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Pov Ju

Ich war erleichtert, dass mein Vortrag vorbei war. Es fühlte sich immer seltsam an, vor so vielen Menschen zu sprechen, die mich ansahen, als wäre ich wichtiger, als ich tatsächlich war. Aber die Studenten hatten ein paar Mal gelacht, und das gab mir zumindest das Gefühl, dass ich sie nicht komplett gelangweilt hatte.

Professor Coleman trat nach vorne und schüttelte mir die Hand. "Vielen Dank, Julien. Es war ein großartiger Einblick in die Welt des Content Creation. Ich bin mir sicher, dass unsere Studenten viel mitgenommen haben."

"Vielen Dank, dass Sie mich eingeladen haben," erwiderte ich höflich.

Der Professor wandte sich dann an die Menge. "Julien Bam hat sich freundlicherweise bereit erklärt, noch ein wenig zu bleiben. Nutzen Sie die Gelegenheit, um ihm Ihre Fragen zu stellen – und ich betone, Fragen zu stellen, nicht nur Selfies zu machen." Ein leises Lachen ging durch den Hörsaal, bevor er hinzufügte: "So eine Chance gibt es nicht oft."

Und er hatte recht. Innerhalb weniger Augenblicke war ich umringt. Smartphones wurden in meine Richtung gereckt, und ich fand mich lächelnd in unzähligen Selfies wieder.

"Julien, wie fängst du an, wenn du eine Idee für ein Video hast?" fragte ein Student.

"Meistens mit einem chaotischen Brainstorming," antwortete ich, bevor die nächste Frage kam. Es fühlte sich an wie ein schnelles Interview, unterbrochen von weiteren Handykameras.

Dann fiel sie mir wieder auf. Sie war mir schon während meines Vortrags aufgefallen, mit ihrem roten Haar und der einen Locke, die sich hartnäckig aus ihrem Zopf gelöst hatte. Die meisten Studenten hatten ihr iPad längst zur Seite gelegt, aber sie saß immer noch an ihrem Platz und schrieb konzentriert.

Es war fast irritierend, wie unbeeindruckt sie von dem ganzen Trubel wirkte. Während ich mich noch fragte, warum sie so aus der Masse hervorstach, bemerkte ich, dass meine Aufmerksamkeit nicht mehr bei den Fragen war, die mir gestellt wurden.

"Entschuldigt mich kurz," sagte ich zu den Studenten, die mich umringten, und ging zum Professor hinüber.

"Wer ist die Studentin da oben?" fragte ich direkt und deutete in ihre Richtung.

Professor Coleman folgte meinem Blick. "Ah, das ist Frau Schwarz. Mina Schwarz. Eine unserer besten Studentinnen. Sie ist nicht nur fleißig, sondern auch äußerst talentiert. Sie hat ein wirklich gutes Auge für visuelles Storytelling. Wenn Sie möchten, lasse ich Ihnen gerne ein paar ihrer Arbeiten zukommen."

Ich nickte, auch wenn ich nicht sicher war, warum ich das wollte. Es war nicht so, dass ich auf der Suche nach einem Praktikanten oder einem neuen Teammitglied war. Aber etwas an ihrer Ausstrahlung weckte mein Interesse.

Vielleicht war es die Art, wie sie sich nicht vom Trubel um sie herum ablenken ließ. Oder wie ihre Hand flink über das iPad flog, als ob sie keine Sekunde verlieren wollte. Es war faszinierend, jemanden so versunken in seine eigene Welt zu sehen.

Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, sie einfach anzusprechen, sie zu unterbrechen, nur um zu sehen, wie sie reagieren würde. Doch dann schob ich den Gedanken beiseite. Ich war hier, um mit den Studenten zu sprechen und nicht, um mich von meinen Launen ablenken zu lassen.

Ich kehrte zurück zu der Gruppe, die ungeduldig auf meine Rückkehr wartete, aber mein Blick wanderte immer wieder zu Mina.

Frau Schwarz... Mina Schwarz.

Der Name klang in meinem Kopf nach. Irgendetwas an ihr schien... anders. Nicht wie die braunhaarige Frau letzte Nacht, die ein zeitvertreib gewesen war, jedoch nicht die gewünschte Befriedigung in mir hervor gebracht hatte. Mina wirkte herausfordernd, unnahbar. Es war dieser Kontrast, der mich reizte.

Während ich in die nächste Kamera lächelte, schlich sich ein Gedanke in meinen Kopf: Mit dir könnte ich Spaß haben, Mina Schwarz. Nicht auf die übliche Art, sondern auf eine Weise, die mich wirklich herausfordert. Auf eine Weise, die mir endlich mal wieder gefallen könnte.

Es war mehr als nur eine flüchtige Faszination. Mina Schwarz hatte meine Aufmerksamkeit erregt, und ich hatte das Gefühl, dass ich sie nicht so schnell wieder verlieren würde.

Als ich ging, erhob sich die Rothaarige schließlich auch. Sie sammelte ihre Sachen zusammen, schob das iPad in ihre Tasche und kam die Treppe hinunter. Ihre Bewegungen waren ruhig, fast gelassen, obwohl der Saal noch immer voller Stimmen und Bewegungen war. Es war, als würde sie den Rest der Welt ausblenden können.

Ich hatte sie im Blick, fast ohne es bewusst zu wollen, und dann geschah es. Sie bemerkte meinen Blick. Für einen Moment sah sie mich direkt an, und ich konnte nicht anders, als kurz zu lächeln.

"Ein sehr inspirierender Vortrag, vielen Dank," sagte sie höflich, aber ihre Stimme klang distanziert, beinahe wie ein Pflichtkommentar. Es war nicht so, als würde sie das wirklich fühlen, sondern als hätte sie das Gefühl, sie müsse es sagen.

Ich erwiderte ihr Lächeln mit einem Grinsen. "Du hast auf jeden Fall sehr viel mitgeschrieben. Oder war das die Zeit für eine wirklich lange Einkaufsliste?"

Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, ein Ausdruck von Irritation huschte über ihr Gesicht. Es war ein kurzer Moment, aber ich bemerkte es. Sie schien sich nicht sicher zu sein, wie sie auf meinen Kommentar reagieren sollte.

Und dann entschied sie sich, nichts zu sagen. Stattdessen nickte sie kurz, wandte sich ab und ging.

Ich sah ihr hinterher, wie sie durch die Reihen der Stühle verschwand und die Tür des Hörsaals öffnete. Ein leiser Luftzug erfasste ihr Haar, als sie hinausging.

Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Mina Schwarz... Wenn du so leicht zu irritieren bist und gleichzeitig so sehr in deinen eigenen Gedanken festzustecken scheinst, könnte das nur noch interessanter werden.

Ich wusste es in diesem Moment: Ich wollte mehr über sie erfahren. Und noch mehr wollte ich sehen, wie sie reagiert, wenn ich sie aus ihrer kleinen, geordneten Welt herauslocke.

Sorry, Mina, aber mein Interesse hast du.

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