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Ich überspielte die Tatsache, dass Julien mich in meinem unfassbar peinlichen Outfit wie ein Möbelstück ins Haus getragen und direkt vor dem gesamten Team abgestellt hatte. Doch innerlich kochte ich. Julien würde dafür bezahlen, und ich schwor mir, dass meine Rache süß und eiskalt sein würde.

„Ist das nicht etwas kalt?" fragte Joon vorsichtig, seine Augen skeptisch auf meine karierte Schlafanzughose und die rosa Plüschhausschuhe gerichtet.

„Nein, ich mache gerade eine Kältekur," erklärte ich trocken, als wäre das die naheliegendste Sache der Welt, und warf Julien einen finsteren Blick zu. Er zog die Kapuze seines Hoodies tiefer ins Gesicht, doch das Grinsen darunter war unverkennbar.

„Ich würde dann gerne starten," sagte ich, räusperte mich und versuchte, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken – alles war besser, als weiter über mein Outfit nachzudenken. Thomas warf mir einen irritierten Blick zu, der mich innerlich zusammenzucken ließ.

„Die Kostüme für die Cosplays sind nach meinem Wissensstand fertig?" fragte ich, während ich mich zwang, selbstsicher zu wirken.

Thomas nickte sofort. „Ja, alles fertiggestellt."

„Und die Locations haben sich für Termine gemeldet?"

Wieder nickte Thomas, diesmal mit einem leichten Lächeln. Gott sei Dank hielt er den Laden am Laufen, während ich so gar nicht vorbereitet war.

„Wir haben auch schon die Hotels gebucht," fügte Thomas hinzu. „Leider finden in Berlin mehrere Veranstaltungen statt, weshalb wir das Team auf zwei Hotels aufteilen mussten." Er stand auf und stellte sich neben mich, was mir etwas Sicherheit gab.

Dann ließ er jedoch eine Bombe platzen. „Ju und Mina fahren einen Tag früher, um die finale Location vorher nochmal zu besichtigen und gegebenenfalls noch Änderungen vornehmen zu können."

Ich spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich, und sah ihn entsetzt an. „Ju und ich?"

„Ja, das war doch so abgesprochen," mischte sich Julien ein, bevor Thomas antworten konnte.

Ich suchte verzweifelt in meinem Gedächtnis, doch ich konnte mich beim besten Willen nicht an eine solche Absprache erinnern. Julien hatte das offensichtlich auf eigene Faust entschieden.

„Wir müssen aber noch die Models final bestimmen," wechselte ich schnell das Thema, um nicht weiter nachzuhaken. „Dafür habe ich euch vor dem freien Wochenende eine Übersicht geschickt."

„Ich finde die Idee von Ju mega," sagte Josh, was mich kurz irritierte.

„Das stimmt," pflichtete Joon ihm bei.

Verwirrt scrollte ich in Gedanken durch die E-Mails, bis mir wieder einfiel, was passiert war. Nur wenige Minuten nach meiner eigenen Mail hatte Julien eine weitere verschickt, in der er die Liste ergänzt hatte. Ich hatte Myna absichtlich nicht eingeplant, doch Julien hatte es sofort bemerkt und mich kurzerhand als Model der Figur hinzugefügt.

„Dann ist das doch schon mal entschieden," verkündete Julien mit einem breiten Grinsen.

„Macht Ju dann Knox?" fragte Dan, der das Gespräch interessiert verfolgte.

Ich schüttelte den Kopf, bevor Julien etwas sagen konnte. „Ich habe für Ju etwas anderes im Kopf, aber dafür muss ich die Location vorher nochmal richtig sehen."

Julien starrte mich an, und für einen Moment entglitten ihm die Gesichtszüge. Ich musste mir ein triumphierendes Lächeln verkneifen. Dieses Mal hatte ich ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Er entschied ständig Dinge ohne mich – jetzt war es an der Zeit, dass er mal damit leben musste.

Im weiteren Verlauf des Meetings wählten wir die restlichen Models aus, die zum Glück alle bereits für den Zeitraum zugesagt hatten. Die Stimmung lockerte sich wieder, und ich spürte, wie ich langsam wieder sicherer wurde.

„Ich fahre dann morgen Ju und Mina zum Bahnhof und hole danach die Kostüme ab," erklärte Thomas am Ende des Treffens.

Wo bitte fahre ich mit Julien hin? wollte ich fragen, doch ich hielt mich zurück. Ich wollte nicht schon wieder wie ein Depp dastehen. Also nickte ich nur und notierte mir gedanklich, dass ich einen Plan brauchte wie ich Julien auf Abstand halten konnte.

Nach dem Meeting warf Julien mir plötzlich einen schwarzen Hoodie zu. Ich fing ihn überrascht auf und betrachtete ihn kritisch.

„Strong, aber ich sehe deine Gänsehaut bis hierhin," sagte er grinsend und deutete mit einem Nicken auf meine Arme.

Ich hob den Stoff in die Höhe und erkannte sofort das Logo: Es war der Myna-Hoodie von Eternal God. Innerlich kochte ich – natürlich war es genau der Hoodie, der perfekt zu meinem Cosplay passte, laut Ju.

„Du bekommst auch immer, was du willst, oder?" fragte ich genervt, konnte aber nicht leugnen, dass der warme Stoff in diesem Moment verlockend war. Widerwillig zog ich ihn mir über den Kopf, und die weiche Baumwolle umhüllte mich wie eine Decke.

„Wenn ich dafür brenne, auf jeden Fall," erwiderte Julien und ließ seinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Wir waren allein – der Rest des Teams hatte sich bereits verabschiedet.

„Ich wollte vorhin nicht so hart sein oder übergriffig wirken," begann er plötzlich und senkte die Stimme. Seine Augen suchten den Boden, als wäre dort etwas Interessantes zu entdecken. „Aber ich konnte es nicht akzeptieren, dich für dieses geniale Projekt zu verlieren. Und... dich nicht mehr um mich herum zu wissen."

Diese unerwartete Offenheit überraschte mich. Julien sah auf unsere Füße, als wäre ihm seine eigene Aussage unangenehm.

„Auch wenn ich Angst habe, was du mit mir bei dem Dreh vorhast," fügte er hinzu und sah mir schließlich direkt in die Augen. Sein schiefes Lächeln ließ mein Herz kurz stolpern, auch wenn ich es sofort wieder ignorierte.

„Nichts Schlimmes, ich heiße ja nicht Julien Bam," neckte ich ihn, während ein kleines Grinsen über mein Gesicht huschte.

„Wo fahren wir morgen eigentlich hin?" fragte ich, um das Thema zu wechseln.

„Berlin," antwortete Julien, und seine Augen begannen regelrecht zu leuchten.

„Ihr wollt diese Woche noch drehen?" fragte ich überfordert.

„Natürlich," erwiderte er sofort, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt. „Wir hatten ein Wochenende frei, also müssen wir jetzt Gas geben. Zeit ist Geld, und da warten noch andere Projekte."

Ich schüttelte nur den Kopf und seufzte. „Wo zum Teufel nimmst du diese Energie her?"

Er grinste breit, drehte sich um und ging ein paar Schritte, bevor er stehen blieb und über die Schulter zu mir zurückblickte.

„Ein Grund, weswegen ich dich nicht gehen lassen wollte, du weißt doch woher Kreativität kommt" sagte er leichthin, bevor er mit einem verschmitzten Lächeln verschwand.

Ich blieb stehen, sah an mir hinunter auf den Hoodie, der nach Julien roch, und fragte mich, wo das eigentlich noch hinführen sollte.

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