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Der Rückflug verlief glücklicherweise ohne Zwischenfälle. Ich war kein Fan vom Fliegen und nahm mir wieder einmal vor, so schnell wie möglich auf andere Transportmittel umzusteigen. Es sei denn, der Flieger würde mich nach Singapur bringen – in diesem Fall könnte ich eine Ausnahme machen. 

Zu Hause angekommen, warf ich meine Klamotten direkt in die Waschmaschine, ohne sie auch nur zu sortieren. Der Gedanke an meinen morgigen Terminplan ließ mich seufzen. Ein Meeting mit einem potenziellen Werbepartner, ein Interview und danach eine Teambesprechung. Kein langsames Reinkommen in den Alltag. 

Also hieß es früh ins Bett. 

Am nächsten Morgen fand ich mich in einem Bürokomplex irgendwo in einem weitläufigen Industriegebiet wieder. Die Suche nach einem Parkplatz hatte mich fast wahnsinnig gemacht, aber immerhin war ich pünktlich. Annika, meine Managerin, wartete bereits vor dem gläsernen Eingang auf mich. 

„Du siehst erholt aus,“ stellte sie zufrieden fest und schenkte mir ein Lächeln, das förmlich „Hab ich’s dir nicht gesagt?“ schrie. 

„Mal rauszukommen hat echt gutgetan,“ gab ich zu und zog mir meinen Mantel enger um die Schultern. 

Während wir gemeinsam zum Eingang gingen, erklärte mir Annika kurz, worum es in dem Termin ging. Die Firma stellte recycelte Flaschen her, die Wasser filtern konnten. Klingt innovativ, dachte ich, aber ich war skeptisch, ob das wirklich zu mir passte. 

Im Konferenzraum angekommen, wurden wir von zwei Männern begrüßt, die sichtlich stolz auf ihr Produkt waren. Sie präsentierten uns ihre Vision und gingen dann nahtlos in eine Präsentation voller Zahlen und Statistiken über. Umsätze, Marktprognosen, geplante Werbemaßnahmen – es war beeindruckend, aber es fühlte sich nicht richtig an. 

Ich saß da, hörte zu und nickte an den richtigen Stellen. Meine Gedanken schweiften jedoch immer wieder ab. Was würde Mina gerade tun? Sicherlich saß sie mit Thomas zusammen und verfluchte mich wegen der Eternal God Sache.

Annika hingegen war in ihrem Element, stellte Fragen, notierte sich Details und nickte immer wieder zustimmend. Ich schätzte ihre Professionalität, aber ich konnte nicht anders, als mich fehl am Platz zu fühlen. 

„Julien, was denkst du?“ fragte Annika schließlich und sah mich erwartungsvoll an. 

Ich räusperte mich. „Es ist ein spannendes Konzept. Ich denke, wir könnten das später nochmal im Detail besprechen,“ antwortete ich vage, was so viel bedeutete wie: Das ist nichts für mich. 

Annika warf mir einen kurzen Blick zu, den ich als „Das besprechen wir später“ deutete. Die Präsentation zog sich noch eine Weile, bis wir uns schließlich verabschiedeten und das Gebäude verließen. 

Draußen atmete ich tief durch. „Ich weiß nicht, Annika. Das Produkt ist bestimmt toll, aber ich sehe mich da nicht.“ 

„Ich hab’s mir schon gedacht,“ sagte sie und schob ihre Tasche auf die andere Schulter. „Aber du weißt, dass wir sowas manchmal ausprobieren müssen. Ich schau mal, ob wir noch was anderes finden, das besser zu dir passt.“ 

Ich nickte dankbar. „Danke, Annika.“ 

„Kein Problem. Du hast es dir verdient, nach der ganzen Arbeit etwas zu finden, das wirklich zu dir passt.“ 

Während ich zum Auto ging, warf ich einen letzten Blick zurück auf das Gebäude. Manchmal war es schwer, den richtigen Weg zu finden – beruflich und privat. Aber vielleicht würde ich genau deshalb irgendwann die richtige Entscheidung treffen.

Das Interview war zum Glück kurz. Gerade lang genug, um meinen Kopf bei den Fragen zusammenzuhalten und mich danach wieder ins Auto zu setzen. Direkt von dort fuhr ich zum Haus, wo das Team-Meeting stattfand. 

Kaum hatte ich den Schlüssel ins Schloss gesteckt, wurde die Tür mit Schwung geöffnet. Thomas stand da, die Stirn in Falten gelegt und mit einem Ausdruck, als hätte er gerade einen Notruf abgesetzt. 

„Ich habe dich fünfmal angerufen!“ rief er mir entgegen, während ich eintrat. 

„Was ist denn los?“ fragte ich amüsiert. Es war irgendwie witzig, Thomas in diesem nervösen Zustand zu sehen. Normalerweise war er der Ruhepol in unserem Team. 

Ohne ein weiteres Wort drückte er mir einen Zettel und einen Autoschlüssel in die Hand. „Das lag beides im Briefkasten.“ 

Ich nahm den Zettel und klappte ihn auf. Schon nach den ersten Worten spürte ich, wie die Wut in mir aufstieg, heiß und drängend. 

Sehr geehrtes Team,

hiermit möchte ich mein Praktikum in Ihrem Team mit sofortiger Wirkung beenden. Persönliche Gründe machen es mir leider unmöglich, weiterhin Teil Ihrer Projekte zu sein.

Ich bedanke mich herzlich für die Gelegenheit, in Ihrem Team arbeiten zu dürfen, und für all die Erfahrungen, die ich sammeln konnte. Ich werde diese Zeit in guter Erinnerung behalten.

Mit besten Grüßen,
Mina Schwarz

Ich knüllte das Papier zusammen, bevor ich es in meiner Hand wieder glättete, und las es erneut. Meine Augen fixierten die Worte „aus persönlichen Gründen“, als könnte ich sie durch reines Starren aus dem Zettel brennen. 

„Ich klär das,“ sagte ich knapp, während ich mir den Autoschlüssel in die Tasche steckte. „Macht das Meeting ohne mich.“ 

Thomas öffnete den Mund, als wollte er etwas sagen, doch ich ließ ihm keine Zeit und schloss die Tür hinter mir. 

Auf dem Weg zu Minas Wohnung raste mein Kopf genauso schnell wie mein Wagen. Das konnte sie doch nicht ernst meinen. Einfach aussteigen, ohne ein Wort, ohne eine Erklärung. Dieses Spiel, das wir begonnen hatten, war noch nicht vorbei – und ich war definitiv nicht bereit, es so enden zu lassen.

In meinem Kopf wiederholte sich ihr Brief immer wieder, die höflichen Worte, die kühle Distanz.

Noch entscheide ich, wann dieses Spiel endet, nicht du.

Ich stieg aus und stürmte zur Tür.

Mina Schwarz das hier war kein Abschied – das war der fucking Anfang.

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