Kapitel 20 - Spielchen
Hier kommt das 20. Kapitel Special! Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Lesen ♥︎
𝐀𝐝𝐫𝐢𝐚𝐧
Endlich hatte er einen Moment zum Durchatmen. Seit er dieser spontanen Reise auf die Isle of Skye zugestimmt hatte, war er angespannt gewesen bis in die Fingerspitzen. Obwohl er schon seit vier Jahren mit Elly in London lebte, fühlte sich die Nähe, die sie seit der Ankunft auf der Insel teilten, ganz anders an. Seine Finger hielten einen Moment über der Tastatur inne, während sein Blick zum Eingang wanderte – doch sie war bereits verschwunden. Stattdessen standen dort nur zwei Mädchen, die ihn ungeniert musterten. Eine lächelte sogar und schob gespielt verlegen eine Haarsträhne hinter ihr Ohr.
Mit einem leisen Seufzen richtete er seine Aufmerksamkeit zurück auf den Text vor ihm, doch seine Gedanken verweilten bei Elly. Der verschlafene Blick, mit dem sie ihn heute Morgen angesehen hatte, brachte ihn zum Schmunzeln. Wenn sie ihn so anschaute, keimte in ihm der Gedanke auf, dass sie vielleicht mehr in ihm sah als nur einen Freund und Mitbewohner.
Doch das war bloß Wunschdenken, da war er sich sicher. Seit sie hier angekommen waren, hatte er gemerkt, dass sie noch an Noah hing. Seine größte Befürchtung hatte sich bestätigt.
Immer wieder hatte er mit angesehen, wie Elly sich auf Beziehungen einließ – nur um die Männer am Ende mit gebrochenem Herzen zurückzulassen. Er hatte erlebt, wie ihre romantischen Abenteuer aufblühten, manchmal leidenschaftlich und verheißungsvoll, doch ebenso schnell verglühten und in einem Scherbenhaufen endeten. Es war, als würde sie jedes Mal mit einem entschlossenen, aber unbewussten Ruck die Tür hinter sich zuschlagen und die enttäuschten Gesichter ihrer Verflossenen einfach hinter sich lassen.
Sie waren Freunde, wohnten Tür an Tür. Das Risiko war zu groß, etwas einzugehen, was schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt war. Außerdem war sie nie an ihm auf diese Weise interessiert gewesen, zumindest hatte er das nie so wahrgenommen.
Er dachte an gestern zurück und sein Herz fing automatisch an schneller zu schlagen.
Es war mutig von ihm gewesen, sie einfach so zu küssen. Doch Noah ging ihm schon zu lange auf die Nerven und die Show war ihm ein willkommener Grund gewesen, es einfach zu tun – sich nicht mehr länger zurückzuhalten.
Sie hatte fantastisch ausgesehen, in ihrem dunkelgrünen Kleid mit freiem Rücken. Noahs durchdringender Blick auf ihr hatte ihn rasend vor Eifersucht gemacht und der Whiskey hatte sein übriges getan, um alle Bedenken fallen zu lassen und sie einfach so zu küssen. Sie schien ebenfalls angetan gewesen zu sein, hatte zumindest den Kuss leidenschaftlich erwidert. Aber vielleicht war es für sie wirklich nur eine Showeinlage gewesen, um Noah eifersüchtig zu machen. Er konnte sich da nie wirklich sicher sein. Der Kuss sorgte trotzdem noch immer dafür, dass ihm heiß wurde und er die Erregung spüren konnte.
Verärgert über sich und die Situation ließ er sich tiefer in den Sesseln sinken. Was konnte er bloß tun? Er wollte nicht aufgeben, sie nicht an diesen Noah verlieren, an dem sie schon so lange hing. Sie hatte nie aufgehört ihn zu lieben, dessen war er sich bewusst. Wieso sollte sie also nun damit aufhören? Auch wenn er manchmal glaubte, eine Anziehung ihrerseits zu spüren, verunsicherte ihn dieser Aspekt ungemein.
Kopfschüttelnd fokussierte er sich wieder auf seinen Laptop. Diese ganzen Gedanken brachten ihn nirgendwohin und die Arbeit half ihn immerhin, über etwas anderes nachzudenken.
Er beendete gerade die letzte Korrektur, als er eine Bewegung neben sich wahrnahm.
Noah hatte sich neben ihn gesetzt, stützte seinen Kopf auf seine Handfläche und betrachtete ihn. Adrian konnte verstehen, was Elly an ihm so attraktiv fand. Die dunkelbraunen Haare, die blauen Augen. Sein charmantes Lächeln und die lockere Art. Ein Lächeln zierte seine vollen Lippen, während er Adrian betrachtete.
"Arbeit?", fragte er dann, mit gespielt-gequälten Ausdruck auf seinem Gesicht.
Adrian hätte ihn am Liebsten angeschwiegen, aber er wusste, dass er sich zusammenreißen musste.
"Ja, nur ein paar Korrekturen", antwortete Adrian und klappte den Laptop zu.
"Die Mädels sind wohl vor uns geflohen", grinste Noah dann. Adrian beobachtete, wie er sich langsam zurücklehnte, ihn jedoch nicht aus den Augen ließ.
"Willst du einen Kaffee?", fragte er dann. Am Liebsten wäre Adrian gegangen, er hatte keine Lust sich mit ihm zu unterhalten. An solchen Tagen waren ihm Höflichkeiten und Anstand verhasst.
Mit zusammengepressten Zähnen nickte er.
"Super", sagte Noah begeistert und winkte den Kellner heran.
Nachdem er die Bestellungen aufgegeben hatte, legte er den Kopf schief.
"Du und Elly", fing Noah dann unverhohlen an, "ist noch recht frisch, hm?"
"Ja", antwortete Adrian ausweichend.
"Und ihr wohnt schon zusammen. Klappt das? Ich weiß, dass Elly ganz schön chaotisch sein kann"
Langsam verstand Adrian, was hier vor sich ging. Ein Kräftemessen, ein Boxkampf oder vielleicht auch einfach nur ein kleines Spielchen zwischen Noah und ihm.
Ein Lächeln legte sich auf Adrians Lippen, während er sich ein wenig vorbeugte.
"Ja, aber ich liebe das an ihr", sagte er dann, "besonders ihre Tollpatschigkeit."
"Ich erinnere mich, dass sie bei einem unserer Roadtrips mal den halben Tassenschrank entleert hat, obwohl sie nur einen Becher herausnehmen wollte", antwortete Noah lachend, schüttelte dabei ungläubig den Kopf.
"Gehst du noch viel auf Roadtrips?", fragte Adrian dann, wusste, dass er genau den Punkt ansprach, der Noah wohl noch am meisten wurmte.
Noahs Miene wurde ernster, während er auf seine Hände blickte.
"Eher weniger. Amber liebt den Luxus", sagte er dann. Der Kellner kam mit dem Kaffee und Noah schien geradezu erleichtert über die kurze Unterbrechung.
Adrian bedankte sich beim Kellner und ließ Noah nicht aus den Augen. Er konnte spüren, dass das Thema einen Nerv getroffen hatte, und ein kleiner Anflug von Genugtuung stieg in ihm auf. Als sie beide ihre Tassen erhoben und einen ersten Schluck nahmen, ließ Adrian die Stille für einen Moment stehen, bevor er mit einer scheinbar beiläufigen Frage nachlegte:
"Also seid ihr beide jetzt eher der Typ für entspannte, geplante Reisen mit Hotelservice und allem drum und dran?"
Noah nickte und wirkte dabei etwas gezwungen. "Amber liebt es so – ihr ist Planung wichtig, keine unangenehmen Überraschungen." Er legte die Stirn in Falten, als würde er versuchen, etwas zu entschuldigen, ohne es direkt auszusprechen. "Aber das passt schon. Sie ist eben anders als... na ja, Elly eben."
Adrian unterdrückte ein Schmunzeln, lehnte sich zurück und strich nachdenklich mit den Fingern über den Tassenrand.
"Ja, sehr anders. Elly liebt die Natur, das Leben in echter Form, ohne den Schein." Der Ausdruck auf Noahs Gesicht verriet Adrian, dass seine Worte ihre Wirkung nicht verfehlten.
"Ich hoffe nur, dass du mit ihr umgehen kannst," sagte Noah mit einem halbherzigen Grinsen und legte eine fast brüderliche Note in seine Stimme, obwohl die Augen misstrauisch funkelten.
"Oh, ich kann sehr gut mit ihr umgehen," erwiderte Adrian mit einem breiten Grinsen.
Noah atmete scharf ein und wandte seinen Blick ab, um die Gäste zu beobachten. Im selben Moment kamen Ginny und Elly die Treppe hinunter. Sie waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie ihn und Noah zunächst gar nicht bemerkten. Erst als sie durch die Lobby liefen, warf Elly einen kurzen Blick zu Adrian. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, als sie ihn mit Noah an einem Tisch sitzen sah. Es war offensichtlich, dass sie kurz überlegte, stehen zu bleiben, doch Ginny zog sie entschlossen mit sich weiter.
"Ich sollte mal nach Amber sehen", murmelte Noah dann und stand langsam auf.
"Danke für den Kaffee," erwiderte Adrian mit einem Lächeln, während er sich zurücklehnte und Noah aufmerksam beobachtete. Noah nickte nur kurz, seine Miene war kühl und abweisend, bevor er die Lobby beinahe fluchtartig verließ.
Zufrieden lehnte sich Adrian zurück und ließ seinen Blick über die elegant eingerichtete Lobby schweifen. Während er über Noah nachdachte, fragte er sich, wie sehr sich dieser wohl seit ihren gemeinsamen Tagen verändert hatte. Der Mensch, der er jetzt war, passte nicht zu der Elly, die Adrian kannte.
Vielleicht war auch er einmal anders gewesen, bevor der Glanz des Lebens, der Prunk und Luxus, ihn in eine bestimmte Rolle gedrängt hatten. Vor Amber und all den Erwartungen, die mit ihrem sozialen Umfeld einhergingen.
In diesem Moment machte sich die Hoffnung in ihm breit, dass auch Elly das bemerkte. Dass sie ihn vielleicht endlich gehen lassen konnte und Platz für etwas neues machte.
Er verbrachte noch die restlichen Stunden damit, ein paar Texte für die nächste Woche vorzubereiten. Solange Elly noch mit Ginny unterwegs war, wollte er die Zeit nutzen. Außerdem inspirierte ihn die Insel mit all ihrer schönen Natur, die schönen Gebäude. Die Texte schreiben sich beinahe von alleine.
Es war bereits spät, als Elly die Lobby mit Ginny betrat und sich auf den Stuhl neben ihm niederließ. Ginny verabschiedete sich und lief die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Nun war er wieder alleine mit Elly, seiner Mitbewohnerin und Freundin. Ihre Wangen waren gerötet, von dem kalten Wind, der draußen umherzog und ihre warmen braun-grünen Augen, lösten in ihm ein Kribbeln aus.
"Es war so schön", fing sie an zu schwärmen, ihre Augen funkelten begeistert, "du hattest Recht, es war wie immer. So wie früher, als sei nichts geschehen."
"Das freut mich wirklich." Adrian wurde warm ums Herz. Ihre Freude schien auf ihn überspringen.
"Was hast du eigentlich mit Noah besprochen?", fragte sie dann neugierig.
"Ach, wir haben nur ein wenig über das Reisen philosophiert." Er winkte ab, wollte das Thema nicht weiter vertiefen.
"Er ist bestimmt nervös wegen morgen", sagte Elly nachdenklich.
"Hm, vielleicht", erwiderte Adrian schulterzuckend, fragte sich jedoch, was ihr nun durch den Kopf ging.
"Mit Ginny war es jeden Fall richtig schön", fuhr sie fort, wollte wohl das Thema wechseln und erzählte ihm von dem Café, wo sie sich bei Kaffee und Kuchen über alte Zeiten ausgetauscht hatten, war dabei so begeistert, dass ihm warm ums Herz wurde.
Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf Ellys sanften Lippen aus, und für Adrian war es, als ob die gesamte Welt um sie herum verschwamm und irrelevant wurde. Ihr Lächeln hatte immer eine magnetische Anziehungskraft auf ihn ausgeübt, die ihn in ihren Bann zog. Sein Blick verweilte auf ihren Lippen, und in diesem flüchtigen Moment schien alles andere zu verschwinden, während die Schmetterlinge in seinem Bauch wild umherflatterten. Doch dann überwältigte ihn die Nervosität, und er schluckte, als ihm die Intensität seiner Gefühle bewusst wurde. Hastig wandte er den Blick ab, unfähig, die aufkommende Hitze in seinem Gesicht zu verbergen, und fragte sich, ob sie die Veränderung in seiner Haltung bemerkt hatte.
"Wir sollten uns fürs Essen fertig machen", schlug Elly vor und stand auf, rieb sich die Hände, als seien sie noch immer kalt. Sie schien nichts bemerkt zu haben.
Adrian nickte erleichtert, ehe er ebenfalls aufstand und sich den Laptop schnappte.
"Bist du gut vorangekommen?", fragte sie ihn, während sie die Treppe nach oben liefen.
"Ja, ich hab noch ein paar zusätzliche Artikel geschrieben", antwortete er nachdenklich.
Während sie den langen Flur zum Zimmer entlanggingen, breitete sich ein kribbelndes Gefühl der Anspannung und Aufregung in ihm aus. Die Nähe zu ihr war beinahe elektrisierend; jeder Schritt, den sie näher kamen, ließ sein Herz schneller schlagen. Er musste sich beherrschen, sich zurückhalten und aufpassen, dass er nichts tat, was ihre Freundschaft gefährden könnte. Es fiel ihm jedoch zunehmend schwerer, denn in seinem Inneren brannte der Wunsch, sie an sich zu ziehen und sie besinnungslos zu küssen. Ihr blumig-frischer Duft umhüllte ihn wie eine zarte Umarmung und raubte ihm fast den Verstand, während sie schließlich die Tür zum Zimmer öffnete. Er schluckte schwer und fuhr sich nervös durch die Haare, während ihm klar wurde, dass er sein Herz endgültig an sie verloren hatte. In den vergangenen Jahren hatte er sich immer wieder eingeredet, dass es sich nur um eine lächerliche Schwärmerei handelte, dass er genug Abstand halten konnte, um nicht zuzulassen, dass seine Gefühle Überhand nahmen. Doch jetzt, da sie so viel Nähe teilten, schmolzen all seine Ausreden wie der Schnee in der Sonne. Die Realität war unbestreitbar: Er war hoffnungslos in sie verliebt.
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