug und ich hasse es, mich jetzt auch noch mit Jisung rumschlagen zu müssen. "Nein. Im Gegensatz zu dir, bin ich beschäftigt. Es ist nicht meine Schuld, dass ich hier schlafen muss, glaub mir ich habe mir das nicht ausgesucht!", fauche ich abschätzig. Jisungs Gesichtsausdruck verdunkelt sich. "Ist mir egal", sagt er und seine Stimme wird lauter. "Es ist mein Appartement und mein Bett, also beweg deinen faulen Arsch auf die Schlafcouch!"
Ich bin mit meiner Geduld am Ende. "Faul? Ich habe den ganzen Tag damit verbracht dieses verdammte Musikvideo zu filmen und du nennst mich faul?" Ich stehe auf und gehe auf ihn zu. Mir egal, dass das sein Appartement ist, mir egal, dass ich vermutlich kein Recht habe ihn anzuschreien. Ich bin müde und er soll mich verdammt nochmal in Ruhe lassen!
Jisung ist offenbar zu wütend, um vor mir zurückzuweichen. "Du musst doch nur vor der Kamera stehen und gut aussehen! Weißt du es gibt Leute wie mich, die ihre Songs selber produzieren. Da steckt immerhin mehr hinter, als nur Make-Up und Haarspray!", knurrt er. Ich verziehe mein Gesicht zu einer höhnischen Grimasse. "Was bringt es, die Songs selber zu produzieren, wenn dann nur so eine Scheiße wie eben rauskommt? Den ganzen Tag faulenzt du in deinem Studio und bastelst an deinen kindischen Liedchen, ich weiß nicht, warum man dich überhaupt noch in der Company behält."
Offenbar habe ich einen Nerv getroffen, denn Jisungs Blick wird mörderisch. "Immerhin wissen meine Fans, dass ich nicht einfach nur nachplappere, was mir JYPE vorgibt! Du bist ein richtiges Schoßhündchen dieser Company, weißt du das?!", schreit er. Wie von selbst mache ich einen Schritt auf ihn zu, vielleicht um ihn zu schlagen, ich weiß es noch nicht. Meine Hand zuckt erwartungsvoll, angefeuert durch den siedend heißen Zorn, der mich bei Jisungs Worten überfällt. Ein Schoßhündchen der Company?
Vielleicht hätte ich ihn wirklich geschlagen, doch im letzten Moment weicht er zurück. Ein falsches Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, eines von denen, die mehr eine Drohung sind, als etwa anderes. Wenn er mich noch einmal so nennt, das soll er wissen, werde ich mich nicht mehr zurückhalten.
"Nenn mich nie wieder so.", flüsterte ich. "Sieh der Wahrheit in die Augen Jisung. Du wirst nie ein richtiger Producer sein. Niemand kann diesen Scheiß den du produzierts Musik nennen."
"Vielleicht ist es Zeit, dass du der Wahrheit ins Auge siehst!", schreit Jisung zurück und funkelt mich an, seine Hände zu Fäusten geballt. "Ich bin schon ein richtiger Producer und die Leute mögen meine Musik! Immerhin wissen sie, dass dahinter richtige Arbeit steckt und nicht nur ein aufgeblasener Fiesling voller heißer Luft!"
Ich kann mich nicht zurückhalten, ich fange schallend an zu lachen. "Das ist es was du glaubst?", frage ich ihn lachend. Seine Beleidigung ignoriere ich, es interessiert mich nicht, was er von mir hält. Mit einem gemeinen Grinsen sehe ich ihn an. "Du glaubst die Leute mögen dich? Oder besser gesagt: Du glaubst die Leute mögen deine Musik?" Ich schüttele den Kopf. "Ich hätte nicht gedacht, dass du so naiv bist Jisung. Es gib vielleicht ein paar Idioten da draußen, die deinen Müll wirklich mögen, aber wenn du so weitermachst, wird dich doch nie jemand ernst nehmen. Du kannst es nun einmal nicht, also gib auf und werde dir klar, was die Realität ist. Hör auf zu träumen!"
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