26 th
Tatsächlich dauerte es nicht besonders lange, da saßen wir bereits in einem kleinen Diner, nahe einer Abfahrt einer viel befahrenden Straße, mit Burgern und Fritten vor der Nase, während die rundliche, alte Kellnerin Alan damit zutextete, dass ihr heißgeliebter kleiner Enkelsohn gerade mal vor zwei Tagen zum ersten Mal Oma gesagt hätte und im Laufen immer besser werden würde.
Kurz gesagt, die ganze Situation, in der wir uns befanden, entwickelte sich von Minute zu Minute zu einem schlechten Film, den ich mir ganz bestimmt nicht ansehen wollen würde. Mal ehrlich, als hätte jede Kellnerin so viel Zeit, um gefühlte - oder tatsächliche -Stunden mit den Kunden zu quatschen. Normalerweise war der Job Stress pur, auch wenn ich zugeben musste, dass hin und wieder doch mal ganz entspannte Phasen dazwischen lagen, in denen man in Ruhe ein Kaffee schlurfen konnte, ohne damit rechnen zu müssen, von irgendeinem ungeduldigen Arsch angepampt zu werden, weil dieser seine Bestellung am liebsten schon vorgestern bekommen hätte. Zum kellnern brauchte man keine gute Schulbildung, das stimmte, aber Intelligenz sollte man schon besitzen. Zumindest, um solchen Ausreden wie „Ich habe gerade mein Geld nicht dabei... kann ich es eben aus dem Auto holen?" oder „Verdammt, mir muss jemand meine Brieftasche geklaut haben! Ich bring das Geld später vorbei, okay?" nicht auf den Leim zu gehen und diesen speziellen Kunden zu zeigen, wie weit sie kommen würden, ohne zu bezahlen. Man musste stark sein, taff. Man durfte nicht jedem glauben und vertrauen, aber komplett unhöflich und unfreundlich durfte man auch nicht auftreten. Wenn ich so darüber nachdenke... wie bin ich bitte auf die Idee gekommen, Kellnern wäre der richtige Job für mich?
Nach einer gefühlten Ewigkeit verzog sich die Großmutter zu einem anderen Kunden, anscheinend ein Stammgast, wenn man nach ihrem freudigen „Mike! Wie schön, dich wieder zusehen. Lass dich drücken" ging. Kurz sah ich mir diese Szene an, wie sie den jungen Mann, der ein freundliches Lächeln zeigte, an sich drückte, als wolle sie ihn erdrosseln. Dann glitt mein Blick wieder zurück zu Alan, der seine, mittlerweile hundertprozentig kalten, Pommes in sich hinein schaufelte, als hätte er seit Monaten gefastet. Ich sah ihm dabei zu, bis ich beschloss, mein Schweigen zu brechen.
>Was genau bist du eigentlich?< Die Frage war schneller draußen, als ich gucken konnte. Alan, der gerade herzhaft in seinen Burger beißen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne und hob seinen Blick von dem nur noch zur Hälfte beladenen Teller, sodass er mich ansehen konnte. An seinem rechten Mundwinkel klebte noch etwas Ketchup.
>Was?< Arme verschränkend lehnte ich mich auf der gepolsterten Bank nach hinten, ohne jedoch den Blickkontakt zu unterbrechen.
>Du hast mich schon verstanden< Er legte den Burger aus den Händen und fuhr sich einmal mit der Zunge über die Oberlippe. Der Ketchup war jedoch immer noch da.
>Warum willst du das so plötzlich wissen?< Argwohn schwang in seiner Stimme mit, das und Besorgnis, wenn ich es richtig deutete. Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern.
>Du meintest vorhin, dass du nicht perfekt wärst. Dass du weit davon entfernt wärst. Und dass ich dich weder kenne, noch kennen lernen will. Ich entscheide gern selbst, was ich wissen möchte und was nicht. Außerdem hast du mir die Wahrheit versprochen, die ganze Wahrheit. Und ich denke, es wird allmählich Zeit, damit heraus zu rücken<
Es wurde wieder einmal still zwischen uns. Das passierte uns anscheinend wirklich oft. Und immer gab es nur irgendwelche nervigen Hintergrundgeräusche. Das Piepen im Krankenhaus. Das Brummen des Motors. Irgendwelches Gemurmel in Begleitung von langweiligem Gedudel aus dem Radio. Ich war kurz davor mein noch halb volles Glas Apfelsaft in die Richtung der Bedienung zu schmeißen, die sich leise mit dem Mann, Mike, unterhielt. Murmel, Murmel, Murmel. Gott, das hielt doch keiner aus.
>Hast wohl recht...< Seufzend lehnte er sich auf seiner Bank nach hinten, der Burger war anscheinend komplett vergessen. >Ich fange einfach mal am Anfang an, denke ich... dem ursprünglichen Anfang. Ohne religiösem Fanatismus, ohne Beweise. Ob du mir glaubst oder nicht liegt ganz allein bei dir< Abwartend hob ich lediglich meine Augenbraue. Was ihm doch tatsächlich ein schiefes Grinsen entlockte, zwar nur für einen winzigen Moment lang, aber es war da. Ich wusste nicht recht, was mir das sagen sollte.
>Du kennst doch bestimmt die Schöpfungsgeschichte, oder? Mit Gott und den sieben Tagen und der Erschaffung des ersten Menschen, Adam, und was weiß ich noch alles< Ich sagte nichts, was er offenbar als „Ja" deutete. >Nun, den ganzen Unsinn kannst du getrost und mit ruhigem Gewissen über Bord werfen. Keine Ahnung, wer sich das genau ausgedacht hat, aber allein bei der Vorstellung, „Gott"- < Er machte bei dem Wort doch tatsächlich Anführungszeichen mit seinen Fingern in der Luft. > - sei der Schöpfer von allem und jeden, dreht sich mir der Magen um. Die Menschen gab es schon vor ihm. Genauso wie die Erde und die Tiere und eigentlich alles. Mit einer Ausnahme: Die Engel und Dämonen<
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