Du - gehörst - mir
Kalte Luft zieht durch das alte Gemäuer und lässt meine nackte Haut erschauern. Ich liege auf meinem Bauch, ohne ein Oberteil bekleidet und warte - ohne ein Atemzug zu tun - auf den ersten Schnitt.
Als er mir das erste Mal die Worte auf meinen Rücken verewigt hat, habe ich davon nichts mitbekommen. Er hatte mich betäubt und erst als ich aufgewacht bin habe ich durch ein Blick in den Spiegel den Grund für meine Schmerzen erfahren.
Doch dieses Mal bin ich wach.
Dieses Mal werde ich jeden Schnitt, jeden Buchstaben, jedes Wort unterm vollen Bewusstsein spüren.
Und es könnte Angst sein. Angst, weshalb ich mich nicht traue zu atmen. Angst vor Schmerzen und Blut. Das sein Messer nur mein Fleisch durchschneiden müsste, um mein Herz zum letzten Mal schlagen zu lassen.
Aber das ist es nicht.
Es ist die Aufregung. Die Neugierde. Die Spannung, wie sich diese scharfe Berührung ausgeführt von ihm sich auf meiner Haut anfühlt. Das, was ich die letzten Wochen vermisst habe.
Seine Aufmerksamkeit.
Und dann -
Dann spüre ich seinen Finger. Seinen Finger, der das erste Wort auf meinen Rücken entlang streicht.
Du
Und unmittelbar dann, als sein Finger meine Haut verlässt, spüre ich schon den Schnitt der Klinge. So leicht, so zart. Und erst als das kalte Metall meinen Rücken wieder verlässt, spüre ich das brennen meiner Haut. Ein Brennen, dass mein Herz schneller klopfen lässt.
gehörst
Und so zeichnet er die nächsten Buchstaben mit seinen Finger ab, bevor neue Schnitte meinen Rücken zieren.
mir
Ab und zu höre ich ihn leise Worte murmeln, doch verstehen kann ich sie nicht. Und meine Aufregung ist zu groß, als das ich es wagen würde nachzufragen.
"Mal'ach.", ist das erste Wort, was ich leise heraushören kann. Er spricht es, während sein Finger dieses über meinen Rücken ziehen. "Das Wort ist fast komplett verheilt.", flüstert er nun etwas deutlicher.
Plötzlich werde ich nervöse. Meine Handflächen werden nass.
"Ich bin bei den Wörtern eben nicht wirklich tief gegangen.", immer wieder Berühren seine Finger die selbe Stelle an meinem Rücken. "Bei diesem Wort werde ich keine Rücksicht nehmen. Ich werde tiefer ansetzen. Grober schneiden. Es ist ein Wort, welches auf deiner Haut nicht verheilen sollte." Es fühlt sich nicht an, als würde er die Worte zu mir sagen. Als wären die Worte nur an ihm Selbst gerichtet. Eine Anleitung für den nächsten Schritt.
Und ich schließe meine Augen. Und frage mich, wann er endlich das Messer ansetzen wird. Bin gespannt auf den Schmerz.
Doch so weit kommt es gar nicht.
Denn auf einmal steht er auf. Und ohne mich aufzuklären, mir irgendein weiteres Wort zu hinterlassen, verlässt er das Zimmer. Lässt mich allein.
Und ich richte mich auf. Will ihm nach, doch ich traue mich nicht.
Verdutzt.
Enttäuscht.
Verletzt.
Und ich ziehe mir mein helles Shirt über, ziehe meine Knie an mein Körper und versuche mich selbst zu beruhigen.
Verdutzt.
Enttäuscht.
Verletzt.
Selbstzweifel durchziehen meinen Körper. Wieso hat er so plötzlich aufgehört?
Meine inneren Gefühle übertönen das Brennen meines Rückens vollkommen. Und gerade deswegen wünsche ich mir den Schmerz des letzten Wortes umso mehr.
Aber -
Aber dann höre ich es auch.
Sofort richte ich mich auf. Suche den Boden ab, doch bemerke ich schnell, dass Jeffrey sein Messer bei sich haben muss. Mit schnellen Schritten eile ich zur Tür, doch ich zögere. Bin ich bereit durch diese Tür zu gehen?
Allwissende Sicht
All die Jahre in denen das Monster im Schatten gelebt hat, hat er gelernt schon auf kleine Geräusche und Veränderungen zu achten. So fällt ihm auch schnell auf - als er im Zimmer mit seinem Engel sitzt - das etwas nicht stimmt. Ohne Mitteilung, ohne Vorwarnung an sie verlässt er den Raum, schleichend, denn er hat nicht vor die oder den Besucher auf ihn Aufmerksam zu machen.
Er weiß schon ganz genau wie er den Obdachlosen oder Jugendlichen loswerden kann, weswegen er sich auch so zielstrebig auf die Geräusche zu bewegt. Ob es diesen Narren bewusst ist, welchen Lärm sie veranstalten?
Doch bevor er sie in Gedanken weiter verspotten kann, hört er das Klicken. Ein Klicken aus einer dunklen Ecke.
Überrascht sieht das Monster auf. Sein verdutztes Gesicht verwandelt sich in ein Lachen. Ein stolzes Lachen. Denn nie hätte er gedacht, dass sie so schlau wären seine Hinweise zu verstehen.
"So sieht man sich also wieder.", spricht der Mörder belustigt und hebt dabei spielerisch seine Hände in die Luft. Er weiß wie das Ganze läuft, doch für ihn ist es viel mehr ein Scherz. Seinen Kopf legt er schräg, er glaubt seinen Gegenüber so immer besser beobachten zu können.
"Ja. So sieht man sich wieder.", antwortet der dickliche Komissar kühl. Den Anblick des Monsters versucht er auszublenden. Es ist das erste Mal das er ihn sieht, doch sofort weiß er es. Er ist es. Er ist es, der ihn in seinen Koma geschickt hat. Der all diese Menschen auf den Gewissen hat. Der ihn all die Jahre entkommen ist. Er ist es, der jetzt vermutlich seine Tochter entführt hat.
Neben den Polizisten tritt eine weitere Person aus dem Schatten.
"Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so schnell wieder erholen wirst. Zumindest nicht das du so schnell wieder Einsatzfähig bist. Mein - Kratzer - hat dich ja ziemlich mitgenommen." Für das Monster ist diese Situation ein Spiel. Ein Spiel, welches einzig seiner Belustigung dient.
Der Alte bleibt bei seiner spitzen Bemerkung stumm. Die Waffe gerade auf den schon so lang Gesuchten gerichtet. Sein Partner hat ebenfalls die Waffe gezückt, nur scheint er viel nervöser zu sein.
"Achso -" Die Augen des Monsters blitzen auf. "Du und dein Kompante - ihr seid gar nicht im Einsatz - richtig?" Mit seiner Zunge streicht er sich über seine Lippen. Dann lacht er wieder.
"Lass das Messer fallen." Ist die einzige Reaktion des besorgten Vaters. Auch ihm ist bewusst, dass das Monster die Situation als Spiel sieht.
"Was sonst? Erschießt du mich dann?"
"Er hat gesagt du sollst das Messer fallen lassen." Spricht der andere Mann mit nachdruck.
Wütend wendet das Monster sich ihm zu. "Du hältst dich daraus. Das ist eine Sache zwischen ihm und mir." Mit seinem Messer deutet er dabei auf dem Angesprochenen und dann auf ihn selbst. Dann wendet er sich wieder seinen alten Bekannten zu und lässt vor Enttäuschung seine ganze Luft schnaubend durch die Nase frei. "Weißt du, ich habe mehr von dir erwartet. Ich dachte du kommst mit einen ganzen Bataillon um mich zu finden. Mich zu vernichten. Und was machst du? Du kommst mit deinem Freund - Thomaa, Hannes oder wie er heißt - und nicht Mal im Einsatz. Sondern auf eigene Faust." Dieses Mal klingt das Lachen des Monsters sauer. "Ich bin wirklich enttäuscht. Da hinterlasse ich stetig all diese kleinen Hinweise, um endlich Mal etwas Anerkennung zu erhalten und was machst du? Lauerst mir so auf, ohne ganzen Tamtam." Seine Arme bewegt er aufgeregt in der Luft, worauf sich die Haltung der Polizisten weiter versteift. "Ich weiß doch, dass dir dein Beruf und deine Familie zu wichtig ist, um mich gegen das Gesetz zu erschie-!", brüllt er schon fast.
Als Reaktion ertönt der Knall eines Schusses.
Und das Monster zuckt kaum auf, als ihm die Kugel ins Bein trifft.
Er hat schon viel schlimmere Schmerzen erlebt.
"Du versucht mich aufzumuntern, Alter Mann.", spricht er wieder ruhiger. Er versteht nicht, in welcher Lage er sich befindet.
"Wo ist meine Tochter. Wo ist Lucia."
Das Monster grinst. "Oh. Das tut mir Leid. Ich kenne keine Lucia." Und sein Grinsen wird breiter und breiter. Das Monster will seine Hände nach unten bewegen, doch sofort lässt der Polizist einen Warnschuss ertönen.
"Die. bleiben. oben."
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