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Ich lag entspannt auf dem Sofa zu Hause, mein Handy in der Hand, während ich per Facetime mit Sofia sprach. Sie saß an ihrem Schminktisch und trug mit gezielten Bewegungen Puder auf ihre Nase auf.
„Also, versteh ich das richtig?" begann sie, während sie sich im Spiegel betrachtete. „Es war dein Projekt, und er hat dich einfach in diesen Charakter gesteckt?"
„Ganz genau," bestätigte ich und seufzte tief. „Und deswegen bin ich jetzt in diesem dämlichen Video gelandet."
„Hat er was gesagt?" fragte Sofia beiläufig, während sie den Pinsel wechselte und sich vorsichtig Rouge auftrug.
„Was soll er denn gesagt haben?" fragte ich zurück, etwas genervt.
„Na, wie er dich fand in dem Cosplay," erwiderte sie und achtete darauf ihre Wangen nicht zu rot zu schminken.
Ich zögerte. „Naja... scheinbar so sexy, dass er mich im Hotelzimmer an die Wand gedrückt hat und ich seine Beule spüren konnte."
Sofias Kopf drehte sich ruckartig zum Handy, und sie starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Wie bitte?"
„Genau das, was ich gesagt habe," wiederholte ich kleinlaut. „Er hat mich an die Wand gedrückt, an meinem Hals geknabbert und... na ja, dann hat es sich so ergeben, dass er mich hochgehoben hat. Ich hab meine Beine um seine Hüften geschlungen, und dann hat sich... du weißt schon... gegen meine da unten gedrückt."
Sofias Kiefer fiel förmlich herunter. „Und dann?" fragte sie, jetzt sichtlich gefesselt. „Und rede gefälligst deutlich! Sonst bist du doch auch nicht so verlegen."
Ich biss mir auf die Lippen, bevor ich weitersprach. „Ich bin... unter Umständen vor ihm auf die Knie gegangen."
„Das ist jetzt nicht dein Ernst!" quiekte Sofia und kam mit ihrem Gesicht näher an die Kamera. „Du hast ihm nicht etwa einen Blowjob angeboten?"
Da ich schwieg, schien sie die Antwort schon zu ahnen.
„Hast du es ihm so richtig gemacht?" bohrte sie nach.
Ich nickte schließlich und flüsterte: „Mehr oder weniger. Er hatte meine Haare in der Hand und hat... na ja... die Führung übernommen."
Sofias Augen weiteten sich noch mehr. „Heilige Scheiße, du hast ihm die Führung überlassen?" keuchte sie ungläubig.
„Oh Gott, Sofia, ich glaube, ich werde zu Butter in seinen Händen," stöhnte ich und hielt mir die freie Hand vors Gesicht, die andere umklammerte mein Handy.
„Das steht außer Frage!" lachte Sofia laut. „Du gehst vor ihm auf die Knie und lässt ihn deinen Mund ficken. Der Typ denkt jetzt doch bestimmt, er kann alles mit dir machen!"
„Das denkt er doch schon die ganze Zeit," murmelte ich und ließ meine Hand langsam von meinem Gesicht rutschen.
„Habt ihr es dann noch so richtig getrieben?" wollte sie wissen.
Ich schüttelte den Kopf. „Er hatte nichts zum Verhüten dabei. Scheinbar war das wirklich ungeplant von ihm." Ich atmete tief durch. „Aber er hat mich gefingert... und das mehr als gut."
Sofia starrte mich ungläubig an. „Mina, ich schwöre dir, ich bekomme Gänsehaut. Wie gut?"
„Ich bin noch nie so heftig gekommen," gestand ich, und meine Wangen wurden heiß. „Und dieser Bastard hat einfach weitergemacht. Oh Gott Sofia, ich glaube, er ist ein Sadist im Bett."
„Das sagst du, weil er nach deinem kleinen Orgasmus nicht aufgehört hat?" neckte sie und hob eine Augenbraue.
„Nein," sagte ich entschieden. „Das sage ich, weil er mir ins Ohr geraunt hat, dass wenn er mich das nächste Mal richtig nimmt, ich mit seinem Schwanz in mir einschlafen werde... und das sagt er während er mich davon abhält zu kommen!"
Sofias Mund klappte auf, bevor sie anfing zu lachen. „Und was hast du dazu gesagt?"
Ich versteckte mein Gesicht wieder in meiner Hand. „Das er machen soll was er will? Scheiße Sofia, er hat mich während dessen kommen lassen. Ich bin so am Arsch"
Sofias Augen funkelten amüsiert. „Mina, du bist am Arsch – aber auf die beste Weise. Du würdest es jederzeit wieder zulassen, weil es so unfassbar gut war."
Beschämt nickte ich.
„Ganz ehrlich, scheiß auf alles und lass dich von ihm ordentlich durchnehmen," riet sie schulterzuckend. „ Ich kenne dich und ich erinnere mich nicht, wann ich deine Augen zuletzt so habe aufblitzen sehen. Der Typ holt etwas ganz tief verborgenes aus dir heraus und ich denke es wird auch Zeit dafür. Boah, ihr wärt so ein süßes Paar nach außen hin und hinter verschlossener Tür wird er dich auf andere Sphären vögeln"
„Das heißt nicht, dass ich ihn gleich heiraten muss," brummte ich, woraufhin Sofia lachend die Augen verdrehte.
„Dieses Jahr sind die guten Locations sowieso schon alle ausgebucht," spottete sie, was mir einen bitterbösen Blick entlockte.
„Aber mal ehrlich," fügte sie mit einem ernsten Ton hinzu. „Du bist eine glatte Hundert von Zehn, Mina, und der Typ wäre schön blöd, dich einfach wegzuwerfen. Dafür halte ich ihn wirklich nicht, wann findet er schon wieder so ne kleine Kratzbürste die teuflisch gut im Bett ist?"
Sofia war so unverblümt wie eh und je, und genau das liebte ich an ihr. Dennoch konnte ich nicht abschütteln, was mir durch den Kopf ging: War das, was da zwischen Julien und mir passierte, wirklich gut? Noch vor wenigen Tagen hatte ich mein Praktikum genau deswegen abbrechen wollen. Die Aussicht, weiterhin mit ihm zusammenzuarbeiten, erschien mir wie eine Mischung aus Versuchung und Folter. Selbst bevor er es geschafft hatte, mir so nah zu kommen, hatte er keine Hemmungen gehabt, mich anzufassen oder zweideutige Bemerkungen zu machen. Wie würde es jetzt weitergehen?
Ein Schauer lief mir über den Rücken – allerdings keiner, der auf Angst zurückzuführen war.
Am nächsten Tag verlief alles erstaunlich normal. Julien war mit Joon bei irgendeinem Termin, und ich sah Dan über die Schulter, während er die ersten Szenen aus Berlin bearbeitete. Die Aufnahmen sahen schon jetzt beeindruckend aus, und es machte Spaß zu beobachten, wie alles zusammengefügt wurde. Morgen würde Thomas ein Studio mieten, um die fehlenden Greenscreen-Aufnahmen zu drehen. Alles lief nach Plan.
Am Abend holte ich Josh ab, und wir machten uns auf den Weg ins Kino.
„Du hast das echt super in Berlin gemacht," sagte Josh plötzlich, als wir an einer roten Ampel hielten. „Fast besser als Ju. Wenn der vor der Kamera steht, albert er meist nur rum. Du hast echt den Überblick behalten."
„Danke," erwiderte ich lächelnd, leicht verlegen. „Es war aber auch super anstrengend. Ich bin gestern wie tot ins Bett gefallen."
Josh lachte leise, und wir stiegen aus dem Auto, als wir das Kino erreicht hatten. Drinnen warteten Thomas, Dan und ein Mann, den ich nicht kannte, bereits auf uns. Der Fremde musterte mich, als wir auf die kleine Gruppe zuliefen.
Er trug eine Brille und hatte einen leichten Bart am Kinn. Sein Lächeln war freundlich, doch sein Blick hatte etwas Prüfendes.
„Hey," begrüßte mich Dan, während Thomas und Josh sich mit einem Handschlag begrüßten.
Ich umarmte Dan kurz, danach Thomas, und schließlich wandte ich mich dem Fremden zu.
„Ich bin Shawn," stellte er sich vor und hielt mir die Hand hin.
„Ich bin Mina," erwiderte ich und ergriff seine Hand, die angenehm warm war.
Er lächelte weiterhin. „Ich weiß."
Wir ließen uns wieder los, und ich sah ihn verwirrt an. „Du weißt?"
„Du bringst meinen Bruder ganz schön zur Weißglut, so oft wie er über dich schimpft," sagte er mit einem leichten Schmunzeln.
„Dein Bruder?" Ich zog die Nase kraus, während ich versuchte, die Puzzleteile zusammenzusetzen.
„Shawn ist Juliens älterer Bruder," klärte mich Thomas lachend auf.
„Oh," machte ich, und meine Augen weiteten sich leicht. „Er hat dich wirklich nie erwähnt."
„Das klingt nach Ju," lachte Shawn. „Wir werden uns aber bald am Set sehen, sobald das nächste Hauptvideo so richtig gedreht wird."
„Ich glaube, da ist Mina schon wieder weg," warf Dan ein. „Das Praktikum geht nur noch vier Wochen."
Wir hatten vorhin gemeinsam gezählt und waren beide erschrocken darüber, wie schnell die Zeit verflogen war. Es fühlte sich an, als wäre ich gerade erst angekommen.
„Wollen wir reingehen?" fragte Thomas schließlich.
„Doch nicht ohne was zu Essen und zu Trinken," protestierte Josh sofort.
Die Gruppe zerstreute sich ein wenig, um Snacks und Getränke zu holen, und ich blieb kurz mit Shawn stehen, der mich mit einem neugierigen Blick musterte. Es war nicht unangenehm, aber ich konnte nicht einordnen, was genau er über mich dachte.
„Vier Wochen sind ja echt nicht mehr lang," meinte Shawn, während wir langsam in Richtung der Theke gingen. „Hast du dir schon überlegt, was du danach machen willst?"
„Noch nicht so wirklich," gab ich zu und zuckte mit den Schultern. „Ich studiere ja noch, von daher werde ich damit wieder gut ausgelastet sein."
„Also kein Gedanke daran, bei der Truppe hier zu bleiben?" fragte er, ein Lächeln auf den Lippen.
Ich lachte leise. „Ich glaube, das liegt weniger in meiner Hand. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob das so gut wäre."
„Wegen Ju?" Seine Frage kam unverblümt, und ich stockte kurz.
„Naja, nicht nur. Ich glaube es wäre auf Dauer nicht das richtige. Juliens Anforderungen sind ziemlich hoch und ich habe auch gerne mal am Wochenende frei" antwortete ich vorsichtig, woraufhin er verständnisvoll nickte.
„Er kann anstrengend sein," sagte Shawn und grinste. „Aber wenn er dich so sehr beschäftigt, wie er mich mit seinem ständigen Gerede über dich beschäftigt, scheint er dich zumindest zu respektieren."
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder genervt sein sollte. „Das ist... nett von ihm, schätze ich?"
Shawn lachte. „Nimm's einfach als Kompliment. Er redet sonst nicht viel über andere Menschen. Und wenn, dann nicht so ausführlich."
Bevor ich nachhaken konnte, was genau er damit meinte, kamen Thomas und Josh mit voll beladenen Tabletts zurück.
„Bereit für den Film?" fragte Josh gut gelaunt und reichte mir einen Becher Cola.
„Absolut," antwortete ich und war froh, dem Gespräch mit Shawn vorerst zu entkommen.
Der Film war unterhaltsam, und ich fand es schön, die anderen mal außerhalb der Arbeit zu erleben. Auch wenn Julien fehlte, merkte ich, wie eng die Gruppe war. Sie machten Späße, lachten laut und diskutierten nach dem Film hitzig über ihre Lieblingsszenen.
Während der Heimfahrt mit Josh konnte ich nicht anders, als an Shawn und sein Gespräch zurückzudenken. Es war seltsam, dass Julien scheinbar so oft über mich sprach. War es wirklich Respekt, wie Shawn es ausgedrückt hatte?
Josh riss mich aus meinen Gedanken. „Alles okay? Du bist so still."
„Ja, alles gut," log ich. „Ich bin nur müde."
Er nickte, akzeptierte die Antwort, und wir fuhren schweigend weiter. Doch in meinem Kopf begann das Chaos erst richtig.
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