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Pov Mina

„Er hat was gemacht?“ Lanas Augen weiteten sich erstaunt, als sie mich ansah. 

„Er hat mir einfach das Band aus den Haaren gezogen,“ wiederholte ich und vergrub mein Gesicht in den Händen, meine Arme stützten sich schwer auf dem Tisch. 

„Ja, und was hat er dann gesagt?“ fragte sie neugierig, ihre Stimme war eine Mischung aus Belustigung und Ungeduld. 

„Dann... dann hat er irgendwas gesagt, dass er offene Haare lieber mag und hübsche Dinge die Kreativität steigern.“ Ich zog meine Hände vom Gesicht und fuhr mir durch die Haare. „Und, dass ich mir das merken soll.“ Allein die Erinnerung ließ mich innerlich vor Peinlichkeit zusammenzucken. 

Als ich langsam aufblickte, bemerkte ich, dass Lanas erstaunter Gesichtsausdruck einem breiten Grinsen gewichen war. 

„Er hat dich damit indirekt als hübsch bezeichnet,“ quiekte sie plötzlich und kicherte, als wäre das die beste Nachricht des Tages. 

„Oder als hässlich, weil ich einen Zopf getragen habe,“ murrte ich. „Aber das tut doch nichts zur Sache! Lana, er hat mich davor und danach einfach komplett ignoriert. Ich stand da wie der letzte Depp! Ein bisschen Kameras putzen, Tassen wegräumen und bei Telefonaten lächelnd daneben sitzen...“ 

Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte fallen und stöhnte. 

„Mina, das war dein erster Tag,“ seufzte Lana geduldig. „Natürlich lassen die dich noch nicht an die großen Projekte ran. Welches Unternehmen würde das Risiko eingehen?“ 

„Keins,“ murmelte ich gegen die Tischplatte. 

„Und wie viele Tage hast du noch Zeit, zu zeigen, wie gut du bist?“ fragte sie weiter. 

„Viele.“ Meine Stimme war kaum mehr als ein gedämpftes Nuscheln. 

„Und warum machst du dann so ein Drama?“ fragte sie, während sie meinen Kopf mit einer Hand anhob. „Alle haben dich nett empfangen, Thomas hat dir super viel gezeigt, und dein Chef... dein Chef ist Julien Bam!“ 

Ich seufzte, und bevor ich etwas erwidern konnte, sagte sie: „Weißt du, was dir jetzt hilft?“ 

„Sag jetzt nicht ‚feiern gehen‘,“ stöhnte ich und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. 

„Genau das!“ lachte sie. „Übermorgen starten die Semesterferien, und du weißt genau, was heute auf dem Campus los sein wird.“ 

„Ich muss da morgen wieder hin,“ protestierte ich schwach. 

„Du darfst da morgen wieder hin! Und das muss gefeiert werden. Das ist locker das beste Praktikum, das je jemand bekommen hat. Los jetzt komm, ein bisschen Glitzer ins Gesicht und dann ab dafür!“ 

Lana ließ mir keine Wahl. Sie zog mich am Arm hoch und zwang mich, mich umzuziehen. 

Eine halbe Stunde später stand ich mit Lana auf dem Campus. Die Musik war laut, die Lichter funkelten, und die Energie war ansteckend. Lana drückte mir einen Becher in die Hand, ohne mir zu sagen, was drin war, und zog mich zu einer Gruppe von Studenten. 

„Das wird dir guttun,“ flüsterte sie mir zu, als sie mich in die Gruppe schob. 

Ich versuchte, den Moment zu genießen. Der erste Tag lag hinter mir, und egal wie chaotisch es gewesen war, ich hatte es geschafft. Lana hatte recht – ich hatte noch genug Zeit, um mich zu beweisen. Aber ob ich jemals herausfinden würde, was Julien wirklich dachte? Das war eine ganz andere Frage.

Ich ließ den Tag hinter mir und ließ mich in belanglose Gespräche verwickeln. Die Musik, die Lichter und die ausgelassene Stimmung halfen mir, meinen Kopf auszuschalten. Lana machte fleißig Fotos und Videos, während wir uns lachend und tanzend bewegten. 

Irgendwann zog ich mein Handy aus der Tasche, um zu sehen, wie spät es war, als eine Nachricht von Thomas aufleuchtete: 

"Hey Mina, ich hol dich morgen 6:30 Uhr ab. Ju hat den Dreh vorgezogen. Bis morgen."

Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Es war fast ein Uhr nachts. Ein schneller Blick auf die Uhr bestätigte, was ich bereits wusste: Schlaf würde heute Nacht Luxus sein. 

„Alles gut?“ fragte Lana sofort, als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkte. 

„Ich muss ins Bett,“ stöhnte ich. „Thomas holt mich morgen schon um halb sieben ab.“ 

„Uff, das ist früh,“ erwiderte Lana mit einem mitfühlenden Blick, bevor sie mich kurz umarmte. „Dann gute Nacht! Und viel Glück morgen!“ 

„Danke,“ murmelte ich und machte mich auf den Weg nach Hause. 

Dort angekommen, warf ich meine Sachen achtlos in eine Ecke meines Zimmers, zog mir mein übergroßes Schlafshirt und eine gemütliche Schlabberhose über und fiel ins Bett. Abschminken? Keine Chance. Das konnte ich auch noch in ein paar Stunden erledigen, wenn mein Wecker – zu grausam früh – klingeln würde. 

Als ich mich unter die Decke kuschelte, kreisten meine Gedanken kurz um den kommenden Tag. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommen würde, aber eines war sicher: Ich würde mich zusammenreißen müssen. 

Mit einem letzten, müden Seufzen schloss ich die Augen und hoffte, dass die paar Stunden Schlaf reichen würden, um mich für den Dreh fit zu machen.

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