Montag
Lucias Sicht
Als ich morgens erwache, bin ich schweißgebadet. Die schwere Bettdecke klebt an meinen Körper, sowie auch das Schlafkleid, welches ich am Abend übergezogen habe. Noch im Halbschlaf greife ich nach meinen Wecker und starre einige Sekunden auf das Ziffernblatt, bis ich die Uhrzeit wirklich wahrnehme. 5:23 Uhr.
Stöhnend lasse ich den Wecker neben mir auf das Bett fallen und verdecke mir mit meinen Händen das Gesicht. Hätte sich mein Körper nicht noch ein wenig länger dafür entscheiden können zu schlafen? Genervt schlage ich die Decke von meinen Körper und richte mich auf. Mein Schlaf war nicht so erholsam wie erhofft, zumindest habe ich diese Nacht nicht geträumt.
Das ich während ich schlafe schwitze, ohne einen Albtraum zu haben, ist mir neu. Automatisch blicke ich zum Fenster. Es ist verschlossen, wie mein gestriges Ich es beschlossen hat.
Ich will ihn nicht auch noch einladen.
Ich öffne es, soweit es geht und schaue in die Ferne. Es ist noch nicht hell, die kühle Morgenluft schlägt mir entgegen. Schnell ziehe ich mir etwas Bequemes an und putze meine Zähne, ich verlasse das Haus, nicht ohne vorher die Alarmanlage aus und wiederanzuschalten und beginne zu rennen.
Ich laufe meine gewöhnliche Strecke, komme an meiner gewöhnlichen Stelle außer Atem und renne weiter, als mir wieder kalt wird. Mein Herz rast, den Arm presse ich gegen meine Seite, um den Seitenstechen entgegenzuwirken und ich weiß, dass mein Gesicht knallrot ist. Es ist nicht das erste Mal, dass ich Joggen gehe. Ich mache es schon länger, bestimmt bald ein ganzes Jahr. Eigentlich hatte ich mich soweit, dass ich keine Schmerzen mehr bekam und ich wusste, wann es keinen Sinn mehr ergibt, weiterzurennen.
Heute aber nicht.
Ich renne, ohne groß nachzudenken. Ohne groß auf meinen Körper zu achten. Ohne das Gefühl, dass ich Laufen eigentlich nicht mag.
Ich renne um mein Leben.
Ich renne.
Und Laufe.
Und Atme.
Ein und aus.
Die Luft ein –
Um sie im nächsten Augenblick aus meinen brennenden Lungen zu pressen.
Meine Beine tragen mich schon viel weiter als sonst. Natürlich habe ich mich in dem Jahr um einiges gesteigert, aber ich renne weiter und schneller, als gut für mich wäre.
Und es ist mir bewusst.
Und das ist die süße Ironie.
Im Sportunterricht, war ich nie die beste. Ausdauer hatte ich keine, weswegen die Stunden, die um Langstreckenlaufen gingen, für mich eine Qual waren. Sprinten konnte ich, ja, aber das auf Dauer? – Nein. Und genau jetzt fühle ich mich wie früher. An Tagen, wo der Sportlehrer spöttisch seine Lippen gekräuselt hat und mir meine schlechte Note mitgeteilt hat. Vor. Allen. Anderen.
Es war demütigend.
Auch jetzt ist es noch, während ich darüber nachdenke.
Deswegen fing ich an, in meiner Freizeit mehr Sport einzubauen. Mindestens dreimal die Woche gehe ich Laufen, stehe deswegen sogar früher auf und habe mich vor kurzem noch jeden Mittwoch, nachdem ich in der Suppenküche geholfen habe, mit einer Freundin zum Yoga verabredet.
Ja, ich war Stolz. Stolz auf meinen Fortschritt, Stolz auf meine Ausdauer und mein Bemühen und ja! Verdammte Scheiße! Ich war stolz darauf, als ich eine Zwei fürs Laufen bekam und mein Lehrer fast sein Gesicht verloren hätte. Ich war stolz!
Bis jetzt.
Jetzt kam mir das alles recht Sinnlos vor.
Wofür habe ich mich abgemüht? Warum habe ich es getan, obwohl mit das ganze keinen Spaß bereitet? Warum habe ich es nicht dabei belassen, dass ich etwas nicht so gut konnte?
Es ist mein Stolz.
Mein Stolz –,
der gerade zusammenbricht.
Zu Hause wasche ich mich am Waschbecken. Ich will nicht schon wieder, dass das Wasser meinen Rücken brennen lässt. Eine Stunde war ich draußen unterwegs –
Und ein kleines bisschen fühle ich mich besser. Ein grauer, großer Pullover, in dessen Vordertasche ich die verpackte Scherbe packe, und eine dunkel blaue Hose dienen mir als Kleidung. Mein langes Haar binde ich mir zu einem Dutt und zum Schluss sammle ich alle meine Schulsachen zusammen. Ich bin in Eile, eigentlich erledige ich das schon immer am Vortag.
Meine Mutter ist inzwischen auch wach, sie sitzt unten und liest die Zeitung. Als ich runter komme schaut sie auf und schiebt ein Belegtes Brot zu mir rüber.
„Ich habe mir schon gedacht, dass du in Zeitdruck gerätst. Ich habe dich heute Morgen Joggen gesehen." Sie zwinkert mir zu
„Danke." Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. Schnell nehme ich ein Bissen im Stehen.
"Du kannst dich ruhig noch hinsetzten. Ich fahr dich heute, die Schule liegt ja auf den Weg ins Krankenhaus."
„Das ist lieb.", nuschle ich mit vollem Mund, ziehe den Stuhl vom Tisch und gönne meinen Beinen diese Ruhe.
„Du siehst ganz schön fertig aus."
„Ich bin ungeschminkt.", grummle ich.
„Sonst schminkst du dich ja eigentlich auch nur mit Mascara. Ich meine, dass du blass bist und Augenringe hast, Lucia. Willst du dich nicht heute doch noch ausruhen?"
„Mum, glaub mir. Die meisten Teenager sehen an einen Montagmorgen so aus. Du musst dir keine Sorgen machen. Und ich glaube nicht, dass meine Lehrer eine Entschuldigung akzeptieren, die du mir ausstellst, weil ich Ungeschminkt bin." Ironie schwingt in meiner Stimme mit bei und ich lache. Wie oft bin ich schon in das Fettnäpfchen getreten und habe jemanden gefragt, ob sie krank sei, obwohl sie nur ungeschminkt war?
„Dann eben nicht." Meine Mutter trinkt ihren letzten schlug Kaffee, ich esse meinen letzten Bissen auf und stelle alles in die Spülmaschine. „Nimmst du den Kuchen mit aus dem Kühlschrank?", meint meine Mutter noch, als sie schon im Flur steht. Dann fahren wie los, auf in einen wundervollen Montag.
Die ersten zwei Stunden haben wir Geschichte. Meine Hausaufgabe über die Französische Revolution wird von der Lehrerin eingesammelt und ich hoffe, dass sie dieses Mal besser geworden ist, als die letzte, in der ich nur 6 Punkte (4 +) hatte. Geschichte ist für mich einfach uninteressant. Wir diskutieren über Vergangenes und über Tote Personen und Fakten, welche wir selber nicht mitbekommen haben und so nur über Bücher vermittelt bekommen. Natürlich sind Bücher so Objektive wie möglich, doch ganz können sie es nie sein. Schließlich wurden diese Fakten von Menschen niedergeschrieben, die überlebt haben und zu den bestimmten Zeiten schon schreiben und lesen konnten. Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Geschichte ist Manipulierbar, Subjektive. Es kommt auf das Individuum an und aus welcher Sicht es das Ereignis erlebt hat.
Geschichtsunterricht ist einfach nichts für mich, auch wenn ich den Sinn hinter dem Fach als Sinnvoll erachte. Schließich soll aus Fehlern der Vergangenheit gelernt werden können.
In der Pause zur dritten Stunde, als nächstes hatte ich Mathe, gehe ich nach vorne und schaue in den Papiereimer. Wie so oft sind meine Gedanken im Geschichtsunterricht abgeschweift, wodurch ich eine Idee für mein Kunstprojekt kam. Ich musste nur –
Im Mülleimer waren immer noch Stücke von der vergangenen Woche, aber keins der Papiere, war eins von meinen. Niedergeschlagen lasse ich die Schultern hängen, dabei wollte ich das Bild von dem Mörder, welches ich in der Philosophiestunde gezeichnet hatte, bevor er mich tatsächlich besuchte, dafür verwenden. Es wäre einfach Ideal gewesen!
„Luci, hast du die Berichtigung für die Mathearbeit gemacht?" Jemand berührt meine Schulter. Erschrocken drehe ich mich um. Vor mir steht Janin und sieht mich liebeswürdig an.
„Ja. Willst du eine Aufgabe abschreiben?", frage ich freundlich.
„Du wärst dann meine Rettung. Aufgabe 4 hatte ich komplett verkackt und habe es auch nicht zu Hause hinbekommen. Wärst du so lieb und gibst mir deine Arbeit?"
In Mathe konnte ich wieder besser mitarbeiten, als in Geschichte. Das Fach bereitet mir einfach Freude und die Stunde ging viel zu schnell vorbei. Jetzt sitze ich in Erdkunde, ein Fach, in dem ich genauso schlecht bin wie in Geschichte. Gesellschaftswissenschaften liegen mir einfach nicht ... Vielleicht, weil mir das Lernen in diesen Fächern keinen Spaß bereitet.
Da ich in der letzten Reihe sitze und meine Erdkundelehrerin wenig Interesse in mir hat - ganz anders als meine Lehrerin in Geschichte, die mich ständig auf den Kieker hat – hole ich meinen Zeichenblock raus und fahre mit meinen angekauten Bleistift über das Blatt. Angestrengt versuche ich mich daran zu erinnern, wie ich mir den Mörder damals vorgestellt habe, aber es fällt mir schwer. Es fällt mir schwer, weil ich gesehen habe, wie er wirklich aussieht. Weil ich ihn erlebt habe.
Enttäuscht über mich selber, zeichne ich einem etwas älteren Herrn auf das Blatt vor mir. Ausgemergelt sieht er aus, tiefe Augenringe liegen unter seinen Augen, die ich erst grob begonnen habe zu skizzieren. Dieses Mal mache ich nur ein Portrait, für meine Zwecke wird es reichen. Mit den Lippen und der Nase muss ich dreimal von vorne anfangen, bevor ich zufrieden bin. Immer wieder ähnelten sie zu sehr der Person, die ich eigentlich nicht in meinen Leben haben möchte. Jeffrey.
Ich seufze.
In Chemie bin ich wieder Feuer und Flamme. Momentan behandeln wir das Thema Tenside und gefesselt lausche ich den Wörtern meiner Lehrerin. Meine Ausarbeitung habe ich abgegeben, lächelnd hat sie sie entgegen genommen und ich bin froh, einen weiteren Punkt auf meiner Liste abgearbeitet zu haben. Als die Klingel schließlich läutet und einen weiteren Schultag für mich beendet, bin ich erleichtert.
Ich kann wieder nach Hause und mich in mein Zimmer sperren.
In der Stadt hole ich mir gleich noch eine Pommes. Dann schaffe ich auch noch den Nachmittags Bus nach Hause ... Ich rufe dann meine Mutter an und mach weiter mit Kunst, vielleicht habe ich dann auch noch Zeit zu meiner Nachbarin, einer Freundin von mir, um mit ihr einen Film zu schauen. Wir haben schon seit zwei Wochen nichts mehr miteinander gemacht. Ein Gedanke folgt dem nächsten, dabei vergesse ich ganz, dass ich meine Jacke im Klassenraum liegen gelassen habe, als wir von Erdkunde zu Chemie gelaufen sind. Der kühle Wind erinnert mich daran und schnell drehe ich um, um sie mir wieder zu holen.
Der Abschnitt der Schule, in der mein Klassenraum liegt, ist schon so gut wie leer. Die Schüler, die jetzt noch Unterricht haben, werden hauptsächlich im Hauptgebäude unterrichtet, wo auch das Lehrerzimmer liegt, sowie die meiste Fachräume.
Schnell eile ich die Treppen nach oben und bin ganz außer Atem, als ich im dritten Stock ankomme.
Gott bin ich froh, wenn wir im nächsten Halbjahr einen neuen Raum zugeteilt bekommen ...
Die Tür zum Klassenraum ist zu, aber zum Glück nicht verschlossen. Erleichtert trete ich ein und blicke mich um. Sofort erstarre ich, als ich jemanden an meinen Platz stehen sehe.
Sorry, dass ich es erst jetzt hochlade ... dafür ist es zumindest ein wenig länger ...
Bei meinen Sommerferienjob muss ich jetzt Vollzeitarbeiten, da so viele Leute ausfallen ... Und die Arbeit schafft mich sehr. Eigentlich stehe ich auf, geh arbeiten, komm nach Hause, esse und falle ins Bett ... Dazu ist meine Oma jetzt auch im Krankenhaus und ich habe viel Zeit bei ihr verbracht ... Jetzt geht es ihr zum Glück wieder besser ! Tut mir Leid, ich versuche wieder mind. einmal die Woche zu updaten!! :) Schöne Ferien euch allen!
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