02

PoV. Hyunjin

Die lauten Schritte von unzähligen Leuten schallen von den Wänden der Halle wieder, durcheinander, ohne Rhythmus, laut. Der Direktor schreit Anweisungen, fast sanft poltert eine Kamera über die Schienen.

Ich schließe die Tür und atme auf. Stille. Endlich.

Der Raum ist groß, lächerlich groß, dafür dass er nur als Abstellraum benutzt wird. Mit einem leisen Seufzen lasse ich mich auf einen Stuhl fallen und hole meine Tasche unter dem Tisch hervor. Mit betonter Ruhe hole ich mein Schminkset heraus, stelle einen kleinen Spiegel vor mich auf den Tisch. Ich sehe müde aus. Wie erbärmlich.

Mein Atem geht langsam und ruhig, während ich mein Make-Up auffrische. Natürlich ist das eigentlich nicht nötig, die Make-Up Artisten haben ganze Arbeit geleistet, aber es beruhigt mich, diese paar Minuten in denen ich mich ganz auf mich selbst konzentrieren kann, ohne, dass jemand anders mir im Nacken hängt.

Außer dem leisen Klicken meines Lippenstifts als ich ihn öffne, ist nichts zu hören. Das ist etwas, was ich an diesem Ort sofort gemocht habe. Immerhin für eine Weile, kann man seine Ruhe haben.

Ich muss bald wieder zurück, das ist mir bewusst, dennoch richte ich mein Haar mit fast penibler Genauigkeit, bis es perfekt sitzt. Kontrolle, das ist wohl auch etwas, was ich viel zu selten habe.

Eigentlich könnte ich schon wieder gehen. Ich bleibe sitzen.

Wir filmen schon seit dem frühen Morgen und je länger es geht, desto anstrengender wird es. Eigentlich kommen wir gut voran, dennoch bin ich gestresst. Ich darf mir keinen Fehler erlauben, das ist die oberste Regel.

Im Kopf gehe ich noch einmal den Teil der Choreographie durch, den wir als nächstes filmen müssen. Ich habe noch gestern Abend lange geübt, um heute schnell durchzukommen. Schneller als bei den Studioaufnahmen zumindest. Ich knirsche frustriert mit den Zähnen. Warum haben die Producer auch einen Song gemacht, bei dem ich in jeder Stimmlage singen muss, nur nicht in denen, die mir liegen? Die zusätzlichen Stunden um die schwierigsten Noten zu treffen, haben mir die Zeit geraubt, mich auf andere Sachen vorzubereiten. Die letzten drei Tage habe ich kaum geschlafen.

Jetzt nur nicht den Fokus verlieren. Noch weitere Verzögerungen, halte ich nicht aus.

Noch einmal blicke ich in den Spiegel und verbanne jegliche Andeutung von Müdigkeit aus meinem Gesicht. Mit etwas Glück sind wir hier bald fertig und weil mein nächster Termin morgen erst um elf Uhr ist, kann ich sogar ausschlafen. Mit diesem aufmunternden Gedanken, packe ich die Sachen wieder zusammen, verstaue meine Tasche unter dem Tisch und verlasse den Raum. Sofort entdeckt mich der Direktor und winkt mich hinüber zu sich. "Wir brauchen eine Weile, bis wir die Kameras neu eingestellt haben.", sagte er mir. "Geh so lange zum Shooting für die Promo-Bilder, dahinten." Er deutet auf die andere Seite der Halle, wo eine lange Reihe von Plastikwänden aufgestellt worden ist, jede mit einer anderen Farbe oder einem anderen Muster. Der Fotograph davor nickt mir kurz zu, als ich mich vor die erste Wand stelle.

Das Fotoshooting dauert lange. Mit keiner meiner Posen ist der Fotograph so richtig zufrieden und als wir die Wände durchgegangen sind, will er noch einmal von vorne anfangen, dieses Mal, mit Nahaufnahmen. Trotz meiner wachsenden Frustration zwinge ich mich zu nicken und begebe mich wieder zu der ersten Wand, doch zu meiner Erleichterung unterbricht der Direktor uns. "So, es kann weiter gehen!"

Noch ein letztes Mal rufe ich mir die Tanzschritte vor Augen, dann stehe ich vor der Kamera. Eine Assistentin eilt herüber um mein Haar noch einmal an Ort und Stelle zu fixieren, dann beginnen wir mit dem Aufnehmen. Die Background-Tänzer sind gut, immerhin etwas. Trotzdem brauchen wir einige Takes, bevor wir zur nächsten Szene übergehen können.

Eine Stunde später machen wir die nächste Pause, während die Aufnahmen gesichtet werden. Naja, die anderen machen Pause. Ich beruhige kurz meinen Atem, nehme einen Schluck Wasser und mache die Nahaufnahmen. Der Fotograph scheint sich eingekriegt zu haben und die Nahaufnahmen sind schnell hinter uns gebracht. Erleichtert setze ich mich an den Rand der Halle und scrolle durch meine Social Media. Mit den Gedanken bin ich nicht wirklich dabei, die schwirren immer noch um die Aufnahmen des Musikvideos. Bis zum Comeback ist es zum Glück noch ein bisschen hin. Bis dahin habe ich die schweren Töne drauf.

Ein lautes Klatschen lässt mich aufschrecken. Der Direktor ist aufgestanden. "Mittagspause.", verkündet er missgelaunt. Er scheint einen genauso miesen Tag zu haben wie ich.

Da ich nicht wirklich Hunger habe, ziehe ich ich wieder in den Abstellraum zurück und über meinen Gesang. Wie immer spüre ich einen kleinen Stich der Frustration in mir, wenn ich wieder eine Note nicht treffe. Ich darf mir keine Fehler erlauben. Manche sagen, ich bin zu perfektionistisch, doch das ist nur Naivität. In dieser Branche muss man perfektionistisch sein, ansonsten wird man untergehen. So sind die Regeln. Also muss ich die Lieder lernen.

Ich singe bis mir der Hals wehtut und erlaube mir dann endlich eine Pause. Ich habe schon vorsorglich Tee eingepackt, den ich jetzt trinke. Die warme Flüssigkeit tut gut. Ich sehe auf die Uhr und stöhne. Wir werden noch mindesten drei Stunden hier sein. Fünf, wenn es noch weitere Verzögerungen gibt. Nur keine Fehler. Wenn ich mich auf eines heute Abend freue, dann ist es mein Bett. Der Tag war eine regelrechte Tortur und ich habe noch die Promotion vor mir. Es werden anstrengende Wochen werden.

Der Nachmittag vergeht quälend langsam und eine Blicke zu Uhr werden häufiger und häufiger. Meine Konzentration lässt nach, meine Geduld ist noch schneller am Ende. Die Crew braucht eine halbe Ewigkeit für jede neue Kameraeinstellung und dann müssen wir eine Szene noch einmal drehen, weil die Batterie der Kamera auf halbem Weg schlapp gemacht hat. Ich muss mich stark zusammenreißen um den Direktor nicht anzufahren, als er zum fünfzehnten Mal die Schlussszene wiederholen will, weil er immer noch nicht mit der Einstellung zufrieden ist und dann mache ich auch noch einen Fehler. Letztendlich braucht es neunzehn Takes der letzten Szene, bis wir fertig sind.

Endlich werden wir entlassen und ich hänge mir meine Tasche über die Schulter. Morgen gibt es eine erste Probe mit den Background-Tänzern, den Nachmittag habe ich dann einen großen Block, nur um zu singen. Das Titellied werde ich mir wohl bis ganz zum Ende aufsparen, sonst werde ich innerhalb der ersten zehn Minuten heiser.

Jetzt wo ich nicht mehr jederzeit bereit sein muss Höchstleistung zu bringen, fühlt sich mein Körper wie erschlagen an. Ich will einfach nur noch in mein Bett und schlafen.

Es scheint mir surreal, dass es draußen noch nicht dunkel ist. Es fühlt sich so an, als müsste mindestens Mitternacht sein. Erschöpft sehe ich mich nach meiner Mitfahrgelegenheit um und bemerke, dass die Crew sich mit sorgenvollen Blicken um den Direktor geschart hat. Keiner von ihnen macht Anstalten, nach Hause zu gehen. Die Zähne knirschend gehe ich zu ihnen hinüber. "Was ist denn noch?", frage ich entnervt. Ich habe nicht vor meine Zeit noch länger hier zu verschwenden.

Der Direktor winkt mich zu sich, sein Blick ist ernst. "Es gab eine Bombendrohung für dein Apartment-Komplex. Wir sollen erst einmal hier bleiben, bis geklärt wurde wo wir stattdessen hinsollen.", erklärt er. Ich starre ihn fassungslos an. Das darf doch nicht war sein. Nah dran meine Zähne zu zerbrechen, weil ich meine Kiefer vor Ärger aufeinanderpresse, drehe ich mich wortlos um und lasse mich auf eine nahe gelegene Bank fallen. Das ist definitiv nicht mein Tag.

Um mich abzulenken hole ich mein Handy heraus. Tatsächlich es wurde eine E-Mail an alle Betroffenen geschickt. Wir sollen das Gebäude verlassen, wenn wir noch drin sind und ansonsten einfach abwarten. JYP will uns noch einmal persönlich davon in Kenntnis setzen, wo wir die Nacht verbringen sollen. Meine Frustration wird immer größer. Warum kann ich nicht einfach in ein Hotel gehen, das in der Nähe liegt?

Für einen Moment überlege ich, einfach genau das zu tun. Genug Geld habe ich auf jeden Fall und es gibt genug Hotels in der Gegend in denen ich ein schönes Zimmer mit einem weichen Bett bekommen würde. Ich verwerfe die Idee jedoch wieder. Das würde nur Ärger mit JYP geben und das ist etwas, was man um jeden Preis vermeiden sollte.

Also warte ich. Eine Stunde. Zwei Stunden. Zweieinhalb Stunden später klingelt mein Handy. Hoffnungsvoll entsperre ich es und - tatsächlich! - es ist eine Nachricht von JYP! Erleichtert jetzt endlich hier wegzukommen, rufe ich die Nachricht auf und erstarre. Ich lese die Nachricht einmal. Ich lese sie noch einmal. Ich unterdrücke den Drang mein Handy durch die Gegend zu schleudern.

In der Nachricht steht:

Hallo Hyunjin.

Da für den Apartment-Komplex in dem du wohnst möglicherweise ein Anschlag geplant wird, wirst du für heute Nacht in unseren anderen Unterbringungen schlafen. Han Jisung war so freundlich dich für heute Nacht aufzunehmen.

JYP

Das Leben hasst mich wirklich.

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