28 th
Ich stand gerade mit beiden Beinen draußen auf dem gepflasterten Parkplatz, als ich bemerkte, dass Alan mir nicht durch die Tür gefolgt war. Obwohl er derjenige gewesen war, der mich zuvor noch zur Eile angetrieben hatte, weshalb ich mich zu ihm umdrehte, um ihn zu fragen, was man ihm denn in den Burger getan hätte. Doch als ich sah wie er da stand, als wäre er ein Opfer der Medusa geworden, vollkommen erstarrt und bewegungslos, begann ich mich ernstlich zu fragen, was genau ihn so erschreckt haben musste, dass er Hals über Kopf den Laden verlassen wollte, dabei jedoch immer wieder mitten in seinen Bewegungen einfror, als wäre seine ganz eigene Zeit angehalten worden. Und obwohl mich irgendwas in meinem Inneren davor warnte, ließ ich aus einem Instinkt heraus meinen Blick durch das Innere schweifen, als würde ich so irgendeinen Hinweis auf die Ursache von Alans Verhalten finden können.
Dabei gab es in dem kleinen Diner eigentlich nichts wirklich spektakuläres. Es war normal. Tische, Bänke, Stühle. Hier und da mal eine künstliche Topfpflanze. Hängelampen über den Tischplatten. Eine große Theke, nicht mehr neu, aber doch gepflegt. Alles in verschiedenen Brauntönen, abgerundet mit weiß und beige. In gewisser Weise hatte es viel mit The Boom gemeinsam, dasselbe Flair, dasselbe Gefühl von Geborgenheit. Und doch ganz anders in seiner Lage, in seiner Beschaffenheit. Aber es war nichts besonderes. Nicht einmal ansatzweise. Also, warum benahm sich Alan dann wie ein verängstigtes Tier, das Gefahr witterte?
Mein Blick blieb an der molligen Oma hängen, die gerade dabei war einen Kaffee zuzubereiten. Dabei plauderte sie munter weiter mit ihrem anderen Gast, als wäre es ihr noch gar nicht aufgefallen, wie abrupt Alan und ich von unserem Fensterplatz verschwunden waren. Ganz im Gegenteil zu Mike. Als ich zu ihm sah, bemerkte ich, wie er zu uns herüber starrte, die Kellnerin dabei überhaupt nicht beachtete. Und in diesem Moment hätte ich mich dafür ohrfeigen können, meinem Instinkt nicht vertraut zu haben.
Seine Augen schienen sich in mich hinein zu bohren, ein unendlich helles blau. Auch er bewegte nicht einen einzigen Muskel. Als hätte selbst sein Blut aufgehört, sich durch seinen Körper hindurch zu bewegen. Zu fließen, seinen Körper damit am Leben zu erhalten. Nicht wissend, was ich davon halten sollte, konnte ich nicht anders als eine Parallele zu einem Toten zu ziehen. Nur der Gestank fehlte.
>Beweg' dich< Ich nahm seine Stimme kaum wahr, es war mir unmöglich meine Augen von diesem Mann abzuwenden. Er fesselte mich, schien mich allein mit seinen beinahe schon unmenschlich hellen Iriden gefangen zu halten, mir stumm einen Befehl entgegen zu senden: Komm her zu mir. Ich war versucht, es zu tun. Warum auch nicht? Er forderte mich doch dazu auf, vielleicht könnte ich einfach in alte Angewohnheiten zurückfallen. Keine Therapie à la Alan. Keine lästigen Abmachungen mit Luzifer. Wie früher. Nur ich, allein, an der Grenze und niemand in der Nähe, der versuchen würde mich zu retten. Sein Blick schien mir zu sagen, dass ich das könnte. Dass er mir dabei sogar helfen würde. Er bot es mir quasi an, präsentierte es mir wie auf einem Silbertablett.
Ohne es auch nur zu bemerken oder gar zu hinterfragen, verlagerte ich mein Gewicht in seine Richtung, als würde ich jeden Moment auf ihn zu stürmen, um... Ein grober Zug an meinem rechten Arm katapultierte mich wieder zurück in die Gegenwart. >Komm jetzt, Angel< Ein Unterton, den ich nicht wirklich zuordnen konnte, lag in seiner Stimme, als er nochmals an meiner Gliedmaße zog und mich allein dadurch dazu brachte, hinter ihm her zu stolpern, als er sich mit großen Schritten von dem Diner entfernte. Ich sah zu Alan, bemerkte seinen finsteren Blick, der stur nach vorne auf sein Auto gerichtet war. Wie von selbst drehte sich mein Kopf wieder zurück zu dem Mann. Er stand draußen, beobachtete uns mit einem amüsierten Grinsen dabei wie ich von Alan hinterher geschliffen wurde, als wäre ich geistig verwirrt. Was ich vielleicht auch war. Denn obwohl ich wusste, dass es vollkommen schwachsinnig war, hätte ich schwören können, dass er mir zuflüsterte: "Komm zu mir, kleine Angel. Früher oder später wirst du es tun, du wirst darum betteln. Denn ich kann dir genau das geben, was du dir mehr als alles andere wünscht." Als wäre er gar nicht wirklich körperlich, als wäre er ein Geist, der gekommen war, um mich zu verwirren. Um mich zu täuschen, zu locken. Und er hatte sogar Erfolg dabei.
Hätte Alan mein Handgelenk nicht so fest gepackt und wäre nicht voran gestürmt, als würde hinter uns ein Serienmörder herlaufen, wäre ich auf der Stelle stehen geblieben. Festgewachsen, mit der Erde verwurzelt wie ein Baum. So aber wurde ich von ihm mitgerissen, ob ich wollte oder nicht. Und ich wollte definitiv nicht. Mir blieb jedoch keine andere Wahl, auch wenn ich versuchte mich von Alan zu lösen, was jedoch nur dazu führte, dass er mich noch verbissener packte.
Ich wollte stehen bleiben, wollte umdrehen, um mit diesem Mike zu reden, ihn zu fragen, was er damit meinte. Denn es klang so verlockend, so schön, so traumhaft, dass ich es nur zu gern geglaubt hätte. Zu gern geglaubt hätte, er würde es ernst meinen. Doch als wir vor dem schwarzen Auto hielten und Alan mich grob auf den Beifahrersitz drängte, bevor er hinter mir mit viel Kraft die Tür zu knallte, begann sich der realistische Teil meines Hirns zumindest wieder teilweise einzuschalten. Mike konnte nichts gesagt haben, seine Lippen hatten sich abgesehen von dem leicht sadistischen Lächeln nicht bewegt, und selbst wenn, ich hätte seine Worte gar nicht hören können. Dafür stand er einfach zu weit weg. Kein Mensch konnte so leise vor sich hin murmeln, damit niemand sah, was er da redete, und trotzdem noch über einen gesamten Parkplatz klar und deutlich gehört werden.
Er konnte diese Worte nicht gesagt haben.
Ich musste mir das einfach eingebildet haben. Vielleicht riefen meine Medikamente ja Halluzination hervor. Oder der Wind hatte mir einen Streich gespielt. Oder meine Nerven waren einfach drauf und dran komplett mit mir durchzugehen.
Er konnte diese Worte einfach nicht gesagt haben.
Oder?
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