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Pov Mina

Ich frühstückte mit Lana in unserem Lieblingscafé, nur eine Ecke von unserer Wohnung entfernt. Die Sonne schien sanft durch die großen Fenster und der Duft von frisch gebackenem Croissant lag in der Luft. Es war mein persönlicher Sonntagshimmel – ein perfekt gebräuntes Croissant, ein Cappuccino mit dem genau richtigen Schaum, und Lana, die wie immer mehr über mein Leben wissen wollte, als sie zugeben wollte.

„Also, wie war es mit diesem Tim?" fragte ich und nahm einen Schluck von meinem Cappuccino, der inzwischen die perfekte Trinktemperatur hatte.

Lana lehnte sich mit einem süffisanten Lächeln zurück. „Er war wirklich nett. Wir haben die halbe Nacht nur geredet."

„Und die andere halbe Nacht?" hakte ich mit einem Grinsen nach.

Lanas Lächeln wurde breiter, ihre Augen leuchteten. „Da sind wir uns dann etwas näher gekommen."

„Hab ich's doch gewusst!" Ich lachte und schüttelte den Kopf. Lana und ihre Geschichten – immer wie aus einem Film.

„Und was hast du gestern gemacht?" fragte sie, während sie sich einen Bissen Croissant abschreckte.

„Ich war bei Ikea, habe uns eine neue Fußmatte gekauft," antwortete ich beiläufig.

Lana zog die Augenbrauen hoch und tat so, als würde sie gähnen. „Und wo bleibt der spannende Teil?"

Ich überlegte kurz. Klar, ich hätte erzählen können, dass Julien mich bei uns zu Hause überrascht hatte, dass ich ihn durch den Ikea geschoben hatte wie ein übergroßes Kind, dass wir danach im Kino waren und... na ja, dass die Sache im Auto ein bisschen eskaliert war. Stattdessen nahm ich einen weiteren Bissen von meinem Croissant und blieb ganz ruhig.

„Den gab es nicht," log ich. „Es war ein ganz normaler Samstag."

Lana musterte mich skeptisch, ihre Augen verengten sich leicht. „Hm, wirklich?" fragte sie und beugte sich leicht vor.

„Wirklich."

„Und an was denkst du? Deine Wangen werden ja ganz rot," kicherte sie und nippte an ihrem Kaffee.

„Das muss der Koffein sein," wich ich aus und schüttelte den Kopf, als wäre das die plausibelste Erklärung der Welt.

Lana grinste wissend, sagte aber nichts mehr. Ich atmete erleichtert durch und beschloss, dass ich diese Geschichte lieber noch ein bisschen für mich behalten würde – zumindest für heute.

Nach dem Frühstück trennten sich unsere Wege. Lana zog es vor, den Rest des Tages in unserer Wohnung zu verbringen, um ihre Koffer zu packen. Die Semesterferien standen bevor, und sie wollte die Zeit bei ihrer Familie in München verbringen. Ich hingegen entschied mich, trotz des windigen Wetters einen Spaziergang zu machen.

Ich zog meine Jacke bis oben hin zu und trat hinaus in die frische Luft. Schon nach den ersten Schritten bereute ich, keinen Schal mitgenommen zu haben. Der Wind schnitt kühl um meinen Hals, aber es war zu spät, um nochmal zurückzugehen. Also machte ich mich auf den Weg zum Flussufer.

Dort war es ruhig – abgesehen vom Rauschen des Wassers und dem gelegentlichen Surren von Fahrrädern, die an mir vorbeisausten. Jogger liefen in gleichmäßigem Rhythmus, und auf einer Bank schlief jemand, umgeben von leeren Bierflaschen. Das Wasser war aufgewühlt; kleine Wellen schlugen gegen die Mauern, und ein einsames Boot schaukelte daraufhin und her.

Mein Handy vibrierte. Ich blieb stehen, zog es aus meiner Umhängetasche und war für einen winzigen Moment überzeugt, dass Julien mir schrieb. Doch als der Name meiner Mutter aufleuchtete, wurde meine Brust schwer.

„Hallo, Mom," meldete ich mich und bemühte mich um einen neutralen Ton.

„Mina, wie geht es dir? Wo treibst du dich rum?" Ihre Stimme klang so, als sei das hier ein Routineanruf – als würde sie sich regelmäßig nach mir erkundigen.

„Ganz gut. Und euch?" Ich zwang mich zu einem Lächeln, als ob sie es durchs Telefon sehen könnte. „Ich gehe gerade spazieren, auch wenn es ziemlich windig ist. Weshalb rufst du an?"

Solche Anrufe kamen nicht aus Interesse an meinem Leben. Es gab immer einen Grund, und dieser hatte selten etwas mit mir zu tun.

„Dein Vater hat mal wieder viel zu tun, und ich muss den nächsten Empfang ganz alleine organisieren, weil die Hausdame krank ist," begann sie mit ihrem typischen Selbstmitleid. Dann kam es: „Aber ich wollte dich fragen, ob du dich erinnerst, von wem wir damals die Blumen für deinen siebzehnten Geburtstag bestellt hatten?"

Natürlich. Blumen. Der einzige Grund, warum sie mich nach Monaten kontaktierte. Ich schloss die Augen und rief mir verzweifelt irgendeinen Namen ins Gedächtnis. Einen an den ich mich überhaupt erinnern konnte, weil ich nüchtern gewesen war „Ich denke, das war bei dem Floristen in Charlottenburg."

„Danke, Liebes. Und wie läuft das Studium?" Oh, heute war sie aber gesprächig. Wahrscheinlich war niemand in ihrer Nähe, um zu hören, dass sie mit ihrer enttäuschenden Tochter sprach.

„Ganz gut. Ich wurde für ein Praktikum bei einem erfolgreichen YouTuber eingeladen. Er hat meinen Professor angesprochen, weil er meine Arbeiten sehen wollte."

„Das ist ja schön. Dann nimm diese Chance bitte ernst, Mina."

„Das tue ich," antwortete ich. Doch ich wusste, was jetzt kam. Ich schloss die Augen und wartete. Es war immer dasselbe.

„Und verdreh diesem YouTuber nicht den Kopf, um wieder eine Bettgeschichte daraus zu machen."

Es fühlte sich an wie ein Schlag mitten ins Herz.

„Mom, bitte. So bin ich nicht mehr," entgegnete ich, doch meine Stimme zitterte.

„Das hoffe ich. Ach, übrigens: Die Noltes sagten, ihre Tochter fährt nach Köln, um die Geschäftsstelle dort zu besuchen. Tu dir selbst einen Gefallen und halte dich von ihr fern."

Sofia Nolte. Meine beste Freundin, die in den Augen meiner Eltern für alles verantwortlich war, was ich jemals falsch gemacht hatte. Nicht ich selbst, sondern Sofia und das nur weil ihre Eltern die Clubs besaßen in denen wir gefeiert hatten.

„Ich muss jetzt auflegen," sagte ich schnell und drückte den Anruf weg.

"Nimm deine Chance bitte ernst" äffte ich sie nach, während ich Sofias Nummer wählte.

Giiirrll!" quietschte es mir ins Ohr. „Ich hab schon darauf gewartet, dass du dich meldest!"

„Ich wurde gerade ausdrücklich vor dir gewarnt," sagte ich ernst, obwohl ich innerlich bereits lächelte.

„Und wer warnt mich mal vor dir?" lachte Sofia. „Hör zu, ich hab gerade ins Hotel eingecheckt und muss mich erstmal frisch machen. Du wirst es nicht glauben, aber mein Vater hat mich mit der Bahn herfahren lassen. Weißt du, wie viele Keime in so einem Ding sind?"

Ich lachte laut.
„Ich komm dann zu dir. Ich muss ja mal sehen, in was für eine Absteige sie dich verbannt haben." sagte sie "Und ich muss dir von Florida erzählen!" sprudelte sie weiter.

Wir hatten ewig nur telefonieren können. Sofia war in der Welt umher gereist, während ich die Kontrolle über mein Leben verloren hatte. Sie hatte mir Bilder von den schönsten Stränden geschickt, während ich verzweifelt nach einer Wohnung suchen musste, die ich mir leisten konnte und hatte so lernen müssen, ohne Geld, Luxus und einer Hausdame klar zu kommen.

Während Sofia redete, fühlte ich mich zum ersten Mal nach langem wieder wie ich selbst – als könnte ich die Vergangenheit für einen Moment vergessen und einfach wieder Mina sein.

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Happy New Year ihr Lesemäuse <3

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