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Entgegen jeglicher Vernunft hatte ich mich für einen Rock entschieden. Er war bequem genug für die lange Zugfahrt und stilvoller als eine Jogginghose – die für mich ohnehin keine Option war. Der Rock endete knapp über dem Knie, darunter wärmte mich eine Thermostrumpfhose. Auf meinem Koffer lag der schwarze Hoodie, den Julien mir gestern gegeben hatte, bereit, ihm zurückgegeben zu werden.

Ich stand draußen vor dem Haus und wartete auf Thomas und Julien. Die Kälte biss mir leicht in die Wangen, also zog ich mein Handy heraus und schickte Lana eine Sprachnachricht. Ich erzählte ihr, dass ich nach Berlin fuhr, um tatsächlich mein eigenes Projekt zu verwirklichen. Natürlich war ich irgendwo stolz, aber gleichzeitig stresste mich die Situation mit Julien – nicht die Zusammenarbeit, sondern dieses undefinierbare Etwas zwischen uns, das seit Kitzbühel noch komplizierter geworden war.

Der weiße Audi hielt vor mir, und Thomas stieg aus, um meinen Koffer zu nehmen.

„Guten Morgen," sagte er lächelnd.

„Guten Morgen, Thomas." Ich reichte ihm einen Thermobecher mit Kaffee, den ich extra für ihn vorbereitet hatte, weil er uns zum Bahnhof fuhr.

„Danke dir," erwiderte er dankbar und lud meinen Koffer in den Kofferraum. Ich stieg hinten ins Auto ein.

„Und wo ist meiner?" fragte Julien, der sich vom Beifahrersitz zu mir umdrehte.

„Du hast nicht gesagt, dass du einen möchtest," erwiderte ich trocken.

„Ich wurde auch nicht gefragt," lachte er und lehnte sich wieder entspannt zurück.

„Jeder bekommt, was er verdient," warf Thomas ein und startete den Wagen.

Während der Fahrt starrte ich aus dem Fenster. Thomas und Julien diskutierten über irgendein neues Licht, das sie offenbar kaufen wollten. Ich versuchte, das Gespräch zu ignorieren und mich mental auf die bevorstehenden Tage vorzubereiten.

Am Bahnhof in Köln stiegen Julien und ich aus und schoben unsere Koffer ins große Gebäude. Gemeinsam suchten wir die Anzeige-Tafel, um sicherzugehen, dass unser Gleis nicht spontan gewechselt worden war.

„Es ist immer noch die Sieben," verkündete Julien, der den Zug schneller gefunden hatte als ich.

Ich wollte etwas sagen, doch plötzlich sprach ein junges Mädchen Julien an.

„Können wir ein Foto machen?" fragte sie mit strahlenden Augen und einer Zahnspange, die ihr Lächeln noch sympathischer machte.

Julien sah kurz zu mir, dann nickte er. „Klar."

Es war irgendwie süß, wie er sich neben das Mädchen stellte und in die Handykamera lächelte.

„Wie cool, danke!" rief sie begeistert, und Julien nahm sie noch kurz in den Arm, bevor er seinen Koffer nahm.

„Das war süß," bemerkte ich lächelnd, als wir weitergingen.

„Süß?" fragte Julien und warf mir einen seitlichen Blick zu.

„Ja, süß. Sie hat sich so gefreut, dich zu sehen," erklärte ich, als wäre das nicht offensichtlich.

Julien reagierte nicht, sondern nahm die Bemerkung einfach hin. Wir stiegen die Treppe zum Gleis hinauf, wo außer einer Schulklasse noch nicht viele Leute standen.

„Ist das Julien Bam?" hörte ich plötzlich einen der Jungen aus der Klasse fragen.

Julien drehte der Klasse sofort den Rücken zu und machte Anstalten, wegzugehen, aber es war zu spät. Die gesamte Gruppe hatte ihn erkannt, und aufgeregtes Gemurmel breitete sich aus.

„Würden Sie ein Foto mit uns machen?" fragte ein Schüler, den die anderen offensichtlich vorgeschickt hatten. Nervös trat er vor.

„Ich kann ein Gruppenfoto machen, aber einzeln wird's eng – sonst verpassen wir den Zug," sagte Julien freundlich.

Der Junge nickte eifrig und hielt sein Handy in der Hand.

„Gib her, ich mach das Foto," bot ich an und streckte die Hand aus.

„Danke," sagte der Schüler erleichtert und übergab mir sein Handy.

Julien stellte sich in die Mitte der Gruppe, während die Schüler um ihn herum ihre Plätze suchten. Der Lehrer kam zu mir, offenbar neugierig, wer Julien eigentlich war.

„Ein YouTuber?" fragte er, als wollte er sicherstellen, dass er es richtig verstanden hatte.

„Ja, Julien Bam. Und Sie? Klassenfahrt nach Berlin?" fragte ich zurück.

„Ganz genau. Eine Woche lang," antwortete der Lehrer und beobachtete, wie seine Schüler sich um Julien positionierten.

„Und Sie machen sowas nicht?" fragte er dann neugierig.

„Um Himmels willen, nein," lachte ich. „Für sowas hätte ich gar keine Geduld."

„Es ist wirklich verrückt, was das bei den Kindern heutzutage auslöst," gestand er, während ich die Kamera hob und mehrere Fotos machte. Er wirkte wirklich nett und ich tippte insgeheim darauf, dass die Schüler ihn mochten.

„Sie müssen mit drauf. Es ist doch Ihre Klasse," ermutigte ich den Lehrer.

„Ja, Herr Kollbach, kommen Sie!" riefen die Schüler, und er ließ sich schließlich überreden, sich zu ihnen zu stellen. Wieder machte ich Fotos und reichte das Handy anschließend dem Schüler zurück, der sich begeistert die Bilder ansah.

„Cool, danke!" sagte er, bevor er zu seiner Klasse zurückging.

Julien verabschiedete sich freundlich und kam zu mir zurück. „Sorry," murmelte er entschuldigend.

„Alles gut, die waren doch nett," sagte ich und nickte Herrn Kollbach zum Abschied zu, der uns winkte.

„Ist das seine Freundin?" hörte ich eine der Schülerinnen fragen.

„Die war doch in dem Video mit Rezo," fügte eine andere hinzu.

Ich verdrehte innerlich die Augen und lief Julien hinterher, der sich inzwischen etwas abseits von der Klasse gestellt hatte.

Im Zug saßen wir nebeneinander. Ju holte seinen Laptop hervor und legte ihn auf seinen Beinen ab. 

"Du willst arbeiten?" fragte ich, als ich sah wie er irgend ein Programm öffnete.  

"Natürlich, was soll ich die Zeit über sonst tun?"
Ich schüttelte nur den Kopf und kramte mein Buch hervor "Etwas entspannendes vielleicht" sagte ich.
Ju schielte auf das Cover des Buches "Wie die Ruhe vor dem Sturm" las er laut vor. "Das klingt nach Herzschmerz" 

„Ein bisschen Herzschmerz schadet nie," antwortete ich trocken, während ich das Buch aufklappte.

„Ich hoffe, du beziehst das nicht auf uns," entgegnete Ju mit einem schelmischen Grinsen und wandte sich wieder seinem Laptop zu.

„Uns? Du meinst das wandelnde Chaos, das mich vor seinem Team wie eine neue Lampe abgestellt hat?" Ich hob eine Augenbraue, ließ meinen Blick jedoch nicht von den Zeilen meines Buches abschweifen.

Ju lachte leise. „Das war keine Absicht – zumindest nicht ganz. Aber du musst zugeben, der Hoodie steht dir."

„Vielleicht sollte ich ihn verkaufen, um mir ein One-Way-Ticket in ein anderes Land zu finanzieren," konterte ich, ohne von meinem Buch aufzusehen.

„Gute Idee. Dann kaufe ich ihn zurück und komme nach, ich soll doch weniger Arbeiten."

Ich schüttelte nur den Kopf. Ju hatte eine Art, jeden Kommentar in einen spielerischen Schlagabtausch zu verwandeln. Es war nervig – und gleichzeitig bewundernswert.

Eine Weile war es ruhig. Ich vertiefte mich in die Zeilen meines Buches, während Julien leise in die Tasten seines Laptops tippte. Der Zug ratterte gleichmäßig, und das gleichmäßige Geräusch der Fahrt hatte etwas Beruhigendes.

Plötzlich brach Julien die Stille. „Ich verstehe nicht, warum du sowas liest. In solchen Geschichten weinen am Ende doch immer alle."

„Vielleicht, weil sie ehrlich sind," erwiderte ich, ohne aufzusehen.

„Ehrlich? Oder weil es Drama ist, das mit der Realität nichts zu tun hat?"

„Manchmal hilft es, sich in andere Welten zu flüchten. Zum Beispiel aus einem Zug voller Selfiejäger," sagte ich trocken.

Ju lachte laut. „Berührt. Aber ich gebe zu, du hast einen Punkt. Manchmal brauche ich auch eine Auszeit – allerdings nicht in Form von Herzschmerzromanen."

„Ach, und wie entspannst du? Beim nächsten Adrenalinrausch auf dem Snowboard?" fragte ich und sah ihn jetzt doch an.

„Zum Beispiel," antwortete er lachend. „Oder bei einem guten Film."

„Aha. Lass mich raten: Explosionen, Verfolgungsjagden, und kein Platz für Gefühle?"

„Ich hab auch schon The Notebook gesehen," verteidigte er sich mit einem gespielten Schmollmund.

„Und? Wie war's?"

„Langweilig. Aber Ryan Gosling ist ja so hot." er wedelte sich mit der Hand luft zu.

Ich musste lachen. Julien war ein Mix aus Ernsthaftigkeit und kindlichem Humor, der mich immer wieder überraschte.

Die nächsten Minuten vergingen in angenehmer Stille, bis Ju plötzlich einen Kopfhörer aus seiner Tasche zog und mir anbot. „Lust auf Musik? Oder bleibst du lieber in deiner melancholischen Herzschmerz-Blase?"

„Kommt drauf an," sagte ich skeptisch. „Was hören wir?"

„Vertrau mir einfach," antwortete er mit einem Zwinkern und drückte mir den Kopfhörer in die Hand. Ich steckte ihn ins Ohr, und kurz darauf begann ein Song, der mich lächeln ließ – überraschend entspannt, mit einer ruhigen Melodie.

„Na, überzeugt?" fragte Ju und grinste.

Ich nickte widerwillig. „Noch rede ich nicht von Geschmack, aber es ist ein Anfang."

Die Musik passte jedoch nicht zudem was ich da las, also klappte ich das Buch zu und holte mein Handy hervor. 

"Schreibt man eigentlich auch Fanfictions über dich?" fragte ich, als ich auf das orange-weiße App Symbol drückte.
Ju schielte zu mir rüber "Liest du sowas etwa?"
"Manchmal welche aus Filmen, es gibt da diese eine über Harry Potter die ist wirklich gut" antwortete ich und ging auf die Suchleiste. 

"Es ist super unangenehm, wenn über dich selbst Geschichten entstehen. Aber wenn wir drauf reagieren, werden auch immer so richtig unangenehme vom Team raus gesucht. Sag bescheid, wenn du mal was gutes findest" grinste er. 

Ich tippte seinen Namen ein und sofort erschienen etliche Storys. Recht schnell fand ich heraus was er mit unangenehm meinte. Es gab Storys über Ju, wo er mit den unterschiedlichsten Youtubern zusammen kommt oder noch schlimmer plötzlich auf vierzehn Jährige steht. 

"Na, soll ich dich für eine Trauma Therapie anmelden?" lachte Ju, scheinbar hatte ich mein Gesicht unabsichtlich verzogen. 

"Es gibt Storys über eure Hauptvideos. Also mit der Zahnfee, dem Sandmann und so" stellte ich fest. 

„Zeig mal," sagte Ju und lehnte sich etwas näher zu mir, um auf mein Handy zu schauen.

Ich scrollte durch die Suchergebnisse und fand tatsächlich mehrere Geschichten, die sich um seine Charaktere aus den Hauptvideos drehten. „Hier, das klingt doch interessant: ‚Der Sandmann und die Zahnfee – Die geheime Allianz'," las ich vor und musste grinsen.

Ju zog eine Augenbraue hoch. „Geheime Allianz? Klingt nach einem Plot-Twist, den wir vielleicht in einem Video klauen könnten."

Ich schüttelte den Kopf. „Vergiss es, ich lese mal rein."

Ich öffnete die Story und überflog die ersten Zeilen. Ju schielte weiterhin über meine Schulter und zog eine Grimasse. „Okay, allein schon, wie die Zahnfee beschrieben wird, ist irgendwie ... falsch. Warum hat sie plötzlich lange lila Haare und einen Glitzerumhang?"

„Weil das Internet kreativ ist," antwortete ich und las weiter. „Hier steht, der Sandmann hat eine Geheimmission. Aber statt Sand zu streuen, verteilt er – warte, was? – Einhornstaub?"

Ju brach in schallendes Gelächter aus und ließ sich zurück in den Sitz fallen. „Einhornstaub?"

„Vielleicht solltest du dich mit deinen Charakteren besser auseinandersetzen," neckte ich und tippte auf die nächste Seite.

„Oder die Autoren sollten uns mal im Büro besuchen. Das gibt ja mehr Material als ich jemals dachte," erwiderte Ju und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel.

Ich las weiter und musste schließlich selbst lachen. „Okay, jetzt wird's wild. Die Zahnfee und der Sandmann arbeiten zusammen, um den Nachtalb zu bekämpfen, der ... warte ... Kinderträume in TikTok-Trends verwandelt?"

Ju stöhnte dramatisch. „Das klingt wie ein Albtraum – im echten Leben. Die Zahnfee sollte mal einen Zahn ziehen, um das zu verhindern."

„Was glaubst du, wie die Story endet?" fragte ich grinsend.

Ju zuckte mit den Schultern. „Entweder sie retten die Kinderträume, oder sie werden zu einer TikTok-Challenge. Wetten, dass am Ende irgendein kitschiger Satz kommt wie ‚Der wahre Traum war die Freundschaft'?"

Ich kicherte. „Klingt plausibel. Aber es gibt auch richtig lange Geschichten hier. Schau mal, die hier hat über hundert Kapitel."

„Hundert Kapitel?" Ju lehnte sich vor, um es besser sehen zu können. „Und worum geht's da?"

„Das ist ... warte ... ein Roman über dich und ... Rezo? Ihr werdet in einer anderen Dimension gefangen und müsst zusammenarbeiten, um zurückzukommen."

Ju runzelte die Stirn. „Ich meine, das klingt fast besser als manche Drehbücher, die ich gelesen habe. Vielleicht sollte ich das wirklich mal verfilmen."

„Klar," sagte ich trocken. „Aber zuerst musst du herausfinden, was Einhornstaub ist."

Ju lachte wieder. „Okay, du hast gewonnen. Aber pass auf, wenn du weiterliest, gibt es kein Zurück mehr. Plötzlich bist du im Fandom drin und kannst gar nicht genug von mir bekommen."

„Wenn das passiert, schreib ich meine eigene Geschichte über dich 'Die dunkle Wahrheit über Julien Bam'" antwortete ich grinsend und scrollte weiter.

"Das klingt nach einem wahren Meisterwerk" lachte Ju, klappte den Laptop zu und legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab. Ich war etwas überfordert von der plötzlichen Nähe. 

"Das sieht doch interesssant aus 'Secret desire'" Ju deutete auf eine der Storys.Ich klickte drauf und gemeinsam lasen wir rein. 

"So gruselig ist Rhun ja nun auch nicht" seufzte Ju nach ein paar Seiten. 

"Mir tut der kleine Geist leid und warum sperrt er sie in dem Hotel ein?" fragte ich, auch wenn Ju mir darauf natürlich keine Antwort geben konnte. 

Schließlich nahm Ju mir das Handy aus der Hand."Zu viel aufs Handy schauen ist auch nicht gesund" erklärte er

Ich war kurz sprachlos, als Ju mir einfach mein Handy abnahm. „Gib das zurück," verlangte ich, streckte die Hand aus, und versuchte es ihm wieder abzunehmen.

Ju grinste nur und hielt es außer Reichweite. „Jetzt mal ehrlich, Mina. Was bringt dir dieser Trash? Wir könnten genauso gut an unserem eigenen Meisterwerk arbeiten."

„Oh, und was genau soll das sein?" fragte ich und verschränkte die Arme, während ich ihn anfunkelte.

„Vielleicht eine Story über ein chaotisches Team, das versucht, ein Projekt in Berlin auf die Beine zu stellen, während die Hauptcharaktere sich gegenseitig in den Wahnsinn treiben," schlug er vor und lehnte sich mit einem frechen Grinsen zurück.

Ich seufzte. „Klingt nicht wie ein Bestseller, Ju."

Er zuckte mit den Schultern. „Manchmal ist das wahre Leben eben spannender als jede Fanfiction. Außerdem, wenn ich die Story schreibe, wird es episch."

„Episch, ja klar," erwiderte ich sarkastisch. „Deine letzte epische Idee hat mich im Schlafanzug vor einem Team abgeliefert."

Ju lachte laut. „Siehst du? Das war doch ein legendärer Anfang! Du bist nur zu ungeduldig, um zu sehen, wie genial die Entwicklung wird."

Ich konnte nicht anders, als zu schmunzeln. „Genial? Dann bin ich ja mal gespannt, was dein nächster brillanter Schachzug ist."

„Ganz einfach," sagte er, hielt mein Handy in die Höhe und grinste. „Ich poste ein Selfie von uns beiden mit dem Titel: ‚Secret Desire – Real Life Edition'."

„Machst du das, endet dein Leben genau hier," warnte ich, während ich mich über ihn beugte, um mein Handy zurückzuerobern.

Ju lachte nur als ich halb auf ihm drauf lag und noch immer nicht an mein Handy kam. „Okay, okay, du hast gewonnen. Aber jetzt ernsthaft: Hör auf, so viel zu lesen. Manchmal muss man auch einfach mal abschalten."

„Sagt der Typ, der gerade noch am Laptop gearbeitet hat," konterte ich, aber ich konnte das Lächeln nicht aus meinem Gesicht verbannen. Ju schaffte es einfach immer, die Stimmung zu lockern, selbst wenn er nervte.

„Arbeit ist was anderes," verteidigte er sich, zog dann aber plötzlich eine Augenbraue hoch. „Aber weißt du, was nicht anders ist?"

„Was?"

"Das du gerne so liegen bleiben kannst" er gab mir mein Handy zurück und legte zeitgleich seine andere Hand auf meinen Rücken. 

"Das ist aber nicht sonderlich bequem" gab ich von mir, schließlich lag ich hier irgend wie verdreht auf seinem Bauch mit meinem Handy in der Hand und richtete mich wieder auf. Doch Julien, wäre nicht Julien, wenn er es dabei belassen würde. 

Kaum saß ich wieder richtig, drehte sich und ließ sich zu mir rüber fallen.

Die sanfte Bewegung, mit der Julien seinen Kopf auf meine Beine legte, war so ungewohnt, dass ich zuerst nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Seine Beine, die er lässig auf den Sitz neben mir zog, zeigten einmal mehr, wie wenig er sich um die Regeln oder das, was andere über uns dachten, scherte.

Ich sah auf ihn hinunter und zog eine Augenbraue hoch. „Sehr lustig. Willst du jetzt den Rest der Fahrt hier liegen bleiben?"

Er grinste schief. „Du hast bequeme Beine, warum nicht?"

„Natürlich," murmelte ich sarkastisch, doch ich machte keine Anstalten, ihn wegzuschieben. Vielleicht, weil die Situation irgendwie... angenehm war.

Die Minuten vergingen, und Julien schien tatsächlich die Ruhe zu genießen, ich sah aus dem Fenster. Sein Atem wurde gleichmäßiger, und ich dachte schon, er sei eingeschlafen, als er plötzlich sprach.

„Weißt du was?" fragte er, seine Stimme leise, fast nachdenklich.

Ich verdrehte die Augen und sah zu ihm runter, mein Herz schlug ein wenig schneller. „Was kommt jetzt für eine bahnbrechende Erkenntnis?"

Anstatt zu antworten, hob Julien langsam eine Hand. Bevor ich etwas sagen oder mich bewegen konnte, legte er sie an meinen Kiefer. Seine Finger waren warm und vertraut, als sein Daumen sanft über meine Wange strich.

Ich erstarrte. Nicht, weil es unangenehm war, sondern weil diese zarte Geste so unerwartet kam. Er sah mich an, seine dunklen Augen suchten meinen Blick, und ich konnte nicht wegsehen.

Sein Daumen wanderte weiter, strich leicht über meine Lippen, was ein sanftes Kribbeln hinterließ. Mein Atem stockte, doch ich sagte nichts. Julien schien in Gedanken, als folge er einem unsichtbaren Weg, den nur er sehen konnte. Seine Finger glitten weiter über meinen Hals, ihre Berührung federleicht, und verharrten schließlich an meinem Schlüsselbein.

Mein Herz raste, während die Wärme seiner Berührung in meiner Brust nachhallte. Ich hätte etwas sagen sollen – irgendwas, um die Spannung zu durchbrechen –, doch die Worte blieben mir im Hals stecken.

„Von hier unten bist du genauso hübsch," sagte er leise, seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.

Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde, doch Julien schien es nicht zu bemerken. Oder vielleicht bemerkte er es doch und beschloss einfach, nichts zu sagen. Langsam zog er seine Hand zurück, als ob er plötzlich realisierte, was er getan hatte.

Er schloss die Augen, sein Gesicht noch immer entspannt, und murmelte: „Danke für den Platz. Weck mich, wenn wir da sind."

Ich blieb still, unsicher, wie ich die Wärme deuten sollte, die nach seiner Berührung in meiner Haut pulsierte. Julien war immer charmant, manchmal sogar ein wenig dreist – aber das hier war anders. Es fühlte sich... ehrlich an.

Ich sah wieder aus dem Fenster. Doch mein Blick wanderte immer wieder zu ihm hinunter. Sein Gesicht wirkte friedlich, fast verletzlich, während er dort lag.


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