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Ich saß neben Julien im Auto und starrte aus dem Fenster, während ich darauf wartete, endlich zu erfahren, wohin wir fuhren. Julien schien sich mit seiner Antwort Zeit zu lassen und genoss es offensichtlich, mich im Ungewissen zu lassen. Schließlich durchbrach er die Stille, als er den Wagen in ein Parkhaus lenkte.
„Ich dachte, wir gönnen uns die kurze Pause und suchen was Hübsches zum Anziehen für den Besuch bei deinen Eltern aus," erklärte er schließlich, als ob das die selbstverständlichste Sache der Welt wäre.
Ich zog die Augenbrauen hoch und verzog das Gesicht. „Ne Jogginghose und obenrum ohne reichen da völlig," schnaubte ich genervt. Der Gedanke, mich für meine Eltern herauszuputzen, fühlte sich schlichtweg falsch an. Der Besuch würde ohnehin in einer Katastrophe enden. Ein weiterer Beweis dafür, wie unfähig ich als Tochter war.
Julien grinste und parkte den Wagen. „Das kannst du ja gerne danach anziehen," konterte er schlagfertig.
Ich seufzte tief und stieg trotzdem aus. Widerstand schien zwecklos. „Ich hab da echt keinen Nerv zu."
„Perfekt," sagte er und wartete am Ende des Autos auf mich. „Dann gibt es weniger Diskussionen."
Ich runzelte die Stirn. „Wobei?" fragte ich und lief neben ihm durch das Parkhaus.
„Na, welches Kleid du nimmst," sagte er, als sei das bereits beschlossene Sache. Ich verdrehte die Augen.
Kaum betraten wir die Shopping-Mall, steuerte Julien zielsicher auf ein Geschäft zu, das ich bisher ignoriert hätte. Schon im Schaufenster funkelten edle Abendkleider in allen Farben.
Im Laden wurden wir direkt von einem Verkäufer empfangen, der geradewegs auf Julien zueilte und ihm enthusiastisch um den Hals fiel. „Ich hab deinen Namen im Kalender gesehen und frage mich seitdem, was du mit einem Frauenkleid willst!"
„Miro, es ist wohl kaum für mich," lachte Julien und wich einen Schritt zurück.
Der Blick des Verkäufers – Miro, wie ich nun wusste – heftete sich augenblicklich auf mich. Er nickte begeistert und rieb sich dabei die Hände, als hätte er schon tausend Ideen im Kopf.
„Bellissimo! Damit kann ich arbeiten. Ich bin Miro," stellte er sich vor und zog mich ohne Vorwarnung in eine feste Umarmung.
„Ich ... äh ... Mina," brachte ich hervor, während ich in seinem Griff steckte und meine Wange an seiner Schulter gepresst wurde.
„Mina, ein wundervoller Name. Wofür soll das Kleid sein, Liebes?" fragte Miro schließlich und musterte mich dabei von Kopf bis Fuß, als wäre ich eine Schaufensterpuppe.
Bevor ich eine Antwort geben konnte, übernahm Julien. „Es ist ein offizieller Termin bei einer Firma."
Miro zog die Augenbrauen hoch. „Verstehe, verstehe! Und du möchtest mit deiner Freundin angeben?" Ohne Julien auch nur eine Sekunde Zeit für eine Antwort zu lassen, fuhr er fort: „Natürlich möchtest du! Mit ihr lässt sich ja sowas von angeben."
Ich war kurz sprachlos, doch irgendwie störte mich seine Aussage nicht. Miro strahlte so viel Energie aus, und mit seinem rosafarbenen Anzug, den blond gefärbten Haaren und dem Maßband um den Hals wirkte er wie der Inbegriff eines extravaganten Stylisten.
„Setzt euch! Ich finde das perfekte Kleid," rief er und verschwand zwischen den Kleiderständern, bevor wir überhaupt reagieren konnten.
„Miro stattet mich schon ewig für Events aus," erklärte Julien, während wir uns in zwei bequeme Sessel setzten.
Plötzlich schallte es aus der Tiefe des Ladens: „Liebes, wie groß sind Hanni und Nanni?"
Ich blinzelte verwirrt und sah Julien fragend an. „Wer?" rief ich zurück.
„Deine Brüste!" kam es zurück, als wäre das die logischste Antwort der Welt.
Ich schluckte hart und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Musste ich das jetzt wirklich laut beantworten? Julien lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah mich mit einem amüsierten Funkeln in den Augen an.
„B? Fünfundsiebzig?" fragte Miro ungeduldig weiter.
„Ja," brachte ich schließlich heraus, meine Stimme kaum mehr als ein Murmeln.
Julien grinste breit, als hätte ihn das Ganze bestens unterhalten. Ich dagegen fragte mich, wie ich diese spontane Shopping-Aktion überleben sollte – mit Julien und einem Miro, der anscheinend nichts unversucht ließ, um mich in Verlegenheit zu bringen.
Vollbeladen mit Kleidern kam Miro wieder zurück, ein breites Grinsen auf dem Gesicht. „So, husch, husch, ab in die Umkleide!" forderte er mich energisch auf.
Ich seufzte, fügte mich aber und schlüpfte in die kleine Kabine. Das erste Kleid, das er mir reichte, war hellblau und schwang ab der Taille in einem fließenden Stoff leicht umher. Als ich mich vor dem Spiegel drehte, blickte ich skeptisch auf mein Spiegelbild.
„Nein," schüttelte Miro entschieden den Kopf. „Das macht dich blass!"
Also zurück in die Kabine und das nächste Kleid anprobiert. Das zweite war schwarz, mit Spitzenärmeln und einem langen Schlitz an der Seite. Ich drehte mich wieder vor dem Spiegel und wartete auf das Urteil.
„Zu streng," sagte Julien prompt, ohne den Blick von mir abzuwenden. Miro nickte zur Bestätigung.
Das dritte Kleid passte gar nicht richtig, weshalb ich gleich das vierte anzog. Dieses Kleid war rot mit einem glitzernden Tüllrock. Als ich mich vor dem Spiegel betrachtete, fand ich tatsächlich Gefallen daran.
„Jetzt hab ich's! Eine Sekunde!" rief Miro plötzlich und klatschte in die Hände, bevor er losflitzte.
Erschrocken drehte ich mich zu Julien um, doch der zuckte nur mit den Schultern und grinste.
„Ich finde das hier eigentlich ganz hübsch," sagte ich und sah an mir herunter.
Julien kräuselte die Lippen, als wollte er widersprechen, hielt sich aber zurück.
Da war Miro schon wieder zurück, in den Händen ein hellrosa Kleid, das er wie einen Schatz präsentierte. „Hier ist das Schätzchen! Du müsstest die perfekte Figur dafür haben, aber ..." Er ließ eine bedeutungsvolle Pause. „... da ist nichts mit Unterwäsche darunter."
Ich sah, wie Julien sich aufrecht hinsetzte, ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Natürlich.
„Anprobieren kann ich es ja," sagte ich kühl, auch wenn ich kurz überlegte, meinen BH direkt nach Julien zu werfen, damit er aufhörte, so dämlich zu grinsen.
Der Stoff des Kleides fühlte sich angenehm auf meiner Haut an, doch ich verstand schnell, was Miro meinte. Das Kleid war enganliegend geschnitten und ließ keine Geheimnisse zu. Es war schulterfrei, mit kleinen Ärmelchen, die leicht auf meinen Oberarmen ruhten. Der Herzausschnitt war dezent, aber der Stoff schmiegte sich so eng an meinen Körper, dass er jede Kurve betonte. Ab den Oberschenkeln fiel der Stoff etwas lockerer, doch der hohe Schlitz an der Seite ließ mich zweimal überlegen, ob ich mich überhaupt aus der Kabine trauen sollte.
Mit vorsichtigen Schritten trat ich hinaus, die Schleppe des Kleides schabte leise über den Boden. Ich stellte mich vor den Spiegel und war unsicher, ob das Kleid zu viel oder genau richtig war.
„Wir brauchen Schuhe!" rief Miro begeistert. „Auf wie hoch kannst du laufen?"
„Sie kann auf allem laufen," antwortete Julien mit einer Selbstverständlichkeit, die mich fast lachen ließ, wenn er nicht so ernst geklungen hätte.
„Grandios!" freute sich Miro und verschwand erneut.
Ich betrachtete mich weiter im Spiegel. „Ist das nicht etwas zu ..." Ich suchte nach den richtigen Worten.
„Es steht dir," sagte Julien leise, trat einen Schritt näher und musterte mich durch den Spiegel.
Da kam Miro zurück und drückte Julien ein Paar glitzernde Schuhe in die Hand. „Ich möchte ja nicht unter den Rock einer vergebenen Dame schauen. Das überlasse ich dir."
„Julien ist nicht mein Freund," stellte ich klar, fühlte aber, wie die Worte ein wenig zittrig klangen.
„Sie weigert sich noch, es einzusehen," erklärte Julien trocken und ging auf die Knie vor mir.
Miro zog skeptisch eine Augenbraue hoch, sagte jedoch nichts.
Julien hielt den ersten Schuh bereit, und ich hob meinen Fuß. Seine Finger streiften leicht meine Haut, als er das Riemchen um mein Fußgelenk schloss. Mein Atem stockte für einen Moment, aber ich sagte nichts. Seinen Blick ließ er nach unten gerichtet, wenigestens jetzt zeigte er mal Anstand. Er wiederholte die Bewegung am anderen Fuß, schloss das zweite Riemchen und stand dann auf.
Als ich mich erneut im Spiegel betrachtete, war ich überrascht. Die Schuhe verlängerten optisch meine Beine, und das Kleid saß wie angegossen.
„Eine wahre Schönheit!" schwärmte Miro hinter uns. „Und dann diese hübschen Locken!"
Das war Juliens Stichwort. Ohne Vorwarnung griff er nach meinem Pferdeschwanz und löste das Haargummi. Ich spürte, wie meine Haare über meine Schultern fielen und wie seine Finger dabei sanft meine Haut streiften. Ein Kribbeln zog sich durch meinen Körper, das direkt in meinem Unterleib ankam.
„Du solltest es nehmen," sagte er laut, seine Stimme fest. Dann fügte er leiser hinzu, so leise, dass nur ich es hören konnte: „In diesem Kleid wirst du fliegen lernen, denn ich werde dich so lange lecken, bis du auf Wolke sieben angekommen bist."
Ich schluckte hart, spürte das Pochen zwischen meinen Beinen und bemühte mich, ruhig weiter zu atmen.
„Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?" flüsterte ich zurück, ohne meinen Blick vom Spiegel zu lösen.
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