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Was genau ein „Mädelsabend" bei Sofia beinhaltete, durfte ich zusammen mit Rezo am eigenen Leib erfahren – ob ich wollte oder nicht. Und während ich mich fragte, wie ich hier gelandet war, hatte Rezo offensichtlich den Spaß seines Lebens. 

Wir lagen alle nebeneinander auf dem großen Sofa im Chalet, unsere Gesichter dick mit einer merkwürdigen grünen Creme beschmiert. Sofia balancierte eine Schale mit der Paste in der einen und einen Pinsel in der anderen Hand, bereit, ihre nächsten Opfer zu verschönern. 

„Ach, ich spüre schon, wie die Falten verschwinden," seufzte Rezo theatralisch und klang dabei, als wäre er mindestens 40 Jahre älter, als er tatsächlich war. 

„Spinner," lachte Sofia und tunkte den Pinsel erneut in die Schale, bevor sie ihn mit einem zufriedenen Grinsen auf meiner Stirn ansetzte. 

„Stillhalten, Julien," befahl sie mit der Autorität eines Generals. 

„Ich bin still," grummelte ich und spürte, wie die kalte Creme sich auf meiner Haut verteilte. „Aber ich hoffe, das Zeug lässt sich auch wieder abwaschen." 

„Keine Sorge," meinte Sofia augenrollend. „Du wirst danach so gut aussehen, dass du dir wünschst, es nie wieder abzuwaschen." 

„Unglaublich," murmelte ich und ließ es über mich ergehen. 

Mina saß am anderen Ende des Sofas, eingewickelt in eine flauschige Decke und mit einer dampfenden Tasse Tee in der Hand. Sie sah immer noch ein wenig erschöpft aus, aber zumindest wirkte sie nicht mehr so aufgewühlt wie am Nachmittag. Ab und zu wanderte ihr Blick zu mir, aber sie sagte nichts. 

„So, fertig!" verkündete Sofia schließlich und ließ sich zufrieden in einen Sessel fallen. „Jetzt lasst das alles einwirken, während ich mich um die Nägel kümmern." 

„Nägel?" fragte ich alarmiert und richtete mich halb auf. 

„Ja, Nägel, Julien. Deine Hände sehen aus wie die eines Bauarbeiters." Sie zeigte auf meine Hände, als wäre das ein Verbrechen. 

„Das liegt daran, dass ich arbeite," verteidigte ich mich. 

„Das kannst du deinem Chef erzählen," entgegnete Sofia trocken. 

Rezo lachte laut auf. „Jetzt bist du dran, Bro." 

„Ich bin nicht der Einzige," brummte ich und streckte Sofia widerwillig meine Hände entgegen. 

„So ist's brav," meinte sie, während sie begann, meine Fingernägel zu bearbeiten. 

Mina beobachtete die Szene aus ihrem sicheren Kokon und schüttelte kaum merklich den Kopf. Ein schwaches Lächeln spielte auf ihren Lippen, und für einen Moment fühlte ich mich erleichtert. Wenn dieser absurde Abend dafür sorgte, dass sie sich besser fühlte, dann war es das irgendwie wert. 

„Und? Wie fühlst du dich jetzt, Mina?" fragte Sofia schließlich, ohne dabei aufzusehen. 

Mina zuckte leicht mit den Schultern. „Besser, glaube ich." 

„Glauben reicht nicht," sagte Sofia entschieden. „Bis morgen früh wirst du dich wie neu geboren fühlen. Das verspreche ich dir." 

Rezo stieß mir mit dem Ellenbogen in die Seite und grinste. „Hey, vielleicht kriegen wir morgen auch noch eine Pediküre?" 

„Sag das nicht zu laut," murmelte ich. 

Sofia hob eine Augenbraue. „Keine schlechte Idee." 

Ich stöhnte, und Rezo lachte wieder. Mina kicherte leise in ihre Tasse, und für einen Moment fühlte sich alles leichter an. Vielleicht hatte Sofia mit diesem Mädelsabend ja doch recht.

Der nächste Morgen brachte eine spürbar bessere Stimmung ins Chalet. Als ich die Treppe hinunterging, hörte ich Mina und Sofia aus der Küche lachen. Es war ein ansteckendes, unbeschwertes Lachen, das mich innehalten ließ, bevor ich mich zu ihnen gesellte.

Nach einem gemeinsamen Frühstück, das mehr aus albernem Geplänkel und Getuschel zwischen den Mädels bestand als aus Essen, beschlossen wir, den letzten Tag noch einmal auf der Piste zu verbringen.

Rezo und ich versuchten erneut unser Glück, den Hang hinunterzukommen – und diesmal klappte es tatsächlich ohne Stürze oder peinliche Momente. Mina fuhr langsam neben Rezo her, korrigierte geduldig seine Haltung und erinnerte ihn immer wieder daran, nicht nur ein Bein zu belasten.

„Jetzt will ich euch aber mal richtig fahren sehen," verkündete Rezo, als wir schließlich unten ankamen.

Die Mädels nickten synchron, schnallten sich ab und liefen zum Lift, um noch einmal nach oben zu fahren. Rezo und ich blieben unten stehen und beobachteten sie.

„Was für ein Wochenende, oder?" meinte er schließlich und sah mich von der Seite an.

Ich nickte, während ich einem Kind zusah, das uns locker in den Schatten stellte, als es mit beeindruckender Leichtigkeit den Hang hinunterflitzte.

„Was ist eigentlich zwischen euch passiert?" fragte Rezo plötzlich, seine Stimme beiläufig, aber seine Augen prüfend auf mich gerichtet. „Da ist irgendwas zwischen euch. Diese Spannung kann man nicht ignorieren."

Ich seufzte und sah auf meine Schuhe. „Es ist alles irgendwie anders gelaufen, als ich gedacht hatte."

„Und was hattest du dir gedacht?"

„Ich wollte es einfach so nehmen wie es kommt, sie vielleicht besser kennenlernen. Energie für mich selber tanken und dann wieder zurück nach Aachen""

„Aber sas ist durch Minas Eltern nicht wirklich was geworden? "bohrte Rezo nach.

"Denen die Schuld zu geben, wäre zu einfach" ich sah Rezo an und verfluchte es das er mich nie richtig verurteilen würde, egal was ich tat. Ich zögerte kurz, bevor ich leise hinzufügte: „Nach dem Essen hat sie mich im Whirlpool als Ablenkung benutzt."

Rezos Augenbraue schoss in die Höhe. „Ihr habt ...?"

"Im Whirpool" fügte ich hinzu, weswegen auch noch die zweite Augenbraue hochwanderte. 

"Ihr habt?" fragte Rezo, worauf ich sofort den Kopf schüttelte. 

"Wir haben uns ein Glück nicht mal geküsst" 

"Ihr habt also rum gemacht? Aber nicht miteinander und ohne küssen?" fragte Rezo nach "Ju, dass ist ziemlich untypisch für dich, wenn ich so darüber nachdenke"

„Danke, ich weiß selbst, wie seltsam das ist," murmelte ich. „Ich hab sogar noch gesagt, dass es falsch ist, aber ..."

„Aber du findest sie hot, und wenn sich die Gelegenheit ergibt ..." Er grinste. „Schon klar, Ju. Aber das macht es natürlich nicht einfacher. Vor allem wenn du selber nicht weißt was du eigentlich willst" sein grinsen verschwand "Oder weißt du es?"

„Nein," gab ich zu. „Ich mag es, sie in meiner Nähe zu haben. Ich gewöhne mich an sie. Aber ... du weißt, dass ich nicht der Typ bin, der sich Hals über Kopf verliebt."

„Das stimmt, Mister Einhundertprozent-Sicherheit," neckte Rezo, bevor er ernst wurde. „Aber überleg dir, wie weit du dieses Spiel noch treiben willst, wenn wir zurück sind. Das mit ihrer Familie ist krass heftig. Da ist es nicht fair, wenn du um sie spielst und es dann für dich nur auf ne Nummer im Bett hinausläuft" er sah mich ernst an "Wir brauchen uns nicht darüber unterhalten, wie geil es sein kann eine Frau zu erobern, aber denk daran das es schmerzhaft sein kann, wenn man sie aus ihrem Schloss schmeißt"

Ich runzelte die Stirn. „Hast du das aus deinem Horoskop?"

Rezo lachte und schüttelte den Kopf. „Nein, Mann, aber du weißt, was ich meine." Natürlich wusste ich das und er hatte recht, das stand außer Frage.

Bevor ich etwas erwidern konnte, zückte er sein Handy und begann, Mina und Sofia zu filmen, die gerade elegant die Piste hinunterkamen.

Mina und Sofia waren wie zwei Kontraste: Sofia wirkte verspielt, sprang von einer Kante zur nächsten, drehte sich mühelos und bremste mit einem kunstvollen Schwung direkt vor Rezo.

„Ich dachte, du springst zur Seite!" lachte sie und zog ihre Brille hoch.

„Vertrauen," entgegnete Rezo lachend.

Mina hingegen wählte einen direkteren Ansatz. Sie raste mit beeindruckendem Tempo an uns heran und machte erst im letzten Moment eine harte Bremsung. Der Schnee türmte sich vor ihrem Board zu einem kleinen Hügel auf, bevor sie zum Stehen kam.

Ohne ein Wort ließ sie sich einfach rücklings in den Schnee fallen und begann, ihre Bindungen zu lösen.Sie blieb kurz im Schnee sitzen, ihr Atem kondensierte in der kalten Luft. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich in ihrer Brille, und ein selbstzufriedenes Grinsen zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, als sie Sofia ansah.

„So, das war's, ich hab gewonnen," verkündete Mina keuchend.

„Von wegen," lachte Sofia und schüttelte den Kopf. „Du hast nur schneller gebremst. Hättest du früher abgebogen, wärst du langsamer gewesen."

„Ausreden," erwiderte Mina mit einem gespielt dramatischen Seufzen, während sie die Handschuhe auszog und den Schnee von ihrem Ärmel klopfte.

Rezo warf mir einen Blick zu, dann drehte er sein Handy weg und hielt es den beiden Frauen entgegen. „Ich hab alles aufgenommen. Wollt ihr den Beweis sehen?"

„Lösch das!" rief Sofia sofort und sprang mit einem Satz auf ihn zu. Rezo wich lachend aus, hielt das Handy jedoch hoch, außer ihrer Reichweite.

„Nur, weil du Angst hast verloren zu haben" rief er grinsend, während er weiter rückwärts ging, Sofia dicht auf den Fersen.

Mina lehnte sich nach hinten, stützte sich auf ihre Hände und beobachtete die Szene. Ein leises Lachen entwich ihr, und für einen Moment wirkte sie so entspannt wie selten zuvor.

Ich ließ meinen Blick von ihr zu Rezo und Sofia wandern, die nun beide durch den Schnee rannten. Sofia hatte es tatsächlich geschafft, sich auf Rezo zu stürzen und ihn zu Boden zu werfen. Das Handy lag ein paar Meter entfernt im Schnee, und beide kämpften darum, es zu erreichen.

„Läuft da was?" fragte Mina trocken, ohne mich dabei anzusehen.

„Keine Ahnung" antwortete ich und setzte mich neben sie in den Schnee.

Wir saßen einen Moment schweigend nebeneinander. Die Schreie und das Gelächter von Sofia und Rezo wurden langsam leiser, als die beiden wohl merkten, dass sie sich einfach nur gegenseitig nassmachten.

„Du bist ziemlich gut gefahren," sagte ich schließlich, um die Stille zu brechen.

„Danke," murmelte sie und begann, die Schnallen an ihrem Board zu lösen. „Es macht Spaß, aber irgendwann wird's langweilig, immer dieselbe Piste runterzufahren."

„Mich wundert was ich hier sehe von dir, weil du immer gesagt hast, dass du keinen Sport machst"

Mina sah mich von der Seite an, ihre Augen funkelten amüsiert. „Ich mache ja auch keinen mehr."

„Deine Auffassung von kein Sport hätte ich auch gerne" meinte ich leise.

Sie runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Stattdessen legte sie das Board zur Seite, stand auf und klopfte sich den Schnee von der Hose. „Wir sollten zurück zum Chalet, bevor Sofia Rezo umbringt."

Ich nickte, stand ebenfalls auf und folgte ihr den Hang hinunter, wo Sofia triumphierend das Handy in der Hand hielt und Rezo mit einer Schneeballladung bombardierte. Mina schüttelte den Kopf, konnte sich ein kleines Lächeln aber nicht verkneifen.

Vielleicht hatte Rezo recht. Vielleicht war es Zeit, sich klar darüber zu werden, was ich eigentlich wollte – bevor ich etwas begann, das ich später nicht zu Ende bringen konnte oder wollte.

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