19 th


Irgendwie wartete ich auf dem gesamten Weg nach Hause, und ja, selbst dann, als ich mich wieder vor dem Sofa auf dem Boden verkrümelt hatte, darauf, dass Alan mich ansprechen würde. Mich für wahnsinnig erklären würde, überhaupt einen Pakt mit dem Teufel höchstpersönlich eingegangen zu sein. Für krank, weil ich dadurch meine Gefühle verlieren wollte. Nur um sich dann für immer aus meinem Leben zu streichen. Obwohl... die Wahrscheinlichkeit, er würde wieder mit unmöglichen Fragen direkt vor meiner Nase auftauchen, um endlich seinen verfluchten Job zu Ende bringen zu können, war größer. Viel größer. Doch nichts davon geschah. Weder an diesem Tag, noch am Tag darauf oder dem Tag darauf. Alan ließ sich kein einziges Mal blicken.

Nach ein paar Tagen vergaß ich meine unliebsame Begegnung mit Alan. Ich vergaß zur Arbeit zu gehen, zu essen und selbst zu schlafen. Sogar Luzifer begann ich zu vergessen. Nicht in dem Sinne, dass ich nicht mehr wusste, was oder wer das war. Eher so, dass ich vergaß an sie auch nur zu denken. Meine Sinne, meine Gedanken waren belagert von den Stimmen, die ich zu hören glaubte, von den Gesichtern, die ich zu sehen fürchtete, von dem Geruch, der mich dauerhaft zu umgeben schien. Traurige, graue Augen, die auf mich herab blickten, als wollten sie mich unter einem schlechten Gewissen begraben wollen. Der süßliche Geruch des Rauchs, der an mir zu haften schien, gemischt mit dem ekligen des Schweißes in einer abgestandenen Luft löste in mir den Wunsch aus, mich unter kochend heißen Wasser zu stellen und zu schrubben, bis sich selbst meine Haut von den Knochen löste. Doch zur selben Zeit befiel mich das Bedürfnis, in die Stadt zu gehen, den nächsten Dealer zu suchen und mir mit dem ganzen Geld, das ich zusammen kratzen konnte, dasselbe Zeug zu kaufen, was mich schon einmal in den tiefen Abgrund gezogen hatte.

Ich war durch. So fertig mit den Nerven, dass ich hin und wieder wirklich darüber nachdachte auf Luzifers Drohung zu scheißen, mir den Stoff zu holen oder doch sofort allem endlich und unwiderruflich ein Ende zu bereiten. Ich konnte einfach nicht mehr. Hielt diese Blicke auf mir nicht aus, hielt es nicht aus, mich die ganze Zeit über so schmutzig, einfach nur dreckig zu fühlen. Es war Einbildung, pure Wahnvorstellungen, die mich davon abhielten das Haus zu verlassen, egal ob körperlich oder seelisch. Ich war ein Frack. Nicht mehr ganz, nicht mal ansatzweise. Nein, ich brach, die Scherben meiner Seele brachen und knackten mit jeder weiteren Minute, die diese Qual anhielt. Bald wären sie so winzig, so klein, niemand würde dann auch nur erahnen, dass die Pigmente einst zu einem großen Ganzen gehört haben mussten. 

Die einzige Flucht, das Einzige, was mich wenigstens kurzzeitig durchatmen ließ, war der teure Wein, den Luzifer im Keller lagerte. Und dabei hasste ich den Geschmack, der mir nach auch nur einem Schluck noch stundenlang auf der Zunge zu haften schien. Aber Fakt war nun mal, alles war besser, als diese Halluzinationen, die sich mein emotionales Unterbewusstsein herausgepickt hatte, um mein Bewusstsein weiter zu quälen und zu foltern. In den Momenten, in denen der Alkohol mein Denken komplett beherrschte, dachte ich paradoxerweise klarer, als in den Momenten ohne. So wurde mir irgendwann bewusst, dass meine Strafe nur noch eine Woche dauerte. Sieben lange Tage, die mich gehässig auszulachen schienen. Hundert achtundsechzig Stunden, die mit jeder mickrigen Sekunde, die verging, an dem immer dünner werdenden Seil schabten, dass mich davor bewahrte in den tiefen Abgrund zu fallen, der mich ausradieren würde. Der mich meine Vorsätze, Luzifer Folge zu leisten und auf seine Rückkehr zu warten, vergessen lassen würde. Ich klammerte mich an die Hoffnung, er würde zurückkehren, bevor der schlimmste Schmerz einsetzen würde. Verzweifelt krallte ich mich daran fest, versuchte es zu stärken, indem ich mir selbst immer und immer wieder Mut zusprach. 

Und doch hielt das Seil nicht.

Es war tief in der Nacht, der Fernseher lief und zeigte irgendeine Serie, die ich nicht näher identifizieren konnte. Wie viele Weinflaschen, ausnahmslos alle leer, um mich herum lagen,  wusste ich nicht. Eine, noch halb volle Flasche hielt ich in der Hand, setzte zum Trinken an, während ich starr auf die bewegenden Bilder blickte, nichts wirklich wahrnehmend. Als wäre ich in Trance. In einem Traum, der nicht wirklich zu mir zu gehören schien. 

Ich vermute, es war das Piepen, das mich aus diesem Zustand heraus riss. Obwohl, es war kein wirkliches Piepen. Eher ein langgezogener, einzelner Ton. Doch gerade dieser Ton ließ mich den Bildschirm vor mir erst richtig ansehen. Zum ersten Mal seit Tagen, wenn nicht sogar Wochen nahm ich wieder Stimmen wahr, die es wirklich gab, die keine Ausgeburt meiner schlimmsten Albträume waren. Ich nahm wahr, was da gerade im Fernsehen lief, was dort geschah. Ein weißer Raum. Ein Bett. Eine Person, leblos auf der Matratze liegend, durch allerlei Kabel und Schläuche mit Monitoren und Geräten verbunden. Zwei Krankenschwestern, die die Angehörigen, eine Frau und ein Mädchen, von dem Bett fernhielten. Ein Arzt, der im Takt auf den Brustkorb drückte. Eine Herzdruckmassage. Wie paralysiert fokussierte sich mein Blick auf den Monitor, der den Ton von sich gab. Eine langgezogene, weiße Linie war zu sehen und ich wusste, was es bedeutete. Wusste, was dieses Gerät anzeigte. Als mich diese Erkenntnis traf, veränderte sich urplötzlich das Bild. Die Frau versuchte nicht mehr zu der Person zu kommen, sondern saß stillschweigend in ihrem Rollstuhl, während das Mädchen, ihre Tochter, weinte und schrie, als würde ihr das Herz heraus gerissen werden. Der Patient wurde älter, war ein Mann in den Vierzigern mit braunen Haaren, die ihm wirr und viel zu lang um seinen Kopf herum abstanden. Sein Körper war dünn, ausgelaugt. Seine Wangenknochen stachen hervor, seine Arme bestanden aus nichts mehr als Haut und Knochen. Ich kannte diese Person. Kannte die Frau. Kannte das Mädchen. 

Und das Seil zerriss.

Bevor ich es überhaupt merkte, befand sich die Flasche zu Scherben zersplittert auf dem Boden, während ich torkelnd aufstand. Vielleicht schrie ich. Vielleicht war ich in Tränen ausgebrochen. Ich wusste es nicht. Wusste überhaupt nichts mehr.

 Meine Ohren nahmen nichts mehr wahr, waren auf Durchzug und empfingen nur noch ein entferntes Rauschen. Ich spürte nichts mehr. Nicht das Sofa, als ich mit dem Knie dagegen lief. Nicht den Holzgriff, um den sich meine Hand schloss. Der Schmerz, der in mir wütete, die Erinnerung an diesen einen Moment, nahm meinen gesamten Körper ein, bis nichts mehr außerhalb existierte. Kein Bedauern. Keine Hoffnung. Und als ich, den Griff fest in der Hand, das Metall an meine Haut führte, sie zerteilte und das, was darunter sicher beschützt lag, offen legte, empfand ich nichts als Schmerz, der mit jedem einzelnen Tropfen, der meinen Körper verließ, nachzulassen schien. Ich sah dabei zu. Sah wie der Boden rote Tupfen bekam. Sah dabei zu wie meine Sicht immer mehr verschwamm, bis alles schwarz wurde. 

Ich ließ mich fallen. Fallen in den tiefsten Abgrund, der je existiert hatte. Und hoffte, ich würde dort bis in alle Ewigkeit verweilen.    



Hey, guys, hoffe ihr seid immer noch dabei, obwohl in letzter Zeit nicht besonders viel kommt. Sorry dafür, aber ich versuche mich zu bessern... 

Aber mal was anderes: ich würde gerne mal eure Meinung zu den Charakteren hören, sprich zu

Angel

Luzifer

und Alan

weeeeiiiil ich gerne wissen würde, wie die bisher so auf euch wirken, was ihr von ihnen haltet, was ihr euch von ihnen versprecht, ob ihr eine Ahnung habt warum sie so sind wie sie eben sind, was ihre Motive für ihr Verhalten ist und so weiter und sofort. Würde mich echt interessieren wie die bei euch so ankommen...

Ansonsten: Bis zum nächsten Update :)



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