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Pov Ju
Ich stieg aus dem Taxi, griff nach meinem Koffer und machte mich auf den Weg in das Terminal 1 des Kölner Flughafens. Der kalte Wind draußen ließ mich frösteln, aber das war nichts im Vergleich zu dem Unbehagen, das sich in meiner Brust ausbreitete. Flugangst. Sie machte sich wie immer bemerkbar, obwohl ich versuchte, den Gedanken beiseitezuschieben.
Kaum hatte ich die große Anzeigetafel erreicht, entdeckte ich Rezo und Mina. Rezo winkte mir überschwänglich zu, während Mina sich kurz umsah, bevor sie mich ebenfalls bemerkte. Beide trugen bequeme Jogginghosen, was bei Rezo keine Überraschung war, aber Mina in solch einem legeren Outfit zu sehen, war ungewohnt. Bislang war sie mir immer nur in schickeren Klamotten begegnet, und dieser entspannte Look gab ihr etwas Bodenständiges.
„Wer hätte gedacht, dass du dieses Jahr noch Urlaub machst?“ lachte Rezo, als ich mich ihnen näherte.
„Es freut mich auch, dich zu sehen,“ konterte ich mit einem Schmunzeln und klopfte ihm auf die Schulter.
„Wir sollten langsam das Gepäck aufgeben und durch die Sicherheitskontrolle,“ warf Mina mit einem prüfenden Blick auf die Uhr ein. Ihre Stimme war ruhig, aber bestimmt – sie war offensichtlich diejenige, die hier den Überblick behielt.
Sofia hatte wirklich keine Kosten gescheut. Unser Gepäck durften wir an einem separaten Schalter aufgeben, und selbst beim Security Check mussten wir uns nicht in die lange Schlange einreihen. Stattdessen wurden wir an der Menge vorbei in einen separaten Bereich geleitet.
Das Ganze fühlte sich merkwürdig an. Natürlich war ich es gewohnt, für Promo-Zwecke eingeladen zu werden, wo alles umsonst war, aber da stand immer Arbeit dahinter. Hier jedoch war es ein reiner Vergnügungstrip. Ich bemerkte an Rezos skeptischem Blick, dass es ihm ähnlich ging.
„Ich hab Sofia ausreden können, einen Privatjet für uns zu chartern,“ erklärte Mina beiläufig, als wir schließlich von einer Mitarbeiterin in die Lounge geführt wurden.
„Für sie spielt Geld wirklich keine Rolle, oder?“ fragte Rezo, während er sich umsah.
„Nein, für sie zählt nur, dass alles Spaß macht. Aber macht euch keine Sorgen, das Konto ihrer Eltern wird durch das Wochenende definitiv nicht leer sein,“ antwortete Mina mit einem Schulterzucken, sichtlich unbeschwerter als wir.
Die Lounge war riesig und luxuriös. Rote, große Sessel standen in weiten Abständen zueinander, und es herrschte eine fast unheimliche Ruhe – ein krasser Kontrast zum hektischen Treiben draußen im normalen Flughafenbereich. Wir ließen uns in die weichen Polster sinken und warteten auf das Boarding.
„Das Video, in dem du kurz zu sehen warst, hat mittlerweile 600.000 Aufrufe,“ sagte Rezo plötzlich zu Mina gewandt.
„Was?“ Mina sah ihn ungläubig an, als hätte er ihr gerade erzählt, sie sei über Nacht berühmt geworden.
„Ich dachte, wir reden an diesem Wochenende nicht über die Arbeit?“ mischte ich mich ein und warf Rezo einen amüsierten Blick zu. Es waren immerhin seine eigenen Worte gewesen, dass wir das Wochenende arbeitsfrei gestalten wollten.
Rezo hob die Hände, als wolle er sich verteidigen. „Das ist keine Arbeit, das ist einfach… Fakt“ erklärte er grinsend.
Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. Mina verdrehte die Augen, aber ich konnte sehen, dass sie das Ganze amüsiert. Sie ließ den Kopf zurück in den Sessel sinken und schloss kurz die Augen.
„Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Omen für das Wochenende ist,“ murmelte sie schließlich und grinste leicht.
„Definitiv ein gutes,“ antwortete Rezo.
Und während wir dort saßen und über Belanglosigkeiten plauderten, konnte ich zumindest für den Moment meine Flugangst vergessen. Vielleicht würde dieses Wochenende doch besser werden, als ich dachte.
Schließlich wurde unser Flug nach Salzburg aufgerufen, und wir erhoben uns von unseren Plätzen in der Lounge. Mina schien, wie immer, die Situation unter Kontrolle zu haben, während Rezo vor Vorfreude nur so sprühte.
„Ich sitze am Fenster,“ verkündete Mina bestimmt, als wir ins Flugzeug stiegen und zu unseren Plätzen gingen.
„Ich sitze am Gang,“ fügte Rezo hinzu und zwinkerte mir verschwörerisch zu.
Ich konnte mir ein schiefes Grinsen nicht verkneifen. Natürlich wollte er, dass ich zwischen den beiden Platz nahm. Es war offensichtlich, dass er die Gelegenheit für mich schaffen wollte, Mina näherzukommen.
Wir setzten uns, und während das Flugzeug zur Startbahn rollte, begann meine Nervosität sich bemerkbar zu machen. Mein Herz schlug schneller, und ich konnte den Schweiß auf meinen Handflächen spüren. Mina bemerkte meine Unruhe sofort.
„Alles okay?“ fragte sie mit einem leichten Stirnrunzeln, das ihre Sorge verriet.
Ich nickte nur und versuchte, mich auf meinen Atem zu konzentrieren. Das war der Moment, den ich am meisten hasste – das Starten. Ich lehnte den Kopf zurück, schloss die Augen und zwang mich, ruhig zu bleiben. Wie hatte ich bloß die Langstreckenflüge nach Singapur immer überstanden?
Plötzlich spürte ich Minas Hand, die sanft nach meiner griff. Ihre Berührung war beruhigend, fast schon erdend, und es gelang mir, den Atem wieder zu kontrollieren.
„Versuch ruhig zu atmen,“ sagte sie mit ihrer charakteristischen Ruhe. „Und denk schon mal darüber nach, ob du lieber Ski oder Snowboard fahren möchtest. Rezo hat mir erzählt, dass ihr blutige Anfänger seid.“
„Also, ich glaube, Skifahren ist einfacher,“ warf Rezo ein, der sich über den Gang zu uns beugte. „Zumindest hat der Chat im Stream gestern das gesagt. Ich habe mir da ein paar Tipps geholt.“
Das Flugzeug hob ab, und für einen Moment drückte ich Minas Hand etwas fester. Als wir schließlich die Reiseflughöhe erreichten, ließ die Anspannung langsam nach.
„Aber ich denke, Snowboarden und Longboarden müssen doch ähnlich sein,“ überlegte ich laut, um das Thema weiterzuführen und mich abzulenken.
„Schon,“ antwortete Rezo, „aber irgendwie auch nicht. Was meinst du, Mina?“ Er lehnte sich vor, um sie besser sehen zu können.
Ich folgte seinem Blick – doch Mina würde uns keine Antwort geben. Ihr Kopf war gegen die Flugzeugwand gesunken, ihre Augen geschlossen, und ihr Atem ging ruhig. Sie war eingeschlafen.
„Wie kann man so schnell schlafen?“ lachte Rezo und schüttelte den Kopf.
Ich lächelte leicht, sagte aber nichts. Es wäre wohl überflüssig gewesen, ihm zu erklären, dass Mina und ich noch bis spät in die Nacht gearbeitet hatten, um alles fertigzustellen und dieses Wochenende wirklich frei machen zu können.
Rezo und ich entschieden uns schließlich, einen Film anzuschauen, um die Zeit zu vertreiben. Während die Minuten verstrichen, bewegte sich Mina im Schlaf und legte ihren Kopf auf meine Schulter.
Für einen Moment war ich überrascht, doch ich wagte es nicht, mich zu bewegen. Stattdessen genoss ich die unerwartete Nähe. Ihr Duft – ein Mix aus Vanille und etwas Blumigem – stieg mir in die Nase, und ich konnte nicht anders, als zu lächeln.
Rezo bemerkte nichts, vertieft in den Film. Ich lehnte meinen Kopf gegen ihren und konnte nicht anders, als mir die Frage zu stellen, wie es sein musste so mit ihr morgens aufzuwachen?
Vielleicht war dieser Flug doch nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte.
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