25

Der Vormittag verstrich, während ich mich mit Arbeit ablenkte. Thomas hatte mir einige Dateien geschickt, die ich von hier aus bearbeiten konnte. Damals, als ich diese Wohnung gekauft hatte, hatte ich mir geschworen, sie nicht als Arbeitsplatz zu nutzen. Das hielt genau zwei Wochen. Seitdem war das Wohnzimmer mehr als einmal Drehkulisse gewesen.

Nebenbei kümmerte ich mich um Mina, die einen wahrlich harten Tag durchmachte. Mehrmals musste ich sie ins Bad begleiten, wenn sie sich übergeben musste. Jedes Mal sah sie mich danach völlig verwirrt an, als hätte sie keine Ahnung, wo sie war oder warum ich da war. Ich vermutete, dass sie sich an nichts erinnern konnte. Trotzdem half ich ihr jedes Mal zurück ins Bett, deckte sie zu und wartete darauf, dass sie wieder einschlief – was meist schneller passierte, als sie überhaupt lag.

Gegen Nachmittag schien es ihr etwas besser zu gehen. Sie hatte geduscht, und ich hatte ihr eine viel zu große Jogginghose und einen Pullover geliehen. Mit nassen Haaren und blassem Gesicht sah sie immerhin halbwegs menschlich aus, als sie sich auf das Sofa setzte und an dem Tee nippte, den ich ihr gemacht hatte.

„Es würde helfen, wenn du etwas isst. Eine Banane vielleicht?" schlug ich vor.

Sie schüttelte stumm den Kopf.

„Salzgebäck? Um die Ecke ist ein Supermarkt, ich kann schnell was holen." Ich lief schon zur Tür, als sie endlich etwas sagte.

„Ist das hier deine Wohnung?"

Ich hielt inne und drehte mich zu ihr. „Ja, ist es. Ich konnte deine Schlüssel nicht finden."

„Und ... wo haben wir uns getroffen?" Ihre Stimme war leise und brüchig, und es wurde klar, dass sie sich an nichts erinnerte.

„Vor meinem Haus. Du bist fast aus dem Auto gefallen, eine Schwarzhaarige war dabei." Ich setzte mich neben sie auf das Sofa.

„Oh Gott." Sie stöhnte und vergrub das Gesicht in ihren Händen. „Hab ich irgendwas Peinliches gemacht oder gesagt?" nuschelte sie.

„Nein, es war nicht zu verstehen, was du gesagt hast." Die Lüge kam leicht über meine Lippen. Sie musste nicht alles wissen, was sie in ihrem Zustand von sich gegeben hatte.

„Wirklich?" Sie hob den Kopf und sah mich durch ihre unordentlichen Haare an.

Ich streckte die Hand aus und schob ihr die Haare aus dem Gesicht. „Es ist alles gut, Mina, solange das nicht wieder vorkommt." Meine Stimme war ruhig, aber ich konnte die Sorge nicht ganz verbergen. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken heute Morgen eingejagt."

„Tut mir leid," murmelte sie und ließ sich zurück aufs Sofa sinken, während sie sich mit den Händen übers Gesicht wischte.

„Ich besorge jetzt was zu essen," sagte ich entschieden und stand auf. „Und dann möchte ich wissen, warum du sturzbesoffen warst. Es ist schließlich unter der Woche."

Mina murmelte etwas Unverständliches, das ich nicht weiter hinterfragte, und machte mich auf den Weg zum Supermarkt. Ich kaufte Salzstangen und Zutaten für eine einfache Gemüsesuppe – etwas, das ihren Magen beruhigen könnte.

Als ich zurückkam, lag Mina noch immer auf dem Sofa.

„Bist du jetzt fertig mit deinem Selbstmitleid?" fragte ich provokant und stellte die Einkaufstaschen in der Küche ab.

„Das ist kein Selbstmitleid," seufzte sie, ohne sich zu bewegen.

„Sondern?" Ich begann, die Einkäufe auszupacken.

Sie antwortete nicht sofort. Schließlich drehte sie den Kopf zur Seite und sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht recht deuten konnte. „Es ist ... kompliziert."

Ich stellte die Suppentöpfe auf den Herd und machte mich an die Arbeit. „Kompliziert ist kein Grund, sich an einem Dienstagabend ins Koma zu trinken."

„Vielleicht nicht für dich," murmelte sie, so leise, dass ich es kaum verstand.

Ich drehte mich zu ihr um und verschränkte die Arme. „Dann erklär's mir, Mina. Was bringt dich dazu, dich so gehen zu lassen?"

Sie setzte sich auf, zog die Knie an die Brust und starrte auf ihre Hände. „Ich will nicht drüber reden," sagte sie schließlich.

„Du wirst aber drüber reden müssen," sagte ich ruhig, „wenn ich dir helfen soll."

Ihr Blick wanderte zu mir, und für einen Moment sah es aus, als würde sie weinen. Doch dann nickte sie knapp. „Vielleicht später," flüsterte sie.

Das war besser, als ich erwartet hatte. Ich wandte mich wieder der Suppe zu, während hinter mir eine merkwürdige Stille einkehrte.

Ich wollte nicht zu hart zu ihr sein, aber das hier konnte so nicht weitergehen. Mina war ein Mensch mit Potenzial, und es frustrierte mich, sie so zu sehen. Während die Suppe auf dem Herd köchelte, nötigte ich sie dazu, ein paar Salzstangen zu essen.

„Weißt du denn wenigstens selbst noch den Grund, warum du in so einen Zustand geraten bist?" fragte ich und nahm mir selbst eine Salzstange aus der Packung.

„Weil ich dumm bin und dumme Dinge tue," murmelte sie, den Blick fest auf den Boden gerichtet.

„Das stimmt nicht. Du bist nicht dumm. Oder schreibst du die Arbeiten an der Uni etwa nicht selbst?" Ich wusste, dass sie ausschließlich gute Noten hatte – Einsen und Zweien.

„Doch."

„Also kannst du ja nicht dumm sein," stellte ich fest und beobachtete sie.

„Das verstehst du nicht," sagte sie leise, ihre Stimme brüchig.

„Da hast du recht. Weil du es mir nicht erklärst." Ich stand auf, ging zum Herd und rührte die Suppe um.

Hinter mir hörte ich sie leise murmeln: „Warum musste ich denn auch ausgerechnet dir betrunken vor die Füße fallen?"

Ich schmunzelte und drehte mich halb zu ihr um. „Weil du, selbst wenn du betrunken bist, ein scheinbar sehr pflichtbewusster Mensch bist und arbeiten wolltest."

Sie hob den Kopf, ihre Augen suchten meinen Blick, doch ich wandte mich wieder der Suppe zu und griff nach einem tiefen Teller. Ich füllte etwas von der heißen Brühe hinein, reichte ihr den Teller und holte mir selbst einen. Dann setzte ich mich wieder zu ihr aufs Sofa.

Sie nippte zögerlich an der Suppe und sah schließlich über den Rand des Tellers zu mir. „Warum machst du das?" fragte sie leise, fast misstrauisch.

„Ich brauche meine Praktikantin eben noch," sagte ich mit einem Lächeln.

Für einen Moment herrschte Stille zwischen uns, dann nahm sie einen weiteren Löffel Suppe. Es war klar, dass sie noch etwas sagen wollte, aber die Worte schienen ihr schwerzufallen. 

Mina stellte ihren leeren Teller auf den Wohnzimmertisch, dann sah sie mich an. Ihr Blick war ernst, ihre Augen glänzten, und ich wusste, dass sie etwas Wichtiges sagen wollte.

„Meine Mom hat mich angerufen," begann sie leise.

Ich runzelte die Stirn. Von unserem gemeinsamen Essen wusste ich, dass sie von ihren Eltern rausgeworfen worden war. Ein Anruf von ihrer Mutter schien keine alltägliche Sache zu sein.

„Es war wie immer," fuhr sie fort, während ihr Blick zu ihren Händen wanderte. „Ich weiß auch nicht, warum es mich so getroffen hat."

Ihre Schultern sanken herab, und ich sah, wie ihre Lippe zitterte. „Ich wollte nicht so abstürzen," sagte sie, ihre Stimme brach. „Ich mache einfach immer selber alles kaputt."

Ein Schluchzen entwich ihr, und ich konnte nicht länger zusehen. Ich rutschte näher zu ihr, legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie sanft an mich.

„Hey," sagte ich ruhig. „Was hast du denn kaputt gemacht? Du bist doch noch heil. Dein Studium läuft, und beim Praktikum hast du nur das Pech, an mich geraten zu sein."

Ich spürte, wie sie sich anspannte, dann hörte ich ein leises Lachen.

„Schön das du endlich einsiehst wie anstrengend du bist" murmelte sie, ihre Stimme schwach, aber mit einem Anflug von Humor.

„Na also," sagte ich mit einem kleinen Lächeln und hielt sie ein Stück von mir weg, damit ich ihr ins Gesicht sehen konnte. „Da ist sie ja wieder. Die Mina, die sich nicht so leicht unterkriegen lässt."

Ihre Augen suchten meinen Blick, und für einen Moment war da nur Stille zwischen uns. Dann nickte sie langsam, ihre Schultern entspannten sich ein wenig, und sie ließ sich ein kleines Lächeln entlocken.

"Ich traue dir trotzdem nicht. Irgend einen Hintergedanken hast du doch hierbei" sagte sie schließlich.

"Hier liegt eine hübsche junge Frau in meinen Armen, dessen Outfit bis vor ein paar Stunden noch ein Ausschnitt hatte, dass bis zu ihrem Bauchnabel ging, sag mir Mina welche Gedanken soll ich da haben?" grinste ich und kassierte einen Schlag gegen die Brust.

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