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Pov Mina
Die Tage in Berlin waren wie im Flug vergangen, und jetzt saßen wir alle beim Frühstück. Die Stimmung war entspannt, aber ich merkte, wie sich langsam eine gewisse Melancholie einschlich – unser Aufenthalt neigte sich dem Ende zu. In einer Stunde würden wir zum Bahnhof aufbrechen, um zurück nach Köln zu fahren.
„Willst du morgen mit ins Kino?“ fragte Thomas plötzlich. Sein Gesichtsausdruck war neutral, aber seine Frage war ungewöhnlich direkt für ihn. „Ein paar aus dem Team wollen diesen neuen Disney-Film sehen.“
„Klar, gerne,“ antwortete ich ohne groß nachzudenken. Es konnte nicht schaden, die anderen mal außerhalb des Arbeitskontexts zu treffen.
„Cool,“ sagte Thomas. „Josh kann dich bestimmt abholen.“
„Ich frag ihn nachher mal,“ meinte ich, während ich einen Blick zu Ju und Josh warf, die gerade tief in ein Gespräch vertieft waren.
Ich stand auf und machte mich auf den Weg zum Buffet, um mir noch etwas Obstsalat zu holen. Auf halbem Weg vibrierte mein Handy in meiner Tasche. Ich zog es hervor und las Sofias Namen auf dem Display.
„Hi, Sofia,“ meldete ich mich, während ich mich vom Buffet entfernte, um die anderen Gäste nicht zu stören.
„Du bist in Berlin und sagst mir nichts?“ quiekte sie mir so laut ins Ohr, dass ich unwillkürlich das Handy ein Stück weghielt.
„Zum Arbeiten, ja,“ erklärte ich. „Woher weißt du überhaupt davon?“
„Weil ich diese heißen Fotos von Ju gesehen habe, die er gepostet hat,“ antwortete sie mit einer Mischung aus Begeisterung und Vorwurf. „Alter, ich hätte dich fast nicht erkannt. Wirst du kleine Bitch jetzt etwa Model oder was?“
Ich hielt inne. „Sofia, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wovon du redest.“
„Dann guck auf Insta nach,“ seufzte sie genervt. „Und ruf mich dann wieder an!“
Ohne ein weiteres Wort legte sie auf. Genervt entsperrte ich mein Handy und suchte Juliens Profil. Sein neuester Beitrag sprang mir direkt ins Auge – ein Karussell-Post mit drei Bildern.
Das erste Bild zeigte Ju, wie er durch den Flur der verlassenen Heilstätten lief. Die Caption darunter ließ mich kurz lachen:
Hab ’ne Freundin gesucht, aber keine gefunden, hab mir jetzt eine gebaut ... bin jetzt kool.
Ich swipte weiter. Das nächste Bild ließ mich kurz den Atem anhalten. Es war dieses Spaß-Foto, das wir zwischendurch gemacht hatten. Ich lag auf einem alten OP-Tisch, während Ju so tat, als würde er die riesige OP-Lampe über mir justieren. Mein Gesicht war zum Glück kaum zu erkennen.
Das letzte Bild jedoch ...
Ich hielt inne.
Es zeigte Ju im Halbdunkel vor der Chirurgie, die Arme verschränkt. Neben ihm stand ich – oder besser gesagt Myna. Mein Arm lag locker auf seiner Schulter, und ich sah direkt in die Kamera, während Ju mich an lächelte.
Ich schloss kurz die Augen, bevor ich Sofia zurückrief.
„Das ist ja glorreich,“ zischte ich ins Telefon.
„Also, es sieht schon verdammt gut aus, das letzte Bild,“ kicherte Sofia. „Aber ich liebe diese Caption. Er baut sich ’ne eigene Freundin, und dann bist es einfach du.“
„Myna“ korrigierte ich sie scharf. „Das letzte Bild zeigt Myna.“
„Girl, verarsch mich nicht,“ kicherte Sofia weiter. „Das bist du unter der Perücke und dem Make-up.“
Ich seufzte schwer. „Das hat er doch nur so gepostet.“ Aber meine Gedanken drifteten bereits ab – zurück zu letzter Nacht, als Ju mich mit seinen Händen ins Paradies geführt hatte. Nur der Gedanke daran ließ meine Beine zittern und ein warmes Kribbeln in meinem Bauch aufsteigen.
„Hallo? Bist du noch dran?“ fragte Sofia plötzlich.
„Ja, sorry.“
„Du bist nicht bei der Sache. Was ist da los?“ Ihre Stimme wurde sofort neugierig.
„Erzähl ich dir später, wenn ich allein bin.“
„Oh. Mein. Gott,“ Sofia zog die Worte in die Länge, wie nur sie es konnte. „Es gibt also wirklich einen Grund, warum du mir nicht richtig zuhörst? Den gab es zuletzt, als Taylor und du auf dem Küchentisch gefickt habt und deine Eltern…“
„Ist gut, Sofia, danke für diese nostalgische Reise in meine Vergangenheit“ unterbrach ich sie schnell und spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht schoss.
„Sorry,“ kicherte sie. „Aber ich krieg immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.“
Ich konnte förmlich sehen, wie sie vor sich hin grinste. Je dreckiger eine Sexstory war, desto mehr gefiel es ihr.
„Ich meld mich später,“ murmelte ich und beendete das Gespräch, bevor sie weiter ins Detail gehen konnte.
Mit einem tiefen Atemzug steckte ich das Handy zurück in meine Tasche. Als ich zum Tisch zurückkehrte, saß Ju dort, grinste verschmitzt, und mir war klar, dass er wusste, was er mit diesem Instagram-Post angerichtet hatte.
Die Rückfahrt nach Köln verlief erstaunlich ruhig. Ich saß neben Thomas und half ihm, die Flut an E-Mails zu sortieren und zu beantworten, die sich während unserer Drehtage angesammelt hatten.
„Kooperationsanfragen leite ich an Annika weiter, richtig?“ fragte ich, als ich auf eine Mail klickte.
„Ja, genau,“ bestätigte Thomas, ohne den Blick von seinem Bildschirm zu heben. „Was ist es denn?“
„Irgendeine Spiel-App,“ antwortete ich und verzog das Gesicht.
„Leite es weiter, aber ich denke nicht, dass uns das interessiert.“
„Hab ich mir gedacht,“ lachte ich. Es war kein Geheimnis, dass Annika fast alle Kooperationsanfragen direkt ablehnte. Sie hatte ein sehr genaues Auge dafür, welche Anfragen für uns relevant waren – und eine Handyspiel-App gehörte wohl eher nicht dazu.
„Hast du ein Kostüm in Auftrag gegeben?“ fragte Thomas plötzlich und runzelte die Stirn, während er auf eine andere Mail starrte.
„Nee,“ antwortete ich und lehnte mich zu ihm rüber, um mit ihm auf den Bildschirm zu schauen. „Katharina wollte doch nur das Santa-Kostüm fixen. Und die anderen waren doch alle in Ordnung, hast du gesagt.“
„Das stimmt,“ murmelte er, doch sein Blick blieb skeptisch.
„Mit dem Kostüm könnten wir nicht mal was anfangen,“ überlegte er laut.
Ich las die Mail genauer durch. „Aber wir arbeiten mit dem Unternehmen doch auch gar nicht zusammen. Soll ich da mal anrufen?“
„Das mach ich nachher, wenn wir in Aachen sind,“ entschied Thomas schließlich und warf einen Seitenblick zu Julien, der auf der anderen Seite des Zugabteils saß und durch sein Handy scrollte.
„Hast du ein Kostüm für eine rosa Ente bestellt?“ fragte Thomas trocken, woraufhin Julien in Gelächter ausbrach.
„Ganz sicher nicht,“ antwortete er grinsend.
„Vielleicht ein geheimer Fetisch?“ neckte ich ihn und schloss die Mail.
„Wenn ich mal als rosa Ente vor der Kamera stehen sollte, dann nur, weil jemand gut bezahlt,“ konterte Ju mit einem frechen Grinsen.
„Okay, notiert,“ witzelte ich und tippte gespielt etwas in mein Handy.
Das ganze Team lachte, und die lockere Stimmung zog sich durch die restliche Zugfahrt.
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